Schlüsselwörter Schilddrüsenerkrankungen in der Schwangerschaft - Hypothyroidismus - Hyperthyroidismus
1. Einleitung
Die Schwangerschaft hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die Schilddrüse und ihre
Funktion. Die Produktion der Schilddrüsenhormone und Jodbedarf steigen um fast 50%.
Bei manchen Schwangeren
können signifikante und schwangerschaftsrelevante Schilddrüsenfunktionsstörungen auftreten,
die im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen erkannt werden sollten. Weiterhin unterscheidet
sich die
Beurteilung der maternofetalen Schilddrüsenfunktionen signifikant während der Schwangerschaft
und bildet somit eine weitere klinische und laborchemische Herausforderung. Aufgrund
der neuen
Studienlage, der Komplexität und maternalen Relevanz der Schilddrüsenerkrankungen
entschied sich die Sektion für maternale Erkrankungen der Arbeitsgemeinschaft für
Geburtshilfe und
Pränataldiagnostik (AGG) für die Erstellung einer Stellungnahme mit entsprechenden
Empfehlungen zum Umgang mit Schilddrüsenfunktionsstörungen in der Schwangerschaft.
2. Methodik
Grundlage für die Erarbeitung der vorliegenden Stellungnahme war die 2017 aktualisierte
Version der amerikanischen Leitlinie zum Management von Schilddrüsenerkrankungen in
der Schwangerschaft
(19). Darüber hinaus führten wir eine Medline-Literaturrecherche unter Verwendung
der Suchbegriffe „pregnancy AND thyroid“, „pregnancy AND hypothyroidism“, „pregnancy
AND hypothyroidism“ and
„pregnancy AND subclinical hypothyroidism“ und der Filter „Meta-Analysis“, „systematic
review“ and „5 years“ durch. Die Abstracts wurden auf ihre Relevanz geprüft und die
entsprechenden
Studien für die Publikation verwendet. Zu einzelnen spezifischeren Fragestellungen
wurden themenbezogene Literaturrecherchen angeschlossen. Die formulierten Empfehlungen
wurden mit der Sektion
„Mütterliche Erkrankungen“ der Arbeitsgemeinschaft Geburtshilfe und Pränatalmedizin
(AGG) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) abgestimmt.
3. Pathophysiologie/Screening und Diagnostik in der Schwangerschaft
3. Pathophysiologie/Screening und Diagnostik in der Schwangerschaft
3.1. Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft
AGG-Statement (1)
Aufgrund der Rezeptorhomologie zwischen TSH- und LH/β-HCG-Rezeptor sinken die TSH-Werte bereits im 1. Trimenon bis 0,1 mU/ml, steigen dann aber mit fortschreitendem Gestationsalter
an.
AGG-Empfehlung (1)
Schwangeren sollte eine tägliche Einnahme von 100 – 150 µg Jod pro Tag empfohlen werden. Ein kindlicher protektiver Effekt ist bei Jodmangel allerdings
umstritten.
AGG-Empfehlung (2)
Eine Bestimmung der TSH-Serumkonzentration sollte bereits präkonzeptionell bei allen
Frauen, bei denen eine reproduktionsmedizinische Maßnahme geplant ist, erfolgen.
Im Rahmen der Schwangerschaft kommt es zu physiologischen Veränderungen, die bei einer
Beurteilung der Schilddrüsenparameter zu berücksichtigen sind.
β-HCG besitzt aufgrund einer Affinität an den TSH-Rezeptor thyreotrope Eigenschaften.
Eine negative Rückkopplung führt zu einem signifikanten Abfall der TRH- und TSH-Ausschüttung
zwischen
7 + 0 – 12 + 0 Schwangerschaftswochen (SSW) [1 ], [2 ], [3 ], [4 ], [5 ], [6 ], [7 ], [8 ], [9 ], [10 ], [11 ]. Dabei erreichen die TSH-Werte ihren Nadir zwischen 11 + 0 – 14 + 0 SSW [12 ], [13 ]. Die TSH-Werte zwischen 4 + 0 – 6 + 0 SSW ähneln deren von Frauen im nicht schwangeren
Status [14 ]. Im
1. Trimenon sinkt der obere Grenzwert um ca. 0,5 mU/l und der untere Grenzwert um
ca. 0,4 mU/l (Normwerte: 0,1 – 2,5 mU/l). Im weiteren Schwangerschaftsverlauf nähern
sich die Werte wieder
dem Normbereich außerhalb der Schwangerschaft an [15 ], [16 ]. Bei höheren β- HCG-Spiegeln, z. B. bei
Mehrlingsschwangerschaften, konnten signifikant niedrigere Werte für TSH und höhere
Werte für Schilddrüsenhormone gemessen werden [12 ], [17 ], [18 ], [19 ], [20 ]. Der TSH-Referenzbereich ist von mehreren
Faktoren wie Jodstatus der Bevölkerung, verwendetem TSH-Assay, BMI, geografischer
Region und Ethnizität abhängig [15 ], [21 ].
Idealerweise liegen lokale und trimenonspezifische Referenzwerte vor, die an gesunden
und TPO-AK-negativen Schwangeren mit normalen Jodwerten ermittelt wurden. In Ermangelung
dieser Daten
wird international aktuell ein oberer TSH-Grenzwert von 4,0 mU/l empfohlen [15 ]. Damit gelten die bisher trimenonspezifischen Grenzwerte nicht mehr.
Somit sinkt auch die Häufigkeit der Diagnose einer subklinischen Hypothyreose. Unabhängig
von dieser Festlegung gilt weiterhin die Empfehlung, ab einem TSH-Wert von 2,5 mU/l
eine
weiterführende Diagnostik durchzuführen ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Behandlungsalgorithmus einer Schilddrüsenfunktionsstörung in der Schwangerschaft
(nach [15 ]).
Die Schilddrüsenhormone (T3, T4) und thyroxinbindenden Globuline (TBG) steigen mit
den β- HCG-Werten im 1. Trimenon an [11 ]. Nach einem initialen Serum
T3- und T4- Plateau im 1. Trimenon sinken diese stetig im 2. und 3. Trimenon ab [11 ]. Bei der Erstellung von Normwerten muss daher das
Schwangerschaftstrimenon berücksichtigt werden [22 ]. Bei der fT4-Quantifizierung mit gängigen Immunoassays kann es mit den in der Routine
eingesetzten
Verfahren wegen methodischer Störanfälligkeit während der Schwangerschaft zu diskrepanten
Ergebnissen kommen. Durch eine Tandem-Massenspektrometrie können die fT4-Spiegel im
Rahmen der
Schwangerschaft zuverlässig quantifiziert werden. Allerdings ist dieses Verfahren
als Routineverfahren nicht kosteneffizient und technisch aufwendig [23 ], [24 ], [25 ]. Alternativ kann die fT4-Messung durch die Bestimmung des freien T4-Indexes oder
die Bestimmung des
Gesamt-T4 ersetzt werden [26 ]. Dadurch muss der T3-Uptake in der Laboranalytik zusätzlich bestimmt werden. Der
freie T4-Index wird folgendermaßen
berechnet:
FTI = (Gesamt)T4 × T3–Uptake ∕ 100
Bei Schwangeren liegt der täglich geschätzter Jodbedarf bei 160 µg/d und die empfohlene
Tageseinnahme bei 220 µg/d [27 ]. Durch einen schweren Jodmangel
erhöht sich die TSH-Produktion, welches zu einer maternofetalen Strumabildung führen
kann [28 ]. Es besteht, wenn auch umstritten, ein Zusammenhang zwischen
mütterlichem Jodmangel in der Schwangerschaft und vermehrten kindlichen Komplikationen,
z. B. Plazentahypotrophie, kleinerem neonatalen Kopfumfang, kindlichem Aufmerksamkeitsdefizit,
kindlicher Hyperaktivität und neurokognitiven Defiziten [29 ], [30 ], [31 ], [32 ], [33 ]. Aufgrund von regionalen Unterschieden in der Jodverfügbarkeit in der Nahrung und
der Umwelt wird auf eine regionale
Jodzufuhrpolitik bei Schwangeren hingewiesen [15 ]. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), das Bundesinstitut für Risikobewertung
(BfR) und der
Arbeitskreis Jodmangel (AKJ) empfehlen für Schwangere und Stillende in Deutschland
eine tägliche Einnahme von 100 – 150 µg Jod, wenn möglich bereits ab 3 Monaten vor
Konzeption, um einer
subklinischen mütterlichen und fetalen Hypothyreose (SCH) vorzubeugen [34 ]. Ein kindlicher protektiver Effekt einer Jodsupplementation wird allerdings in der
Literatur kontrovers diskutiert [35 ], [36 ]. Die Einnahme von mehr als 500 µg Jodid pro Tag sollte aufgrund des Potenzials der
Induktion einer kindlichen Schilddrüsendysfunktion vermieden werden [15 ], [37 ].
3.2. Soll ein universales Screening für Schilddrüsenerkrankungen in der Schwangerschaft
stattfinden?
AGG-Empfehlung (3)
Bei allen Schwangeren soll bei der Erstuntersuchung anamnestisch nach Schilddrüsenerkrankungen
oder Risikofaktoren für eine Schilddrüsenerkrankung gefragt werden. Ein Screening
auf
Schilddrüsenerkrankungen durch die Bestimmung vom TSH-Wert in der Schwangerschaft
soll beim Vorliegen von Risikofaktoren empfohlen werden.
Eine physiologische Schilddrüsenhormonkonzentration ist essenziell für ein gutes maternofetales
Outcome [38 ]. Unumstritten ist das ungünstigere Outcome bei
einer klinischen Über- und Unterfunktion der Schilddrüse [38 ], [39 ]. Die manifeste („overt“) Schilddrüsendysfunktion ist
signifikant seltener als die subklinischen Varianten [40 ]. Ein generelles TSH-Screening dient hauptsächlich der Diagnostik subklinischer/latenter
Schilddrüsendysfunktionen. Ob die Einstellung einer subklinischen Schilddrüsendysfunktion
eine reine „Laborkosmetik“ ist oder einen fetalen neurokognitiven Schutz bietet, ist
in der
Literatur umstritten [41 ], [42 ]. In Deutschland besteht aufgrund mangelnder Studienlage kein Konsensus über die
Aufnahme der
Schilddrüsenuntersuchung in den Katalog der Krankenkassenleistungen im Rahmen der
normalen Schwangerschaftsvorsorge [43 ].
Auf die kontroverse Studienlage in den subklinischen Formen der Schilddrüsendysfunktionen
wird im weiteren Text eingegangen. Trotz der kontroversen Studienlage sollte in Anbetracht
der
Assoziation zu Fehl- und Frühgeburt ein TSH-Screening bei vorliegenden Risikofaktoren
([Tab. 1 ]) erfolgen, insbesondere wenn positive Antikörper
(thyreoidale Peroxidase [TPO-AK], TSH-Rezeptor-Antikörper [TRAK], Thyreoglobulin-Antikörper
[TAK]) nachweisbar sind [15 ], [44 ]. Ein Algorithmus wird in [Abb. 1 ] dargestellt und in den nächsten Subkapiteln besprochen.
Tab. 1 Risikofaktoren für eine Schilddrüsenerkrankung in der Schwangerschaft (inkl. subklinische
Hypothyreose) (nach [15 ], [44 ]).
Z. n. Fehl-/Frühgeburt oder Infertilitätsanamnese
Anamnestischer Hinweis oder klinischer V. a. Hypo-/Hyperthyreose
Schilddrüsenerkrankungen in der Eigen-/Familienanamnese
positiver Antikörperstatus (thyreoidale Peroxidase [TPO-AK], TSH-Rezeptor-Antikörper
[TRAK], Thyreoglobulin-Antikörper [TAK])
bestehende Struma
Z. n. Schildrüsen-OP oder Radiatio Hals/Nacken
thyreotoxische Medikamente
Alter > 30 Jahre
BMI > 40 kg/m2
Multiparität (≥ 2)
Diabetes mellitus Typ 1
Autoimmunerkrankungen
Wohnort in einem ausgeprägten Jodmangelgebiet
4. Subklinische Schilddrüsenfunktionsstörungen
4. Subklinische Schilddrüsenfunktionsstörungen
Eine subklinische Hypo- oder Hyperthyreose liegt vor, wenn die Serumkonzentration
des TSH erhöht (subklinische Hypothyreose) bzw. erniedrigt oder nicht messbar ist
(subklinische
Hyperthyreose) und die Serumkonzentrationen der freien (nicht gebundenen) Schilddrüsenhormone
Triiodthyronin (fT3) und Thyroxin (fT4) im Normbereich liegen. Für die Schwangerschaft
von
Bedeutung ist insbesondere die subklinische Hypothyreose (SCH). Die klinische Symptomatik
ist meistens unspezifisch, subklinische Schilddrüsenfunktionsstörungen sind somit
meist
„Labordiagnosen“.
Häufigste Ursache einer (latenten) Hypothyreose in der Schwangerschaft ist die Hashimoto-Thyreoiditis,
gekennzeichnet durch erhöht nachweisbare TPO-AK und/oder TAK, seltener inhibierende
TRAK.
4.1. Subklinische Hypothyreose und Schwangerschaftskomplikationen
Die Prävalenz einer SCH wird mit 2 – 3% angegeben [42 ]. Hypothyreose und Jodmangel in der Schwangerschaft haben einen ungünstigen Einfluss
auf die
Schwangerschaft und fetale/neonatale Entwicklung [15 ], [45 ]. Für die SCH zeigten zahlreiche Beobachtungsstudien und
Metaanalysen eine Assoziation sowohl mit Schwangerschaftskomplikationen als auch fetalen/neonatalen
Komplikationen. Eine zweifelsfreie Assoziation zur neurokognitiven Entwicklung des
Kindes
besteht bei SCH jedoch nicht [45 ].
Andere Studien und Metaanalysen konnten die Assoziation der SCH mit Schwangerschaftskomplikationen
nicht bestätigen. Die Diskrepanzen können z. T. mit unterschiedlichen Grenzwerten
des
TSH-Spiegels und den unterschiedlichen Definitionen für die SCH begründet werden [15 ].
4.1.1. Fehlgeburt
AGG-Statement (2)
Die subklinische Hypothyreose geht mit einem erhöhten Fehlgeburtsrisiko einher.
Während die SCH nach einer aktuellen Metaanalyse nicht mit einem erhöhten Risiko für
wiederholte Aborte assoziiert zu sein scheint – wobei die Datenlage hier limitiert
ist – [46 ], bestätigt ein systematischer Review und eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020 die
SCH als Risikofaktor für eine Fehlgeburt vor 19 + 0 SSW, unabhängig vom
diagnostischen Kriterium der SCH [47 ]. Ein Schwangerschaftsverlust (definiert als Fehlgeburt, intrauteriner Fruchttod
oder neonataler Tod) ist mit einer SCH
assoziiert, wobei das Risiko mit ansteigenden TSH-Werten ansteigt [48 ], [49 ], [50 ]. Das
Risiko für eine Fehlgeburt bei SCH scheint bei positivem TPO-AK-Befund erhöht zu sein
[49 ], [51 ].
4.1.2. Frühgeburt
AGG-Statement (3)
Schwangere mit einer subklinischen Hypothyreose weisen ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko auf.
Nach aktuellen Studien ist eine SCH ein Risikofaktor für eine Frühgeburt (OR 1,29
[95%-KI, 1,01 – 1,64] bis 4,58 [95%-KI 1,46 – 14,4]) [52 ], [53 ]. Umgekehrt weisen Frauen mit einer positiven Frühgeburtsanamnese zudem häufiger
eine SCH auf [54 ].
Zahlreiche weitere Studien belegen die Assoziation einer SCH mit einem erhöhten Risiko
für eine Frühgeburt – allerdings werden auch konträre Ergebnisse berichtet [15 ], [55 ]. Die konträren Ergebnisse sind durch verschiedene Punkte erklärbar: Studien „poolten“
Schwangere mit SCH und manifester
Hypothyreose oder schlossen nur sehr wenige Schwangere ein, insbesondere unterschiedliche
Cut-off-Werte und TPO-AK-Positivität spielen hier eine Rolle [56 ].
4.1.3. Schwangerschaftskomplikationen (Präeklampsie, fetale Wachstumsrestriktion
[FGR])
AGG-Statement (4)
Eine subklinische Hypothyreose ist nicht mit einem erhöhten Risiko für Präeklampsie oder fetaler Wachstumsrestriktion assoziiert.
Die meisten Studien, die eine Assoziation der SCH mit einer Präeklampsie oder anderen
hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen und FGR untersuchten, fanden kein erhöhtes
Risiko [15 ], [55 ].
4.1.4. Subklinische Hypothyreose und neurokognitives Outcome
AGG-Statement (5)
Eine subklinische Hypothyreose scheint nicht mit einem erhöhten Risiko für ein ungünstiges neurokognitives Outcome der Kinder assoziiert zu sein.
Die meisten Studien zeigen bei einer SCH kein erhöhtes Risiko für ein ungünstiges
neurokognitives Outcome [15 ], [55 ].
Allenfalls wurde eine schwache Assoziation zu Erkrankungen aus dem Autismusspektrum
aufgezeigt [57 ]. Allerdings erfolgte in den vorliegenden Studien die
Randomisierung für eine SD-Hormonsubstitution meist erst im fortgeschrittenen 2. Trimenon,
sodass die Effekte einer früheren SD-Hormonsubstitution auf die kindliche Kognition
noch nicht
endgültig geklärt sind.
4.2. Management der subklinischen Hypothyreose in der Schwangerschaft
4.2.1. Screening
AGG-Empfehlung (4)
Bei Schwangeren mit einer TSH-Konzentration > 2,5 mU/l sollte der TPO-AK-Status erhoben werden.
4.2.2. Therapie
AGG-Empfehlung (5)
Eine Substitution mit Levothyroxin kann bei Frauen mit subklinischer Hypothyreose
und Infertilitätsproblemen, die eine Schwangerschaft planen, erfolgen.
AGG-Empfehlung (6)
Eine Substitution mit Levothyroxin kann bei TPO-AK-positiven Frauen und TSH-Konzentration von 2,5 bis 4,0 mU/l erwogen werden.
AGG-Empfehlung (7)
Eine Substitution mit Levothyroxin soll bei TPO-AK-positiven Frauen mit einem TSH-Wert oberhalb 4,0 mU/l durchgeführt werden.
AGG-Empfehlung (8)
Eine Substitution mit Levothyroxin bei TPO-AK-negativen Schwangeren und einer TSH-Konzentration unter 4,0 mU/l soll nicht erfolgen.
AGG-Empfehlung (9)
Eine Substitution mit Levothyroxin kann bei TPO-AK-negativen Frauen mit einem TSH-Spiegel eines Wertes von 4,0 mU/l bis 10,0 mU/l erwogen werden.
AGG-Empfehlung (10)
Eine Substitution mit Levothyroxin soll bei TPO-AK-negativen Frauen und einer TSH-Konzentration ab 10 mU/l durchgeführt werden.
Die Sinnhaftigkeit eines Screenings auf SCH hängt von der Effektivität einer Therapie
ab. Therapeutische Ziele sind einerseits die Reduktion von maternalen Komplikationen
und andererseits
die Vermeidung von neurokognitiven Handicaps des Kindes.
Nach derzeitigem Wissensstand soll zumindest dann mit L-Thyroxin behandelt werden,
wenn TPO-AK und/oder TAK positiv nachweisbar sind und die TSH-Konzentration über dem
Wert von 4,0 mU/l
liegt; in jedem Fall behandlungsbedürftig ist die manifeste Hypothyreose sowie Fälle
der SCH, bei denen der TSH-Wert über 10 mU/l liegt [15 ].
Die Therapie mit Levothyroxin kann die Fehlgeburtenrate bei TPO-AK-positiven Schwangeren
mit TSH-Werten > 2,5 mU/l bzw. bei TPO-AK-negativen Schwangeren mit einer TSH-Konzentration
über 4,0 mU/l senken [15 ]. Inwieweit eine Therapie der SCH ein ungünstiges Outcome verhindern kann, bleibt
allerdings unklar [42 ], [58 ]. Ein früher Therapiebeginn im 1. Trimenon scheint von Bedeutung [55 ], [59 ], [60 ] zu sein.
Ein zweifelsfreier Benefit einer Levothyroxintherapie bei SCH konnte bislang weder
für Schwangerschaftskomplikationen noch für die neurokognitive Entwicklung des Kindes
nachgewiesen
werden
5. Hypothyreose in der Schwangerschaft
5. Hypothyreose in der Schwangerschaft
AGG-Statement (6)
Eine Hypothyreose ist definiert durch die Kombination von erhöhten TSH- und erniedrigten
peripheren Schilddrüsenhormon-Werten.
AGG-Empfehlung (11)
Die LT4-Dosis sollte so früh wie möglich an den gesteigerten Bedarf in der Schwangerschaft
angepasst werden.
AGG-Empfehlung (12)
Unter LT4- Gabe soll ein TSH-Zielwert < 2,5 mU/l angestrebt werden.
AGG-Empfehlung (13)
Die Schilddrüsenfunktion sollte 6 Wochen post partum überprüft werden.
5.1. Definition und Diagnose
Eine Hypothyreose ist definiert durch die Kombination von erhöhten TSH- und erniedrigten peripheren Schilddrüsenhormon-Werten
[15 ].
Bei ausreichender Jodversorgung ist eine Hashimoto-Thyreoiditis die häufigste Ursache einer Hypothyreose; Autoantikörper gegen Schilddrüsengewebe
lassen sich bei 30 – 60% schwangerer
Frauen mit erhöhten TSH-Werten nachweisen [61 ]. An seltene Ursachen wie einen TSH-sezernierenden Hypophysentumor, eine Schilddrüsenhormonresistenz
oder die
extrem seltene Variante einer zentralen Hypothyreose in Form von biologisch inaktivem
TSH bei Mutation im TSH-Gen soll gedacht werden [15 ]. Bei Neudiagnose
einer Hypothyreose sollten zusätzlich die TPO-AK und TRAK bestimmt werden. Bei negativen
Werten sollte TAK nachbestimmt werden [62 ].
5.2. Folgen
Eine manifeste Hypothyreose verschlechtert die Prognose von Mutter und Kind, da sie
mit einem deutlich erhöhten Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und negativen Auswirkungen
für
die neurokognitive und körperliche Entwicklung des Kindes einhergeht . Zu den typischen Komplikationen zählen erhöhte Raten an gestationsbedingtem Hypertonus
(Mutter), Frühgeburtlichkeit,
niedrigem Geburtsgewicht, intrauterinem Fruchttod, niedrigerem IQ, eine höhere Prävalenz
von Asthma, Typ-1-Diabetes und Schilddrüsenerkrankungen (Kind) [15 ], [55 ], [63 ], [64 ].
5.3. Therapie
Die Therapie sollte ausschließlich mit LT4 per os erfolgen, nicht mit T3 oder T3/T4-Kombinationen.
Die Mehrzahl der bereits präkonzeptionell behandelten Schwangeren muss die LT4-Dosis
erhöhen. Dies sollte so früh wie möglich nach Feststellen der Gravidität erfolgen. Meist wird
eine der beiden Optionen gewählt:
Die Zahl der Dosen pro Woche um 2 erhöhen, d. h. 9 statt 7 Einnahmen pro Woche [65 ]
Erhöhung der täglichen LT4-Dosis um 25 – 30% [15 ]
Wird die LT4-Therapie erst in der Schwangerschaft initiiert, sollte die Dosis mindestens 50 µg pro Tag betragen. Die Höhe der Startdosis ist abhängig von der Schwere der
Hypothyreose, vom BMI und von begleitenden medizinischen Problemen. Um Interaktionen
mit der Nahrung und anderen Arzneimitteln zu verhindern, sollte die L-Thyroxin-Einnahme
morgens auf
nüchternen Magen und 4 – 5 Stunden vor Einnahme anderer Medikamente wie Vitamine,
Kalzium oder Eisen erfolgen
[62 ]. Bei Emesis gravidarum ist die Einnahme
am Abend vor dem Zubettgehen zu empfehlen.
Mit der LT4-Therapie sollte ein TSH-Zielwert < 2,5 mU/l angestrebt werden. Die TSH-Werte sollten alle 4 Wochen bis ca. 20 + 0 SSW kontrolliert werden, danach mindestens
einmal um 30 + 0 SSW
[15 ].
Bei fachgerechter medikamentöser Behandlung ist das Risiko für geburtshilfliche Komplikationen
nicht erhöht. Eine einzige Ausnahme sind Patientinnen nach einem chirurgisch oder
radioablativ
behandelten Morbus Basedow. In diesen Fällen ist ein TRAK-Monitoring indiziert. Ansonsten
besteht eine Indikation für zusätzliche vorgeburtliche Tests nicht [15 ].
Nach der Entbindung wird die LT4-Dosis im Allgemeinen auf die präkonzeptionelle Konzentration
reduziert [15 ]. Allerdings konnte eine Studie belegen, dass
dieses Vorgehen bei mehr als 50% der Frauen mit Hashimoto-Thyreoiditis nicht zielführend
war, da die postpartale Dosierung über das präkonzeptionelle Niveau hinaus gesteigert
werden musste
[66 ]. Falls die erforderliche LT4-Dosis während der Schwangerschaft nur sehr niedrig
lag (≤ 50 µg LT4), kann die Therapie nach Entbindung beendet werden. In
allen Fällen ist die Schilddrüsenfunktion 6 Wochen post partum erneut zu überprüfen [15 ].
6. Hyperthyreose in der Schwangerschaft
6. Hyperthyreose in der Schwangerschaft
AGG-Empfehlung (14)
Frauen mit manifester Hyperthyreose sollten vor einer Schwangerschaft stabil euthyreot eingestellt werden.
AGG-Empfehlung (15)
Wird mit Schwangerschaftsfeststellung ein Auslassversuch einer laufenden thyreostatischen Therapie versucht, soll auf eine streng euthyreote Stoffwechsellage der Mutter geachtet
werden.
AGG-Empfehlung (16)
Frauen mit Hyperthyreose und Kinderwunsch sollten über die notwendige Therapieanpassung in der Schwangerschaft informiert werden
und bei Schwangerschaftsfeststellung unmittelbar
ihren betreuenden Frauenarzt und/oder Endokrinologen konsultieren.
AGG-Empfehlung (17)
Ist bei hyperthyreoten Frauen in der Schwangerschaft eine medikamentöse Therapie notwendig, sollte im 1. Trimenon mit Propylthiouracil
und ab dem 2. Trimenon mit Thiamazol therapiert
werden.
AGG-Empfehlung (18)
Frauen, die in der Schwangerschaft dauerhaft mit Thyreostatika behandelt werden, sollten
zur Geburtsplanung eine interdisziplinäre Beratung unter Einbeziehung der Pädiater, die das
Kind postnatal betreuen, erhalten.
Die Hyperthyreose ist gekennzeichnet durch erhöhte Werte von FT4 und FT3 und ein niedriges
oder nicht mehr messbares TSH. Häufigste Ursache für die Hyperthyreose ist der Morbus
Basedow, bei
dem es durch stimulierende TRAK zu einer Überstimulation der Schilddrüse kommt. Leitsymptome
der Hyperthyreose sind Tachykardie, erhöhter Blutdruck, vermehrtes Schwitzen und innere
Unruhe. Zum
Vollbild des Morbus Basedow gehört auch der Exophthalmus, der auf die Wirkung der
Antikörper auf das retrobulbäre Gewebe zurückzuführen ist. Therapeutisch werden die
Radiojodtherapie, die
Behandlung mit Thyreostatika, aber auch die Thyreodektomie eingesetzt. Der Morbus
Basedow ist mit 0,1 bis 0,2% aller Schwangeren eine eher seltene Komplikation in der
Schwangerschaft [67 ].
6.1. Manifeste Hyperthyreose
Da eine manifeste Hyperthyreose mit einer erhöhten Rate an Spontanaborten, Früh- und
Totgeburten und Präeklampsien einhergeht, sollte eine euthyreote Stoffwechsellage
vor Eintritt der
Schwangerschaft erreicht werden. Zur Behandlung mit Thyreostatika stehen in der Schwangerschaft
Propylthiouracil (PTU) (50 – 300 mg/d), Thiamazol (5 – 15 mg/d) oder Carbimazol (10 – 15 mg/d)
zur Verfügung. Dabei ist grundsätzlich die Behandlung mit Thyreostatika in der Schwangerschaft
problematisch. Unter der Einnahme von Thiamazol und Carbimazol (Methimazol) ist im
1. Trimenon
mit einer erhöhten Fehlbildungsrate zu rechnen. Entsprechend wird im „Rote-Hand-Brief“
vom 6. Februar 2019 ausdrücklich formuliert, dass Carbimazol und Thiamazol in der
Schwangerschaft nur
nach Durchführung einer strengen individuellen Nutzen-Risiko-Bewertung rezeptiert
werden sollten. Für PTU sind schwere Leberfunktionsstörungen bei der Mutter, aber
auch bei neugeborenen
Kindern beschrieben, daher ist auch die Gabe von PTU kritisch zu bewerten [68 ], [69 ]. In den aktuellen anglo-amerikanischen
Empfehlungen wird daher aktuell bei notwendiger Therapie im 1. Trimenon die Gabe von
PTU und die Umstellung der Therapie auf Thiamazol oder Carbimazol ab dem 2. Trimenon
empfohlen [15 ]. Grundsätzlich gilt für die Pharmakotherapie der Hyperthyreose, wie immer in der
Schwangerschaft, die angestrebte klinische Wirkung mit der niedrigsten
effektiven Dosis einer Monotherapie zu erzielen [15 ], [67 ]. Ein Auslassversuch der Therapie ist aus diesen Gründen bei
Schwangerschaftsplanung oder -feststellung sinnvoll.
6.2. Latente Hyperthyreose
AGG-Empfehlung (19)
Bei einem TSH-Wert < 0,1 mU/l sollte zunächst fT4 bestimmt werden. Sind diese im Normbereich , besteht kein Therapiebedarf. Eine Bestimmung der
Schilddrüsenantikörper sollte in diesen Fällen, insbesondere bei positiver Anamnese
für Morbus Basedow, erfolgen.
Von einer latenten Hyperthyreose (TSH supprimiert, fT3 und fT4 im Normbereich) sind
6 – 18% aller Schwangeren betroffen. In der Frühschwangerschaft kommt es unter dem
Anstieg des in seiner
molekularen Struktur dem TSH sehr ähnlichen β-hCG zu einem Anstieg der Schilddrüsenhormone
und zu einer Suppression von TSH. Dabei können auch TSH-Spiegel unterhalb der Detektionsgrenze
(< 0,01 mU/l) noch normal sein. Bei klinisch unauffälligen Patientinnen mit normwertigen
Schilddrüsenhormon-Werten ist diese subklinische Hyperthyreose nicht behandlungsbedürftig
[15 ].
6.3. Gestationsthyreotoxikose
AGG-Empfehlung (20)
Bei symptomatischer Gestationshyperthyreose mit erhöhten fT3 und fT4 ist eine symptomatische Therapie (Antiemetika, β-Blocker)
ausreichend.
Unter dem Einfluss von β-HCG kann es zur verstärkten Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen
kommen, die eine Gestationsthyreotoxikose induzieren und mit einer Hyperemesis einhergehen
kann.
In dieser Konstellation kann eine Therapie mit β-Blockern erwogen werden, eine thyreostatische
Therapie ist nicht indiziert [70 ].
6.4. TSH-Rezeptor-Autoantikörper (TRAK) in der Schwangerschaft
AGG-Empfehlung (21)
Sind TRAK (oder TSH-Rezeptor-Autoantikörper) nachgewiesen, sollten diese in jedem Trimenon kontrolliert werden.
AGG-Empfehlung (22)
Bei erhöhten maternalen TSH-Rezeptor-Antikörpern (> 5 IU/l oder > 3-fach oberhalb des Grenzwertes) oder einer unkontrollierten maternalen
Hyperthyreose in der Schwangerschaft
sollten regelmäßige Kontrollen zum Ausschluss einer fetalen Hyperthyreose durch einen
pränataldiagnostisch erfahrenen Arzt erfolgen.
AGG-Empfehlung (23)
Bei Zeichen einer fetalen Hyperthyreose erfolgt die Therapie bereits intrauterin durch die Gabe von Thyreostatika an die
Mutter. Dies kann auch bei euthyreoten Müttern mit
positiven TRAK notwendig werden. Zusätzlich sollte ein Pädiater (möglichst pädiätrischer
Endokrinologe) zur Beratung hingezogen und die nach Entbindung notwendige Diagnostik
beim
Neugeborenen geplant werden.
Bei stark erniedrigtem TSH und normalen Schilddrüsenwerten ist insbesondere bei positiver
Anamnese für einen Morbus Basedow die Bestimmung der TSH-Rezeptor-Antikörper angezeigt.
TRAK sind
plazentagängig und üben in der Regel eine stimulierende Wirkung am TSH-Rezeptor aus,
können aber selten auch inhibierend auf die fetale und neonatale Schilddrüsenhormonsynthese
wirken.
Ebenso können beide TRAK-Varianten gleichzeitig bei derselben Patientin produziert
werden. In der Regel finden sich aber stimulierende TRAK, die beim Fetus eine Hyperthyreose
bis hin zur
thyreotoxischen Krise des Neugeborenen verursachen können. Die Entwicklung der Hyperthyreose
beim Fetus ist dabei unabhängig von den Symptomen der Mutter und kann, insbesondere
bei
thyreoidektomierten und hormonsubstituierten Schwangeren, auch bei normalen Schilddrüsenwerten
entstehen [15 ]. Sind TRAK nachgewiesen, sollten sie in jedem
Trimenon kontrolliert werden. Schwangere mit erhöhten TRAK-Konzentrationen sollten
bereits früh in der Schwangerschaft in einer Einrichtung mit entsprechender Erfahrung
mitbetreut
werden.
Bei TRAK-Konzentrationen, die die Norm um mehr als das Dreifache überschreiten, soll
ein intensiviertes geburtshilfliches Monitoring des Kindes (s. u.) erfolgen [15 ]. Zeigen sich sonografische Zeichen einer fetalen Hyperthyreose, ist die Therapie
der Mutter mit Thyreostatika angezeigt, die in diesem Fall transplazentar das Kind
therapieren.
7. Fetale und neonatale Diagnostik und Therapie
7. Fetale und neonatale Diagnostik und Therapie
AGG-Statement (7)
Eine behandelte Hypothyreose stellt alleine keine Indikation für eine erweiterte fetale
Diagnostik in der Schwangerschaft dar.
Eine Ausnahme ist die Hypothyreose nach behandeltem Morbus Basedow mit persistierenden
TRAK (s. Empfehlung 22).
Für den Fetus sind in der Schwangerschaft insbesondere das Vorliegen von stimulierenden
TRAK und die maternale Einnahme von Thyreostatika relevant, wodurch sich eine fetale
Hyper- bzw.
Hypothyreose entwickeln kann – auch bei euthyreoter Mutter.
Eine behandelte latente oder manifeste maternale Hypothyreose stellt keine Indikation
für eine über die normale Schwangerenvorsorge hinausgehende fetale Diagnostik während
der Schwangerschaft
[15 ] dar. Eine Ausnahme ist die Hypothyreose nach behandeltem Morbus Basedow mit persistierenden
TRAK (s. Empfehlung 27).
7.1. TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK)
AGG-Empfehlung (22) – Wiederholung
Bei erhöhten maternalen TSH-Rezeptor-Antikörpern (> 5 IU/l oder > 3-fach oberhalb des Grenzwertes) oder einer unkontrollierten maternalen
Hyperthyreose in der Schwangerschaft
sollten regelmäßige Kontrollen zum Ausschluss einer fetalen Hyperthyreose durch einen
pränataldiagnostisch erfahrenen Arzt erfolgen.
Zirkulierende maternale TRAK können im Verlauf der Schwangerschaft zunehmend die Plazentaschranke
überwinden und ab ca. 20 + 0 SSW eine fetale Hyperthyreose auslösen [71 ]. Die Inzidenz einer fetalen/neonatalen Hyperthyreose bei Schwangeren mit Morbus
Basedow liegt bei 1 – 5% [15 ]. Die kongenitale
neonatale Hyperthyreose hat eine Mortalität von bis zu 25% [72 ].
Ein Grenzwert von maternalen TRAK im 2. und 3. Trimenon > 5 IU/l (oder > 2 – 3-fache
Erhöhung über dem oberen Grenzwert) hatte in 2 Studien eine Sensitivität von 100%
für die
Entwicklung einer neonatalen Hyperthyreose [73 ], [74 ].
Zeichen einer fetalen Hyperthyreose sind fetale Tachykardie, fetale Wachstumsrestriktion,
fetale Struma, vorzeitige Ossifikationen, kardiale Veränderungen (z. B. Trikuspidalinsuffizienz)
und Hydrops fetalis. Zur Beurteilung der fetalen Schilddrüse haben mehrere Arbeitsgruppen
Nomogramme publiziert ([Abb. 2 ]) [75 ], [76 ], [77 ], [78 ], [79 ], [80 ]. [Abb. 3 ] zeigt schematisch die Darstellung/Messung der fetalen Schilddrüse.
Abb. 2 Nomogramm des fetalen Schilddrüsenumfangs entsprechend dem Gestationsalter (Abb.
basiert auf Daten aus [76 ]).
Abb. 3 Behandlungsalgorithmus einer Schilddrüsenfunktionsstörung in der Schwangerschaft.
a Schnittebene zur transversalen Darstellung der fetalen Schilddrüse.
b Transversalschnitt der fetalen Schilddrüse mit 22 + 0 SSW. Die Schilddrüse befindet
sich innerhalb der Ellipse, seitlich der Trachea (T), flankiert durch die Aa. carotides
(C),
und ventral der Halswirbelkörper (V). c Transversalschnitt mit Markierung der fetalen Schilddrüse (grün), d Transversalschnitt mit Farb-Doppler bei unauffälliger
Schilddrüse. Eigene Bilder durch M. S.
Eine fetale Struma kann sowohl im Rahmen einer fetalen Hyperthyreose bei maternalen
TRAK wie auch bei fetaler Hypothyreose durch maternale thyreostatische Therapie entstehen.
Als Merkmal
einer hyperthyreoten Struma wird die zentrale Perfusion im Ultraschall beschrieben,
im Gegensatz zur peripheren Perfusion, die häufiger bei hypothyreoten Strumata gefunden
wird [81 ], [82 ].
Bei fetaler Struma unklarer Genese (z. B. gleichzeitiges Vorliegen von TRAK und maternale
Einnahme von Thyreostatika) kann in ausgewählten Fällen eine Chordozentese zur Differenzierung
zwischen fetaler Hyper- und Hypothyreose durchgeführt werden [83 ], [84 ], [85 ].
7.2. Einnahme von Thyreostatika
AGG-Empfehlung (24)
Nach Einnahme von Thyreostatika im 1. Schwangerschaftstrimenon soll der Patientin eine weiterführende differenzierte Ultraschalluntersuchung angeboten werden.
AGG-Empfehlung (25)
Bei Einnahme von Thyreostatika in der Schwangerschaft sollten regelmäßige Kontrollen durch einen erfahrenen Pränataldiagnostiker zum Ausschluss einer fetalen Hypothyreose
(insbesondere einer fetalen hypothyreoten Struma) erfolgen.
Bei Schwangeren, die im 1. Trimenon mit Thyreostatika (Carbimazol/Thiamazol, Propylthiouracil)
behandelt wurden, berichten verschiedenen Studien über eine erhöhte Rate an fetalen
Fehlbildungen.
Thiamazol/Carbimazol gelten als schwaches Teratogen. Das typische Fehlbildungsmuster,
das bei ca. 2 – 4% der exponierten Kinder auftreten kann, besteht aus Aplasia cutis,
Choanalatresie,
Ösophagusatresie, Bauchwanddefekten, Ventrikelseptumdefekten und fazialen Dysmorphien
[86 ], [87 ], [88 ], [89 ].
Für Propylthiouracil ist die Datenlage widersprüchlich: Die Mehrheit der Studien konnte
kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko ermitteln, wobei ein leicht erhöhtes Fehlbildungspotenzial
nicht
ausgeschlossen werden kann [88 ].
Da Thyreostatika die Plazentaschranke effektiv überwinden, muss auf fetaler Seite
bei kontinuierlicher Anwendung in der Schwangerschaft mit einer Wirkung auf die Schilddrüsenfunktion
gerechnet werden. Auch bei euthyreoter Mutter kann es zu einer fetalen Hypothyreose
mit Ausbildung einer Struma und der Gefahr von Komplikationen wie Polyhydramnion,
Trachealverlegung und
FGR kommen [90 ]. Daher sollten die Schwangeren aus fetaler Sicht mit geringstmöglichen Mengen an
Thyreostatika behandelt und bei den Feten auf Zeichen einer
Hypothyreose (insbesondere eine fetale Struma) geachtet werden.
7.3. Therapieoptionen bei fetaler Hyperthyreose
AGG-Statement (8)
Für eine Therapie der fetalen Hyperthyreose gibt es bislang eine eingeschränkte Evidenz.
Fallberichte und Übersichtsarbeiten beschreiben als medikamentöse Therapieoptionen
die transplazentare Anwendung von Thyreostatika (Thiamazol, PTU) und ggf. Propanolol
über eine orale
Einnahme der Mutter. In Einzelfällen wurde eine erfolgreiche intrauterine Behandlung
mit Kaliumjodid berichtet [91 ]. Als präpartale Erfolgskontrolle der
Therapie wurden die fetale Herzfrequenz, fetale Blutanalysen mittels Chordozentese
oder der sonografisch nachweisbare Rückgang von kardialen Veränderungen verwendet
[92 ] – [96 ].
7.4. Therapieoptionen bei fetaler Schilddrüsenerkrankung
AGG-Empfehlung (26)
Intrauterine Therapien bei fetaler Hyper- und Hypothyreose sollten nur nach sorgfältiger Abwägung der Risiken an Zentren mit pränataldiagnostischer
und -therapeutischer Expertise
durchgeführt werden.
AGG-Empfehlung (27)
Im Falle von thyreostatischer Behandlung in der Schwangerschaft, einer unkontrollierten
maternalen Hyperthyreose oder maternalen TRAK im 2./3. Trimenon sollte die Geburt
mit
pädiatrischen Kollegen in einem Perinatalzentrum mit entsprechender Fachexpertise geplant werden.
Wurden bereits pränatal Hinweise auf eine Dysfunktion der fetalen Schilddrüse diagnostiziert,
soll die Entbindung an einem Perinatalzentrum Level I erfolgen.
Als Therapieoptionen einer fetalen hypothyreoten Struma werden in Fallserien und Übersichtsarbeiten
die Reduktion der maternalen thyreostatischen Therapie sowie intraamniale Injektionen
von
L – T4 beschrieben, wodurch in mehr als der Hälfte der Fälle eine Größenreduktion
der fetalen Struma erreicht werden konnte [84 ], [85 ], [90 ], [93 ].
7.5. Peripartale Aspekte bei maternalen Schilddrüsenerkrankungen
Postnatal ist bei Neugeborenen von Müttern mit Hypothyreose ohne Vorliegen von TRAK
das TSH-Screening beim Neugeborenen ausreichend. Diesbezüglich verweisen wir auf die
S2k-Leitlinie
„Diagnostik bei Neugeborenen von Müttern mit Schilddrüsenfunktionsstörungen“ (12/2018)
[97 ].
Eine thyreostatische Behandlung in der Schwangerschaft kann zu einer neonatalen Hypothyreose
führen, eine unkontrollierte Hyperthyreose und/oder maternale TRAK können eine neonatale
Hyperthyreose mit hoher Mortalität verursachen. Hier ist insbesondere zu beachten,
dass aufgrund der transplazentar auf das Neugeborene übertragenen Thyreostatika die
Manifestation der
TRAK-induzierten neonatalen Hyperthyreose verzögert auftreten kann. Daher ist in diesen
Fällen eine interdisziplinäre Planung der Geburt und der postnatalen Diagnostik (z. B.
aus
Nabelschnurblut) sowie Überwachung des Neugeborenen durch pädiatrische Kollegen notwendig.
Sowohl der hyper- als auch der hypothyreote Fetus kann zudem eine Struma mit Kompression
der Atemwege entwickeln. In diesen Fällen sollte die Planung einer Schnittentbindung
mit
interdisziplinärem Ex-utero-intrapartum-Treatment-(EXIT-)Manöver erwogen werden [85 ].