Nuklearmedizin 2023; 62(02): 52-53
DOI: 10.1055/a-1998-8402
Editorial

Hand in Hand – die Zukunft der SPECT- und PET-Bildgebung

Hand in hand – the future of SPECT and PET imaging
Friederike Eilsberger
1   Department of Nuclear Medicine, University Hospital Marburg, Marburg, Germany (Ringgold ID: RIN9377)
,
Constantin Lapa
2   Nuclear Medicine, Medical Faculty, University of Augsburg, Augsburg, Germany (Ringgold ID: RIN26522)
,
Benjamin Kläsner
3   Department of Nuclear Medicine, Klinikum Konstanz, Konstanz, Germany
,
Michael Andreas Schäfers
4   Department of Nuclear Medicine, University Hospital Münster, Münster, Germany
,
Markus Luster
5   Department of Nuclear Medicine, University Hospital Marburg, Marburg, Germany (Ringgold ID: RIN9377)
› Author Affiliations

Die Nuklearmedizin hat sich, insbesondere mit Blick auf die innovativen Diagnose- und Behandlungsverfahren, in einem breiten Indikationsgebiet rasant entwickelt [1]. So leistet die Nuklearmedizin als klinischer Partner vor allem in den Bereichen der Endokrinologie, Onkologie, Urologie, Gastroenterologie, Neurologie und Kardiologie in der Diagnostik und zunehmend auch mit therapeutischen Behandlungsoptionen bei Tumorerkrankungen wichtige Beiträge für die Krankenversorgung mit individuell großem Patientennutzen. Die Versorgungsstruktur der nuklearmedizinischen Angebote umfasst in Deutschland, anders als in vielen anderen europäischen Ländern, sowohl rein ambulante Einrichtungen, in erster Linie Praxen und medizinische Versorgungszentren, als auch Standorte an Kliniken und im Setting der Maximalversorgung, namentlich den Universitätsklinika. Diese komplementäre synergistische Arbeitsteilung stellt ein weitgehendes Alleinstellungsmerkmal im internationalen Kontext dar.

Die ambulante fachärztliche nuklearmedizinische Versorgung erfolgt derzeit größtenteils mittels Gammakamera/SPECT-Bildgebung und sichert eine wohnortnahe Diagnostik. Hierzu trägt insbesondere die breit verfügbare Kit-Technologie in Kombination mit vorrangig Technetium-Generatoren zur Herstellung von Radiopharmaka bei, die im Praxisalltag in Bezug auf infrastrukturelle und personelle Ressourcen langjährig etabliert ist; weiterführende Spezialdiagnostik unter Einbindung der Expertise von Medizinphysik und Radiopharmazie und unter Verwendung von PET ist besonders im stationären Sektor bzw. „am Krankenhaus“ repräsentiert. Dies spiegelt sich auch in der Verteilung der Modalitäten wider. Während Zahlen aus dem ambulanten Sektor diesbezüglich nur eingeschränkt verfügbar bzw. publiziert sind, waren im Jahr 2020 an Krankenhäusern 478 Gammakameras und 165 PET-Scanner (inkl. PET, PET/CT, PET/MRT) in Betrieb [2] – also etwa 3-mal mehr Systeme für die „konventionelle“ Diagnostik. Es ist davon auszugehen, dass der Einschluss ambulanter Daten den Faktor deutlich zugunsten der SPECT vergrößern würde.

Umgekehrte Verhältnisse bestehen im Hinblick auf die Neuzulassungen von Radiopharmaka: diese betrafen zuletzt v.a. den PET-Tracer-Bereich, nur wenige neue SPECT-Tracer fanden ihren Weg in die Marktzulassung. Daraus erwächst ein potenzielles Risiko für die Sicherstellung einer flächendeckenden Patientenversorgung.

In Bezug auf die Patientensicherheit der diagnostischen Substanzen ist zwischen den Tracern kein relevanter Unterschied zwischen SPECT- und PET-Radiopharmaka zu erwarten, da sie jeweils im Bereich des „microdosing“ operieren und daher für diagnostische Tracer aufgrund fehlender pharmakodynamischer Effekte keine relevanten Nebenwirkungen zu erwarten sind.

Was könnten also die Gründe für dieses relative Defizit sein? Neben der Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte lohnt sich ein Blick auf die Wahl der Indikationen und auf potenzielle Targets. Generell besteht die Schwierigkeit der Generierung klinischer Evidenz (Superiorität bzw. Gleichwertigkeit) beim Einsatz von SPECT-Tracern in den gleichen Entitäten. Die Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen in den letzten 10 Jahren im Zusammenhang mit Radiotracern für PET/CT- und SPECT/CT-Techniken ist, bei insgesamt deutlich steigendem Trend, etwa 7-fach geringer für SPECT-bezogene Publikationen [3].

Deutschland nimmt hierbei eine führende Rolle in der nuklearmedizinischen Forschung und Entwicklung ein. Zukunftsfelder wie Alzheimer-Diagnostik (ENABLE-Studie), Prostatakarzinom-Theranostik [4] und nicht zuletzt die kontinuierliche Entwicklung weiterer spezifischer Radiopharmaka sind erfolgreich besetzt und werden auch von der radiopharmazeutischen Industrie aufgegriffen. Entsprechend zeigt sich eine vermehrte öffentliche Wahrnehmung, wachsende Akzeptanz und Inanspruchnahme radionuklidgestützter Untersuchungsverfahren sowie eine verbesserte Finanzierung u.a. durch die Beurteilung des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

Bei der Performance eines Präparates wird die diagnostische Genauigkeit nicht nur durch den Tracer bedingt, sondern ist naturgemäß auch mit der Kameratechnik verknüpft. Die technischen (physikalischen) Unterschiede von PET und SPECT (Art des Zerfalls: 1 Gammaquant versus Positron/2 Gammaphotonen; Kollimatoren versus PET-Detektoren, Time-of-flight-Technik) bedingen vorrangig diesen Unterschied, insbesondere im Hinblick auf die Ortsauflösung und die Sensitivität. Eine Risiko-Nutzen-Abwägung beim Einsatz ionisierender Strahlung muss der Indikationsstellung von PET- und SPECT-Verfahren vorausgehen und die „Dosisoptimierung“ berücksichtigen, also die Verabreichung jener Menge an Radioaktivität, die Aufnahmen mit ausreichender Qualität liefert, um die relevanten klinischen Informationen zu generieren, während die niedrigstmögliche Strahlendosis für den Patienten gewährleistet wird. Die durchschnittlichen effektiven Dosen für nuklearmedizinische Verfahren reichen von etwa 0,1–20mSv (mehrphasige CT im Rahmen der PET/CT), wobei diese bei der SPECT-Technik, hauptsächlich aufgrund der physikalischen Eigenschaften der verwendeten Radioisotope, im Allgemeinen (wenn auch nicht zwangsläufig) niedriger sind als bei der PET.

Neue Kameratechniken (digitale CZT (cadmium zinc telluride) -SPECT und digitale PET-Systeme) werden aktuell entwickelt und eingeführt, um Scanzeiten und Artefaktraten zu verringern [5].

Aus Patientensicht (patient relevant outcomes) treten technische Aspekte in den Hintergrund, insbesondere stellt die (zeitnahe und räumliche) Verfügbarkeit der nuklearmedizinischen Methoden ein entscheidendes Kriterium dar. Eine möglichst hohe diagnostische Genauigkeit mag, z.B. bei hohem Tumorload/hohen Expressionsraten der Zielstruktur, weniger wichtig erscheinen, wenn die Patientenselektion im Rahmen eines theranostischen Ansatzes im Vordergrund steht.

Von überragender Bedeutung ist hingegen die kontinuierliche Versorgung mit Radionukliden bzw. Radiopharmaka für Diagnostik und Therapie als Voraussetzung für die erfolgreiche und zeitkritische Behandlung insbesondere von Krebspatient*innen. Radiotracer sind keine „normalen“ Arzneimittel. Durch den Ausfall von Reaktoren und Zyklotronen sind Engpässe in der Radionuklidversorgung aktuell nicht selten. Im Interesse der Versorgungssicherheit erscheint es daher ratsam, neben einem Ausbau der entsprechenden Infrastrukturen (medizinische Reaktoren) alternative Tracer zur Verfügung zu haben, um Patienten zeitnah behandeln zu können. Ein mögliches Beispiel für dieses „Hand-in-Hand-Gehen“ können in der Zukunft (auch in Anbetracht der zu erwartenden hohen Fallzahlen) PSMA-gerichtete PET- und SPECT-Tracer zur Selektion von Prostatakarzinompatienten vor Radioligandentherapie sein.

Sowohl in der Vergangenheit als auch – besonders gravierend – während der letzten Monate ist es hier zu kritischen Unterbrechungen in der Herstellung von Radionukliden und den daran anknüpfenden Lieferketten gekommen [6]. Wie auch in der Versorgung mit nicht radioaktiven Medikamenten, spielen übergeordnete globale Krisen, aber auch durch die Politik während der letzten Dekaden nicht beantwortete Herausforderungen in der Patientenversorgung des deutschen Gesundheitswesens eine zentrale Rolle. Die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) ist bemüht, die Interaktion zwischen kommerziellen und nicht kommerziellen Herstellern, Radiopharmaka-Industrie, Patienten und politischen Entscheidungsträgern zu unterstützen und die Interessen zusammenführen. In dieser Weise sollen Lösungen aufgezeigt und beschleunigt auf den Weg gebracht werden, um die Behandlung der schwerstkranken Patient*innen unter allen Umständen wirkungsvoll und hinsichtlich des häufig unmittelbar lebensbedrohenden Krankheitsbildes angemessen zu sichern.

Wir brauchen also SPECT- und PET-Bildgebung – Hand in Hand!



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Article published online:
30 March 2023

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