Z Gastroenterol 2023; 61(04): 451-452
DOI: 10.1055/a-2053-9245
Der bng informiert

Quo vadis? – Weiterbildung in der Niederlassung

Wir müssen uns um unseren gastroenterologischen Nachwuchs kümmern – das Schlusswort von Petra Jessen in ihrem Editorial in der November-Ausgabe der bng-Mitglieder-Informationen. Aber wie? Eine Maßnahme, die next generation unserer Gastroenterologinnen und Gastroenterologen für unser Fach zu begeistern, wäre die Weiterbildung (WB) in der Niederlassung verstärkt anzubieten und zu fördern.

Zunächst zu den Fakten. Deutschland bildet seit Jahrzehnten konstant zu wenig, ca. 10 000 Medizinstudierende pro Jahr aus, wobei der Frauenanteil 70 % beträgt. Das Arbeitsvolumen von berufstätigen Ärztinnen, die jetzt schon 49 % der 416 000 bundesweit tätigen Ärzte ausmachen, ist geringer als bei den männlichen Kollegen, vielfach der familiären Erziehungstätigkeit geschuldet. Gleichzeitig hat sich der Anspruch unserer next generation Gastroenterologen auf eine strukturierte Weiterbildung in einem definierten Zeitraum von maximal 6 Jahren verstärkt verbunden mit einer Einforderung der Work-Life-Balance.

Bei zunehmender Überalterung der Bevölkerung ist es zwangsläufig bei verminderten Arzt-Arbeitsstunden zu einem Ärztemangel gekommen. Darüber hinaus stieg in den letzten 20 Jahren der Anteil ambulant tätiger/angestellter Ärzte um den Faktor 6 von 8.271 im Jahr 2000 auf 49 346(!!!) im Jahr 2021. In Deutschland sind derzeit ca. 3800 Gastroenterologen tätig, davon ca. 33 % niedergelassen in einer Einzelpraxis (30 %) oder in einer BAG (70 %). Nur 14 % der GE-Praxisinhaber sind Frauen. Knapp die Hälfte (45 %) der niedergelassenen Gastroenterologen sind zwischen 55 und 65 Jahre – wir überaltern also.

Die Gastroenterologie ist ein Paradebeispiel für die Ambulantisierung der Medizin, denn 80 % unserer Krankheitsbilder (CED, Hepatologie, medikamentöse Tumortherapie, Immuntherapien, Vorsorgekoloskopie, endoskopische und sonografische Abklärung von Bauchschmerzen, Diarrhoe, Blutungen etc.) werden ambulant abgeklärt und bei uns therapiert. Bei zunehmendem Bettenabbau in gastroenterologischen Kliniksabteilungen und der Ambulantisierung können Krankenhäuser (ausgenommen Universitätskliniken) nicht mehr vollumfänglich die gastroenterologische Weiterbildung gewährleisten. In der Musterweiterbildungsordnung 2020 ist diesem Umstand Rechnung getragen worden, da bis zu 18 Monate Weiterbildung nun in ambulanten Einrichtungen möglich sind – leider nur fakultativ und nicht obligatorisch. Integraler Bestandteil der WB ist die medikamentöse Tumortherapie in unserem GI-Schwerpunkt.

Derzeit besitzen nur 30 % der niedergelassenen Gastroenterologinnen und Gastroenterologen eine Weiterbildungsermächtigung von 6 bis 18 Monaten. Ich selbst besitze nach der neuen MWBO eine Weiterbildungsermächtigung von 18 Monaten. Voraussetzungen zur Erlangung der Weiterbildungsermächtigung stellen die Kassenärztlichen Vereinigung online zur Verfügung. In der Regel wird die Infrastruktur/technische Ausrüstung (Anzahl der Endoskope, Ultraschallgeräte, Chemotherapiestühle, Teilnahme an digitalen Tumorboards, IT-Technik) der Praxis abgefragt, die Anzahl der Prozeduren bzw. die GKV-Abrechnung der letzten 4 Quartale werden angefordert.

Neben der eigenen Qualifikation (akademischer Lebenslauf) legt die KV auch Wert auf die Darstellung eines dezidierten Curriculums, d. h. eines Weiterbildungsplans, die dem Weiterbildungsausschuss zur Verfügung gestellt werden sollte. Gerne stelle ich interessierten Kollegen mein WB-Curriculum als Leitlinie zur Verfügung. WB-Ermächtigte werden im praktischen Umgang mit dem elog-Buch auch geschult.

Selbst habe ich in den letzten Jahren 8 Weiterbildungsassistenten im Schwerpunkt Gastroenterologie im Verbund mit einem Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg ausgebildet, indem ich die Kolleginnen mit vorhandenen Basiskenntnissen der Endoskopie jeweils für 12 Monate in die Praxis rotieren ließ. Die anteiligen Gehälter musste ich leider aber auch finanzieren.

Voraussetzung für die Rotation in unsere Praxis war, dass die ärztlichen Mitarbeiter bereits Internisten waren und sich in der WB zum Gastroenterologen befanden. Eine Gastroskopie und einfache Koloskopie sollten technisch schon erlernt sein. Kenntnisse in der NAPS (nurse assisted propofol sedation) waren ebenso Voraussetzung.

Von den 8 Weiterbildungsassistenten (6 Frauen, 2 Männer) haben sich 2 Frauen und ein Mann im Anschluss an ihre Schwerpunktweiterbildung niedergelassen (1 × Übernahme der väterlichen GE-Schwerpunktpraxis, 1 × Übernahme eines BAG-Anteils, 1 × angestellt in einer großen BAG mit 3 Praxiseigentümern), die anderen 5 Kolleginnen und Kollegen arbeiten bis dato weiterhin als Oberärzte in Lehrkrankenhäusern der Umgebung.

Die Kenntnis, dass alle diese Kollegeninnen und Kollegen bereits in unserer Schwerpunktpraxis gearbeitet hatten, hat ihnen Vorteile bei ihren Bewerbungen an den Krankenhäusern gebracht, da die Abteilungsleiter davon ausgehen konnten, dass sie sehr gute Kenntnisse in der Behandlung von CED, hepatologischen und Tumorpatienten mitbringen. Auch die im Zeugnis attestierten Endoskopiekenntnisse waren durch die Mitarbeit in einer Praxis mehr als realistisch und nicht nur „Papiertiger“.

Warum sollten wir also unsere Gastroenterologen Generation 2.0 in unseren Praxen weiterbilden:

  1. Es macht Spaß, Erfahrungen und Wissen weiterzugeben und zwingt uns „Senioren“, unser eigenes Handeln kritisch mit Fachwissen zu hinterfragen und up-to-date zu bleiben.

  2. Nach einer Einarbeitungszeit von 2 bis 3 Monaten bringen auch die WB-Assistentinnen eine Entlastung im Praxisalltag; Zeit, die wir nutzen können ggf. verwalterische Tätigkeiten während normaler „Arbeitszeiten“ zu erledigen.

  3. Durch unser Weiterbildungsangebot können wir potenzielle Praxispartner/-nachfolger gewinnen, die durch diese sehr befriedigende ambulante Tätigkeit früh die hohe Work-Life-Balance schätzen lernen können bei gleichzeitig hoher finanzieller Attraktivität. Wir verbessern aber auch unser Praxis-Marketing durch die Weiterbildungsmöglichkeit.

Ich hoffe, durch meinen Artikel mehr Kolleginnen und Kollegen begeistern zu können, ihre Weiterbildungsermächtigung zu beantragen bzw. zu verlängern, um durch eine Verbundweiterbildung mit Krankenhäusern eine Win-win-Situation mittelfristig herzustellen. Mir ist klar, dass hierfür die gastroenterologische Schwerpunktweiterbildung in der Niederlassung auch im Zug der Ambulantisierung, ähnlich wie die Allgemeinmedizin, finanziell gefördert werden muss. Ebenso muss das Prinzip pay-for-performance – gleiches Geld für Prozeduren ambulant und stationär vehement weiter eingefordert werden.



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Article published online:
11 April 2023

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