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DOI: 10.1055/a-2051-1669
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe DGF-Mitglieder,
das Bild der Geschlechter in der Gesellschaft unterliegt einem stetigen Wandel, wobei die meisten Regeln lange Zeit von Männern gemacht und zu ihrem Vorteil festgelegt wurden. In der heutigen Zeit wird ihre Vormachtstellung in allen Bereichen des Lebens hinterfragt. Oft sind diese Fragen laut, provokativ. Sie werden von vielen Männern als persönlicher Angriff aufgefasst, der sie sofort eine Verteidigungsposition einnehmen lässt. Selbst vielen Frauen ist der aktuelle Diskurs über die Bedeutung von Männern oder Frauen in Führungsetagen, bei Gehaltsverhandlungen, in der Ehe, der Kindererziehung oder der deutschen Sprache zu aggressiv und polarisierend.
Doch wie sieht es eigentlich in der OP-Abteilung mit dem Bild der Frau und der Gleichberechtigung der Geschlechter aus? Viele Attribute, die mit dem Patriarchat im Hinblick auf Frauen in Verbindung gebracht werden – wie schön, schlank, zurückhaltend, häuslich oder devot – machen im OP gar keinen Sinn. Alle tragen die gleiche Funktionskleidung, welche es in allen Größen gibt und die fast niemandem gut steht. Wir bedecken unser Haar und den größten Teil des Gesichts, sodass aufwendiges Make-up sowieso im Mundtuch landet und fleckige Landschaften auf Wangen hinterlässt.
Als Teil eines OP-Teams haben wir klar strukturierte Aufgaben, die sich aus unserer Ausbildung, Erfahrung und unseren Kompetenzen ableiten – nicht aus unseren Chromosomen! Das spiegelt sich auch im häuslichen Bereich wider: Beispielsweise gehen viele OP-Pflegenden aus der Orthopädie oder Unfallchirurgie geschickter mit Werkzeug um als ihre Lebenspartner*innen. Devot im OP – eine ganz schlechte Idee. Egal, ob Mann, Frau oder Divers: Hier sind Mitdenken und Handeln gefragt. Die Sicherheit der Patient*innen und der Erfolg von Operationen erfordern ein hohes Maß von dem, was im Leben außerhalb des OP-Bereichs als „politisch unkorrekt“ empfunden werden würde. Ein Beispiel: Probieren Sie mal, bei der Visite auf Station als Pflegende mit Körperkontakt neben den Chefärzt*innen zu stehen und ihnen ins Wort zu fallen, wenn Sie eine Unstimmigkeit bemerken, oder ihnen ungefragt einen Gegenvorschlag zu machen. Im Gegensatz dazu stehen Sie im OP direkt neben dem Operateur und Einspruch wird erwartet, wenn Sie der Meinung sind, dass der Ablauf nicht korrekt ist.
Letztlich geht es bei der Auseinandersetzung über die Geschlechterordnung um Gleichberechtigung für alle sowie gegen Ungleichbehandlung und Zwang – nicht um das Ersetzen einer „Weltherrschaft“ durch eine andere. Die Wege dorthin sind verschlungen und vielfältig, manche sind eine Sackgasse. Änderungen erfordern engagierte Ideen, Mut, diesen Ideen Taten folgen zu lassen, und Respekt gegenüber unseren Mitmenschen, um sie auf diesem Weg mitzunehmen.
Wenn wir uns mit diesem Wissen unsere Kolleg*innen im OP-Bereich anschauen, sind wir stolz – in Sachen Gleichberechtigung sind wir auf einem guten Weg. Oder wie sehen Sie das? Diskutieren Sie mit uns, wir würden uns freuen.
Ihre Petra Becker, Martina Losch und Antje Scheer
Redaktion DGF-Mitteilungen
c/o Antje Scheer, DGF-Geschäftsstellenleitung
DGF e. V.
Alt-Moabit 91
10559 Berlin
Verantwortlich für den Inhalt: Petra Becker, Martina Losch, Antje Scheer
Publication History
Article published online:
22 June 2023
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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany