Aktuelle Kardiologie 2023; 12(03): 156-157
DOI: 10.1055/a-2029-0853
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Lars Eckardt
,
Christian Perings

der plötzliche Herztod zählt unverändert zu den häufigsten Todesursachen und ist weltweit für bis zu 50% aller auf kardiovaskulären Erkrankungen beruhenden Todesfälle verantwortlich. Zwei Drittel aller plötzlichen Herztodesfälle beruhen auf ventrikulären Tachyarrhythmien, gefolgt von Bradyarrhythmien und anderen seltenen Ursachen. Vor diesem Hintergrund und den im letzten Jahr publizierten aktualisierten Leitlinien der ESC ist der vorliegende Themenschwerpunkt „Ventrikuläre Arrhythmien und plötzlicher Herztod“ von besonderer klinischer Relevanz.

Im Vergleich zu den Empfehlungen aus dem Jahre 2015 ist auf Grundlage der aktuellen Evidenz eine praxisnahe Aktualisierung entstanden. Wesentliche Neuerungen werden in der vorliegenden Ausgabe von „Aktuelle Kardiologie“ übersichtlich diskutiert. Sie reichen von der Diagnostik und Risikostratifikation bis hin zur Therapie. Die sehr lesenswerte Übersicht von Müller-Leisse et al. (S. 185) zu den relevanten Neuerungen der Leitlinie wird durch den spannenden Beitrag von Hilke Könemann (S. 191) aus der Sektion Young Cardiology der DGK ergänzt. Sie zeigt interessante Unterschiede in den Empfehlungen diesseits und jenseits des Atlantiks auf. Irgendwie auch beruhigend, dass Studien von verschiedenen Experten unterschiedlich interpretiert werden. So existieren Entscheidungsspielräume, die in der Praxis bedeutsam sein können.

Einzelnen Aspekten widmet die Ausgabe zu Recht besondere Beachtung. Hierzu zählt, wie Sie in dem sehr lesenswerten Beitrag von Fenski et al. (S. 199) sehen werden, u. a. die Bildgebung mittels kardialer MRT. Die Aufwertung der MRT-Diagnostik stellt, wie auch die wachsende Bedeutung genetischer Diagnostik, eine immense Herausforderung für die Versorgungssituation in Deutschland dar. Hier kommen in einer ohnehin angespannten gesundheitspolitischen Lage weitere Herausforderungen auf uns zu.

Neue Medikamente, wie sie beispielsweise die Therapie der Herzinsuffizienz in den letzten Jahren relevant verändert haben, sind für ventrikuläre Rhythmusstörungen nicht zu verzeichnen. So sind die Neuerungen in der Akut- wie Langzeittherapie nicht revolutionär, aber klinisch dennoch sehr wichtig. Die Artikel von Reinhardt et al. (S. 207) sowie Ene et al. (S. 217) stellen den aktuellen Stand in der Therapie ventrikulärer Rhythmusstörungen und des elektrischen Sturms sehr übersichtlich dar.

Insgesamt bleibt Amiodaron trotz aller potenziellen Nebenwirkungen (leider) oftmals Mittel der Wahl. Umso erfreulicher, dass die neue Leitlinie die wachsende Bedeutung der Katheterablation ventrikulärer Arrhythmien betont. Aktuelle Studien, wie Sie im Beitrag von Maagh et al. (S. 223) lesen können, unterstreichen diese Einschätzung. So wundert es nicht, dass die Ablationstherapie Medikamente in der Erstlinientherapie symptomatischer idiopathischer ventrikulärer Extrasystolen bzw. Tachykardien verdrängt hat und insbesondere auch bei Post-Infarkt-Patienten immer früher diskutiert wird. Dass die Leitlinie hierbei die Bedeutung einer personalisierten Therapie in den Vordergrund rückt, wird insbesondere auch bei der Defibrillatortherapie deutlich. Vor dem Hintergrund überwiegend primärprophylaktischer ICD-Implantationen in Deutschland und der gleichzeitig unverändert hohen Rate an plötzlichen Todesfällen erscheint dies ein wichtiger Schritt zu einer besseren Risikostratifikation. In diesem Sinne werfen Dagres et al. (S. 229) in ihrem spannenden Beitrag zu Recht die Frage auf: „Sind die Leitlinien aktuell genug?“.

Wie immer in der Medizin, nach einer Aktualisierung ist vor einer Aktualisierung. Jede Leitlinie stellt eine Momentaufnahme in einem Kontinuum neuer Erkenntnisse da, aber auch hier gilt bisweilen: auch ein Schritt zurück kann Fortschritt sein. Eine kritische Betrachtung jeder Leitlinie, wie sie im vorliegenden Heft erfolgt, ist deshalb sehr zu begrüßen.

Wir wünschen viel Freude beim Lesen und „Bleiben Sie im Rhythmus!“

Lars Eckardt und Christian Perings



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. Juni 2023

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