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DOI: 10.1055/a-1962-4543
Kommentar zu „Intravenöses Immunglobulin verbessert Dermatomyositis-Symptome“

Die adulte Dermatomyositis als Subentität der idiopathisch-inflammatorischen Myopathien ist eine seltene Erkrankung. Die Inzidenz der idiopathisch-inflammatorischen Myopathien in Europa wird auf 5–7 pro 1 Million Einwohner geschätzt [1]. Sie kann mit erheblicher krankheitsassoziierter, aber auch therapieassoziierter Morbidität einhergehen.
Daher ist eine randomisierte, placebokontrollierte Studie zum Wirksamkeits- und Sicherheitsnachweis ein beachtlicher Zugewinn an evidenzbasiertem Wissen und erbringt einen Zuwachs an möglichen Behandlungsoptionen.
Die ProDERM-Studie ist die erste placebokontrollierte Studie an einer großen Patientenzahl zum Wirksamkeitsnachweis von IVIG. Basierend auf diesen Ergebnissen erfolgte 2021 sowohl die EMA- als auch die FDA-Zulassung von Octagam 10%. Somit stellen IVIG die einzige zugelassene Therapie-Option bei der Dermatomyositis dar.
Hervorzuheben an der Studie ist, gemessen an der geringen Inzidenz der Erkrankung, die große Zahl der eingeschlossenen Studienteilnehmer. Insgesamt 95 Patienten wurden randomisiert, verglichen mit der einzigen kontrollierten Studie aus dem Jahr 1993 mit 15 eingeschlossenen Patienten [2]. Außerdem ist das multizentrische Format zu begrüßen: Aus Deutschland nahmen die Charité und das Universitätsklinikum Münster teil. Zusammen mit dem randomisierten, placebokontrollierten Design nimmt sie den Stellenwert einer Landmarkstudie zur Behandlung der Dermatomyositis ein.
Dennoch bleiben einige Fragen unbeantwortet:
Zum Einschluss in die Studie mussten die Klassifikationskriterien nach Bohan und Peter [3] erfüllt sein. 2017 wurden neuere, den Forschungsentwicklungen angepasste Kriterien von ACR/EULAR [4] publiziert. Diese berücksichtigen auch das Auto-Antikörper-Profil, was die Erkennung von Subtypen der Myositiden und damit eine bessere Selektion für Studien erlaubt. In der ProDERM-Studie wurden nicht alle Patient*innen auf Antikörper getestet.
Ebenso war kein Biopsie-Nachweis als weiteres objektivierbares Klassifikationskriterium gefordert und nur ein Teil der Patienten wurde mittels Elektromyografie/Nervenleitgeschwindigkeit untersucht.
Hinzu kommt, dass der primäre Endpunkt über den Total-Improvement-Score erfasst wurde. Dieser Composite-Score beinhaltet 6 Messparameter, von denen die meisten subjektiv bestimmt werden.
Offen bleibt weiterhin die Frage nach der Dauer der Behandlung. Die Studie wurde über 16 Wochen, und in der zweiten Phase über weitere 24 Wochen durchgeführt. Hinweise auf die Dauer des Therapie-Effekts sind aus der Studie nicht ersichtlich.
Ein weiterer Aspekt ist die hohe Placebo-Ansprechrate mit 44%, was möglicherweise rückschließen lässt, dass der zu erreichende Endpunkt zu niedrig gesetzt war. Denkbar ist auch ein Einfluss der immunsuppressiven Begleitmedikation, die Patienten in beiden Studienarmen erhalten durften.
Es ist bekannt, dass Immunglobuline das Thromboserisiko erhöhen [5]. Dies war auch in dieser Studie zu beobachten, mit insgesamt 6 thromboembolischen, therapieassoziierten Ereignissen.
Die Studie bietet Effektivitätsdaten für die IVIG-Formulierung der Firma Octapharma (Octagam 10%), die die alleinige Zulassung besitzt. Allerdings wurden IVIG bisher herstellerunabhängig eingesetzt.
Darüber hinaus wissen wir noch nicht, welchen Einfluss die Therapie auf die verschiedenen Organmanifestationen, wie z.B. die Lunge, hat.
Da nur die Dermatomyositis bei Erwachsenen untersucht wurde, bleibt ungeklärt, ob die Ergebnisse auf die restlichen Subentitäten der idiopathisch-inflammatorischen Myopathien extrapolierbar sind.
Trotz der offen gebliebenen Fragen bedient die ProDERM-Studie doch den bis dahin ungedeckten Bedarf an Evidenz einer effektiven Therapie bei einer unserer seltenen Erkrankungen in der Rheumatologie. Obwohl Immunglobuline seit langer Zeit eingesetzt werden, waren bisher keine evidenzbasierten Daten vorhanden. Die positiven Studienergebnisse geben mehr Sicherheit für Behandler in der Verordnung und Verabreichung dieser Medikamentenklasse bei Patient*innen mit Dermatomyositis, die kein erhöhtes Thromboembolie-Risiko haben.
Publication History
Article published online:
22 May 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Burmester GR, Buttgereit F. Dermatomyositis – Polymyositis. In: Zeidler H, Zacher J, Hiepe F. Interdisziplinäre klinische Rheumatologie: Innere Medizin. Orthopädie. Immunologie. Berlin Heidelberg: Springer; 2001: 895-903
- 2 Dalakas MC, Illa I, Dambrosia JM. et al. A controlled trial of high-dose intravenous immune globulin infusions as treatment for dermatomyositis. N Engl J Med 1993; 329: 1993-2000
- 3 Bohan A, Peter JB. Polymyositis and Dermatomyositis: (First of Two Parts). N Engl J Med 1975; 292: 344-347
- 4 Lundberg IE, Tjärnlund A, Bottai M. et al. EULAR/ACR Classification Criteria for Adult and Juvenile Idiopathic Inflammatory Myopathies and their Major Subgroups. Ann Rheum Dis 2017; 76: 1955-1964
- 5 Daniel GW, Menis M, Sridhar G. et al. Immune globulins and thrombotic adverse events as recorded in a large administrative database in 2008 through 2010. Transfusion (Paris) 2012; 52: 2113-2121