CC BY-NC-ND 4.0 · physioscience
DOI: 10.1055/a-2069-8113
Originalarbeit

Vergleich zweier Bandagetechniken bei sekundärem Armlymphödem nach Brustkrebs – Wirkung des Zweilagen-Kompressionssystems „3M Coban 2 Lite“ auf das Ödemvolumen und die Lebensqualität bei brustkrebsbedingtem Armlymphödem im Vergleich zur Dreischichten-Kompressionsbandage: eine Kohortenstudie

Comparison of two Bandage Techniques for Breast Cancer-related Arm Lymphoedema – Effect of the “3M Coban 2 Lite” Two-layer Compression System on Oedema Volume and Quality of Life in Breast Cancer-related Arm Lymphoedema Compared with Three-layer Compression Therapy: an Observational Study
Sibylle Walder
1   Kantonsspital Winterthur, Institut für Therapien und Rehabilitation, Winterthur, Schweiz
2   ZHAW Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Departement Gesundheit, Physiotherapie, Winterthur, Schweiz
,
1   Kantonsspital Winterthur, Institut für Therapien und Rehabilitation, Winterthur, Schweiz
,
2   ZHAW Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Departement Gesundheit, Physiotherapie, Winterthur, Schweiz
3   Rehaklinik Bad Zurzach, Forschungsabteilung, ZURZACH Care Group, Bad Zurzach, Schweiz
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Das Armlymphödem ist eine mögliche Folge bei axillärer Lymphknotenentfernung aufgrund von Brustkrebs und führt zu Einschränkungen im Alltag sowie der Lebensqualität. Aktuell ist unklar, durch welches Bandagematerial während der komplexen physikalischen Entstauungstherapie die größere Volumenreduktion bei bestmöglicher Lebensqualität erfolgen kann.

Ziel Beantwortung der Frage, ob das Zweilagen-Kompressionssystem „3M™ Coban™ 2 Lite“ bei Patientinnen mit sekundärem Armlymphödem innerhalb einer einwöchigen Intensivphase eine größere prozentuale Ödemvolumenreduktion bewirken kann als die Therapie mit klassischen Kurzzugbinden. Zudem wurde evaluiert, welches der beiden Materialien mit einem besseren Therapieempfinden und einer höheren Lebensqualität verknüpft ist.

Methode Von März 2021 bis November 2021 wurden im Kantonsspital Winterthur Intensivphasen bei Frauen mit sekundärem Lymphödem durchgeführt. Im Rahmen der Standardtherapie erhielten sie während einer Woche entweder 3-mal pro Woche eine Coban-Lite-Bandage oder täglich eine klassische Kurzzugbandage. Ausgewertet wurde die prozentuale Ödemvolumenreduktion, die Lebensqualität und das Therapieempfinden nach einer Woche Therapie.

Ergebnisse Daten von 34 Patientinnen, jeweils 17 pro Gruppe, wurden ausgewertet. Die prozentuale Ödemvolumenreduktion von 55,1 % in der Coban-Lite-Gruppe und 35,0 % in der Klassische-Bandage-Gruppe (p = 0,067; 95 % KI [−0,646; 28,809]) sowie die Lebensqualität (p = 0,202; 95 % KI [−1,11; 0,22]) unterschieden sich in beiden Gruppen nicht signifikant voneinander. Das Therapieempfinden war jedoch in der Coban-Lite-Gruppe signifikant besser als in der Klassische-Bandage-Gruppe (p = 0,004; 95 % KI [−117; −0,17]) und wies eine mittlere Effektstärke (r = 0,488) auf.

Schlussfolgerung Die Anwendung der beiden Bandagetechniken zeigten keinen statistisch signifikanten Gruppenunterschied hinsichtlich der Ödemvolumenreduktion nach einer Woche. Während dieser Zeit wurden mit der Coban-Lite-Bandage weniger Therapiesitzungen durchgeführt als mit der klassischen Bandage. Zudem erzielte die Coban-Lite-Bandage beim Therapieempfinden ein signifikant besseres Ergebnis.


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Abstract

Background Arm lymphoedema is a possible side effect of axillary lymph node removal due to breast cancer therapy and leads to restrictions in everyday life and in quality of life (QoL). It is unclear which bandage material achieves better decongestion with the best possible QoL.

Aim This study investigated whether the two-layer compression system 3M™ Coban™ 2 Lite can achieve a greater percentage oedema volume reduction in patients with breast cancer-related arm lymphedema compared to therapy with classic short-stretch bandages. Furthermore, the association with a better perception of therapy and a higher QoL of both materials were evaluated.

Method From March to November 2021, intensive phases were performed in women with secondary arm lymphedema at the Kantonsspital Winterthur. As part of standard therapy, they received either a Coban-Lite bandage 3 times a week or a classic short-stretch bandage daily for one week. Percentage oedema volume reduction, QoL and perception of therapy after one week of therapy were evaluated.

Results Data from 34 patients, 17 per group, were analysed. The percentage oedema volume reduction of 55.1 % in the Coban-Lite group and 35.0 % in the classic bandage group (p = 0.067; 95 % CI [−0.646, 28.809]) as well as the QoL (p = 0.202; 95 % CI [−1.11, 0.22]) did not differ significantly between the 2 groups. However, the perception of therapy was significantly better in the Coban-Lite group than in the classically treated group (p = 0.004; 95 % CI [−1.17, −0.17]) and had a mean effect size of r = 0.488.

Conclusion Neither bandage was significantly more effective in reducing volume. During the one-week trial, fewer therapy sessions were performed using the Coban-Lite bandage. In addition, the Coban-Lite bandage achieved a significantly better result in terms of therapy perception


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Einleitung

Brustkrebs ist in der Schweiz die am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung bei Frauen [1]. Gemäß dem Bundesamt für Statistik erkrankten in der Schweiz in den Jahren 2015–2019 durchschnittlich 6489 Personen jährlich an Brustkrebs [2]. Die Therapie des Brustkrebses kann, je nach Ausmaß und Befall, die axilläre Lymphknotenentfernung beinhalten [3]. Nach einer solchen entwickeln etwa 20–25 % der Patient*innen ein Armlymphödem (ALÖ) [4] [5]. Das Lymphödem ist eine chronische Erkrankung mit progredientem Verlauf. Das Lymphödem kann in 4 klinische Stadien (0–III) eingeteilt oder aufgrund seiner funktionellen Schwere klassifiziert werden [6]. Wird das Lymphödem nicht behandelt, führt das einerseits zu einer Zunahme der interstitiellen Flüssigkeit sowie im weiteren Verlauf zur Veränderung des Gewebes [7] [8]. Daher bedarf das Lymphödem lebenslanger Aufmerksamkeit und sollte von den Patient*innen zusammen mit lymphologisch geschulten Fachpersonen beobachtet und gegebenenfalls therapiert werden [7] [8].

Die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) stellt den Goldstandard der Therapie des ALÖ dar und wird in eine Intensivphase (IP) und Erhaltungsphase unterteilt [6] [7] [9]. Die IP beinhaltet Kompressionstherapie durch eine Bandage mit Kurzzugbinden, manuelle Lymphdrainage, Übungen und Hautpflege [6]. Das Ziel der IP ist, die größte Volumenreduktion in möglichst kurzer Zeit zu erreichen [10]. Während der Erhaltungsphase soll der Therapierfolg durch die Patient*innen mittels Kompressionsstrümpfe aufrechterhalten werden [6]. Die Dauer der Erhaltungsphase sowie die Häufigkeit der IP richten sich individuell nach Ausmaß und Veränderung des Ödems. Neben der körperlichen Beeinträchtigung wirkt sich das ALÖ sowie die Therapie und deren Dauer auch negativ auf die Lebensqualität aus [4] [5] [11]. Die sich wiederholende, intensive, meist mehrere Wochen dauernde Therapie verursacht zudem hohe Gesundheits- und Ressourcenkosten [12]. Die KPE und die Dauer der IP sind weltweit trotz Empfehlungen nicht standardisiert und werden unterschiedlich umgesetzt. Für die IP wird ein Zeitraum von 2–4 Wochen empfohlen [7] [9]. In diversen Studien wird beschrieben, dass die Reduktionsrate in den ersten 2–4 Tagen der ersten Woche am größten ist, während das Volumen in den folgenden 2–3 Wochen nur noch geringfügig abnimmt [13] [14] [15] [16] [17]. Trotzdem dauern die meisten IPs in Studien und auch in der Klinik weiterhin 2–4 Wochen [16] [17]. Das widerspricht dem Ziel der IP, eine größtmögliche Volumenreduktion in möglichst kurzer Zeit zu erreichen.

Im Jahr 2012 wurde das Zweilagen-Kompressionssystem „3 M Coban 2 Lite“, kurz „Coban-Lite-Bandage“ (CLL), erstmals für die Armkompression im Vergleich zur klassischen Dreischichten-Kompressionsbandage mit Kurzzugbinden (KlaB) getestet [17]. In dieser randomisierten, kontrollierten, nicht verblindeten Studie zeigte sich, dass eine Applikation 2-mal pro Woche mit der CLL ein ähnliches Resultat erbrachte wie die KlaB [17]. Bis Juni 2021 wurden 2 weitere randomisierte, einfach-verblindete klinische Studien publiziert, die diesen Vergleich bei ALÖs untersuchten [18] [19]. In keiner der 3 Studien wurde ein signifikanter Unterschied bezüglich der Volumenreduktion zwischen der CLL und der KlaB während der dreiwöchigen Therapiedauer gefunden. Das subjektive Empfinden der Therapie ist neben der Ödemvolumenreduktion ein relevanter Aspekt in der Praxis. Morgan et al. untersuchten dies in ihrer Studie nach 19 Tagen mit der CLL im Vergleich zur KlaB [20]. Während die KlaB als ermüdend, schwer und unhandlich empfunden wurde, äußerten sich die Teilnehmenden bezüglich der CLL größtenteils positiv [20].

Unterschiede bei der Therapiedauer und -häufigkeit sowie die Wahl des Materials könnten sich auf die Lebensqualität von Patient*innen, den Behandlungserfolg und die Gesundheitskosten auswirken. Basierend auf den Studien, welche die größte Volumenreduktion in der ersten Woche postulieren, könnte eine Verkürzung der Therapie indiziert sein. In keiner Studie wurde bisher der Effekt bezüglich der Volumenreduktion, der Lebensqualität und des Therapieempfindens bereits nach einer Therapiewoche mit verschiedenen Kompressionsmaterialien untersucht. Daher ist unklar, ob bei einer Therapiedauer von nur einer Woche durch die CLL eine größere Volumenreduktion erzielt werden kann als durch die KlaB. Fraglich ist auch, ob die beiden Materialien die Lebensqualität und das Therapieempfinden während einer Therapiewoche unterschiedlich beeinflussen. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob es im Rahmen der Standardtherapie mit CLL und KlaB Unterschiede bei der Volumenreduktion sowie der Lebensqualität und dem Therapieempfinden nach einer Therapiewoche gibt. Die Fragestellung der Studie lautet daher: Gewährleistet die Behandlung eines sekundären Armlymphödems mittels CLL im Rahmen der Standardtherapie eine größere prozentuale Ödemvolumenreduktion und ein besseres subjektives Therapieempfinden innerhalb einer Therapiewoche als die Behandlung mittels KlaB?


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Methode

Studiendesign

Diese Kohortenstudie wurde am Institut für Therapien und Rehabilitation im Kantonsspital Winterthur (KSW) in der Schweiz durchgeführt. Für die Analyse wurden Daten verwendet, die im Rahmen der ambulanten, lymphologischen Standardbehandlung von März 2021 bis November 2021 erhoben wurden. Es erfolgte somit keine Randomisierung der Patientinnen. Das Vorhandensein der notwendigen Daten wurde Ende November 2021 überprüft und in einer Tabelle zusammengefasst. Die Stichprobengröße war von der Anzahl Lymphödem-Anmeldungen abhängig. Aufgrund der Behandlungszahlen aus dem Jahr 2019 war im gewählten Zeitraum mit Daten von ca. 30 Patientinnen zu rechnen.

Bei der Erstellung der Arbeit wurden die STROBE-Richtlinien berücksichtigt [21]. Die Studie wurde von der kantonalen Ethikkommission Zürich bewilligt.


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Einschlusskriterien

  • Frauen über 18 Jahren mit einem einseitigen sekundären, brustkrebsbedingten ALÖ

  • Überweisung zur KPE ins KSW zwischen März 2021 und November 2021

  • KlaB an 5 Tagen in Folge, jeweils montags bis freitags oder CLL montags, mittwochs und freitags während einer Woche

  • Vorhandene Einwilligung zur Datennutzung (General Consent)

  • Vollständiger Datensatz bestehend aus Volumendaten, ausgefülltem Fragebogen, Gewicht, Größe, Händigkeit, Dauer des Bestehens des ALÖ und die betroffene Seite

  • Anfangs- und Schlussvolumenmessung musste durch dieselbe Person erfolgt sein


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Ausschlusskriterien

  • Fremdsprachige Patientinnen, zur Verhinderung von Verzerrungen durch das Übersetzen des Fragebogens

  • Keine vollständige Woche Therapie

  • Mehr als eine Woche Therapie

  • Anderer Applikationsrhythmus


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Therapie und Material

Während der 45 Minuten dauernden Therapiesitzung wurde mittels manueller Lymphdrainage gearbeitet und im Anschluss die Kompressionsbandage mit etwa 25 mm HG angebracht [22]. Die Dauer der einzelnen Bestandteile der KPE war nicht standardisiert. Alle Therapierenden waren für die lymphologische Physiotherapie ausgebildet. Die Bandage blieb bis zur nächsten Therapiesitzung am Arm und wurde während dieser entfernt. Eine Gruppe von Patientinnen erhielt alle 2 Tage eine CLL, während die andere täglich eine KlaB mit Watte und Kurzzugbinden erhielt ([Abb. 1]). Aufgrund der größeren Rutschfestigkeit genügt die Applikation der CLL an jedem zweiten bis dritten Tag [23]. Die Materialwahl wurde in Rücksprache mit den Patientinnen getroffen. Dabei wurden die zeitlichen Ressourcen der Patientinnen sowie der Therapierenden sowie der Wunsch der Patientinnen berücksichtigt. Weiter spielte die Erfahrung bei der Materialanwendung eine Rolle. Zu Beginn und am Ende jeder IP wurde durch dieselben Therapierenden die Armvolumina gemessen. Patientinnen mit einer CLL hatten somit bis zur Abschlussmessung 2 Bandagewechsel, während diejenigen mit einer KlaB 4 hatten.

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Abb. 1 Armbandage mit dem Zweilagen-Kompressionssystem 3 M Coban 2 Lite. Finger mit Elastomull Haft® bandagiert (links). Armbandage mit klassischen Kurzzugbinden unterpolstert mit Cellona®-Watte. Finger mit Mollelast® bandagiert (rechts).

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Zielgrößen

Die primäre Zielgröße dieser Studie war die prozentuale Ödemvolumenreduktion nach einer Woche KPE in der IP. Als sekundäre Zielgrößen wurden die Lebensqualität während der Therapie sowie das subjektive Therapieempfinden erhoben.


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Messinstrumente

Volumenmessung

Im Rahmen der Standardtherapie wurde der Umfang beider Arme zu Beginn und am Ende der Therapiewoche mit einem Maßband festgestellt. Um Verzerrungen durch ungleiches Messen zu verhindern, wurden nur Daten verwendet, bei denen dieselbe Person beide Messungen durchgeführt hatte. In der KlaB-Gruppe wurde somit am Freitag nach 4 und in der CLL-Gruppe nach 2 Bandageapplikationen gemessen. Es wurde die Volumenmessung und -berechnung nach Kuhnke im 4-cm-Scheibenmodell an beiden Armen durchgeführt [24]. Diese standardisierte Messung der oberen Extremität zeigt eine große Interrater- und Intrarater-Reliabilität (0,99 resp. 0,98 bei einem Konfidenzintervall von 95 %) [25]. Ausgehend von diesen Werten wurden die verschiedenen Volumina berechnet.


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Freiburg Life Quality Assessment – Lymphödeme Kurzversion

Das Freiburg Life Quality Assessment – Lymphödeme Kurzversion (FLQA-LS), bestehend aus 33 Fragen, wurde von Augustin et al. speziell zur Messung der Lebensqualität bei Patient*innen mit chronischem Lymphödem entwickelt (siehe Zusatzmaterial) [26]. Es ist der einzige deutschsprachige, evaluierte Fragebogen, der die Lebensqualität sowie das Empfinden der Therapie abbildet. Alle Fragen im FLQA-LS beziehen sich auf die vergangene Therapiewoche. Der Fragebogen besteht aus 6 Kategorien. Zu den ersten 5 Kategorien (Körperliche Beschwerden, Alltagsleben, Sozialleben, Psychisches Befinden, Therapie der Lympherkrankung) gibt es 30 Fragen, 6 pro Kategorie. Die Fragen können auf einer 5-stufigen Skala von „gar nicht“ bzw. „nie“ bis „sehr“ bzw. „immer“ beantwortet werden. Ein positives Empfinden wird mit einem Punkt bewertet, ein negatives mit 5 Punkten. In der sechsten Kategorie wird mit den Fragen 31–33 die allgemeine Lebensqualität auf einer Skala von 0 (= sehr schlecht) bis 10 (= sehr gut) evaluiert. Hier werden die Punktwerte hingegen invers bestimmt. Eine hohe Gesamtpunktzahl weist somit auf eine schlechte Lebensqualität hin [26].


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Statistische Datenanalyse

Die Berechnungen und statistischen Analysen erfolgten retrospektiv mit dem Programm R Version 4.1.2. Die statistische Signifikanz wurde bei einem zweiseitigen Testverfahren vorgängig bei einem α = 0,05 festgelegt. Um die Daten auf das Vorliegen einer Normalverteilung zu testen, wurden alle Variablen mittels eines QQ-Plots sowie des Shapiro-Wilk-Tests geprüft. Dabei zeigte sich, dass keine der relevanten Daten normalverteilt waren. Die klinischen Parameter vor und nach der Therapie wurden daher mit dem exakten Mann-Whitney-U-Test zweiseitig auf Gruppenunterschiede analysiert. Darüber hinaus wurden die 95-%-Konfidenzintervalle (95 % KI) bestimmt. Bei Vorliegen einer Signifikanz wurde zudem die Effektstärke mittels der Formel r = |z/√n| berechnet und anschließend anhand der Einteilung nach Cohen evaluiert. Dabei gilt eine Effektgröße 푟 von 0,1 als „kleiner“ Effekt, etwa 0,3 als „mittlerer“ Effekt und 0,5 und mehr als „großer“ Effekt [27].

Für den FLQA-LS waren für jede Hauptskala sowie für den gesamten Fragebogen (Gesamtlebensqualität) der Mittelwert, die Standardabweichung (SD), der Bereich, der Median und der Interquartilsabstand (IQR) zu berechnen. Es mussten mindestens 75 % der Fragen innerhalb einer Hauptskala beantwortet worden sein, um diese für die Datenauswertung nutzen zu können [26]. Zudem mussten für mindestens 4 der 5 Hauptskalen sowie zwingend für die Hauptskala „Therapie der Lympherkrankung“ Daten vorliegen. Letzteres war relevant, um den Effekt der unterschiedlichen Materialien für den Zielwert „Empfinden der Therapie“ abzubilden. Die Werte aller Kategorien zusammen bildeten die Gesamtlebensqualität. Verglichen wurden die Mittelwerte.

In der Literatur werden der Body-Mass-Index (BMI), die Dauer des Lymphödems sowie teilweise auch das Alter als beeinflussende Faktoren auf die Volumenreduktion durch die Kompressionstherapie beschrieben [28] [29]. Um diese Störfaktoren zu detektieren, kam eine einfache sowie multiple Regressionsanalyse zum Einsatz. Dabei wurden die Variablen BMI, Alter sowie Dauer des ALÖ seit Erstmanifestation der prozentualen Ödemvolumenreduktion gegenübergestellt sowie auf das Vorliegen eines Effekts hinsichtlich des Therapieempfindens als auch der Gesamtlebensqualität geprüft. Abschließend wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen der prozentualen Ödemvolumenreduktion und dem Therapieempfinden respektive der Lebensqualität mittels Korrelation nach Spearman berechnet.


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Ergebnisse

Von März 2021 bis November 2021 wurden 77 IPs bei Frauen mit unilateralem ALÖ durchgeführt. Von diesen IPs waren 21 sich wiederholende IPs, deren Daten nicht einbezogen wurden. Aufgrund fehlender Fragebogendaten, fehlender Einwilligung zur Datennutzung, anderer Ursachen für das ALÖ oder anderer Applikationsrhythmen wurden 22 Frauen ausgeschlossen. Insgesamt konnten Daten von 34 Patientinnen in diese Beobachtungsstudie eingeschlossen werden, wovon je 17 Probandinnen mit der CLL und mit der KlaB behandelt wurden.

Charakteristika der Patientinnen

Die demografischen Charakteristika der Patientinnen sind in [Tab. 1] dargestellt, während die Volumina vor der Therapie in [Tab. 2] zu finden sind. Das Durchschnittsalter aller Probandinnen betrug 63,7 Jahre und war in beiden Gruppen vergleichbar (p = 0,489). Bei 41 % der Patientinnen war die dominante Armseite vom Lymphödem betroffen, das im Mittel seit 5,6 Jahren bestand. Der BMI und das Armvolumen der gesunden Seite war in der CLL-Gruppe signifikant größer als in der KlaB-Gruppe. Beim Armvolumen der betroffenen Seite und dem Ödemvolumen vor der Therapie gab es keine signifikanten Gruppenunterschiede.

Tab. 1

Demografische Charakteristika der Patientinnen im Vergleich.

Variablen

Alle Probandinnen

(n = 34)

Coban-Lite-Bandage

(n = 17)

Klassische Bandage

(n = 17)

Differenz (Coban-Lite-Bandage − Klassische Bandage) [95 % Kl]

p-Wert

Alter (Jahre)

+ 2 [−6, 11]

0,489

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • 63,7 (10,9)

  • 44–86

  • 64,7 (8,5)

  • 51–77

  • 62,7 (13,1)

  • 44–86

BMI

+ 5,1 [0,756; 7,838]

0,010[*]

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • 27,5 (6,1)

  • 18,8–49,3

  • 30,0 (7,5)

  • 20,7–49,3

  • 24,9 (2,6)

  • 18,8–28,7

Dominante Seite, rechts (n)

34

17 (50 %)

17 (50 %)

Betroffene Seite

  • Rechts (n)

  • Links (n)

  • 14 (41 %)

  • 20 (59 %)

  • 7

  • 10

  • 7

  • 10

Lymphödemstadium (funktionell), leicht/moderat/schwer (n)

13 (38 %)/18 (53 %)/3 (9 %)

6 (35 %)/11 (65 %)/0

7 (41 %)/7 (41 %)/3 (18 %)

−1/+ 4/−3

Dauer ALÖ seit Erstmanifestation (Monate)

−8,5 [−43; 16,5]

0,501

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • 66,9 (64,7)

  • 0,5–256

  • 62,7 (70,1)

  • 3–256

  • 71,2 (60,6)

  • 0,5–220

ALÖ = Armlymphödem, BMI = Body-Mass-Index, IQR = Interquartilsabstand, KI = Konfidenzintervall, n = Anzahl, SD = Standardabweichung.

* = signifikant bei p < 0,05


Tab. 2

Volumina vor und nach der Therapie sowie prozentuale Ödemvolumenreduktion der Coban-Lite-Bandage im Vergleich zur klassischen Bandage (primäre Zielgröße).

Variablen

Coban-Lite-Bandage

(n = 17)

Klassische Bandage

(n = 17)

Differenz (Coban-Lite-Bandage – Klassische Bandage) [95 - % - Kl]

p-Wert

Armvolumen nicht betroffene Seite (ml)

+ 735 [60, 942]

0,026[*]

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

  • 3046 (1085)

  • 1893–5551

  • 2766 (630)

  • 2311 (421)

  • 1574–2944

  • 2420 (478)

Armvolumen betroffene Seite vor der Therapie (ml)

+ 739 [−11, 1057]

0,062

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

  • 3693 (1227)

  • 2373–6428

  • 3385 (768)

  • 2954 (566)

  • 1879–2161

  • 2961 (711)

Ödemvolumen vor der Therapie (ml)

+ 4 [−194, 229]

0,540

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

  • 647 (260)

  • 232–1273

  • 626 (236)

  • 643 (326)

  • 305–1264

  • 525 (455)

Überschüssiges Armvolumen vor der Therapie (%)

−6,4 [−10,99; 5,26]

0,433

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

  • 22,1 (8,1)

  • 8,4–34,8

  • 24,8 (13,3)

  • 28,5 (15,9)

  • 11,5–66,2

  • 21,2 (15,4)

Armvolumen betroffene Seite nach der Therapie (ml)

+ 636 [−101, 915]

0,16

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

  • 3376 (1163)

  • 2214–6020

  • 3113 (660)

  • 2740 (550)

  • 1664–3704

  • 2796 (685)

Ödemvolumen nach der Therapie (ml)

−98 [−258, 94]

0,454

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

  • 330 (235)

  • −148–831

  • 334 (244)

  • 428 (259)

  • 90–1013

  • 376 (247)

Ödemvolumenreduktion (ml)

+ 102 [11, 206]

0,016[*] (r = 0,413)

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

  • 317 (158)[*]

  • 116–723

  • 301 (207)

  • 215 (143)[*]

  • 74–687

  • 186 (136)

Ödemvolumenreduktion (%)

+ 20,1 [−0,646; 28,809]

0,067 (r = 0,316)

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

  • 55,1 (35,6)

  • 24,2–163,8

  • 41,5 (32,8)

  • 35,0 (15.4)

  • 17,6–70.5

  • 31,0 (9,4)

Volumina vor und nach der Therapie: IQR = Interquartilsabstand; KI = Konfidenzintervall; r = Effektstärke: ab 0,1 = schwach, ab 0,3 = mittel, ab 0,5 = stark; SD = Standardabweichung

* = signifikant bei p < 0,05


Von einem leichten funktionellen ALÖ waren in der CLL-Gruppe 35 % und in der KlaB-Gruppe 41 % betroffen. In der KlaB-Gruppe wiesen 18 % ein schweres ALÖ auf, während dieser Schweregrad in der CLL-Gruppe nicht vertreten war. Ein moderates ALÖ hatten in der CLL-Gruppe 65 %, in der KlaB-Gruppe 41 % der Patientinnen. Der durchschnittliche Schweregrad in beiden Gruppen entspricht mit einem überschüssigen Armvolumen von 22,1 % ± 8,1 % (CLL-Gruppe) respektive 28,5 % ± 15,9 % (KlaB-Gruppe) einem mittelschweren Lymphödem [6].


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Volumenreduktion

Die verschiedenen Volumina, gemessen nach der IP, sind in [Tab. 2] ersichtlich. In beiden Gruppen wurde das Ödem durch die Therapie reduziert. Bei einem initial vergleichbaren Ödemvolumen (645ml ± 290 ml) reduzierte sich die CLL-Gruppe bei der Zielgröße „Ödemvolumenreduktion“(%) um 20,1 % mehr als in der KlaB. Das Ödemvolumen nahm in der CLL-Gruppe zwischen 24,2 und 163,8 % im Vergleich zur KlaB-Gruppe mit 17,6–70,5 % ab ([Abb. 2]). Die Werte erreichten keinen statistisch signifikanten Unterschied (p = 0,067; KI [−0,646; 28,809]).

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Abb. 2 Violinplot zur Darstellung der Dichte und Verteilung der Ödemvolumenreduktion im Vergleich der beiden Gruppen in % (CLL = Coban-Lite-Bandage, KlaB = klassische Dreischichten-Kompressionsbandage mit Kurzzugbinden).

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Freiburg Life Quality Assessment – Lymphödeme Kurzversion

Die Werte der FLQA-LS sind in [Tab. 3] aufgeführt. Beim Zielwert „Empfinden der Therapie“ zeigen die Resultate (1,58 ± 0,60 vs. 2,34 ± 0,91) eine statistische Signifikanz zugunsten der CLL-Gruppe (p = 0,004; KI [−1,17; −0,17]). Die Effektstärke der Einflussgrößen auf das Empfinden der Therapie wies einen mittleren Effekt (r = 0,488) zugunsten der CLL-Gruppe auf.

Tab. 3

Freiburg Life Quality Assessment – Lymphödeme Kurzversion (sekundäre Zielgröße).

Variablen

(Werte 1–5, wenn nicht anders angegeben)

Coban-Lite-Bandage

(n = 17)

Klassische Bandage

(n = 17)

Differenz (Coban-Lite-Bandage – Klassische Bandage) [95 % Kl]

p-Wert

Therapie der Lympherkrankung

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

1,58 (0.60)

1,00–2,83

1,50 (1,00)

2,34 (0,91)

1,17–5,00

2,33 (0,83)

−0,76 [−1,17, −0,17]

0,004[*] (r  = 0,488)

Gesamtlebensqualität

  • Mittelwert (SD)

  • Bereich

  • Median (IQR)

2,04 (0.67)

1,03–3,06

2,11 (1,22)

2,59 (1,14)

0,97–5,44

2,42 (1,39)

−0,55 [−1,11, 0,22]

0,202 (r  = 0.221)

IQR = Interquartilsabstand; KI = Konfidenzintervall; kleinerer Wert = besser; r = Effektstärke: ab 0,1 = schwach, ab 0,3 = mittel, ab 0,5 = stark; SD = Standardabweichung

* = signifikant bei p < 0,05


In der Antwortverteilung bezüglich des Therapieempfindens ist ersichtlich, dass in der CLL-Gruppe die Durchschnittswerte von 1 bis maximal 2,83 reichten, während in der KlaB-Gruppe die Werte über einen größeren Bereich von 1,17–5 verteilt waren ([Abb. 3]). 10 Personen (59 %) der CLL-Gruppe empfanden keine Einschränkung während der Therapie (1–1,5), während diese Antwort von 2 Personen der KlaB-Gruppe (12 %) angegeben wurde. 2 Personen (12 %) der KlaB-Gruppe fühlten sich ziemlich bis sehr eingeschränkt (3,55), während diese Kategorie in der CLL-Gruppe nicht vertreten war. In der Zielgröße „Gesamtlebensqualität“ (2,04 ± 0,67 vs. 2,59 ± 1,14) war kein signifikanter Gruppenunterschied festzustellen (p = 0,202). Die Daten der restlichen Bereiche waren in beiden Gruppen vergleichbar und wiesen keine statistische Signifikanz auf (p = 0,111–0,606). Die CLL-Gruppe schnitt in allen Bereichen tendenziell besser ab als die KlaB-Gruppe.

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Abb. 3 Violinplot zur Darstellung der Dichte und Verteilung der Daten „Therapieempfinden“ im Vergleich (CLL = Coban-Lite-Bandage; KlaB = klassische Bandage mit Kurzzugbinden).

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Regressionsanalysen

Die Regressionsanalyse zeigte, dass 61 % der Varianz der betroffenen Armvolumenseite vor der Therapie mit der Variable BMI erklärt werden kann (F(1,32) = 49,97; p < 0,001). Der BMI hatte keinen Zusammenhang mit allen anderen Volumina. Demnach war das Potential für eine Volumenreduktion in beiden Gruppen gleich. Zudem ergab sich weder durch den BMI oder durch das Alter noch durch die Dauer des ALÖ seit Erstmanifestation ein relevanter Einfluss auf die prozentuale Ödemvolumenreduktion (p = 0,313).

Es konnte kein Zusammenhang zwischen dem Maß der Ödemvolumenreduktion und der Lebensqualität (ρ = 0,09; p = 0,618) respektive dem Therapieempfinden (ρ = −0,09; p = 0,622) festgestellt werden. Weder der BMI oder das Alter noch die Dauer des ALÖ seit Erstmanifestation zeigten bei der Regressionsanalyse einen Einfluss auf das Therapieempfinden (p = 0,165) bzw. auf die gesamte Lebensqualität (p = 0,477). Es konnte festgestellt werden, dass zwischen dem Therapieempfinden und der gesamten Lebensqualität beider Gruppen ein starker positiver Zusammenhang bestand (ρ = 0,574; p < 0,000). Dieser Effekt war in der KlaB-Gruppe (ρ = 0,704; p = 0,002) größer als in der CLL-Gruppe (ρ = 0,478; p = 0,052).


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Diskussion

Die vorliegende Arbeit untersuchte, ob bei Patientinnen mit sekundärem Armlymphödem eine einwöchige Therapie mittels CLL hinsichtlich der prozentualen Ödemvolumenreduktion sowie der Lebensqualität und des Empfindens der Therapie vorteilhafter als die Behandlung mit KlaB ist. Zwar zeigte sich eine größere prozentuale Ödemvolumenreduktion mit der CLL, sie war aber bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % nicht statistisch signifikant. Damit lässt sich die höhere Effektivität der CLL betreffend der prozentualen Ödemvolumenreduktion innerhalb des gewählten Studiendesigns nicht feststellen. Auch die Gesamtlebensqualität war in beiden Gruppen vergleichbar. Hinsichtlich der Unterkategorie des Fragebogens zum Therapieempfinden schnitten die Patientinnen, die mit der CLL behandelt wurden, jedoch signifikant besser ab. Nach aktuellem Kenntnisstand ist dies die erste Studie, in der die Wirkung der CLL und der KlaB in Bezug auf die Ödemvolumenreduktion bei ALÖ und die Lebensqualität innerhalb einer Woche vergleichend untersucht wurde.

Prozentuale Ödemvolumenreduktion mit CLL vs. KlaB

Keine der 3 bisherigen Studien, die die Ödemvolumenreduktion und die Lebensqualität bei Menschen mit sekundärem ALÖ bei Applikation der CLL oder der KlaB verglichen haben, konnte einen signifikanten Effekt zugunsten einer der beiden Techniken nachweisen [17] [18] [19]. Ebenso konnte eine signifikant bessere Entstauung durch die CLL in der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden.

Moffatt et al. [17] und Yaman et al. [19] applizierten die CLL 2-mal wöchentlich und die KlaB täglich über 3 Wochen. Torres-Lacomba et al. verglichen die tägliche Therapie über 3 Wochen [18]. Alle Studien wiesen somit eine deutlich längere IP-Dauer auf als die vorliegende Studie mit nur einer Woche. Die wichtigsten Unterschiede dieser 3 Studien zur vorliegenden Untersuchung bestanden in der Therapiedauer und den Erneuerungszeiträumen. Keine der 3 Studien gibt die Reduktionsraten nach einer Woche an. Torres-Lacomba et al. konnten in 3 Wochen das Ödemvolumen mit der CLL um 46,3 % und mit der KlaB um 36,3 % reduzieren [18]. Yaman et al. reduzierten das Ödemvolumen um 40 % (CLL) respektive um 35 % (KlaB) [19]. Moffatt et al. gaben keine expliziten Werte zur prozentualen Ödemvolumenreduktion an [17]. Die in der vorliegenden Studie bereits innerhalb einer Woche erzielten Reduktionswerte von 55,1 % in der CLL-Gruppe respektive 35 % in der KlaB-Gruppe sind mit den Werten der Studien längerer Dauer vergleichbar. In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass die Reduktionsraten bereits nach 2 respektive 4 Therapien denjenigen entsprechen, die in anderen Studien nach mehreren Wochen erreicht wurden. Die vorliegenden Ergebnisse weisen darauf hin, dass die CLL-Gruppe in dieser Studie im Vergleich sehr gute Ergebnisse erzielt. Demnach reicht eine einwöchige Therapie in den meisten Fällen aus. Durch eine länger dauernde IP wird das Ödemvolumen also nicht zwingend noch weiter reduziert.

In der vorliegenden Studie konnte kein signifikanter Unterschied bei der prozentualen Ödemvolumenreduktion zwischen den beiden Bandage-Materialien festgestellt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass beide Therapien gleichwertig sind. Die Daten mögen im Rahmen des vorliegenden Stichprobenumfanges und des Studiendesigns nicht statistisch signifikant sein, eine Differenz der Reduktion zwischen den beiden Materialien von 20 % könnte aber bereits eine hohe klinische Relevanz aufweisen. Zudem wurden im Behandlungszeitraum einer Woche bei der CLL-Gruppe weniger Therapiesitzungen (2) im Vergleich zur KlaB-Gruppe (4) durchgeführt. Trotzdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass in einer der beiden Gruppen bereits früher die gemessene Volumenreduktion erreicht worden war. Die CLL hat die Qualität, Ödeme adäquat zu reduzieren. Ob sie der KlaB überlegen ist, lässt sich aufgrund der bisherigen Studienlage nicht abschließend klären. Weitere Untersuchungen sollten überprüfen, ob die Therapie mit der CLL effizienter wirkt als die KlaB, da insgesamt weniger Therapien für vergleichbare Resultate benötigt wurden. Dazu wäre es im Studiensetting sinnvoll, den Verlauf der Volumenreduktion durch Messung bei jeder Therapiesitzung zu verfolgen.


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Therapieempfinden und Lebensqualität mit CLL vs. KlaB

Bei der Auswertung des FLQA-LS zeigten sich ausschließlich im Therapieempfinden relevante Unterschiede. Die Daten lassen darauf schließen, dass die Therapie mittels CLL als angenehmer und weniger einschränkend empfunden wird als die mit der KlaB. Der Unterschied zwischen den Gruppen ist signifikant und weist eine mittlere Effektstärke auf. Damit ist nicht nur ein Effekt vorhanden, sondern auch ersichtlich, dass dieser bedeutsam ist. Diese Resultate decken sich mit den Erkenntnissen von Morgan et al., die in ihrer qualitativen Studie mittels Interviews die Erfahrung mit der KlaB im Vergleich zur CLL erfragten [20]. Weniger einschränkendes Therapiematerial könnte zu größerer Adhärenz und somit zu einem besseren Therapieerfolg führen [20].

Trotz konstant besserem Empfinden in den einzelnen Wertungsbereichen der FLQA-LS ist in der Gesamtlebensqualität keine Signifikanz zugunsten der CLL vorhanden. Das widerspricht der Erwartung, dass das angenehmere Therapiematerial auch auf die allgemeine Lebensqualität einen größeren positiven Einfluss hat. Andere Faktoren könnten die Lebensqualität daher stärker beeinflussen. Welche das sind, kann im Rahmen dieser Studie nicht beantwortet werden. Es zeigte sich aber ein Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Lebensqualität und dem Therapieempfinden, der insbesondere in der KlaB-Gruppe nachgewiesen werden konnte. Somit ertrugen Patientinnen mit einer niedrigeren Lebensqualität in der KlaB-Gruppe auch die Therapie weniger gut. Weiter könnte die geringere Anzahl an Therapiesitzungen bei Nutzung der CLL dazu beitragen, dass die Therapie als angenehmer empfunden wird. Die Betroffenen müssen ihren Alltag weniger auf die Therapie ausrichten, können ihre Zeit freier nutzen und sind somit weniger abhängig von Gesundheitsfachpersonen.


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Limitationen

Aufgrund des limitierten Beobachtungszeitraumes fällt die Stichprobengröße mit n = 34 klein aus. Es besteht somit die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers zweiter Art. Wichtig zu beachten ist, dass die Ergebnisse der vorliegenden Studie nicht ohne Weiteres auf alle Patient*innen mit ALÖ verallgemeinert werden können. Die externe Validität der Studie könnte beeinträchtigt sein. Es ist daher nicht automatisch davon auszugehen, dass die Ergebnisse auf die gesamte Population übertragbar sind.

Aufgrund der prozentualen Armdifferenz zwischen der betroffenen und der nicht betroffenen Seite konnte eine funktionelle Schwerebewertung vorgenommen werden. Obwohl die Dauer des Bestehens des ALÖ in beiden Gruppen vergleichbar war, lag die ALÖ in verschiedenen Schweregraden vor. Diese funktionellen Schweregrade allein sagen dabei nichts über die Konsistenz des Lymphödems aus. Somit ist nicht klar, in welchem Ausmaß ein großes Ödem bereits von Gewebeveränderungen begleitet ist. Außerdem könnte auch ein ALÖ mit geringem Volumen bereits stark fibrosiert sein. Die in dieser Studie vorgenommene Einteilung lässt somit nicht auf die klinische Ausprägung schließen. Es kann daher keine Aussage getroffen werden, inwiefern die Ödemqualität das Resultat der Therapie beeinflusst hat.

Die fehlende Standardisierung der Therapiesitzungen könnte die Vergleichbarkeit beeinträchtigen. Es ist möglich, dass dies zu einer höheren Variabilität der Ergebnisse führte, was die Interpretation der Ergebnisse erschwert. Weiter ist die verminderte Aussagekraft der Studie aufgrund der fehlenden Randomisierung zu berücksichtigen. Um eine klarere Aussage über den Einfluss der Konsistenz der ALÖ zu treffen, sollten zukünftige Studien diese berücksichtigen. Eine randomisierte kontrollierte Studie, die den Fibrosierungsgrad bei der Randomisierung berücksichtigt, könnte dazu beitragen, die Wirksamkeit von CLL und KlaB bei ALÖ besser zu verstehen.


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Schlussfolgerungen

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die prozentuale Ödemvolumenreduktion in beiden Gruppen unabhängig vom verwendeten Material vergleichbar war. Es gibt nach einer Woche keinen statistisch signifikanten, aber einen potenziell klinisch relevanten Unterschied. Zudem werden nach einer Woche mit CLL bei der Hälfte der Therapiesitzungen vergleichbare Resultate wie mit KlaB erzielt. Das subjektive Therapieempfinden wurde in der CLL-Gruppe signifikant positiver bewertet.

Der Einsatz von CLL und die Weiterbildung von Mitarbeitenden in der Praxis können in Erwägung gezogen werden, um Patient*innen ein angenehmeres Therapieempfinden zu ermöglichen. Durch die geringere Therapieanzahl mit CLL könnten im gleichen Zeitraum zudem eine höhere Anzahl Patient*innen behandelt werden. Möglicherweise könnte dadurch sogar eine Reduktion der Gesundheitskosten pro Patient*in erreicht werden. Nachteilig ist, dass bei der CLL ein Großteil des teureren Materials nicht wiederverwertet werden kann, bei der KlaB hingegen schon. Da jedoch die CLL weniger häufig erneuert werden muss, ist offen, inwiefern sich das auf die Gesamtkosten auswirken würde. Daher sind gesundheitsökonomische Studien erforderlich, um die Kosten des Materials gegen die Reduktion der Therapie aufzuwiegen. Da diese Studie einige Limitationen beinhaltet, sind randomisierte kontrollierte Studien mit größeren Stichproben durchzuführen, um die vorliegenden Daten zu bestätigen.

Ethische Aspekte: Die Kantonale Ethikkommission Zürich genehmigte die Durchführung der Kohortenstudie (BASEC-Nummer 2021-00992).

Zustimmung zur Veröffentlichung: nicht zutreffend

Verfügbarkeit von Daten und Materialien: Weitere in dieser Studie generierten und/oder analysierten Daten sind auf begründete Anfrage bei der korrespondierenden Autorin erhältlich.

Registrierung: nicht zutreffend

Finanzielle Unterstützung: Diese Studie erhielt keine Fremdfinanzierung. Eine Open-Access Publikation wird vom Kantonsspital Winterthur finanziert.

Beiträge von Autor*innen: Konzeption oder Gestaltung der Arbeit: SW. Erhebung, Analyse und Interpretation der Daten: SW, MB. Entwurf des Manuskripts: SW, MB. Kritische Überarbeitung des Manuskripts hinsichtlich wichtiger geistiger Inhalte: SW, MB, TB. Alle Autor*innen haben die finale Version des Manuskripts gelesen und genehmigt. Alle Autor*innen erklären, dass sie für alle Aspekte der Arbeit verantwortlich sind und gewährleisten, dass Fragen im Zusammenhang mit der Richtigkeit oder Integrität eines jeden Teils der Arbeit angemessen untersucht und gelöst werden.

Danksagung: Wir bedanken uns beim Lymphteam und den Patientinnen des Kantonsspitals Winterthur sowie bei David Steger und André Meichtry für die Unterstützung bei statistischen Fragen.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Sibylle Walder
Kantonsspital Winterthur, Institut für Therapien und Rehabilitation
Brauerstrasse 15
8401 Winterthur
Schweiz   

Publication History

Received: 19 March 2023

Accepted: 07 July 2023

Article published online:
20 October 2023

© 2023. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

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Abb. 1 Armbandage mit dem Zweilagen-Kompressionssystem 3 M Coban 2 Lite. Finger mit Elastomull Haft® bandagiert (links). Armbandage mit klassischen Kurzzugbinden unterpolstert mit Cellona®-Watte. Finger mit Mollelast® bandagiert (rechts).
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Abb. 2 Violinplot zur Darstellung der Dichte und Verteilung der Ödemvolumenreduktion im Vergleich der beiden Gruppen in % (CLL = Coban-Lite-Bandage, KlaB = klassische Dreischichten-Kompressionsbandage mit Kurzzugbinden).
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Abb. 3 Violinplot zur Darstellung der Dichte und Verteilung der Daten „Therapieempfinden“ im Vergleich (CLL = Coban-Lite-Bandage; KlaB = klassische Bandage mit Kurzzugbinden).