Erfahrungsheilkunde 2023; 72(05): 257
DOI: 10.1055/a-2065-5502
Editorial

Multifunktionsorgan Haut

Peter W. Gündling

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Leserinnen, liebe Leser,

bekannterweise ist unsere Haut weit mehr als nur die Hülle unseres Körpers oder die Verpackung unserer inneren Organe. Sie ist Grenzfläche, Resorptions- und Exkretionsorgan und nicht zuletzt auch Sinnes-, Kontakt- und Kommunikationsorgan.

All das, was derzeit passiert, „berührt“ sehr viele Menschen, und so manchem geht es sogar „unter die Haut“: Virusepidemien auf der einen und Zwangsimpfungen auf der anderen Seite, Kriege, Waffenlieferungen und Aufrüstung, Umweltzerstörung und Klimawandel, um nur einige zu nennen. Ereignisse, die nicht nur unsere Seele belasten können, sondern auch deren Spiegel: unsere Haut. Und allzu oft wird bei der Frage nach dem Beginn einer Erkrankung (nicht nur der Haut) versäumt, nachzufragen, was denn zum Zeitpunkt des Beginns oder drumherum im Leben der oder des Betroffenen los war. Oder genauer noch, was diese Situation der oder dem Betroffenen bedeutet hat. Denn gerade dieser Aspekt, die subjektive Bedeutung für die Einzelne, den Einzelnen, spielt eine wesentliche Rolle für die Entstehung von Krankheiten, was auch Aaron Antonowsky in seiner Beschreibung der Salutogenese betont hat.

Interessant – und teilweise auch in der ganzheitlichen Medizin zu wenig beachtet – ist, dass das „Außen“, also unsere Haut und ihre Anhangsgebilde Haare und Nägel, nicht nur unser Innenleben, also innere Organe und Psyche, zeigt und von diesen beeinflusst wird. Das Äußere beeinflusst auch das Innere.

So sind Hautkrankheiten, vor allem wenn sie für jeden sichtbar im Gesicht oder an den Händen sind, oft ein Grund für Scham, Kontaktscheu und eine Verminderung des Selbstwertgefühls. Schließlich rufen sie auch bei so manchem Mitmenschen Angst vor Ansteckung oder gar Ekel hervor.

Unreine Haut, und seien es nur ein paar Pickel, widersprechen unserem Schönheitsideal. Blasse und/oder faltige Haut lässt Menschen krank und alt aussehen. Dass dies die Psyche der Betroffenen belastet, ist offensichtlich.

Doch nicht nur die Psyche, auch innere Organe können von kranker Haut negativ beeinflusst werden. So kann eine gestörte Hautbarriere als Eintrittspforte für pathogene Keime, aber auch für andere biologische und chemische Schadstoffe dienen und damit zu Belastungen, Entzündungen oder Vergiftungen innerer Organe führen.

Andererseits lassen sich dieses Prinzip und die Besonderheiten der Haut aber auch therapeutisch nutzen: So können innere Organe über äußerliche Therapien (manuell, physikalisch oder arzneilich/chemisch) behandelt werden, ebenso wie die Haut durch innerliche Therapien beeinflusst werden kann.

Die in unserem aktuellen Heft vorgestellten Therapiemethoden nutzen diese Eigenschaften in ganzheitlichem Sinne auf unterschiedliche Art und Weise: Im Ayurveda zum Beispiel durch die innerliche wie äußerliche Verabreichung medizinierter Öle. Mittels Aromatherapie und naturreiner ätherischer Öle können die besonderen Bedürfnisse der Haut je nach Beschaffenheit (trocken oder fettig) und Altersstufe (Baby, Pubertät, Altershaut) erfüllt werden. Die Homöopathie zeigt ihre Stärken durch feinste Reize bei chronischen und therapieresistenten Hauterkrankungen. Die mikrobiologische Therapie macht bewusst, dass nicht nur unser enterales Mikrobiom ganz wesentlich für die Gesundheit unserer (Außen-) Haut verantwortlich ist, sondern dass auch auf der Haut selbst bis zu einer Million unterschiedlicher Keime pro Quadratzentimeter vorkommen. Durch die Interventionen der orthomolekularen Therapie können Mangelerscheinungen als Folge unserer industriellen Ernährungsgewohnheiten ausgeglichen werden und die Anthroposophie versucht auch im Hinblick auf die Haut dem Menschen in allen Formen seines Daseins gerecht zu werden: auf geistig-seelischer und spiritueller Ebene ebenso wie auf körperlich-sensorisch-emotionaler.

Über all diese Therapieformen können Sie in dieser Ausgabe mehr erfahren, wofür ich Ihnen wieder viel Freude und neue Erkenntnis bei der Lektüre wünsche.

Herzlichst Ihr

Peter W. Gündling



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Article published online:
10 October 2023

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