Augenheilkunde up2date 2024; 14(03): 229-251
DOI: 10.1055/a-1984-3524
Netzhaut, Glaskörper, Augenhintergrund

Optikopathien in der Differenzialdiagnose bei retinalen Erkrankungen – Teil 1

Opticopathies in the differential diagnosis of retinal diseases – part 1
,
Georg Spital

Optikopathien umfassen eine Gruppe von Erkrankungen mit unterschiedlicher Ätiologie. Dabei ist es wichtig, zwischen genetischen und erworbenen Ursachen zu unterscheiden. Die primäre Ursache und Konsequenz oder Koinzidenz bei gleichzeitig bestehenden retinalen Veränderungen und Optikopathien sind aufgrund der engen anatomischen und funktionellen Beziehung zwischen Sehnerv und Netzhaut oft nicht eindeutig zu differenzieren.

Abstract

Due to the close anatomical, functional and trophic relationships between the optic nerve and retina, a wide variety of diseases affecting both structures have reciprocal effects on each other, which must be considered in the differential diagnosis to avoid misdiagnosis. Therefore, it is essential to assess pathological changes in both structures in context to differentiate the type and location of the primary lesion from its consequences, as well as to correctly classify coincidences and disease-specific lesion patterns in both organ components.

This article highlights the typical symptom constellations and lesion patterns of optic neuropathies and retinopathies. An attempt is made to identify the reciprocal characteristic relationships of the respective lesions in both structures in various disease groups, as well as to present their respective roles in the differential diagnosis.

In the first part of the article, typical optic neuropathies in the context of various syndromic and non-syndromic retinal dystrophies are initially examined. Subsequently, the relationships between different hereditary and acquired mitochondriopathic optic neuropathies and possible accompanying retinal changes are analysed, and their pathogenesis and relevant differential diagnoses are discussed.

It is demonstrated and exemplified how important it is in general, but also specifically in regard to the disease groups discussed in this article, to have a careful and targeted diagnostic approach in each case, considering both the retinal and optic nerve findings, in order to avoid misdiagnosis.

Kernaussagen
  • Retinale Krankheitsbilder verschiedenster Genese können in unterschiedlichem Ausmaß von Alterationen des Sehnervs begleitet sein. So können die Erkrankungen einen Untergang z. B. von Ganglienzellen hervorrufen bzw. von diesem begleitet sein oder aber auch zu reaktiven Zellproliferationen und entzündlichen Begleitreaktionen umgebender Gliazellen des Sehnervs führen, was klinisch oft durch Veränderungen des Sehnervkopfs, wie z. B. Papillenschwellung oder -abblassung, erkennbar ist.

  • Auch „reine“ Optikopathien können allein infolge der begleitenden Ganglienzelluntergänge ohne anderweitige Krankheitsbeteiligung retinaler Strukturen u. a. zu typischen zystoiden Veränderungen der inneren Schichten der makulären Retina führen.

  • Vielfach besteht eine gleichzeitige Krankheitsbeteiligung von Optikus und Retina durch genetisch determinierte syndromale Beteiligung, aber auch durch inflammatorische Ursachen oder toxische Einflüsse auf beide Strukturen.

  • Somit ist es trotz Kenntnis der unterschiedlichen Erkrankungen nicht einfach, Ursache und Folge oder Koinzidenz zu unterscheiden und somit die korrekte Diagnose zu stellen.

  • Im Einzelfall muss je nach Befundkonstellation und Leitbefund individuell das passende diagnostische Vorgehen gezielt entschieden werden, sodass es keinen allgemeingültigen Plan für den optimal koordinierten Ablauf notwendiger Untersuchungen durch die große Palette an Symptomkonstellation beider Strukturen geben kann. Vielfach kann nur eine genaue Anamnese wichtige Hinweise liefern, wie Verlaufscharakteristika, mögliche syndromale Begleitsymptome, Erbgänge oder relevante Noxen, um in die richtige Richtung weiter zu untersuchen.

  • Durch eine passende Auswahl an weiterführender Bildgebung und funktionellen Testungen sowie ggf. zusätzliche elektrophysiologische Methoden und schließlich mögliche zusätzliche Blutuntersuchungen, genetische Testungen oder interdisziplinäre Untersuchungen gilt es, die Erkrankungsentität herauszufinden.



Publication History

Article published online:
10 September 2024

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