Schlüsselwörter
Hebammenkreißsaal - 1:1-Betreuung - interventionsarme Geburt
Key words
Midwife led-unit - 1:1 care - low intervention birth
ACOG American College of Obstetrics and Gynecology
BMI Body-Mass-Index
CMV Cytomegalievirus
CSE combined spinal and epidural anaesthesia
CTG Kardiotokografie
DM Diabetes mellitus
DR Dammriss
Ges Gesamtpopulation
HIV Human Immunodeficiency Virus
HKS Hebammenkreißsaal
i. m. intramuskulär
IR Interruptio
IUGR intrauterine growth retardation
i. v. intravenös
KI Konfidenzintervall
MW Mittelwert
o. g. oben genannt
PDA Periduralanästhesie
Perz. Perzentile
PPH postpartale Hämorrhagie
SD/± Standardabweichung
SGA small for gestational age
SpP Spontanpartus
SSL Steinschnittlage
SSW Schwangerschaftswoche
supp. Suppositorium
WHO World Health Organization
Z. n. Zustand nach
Einleitung
Weltweit werden jährlich durchschnittlich 140 Millionen Geburten verzeichnet
[1], wovon eine Mehrheit keine relevanten
Risikofaktoren für maternale und/oder fetale Komplikationen
peripartal aufweist. Im Falle einer auftretenden Komplikation kann jedoch die
jeweilige medizinische Versorgung ausschlaggebend für die peripartale
Morbidität und Mortalität von Mutter und Kind sein. Global wird der
Fokus vor allem nicht mehr nur auf das Überleben von Geburtskomplikationen
gelegt, sondern auch auf das Ausschöpfen des vollen Potenzials an Gesundheit
für Mutter und Kind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisiert jedoch
hierbei eine erhebliche Zunahme von Anwendungen zahlreicher Praktiken zur
Einleitung, Beschleunigung, Beendigung, Regulierung und Überwachung des
meist physiologischen Geburtsprozesses, mit dem Ziel der Ergebnisoptimierung
für Frauen und Kinder unter der Geburt. Die dadurch zunehmende
Medikalisierung beeinflusst laut WHO tendenziell die eigene
Gebärfähigkeit der Frau und kann sich somit negativ auf deren
Geburtserlebnis auswirken. Problematisch ist hierbei vor allem ein fehlendes
universelles und standardisiertes Konzept für die
„Normalität“ bei Wehen und Geburt [2]. Neben einer optimierten medizinischen
Betreuung von unkomplizierten und komplizierten Geburtsverläufen, sollte die
Betreuungserfahrung der Frauen nicht mehr nur als Ergänzung der klinischen
Routineversorgung, sondern als entscheidender Aspekt für die
Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen, humanen, verstärkt
frauenzentrierten und auf die Bedürfnisse der Familien ausgerichteten
Geburtshilfe angesehen werden.
Aufgrund der zunehmenden Wahrnehmung der oben beschriebene Problematik, wurden
bereits 1990 in Großbritannien und nachfolgend in Skandinavien und
Österreich hebammengeleitete Kreißsäle bzw.
Hebammenkreißsäle etabliert. In diesen werden Frauen mit fehlenden
oder niedrigen Schwangerschafts- und Geburtsrisiken, in einem sicheren klinischen
Rahmen durch Hebammen eigenverantwortlich betreut. In Deutschland wurde diese
Konzeptidee erstmals 1998 vom Bund Deutscher Hebammen e. V. aufgegriffen und in
einer Arbeitsgruppe von Hebammen weiterverfolgt. Daraus resultierte 2003 im Klinikum
Bremerhaven Reinkenheide der erste hebammengeleitete Kreißsaal. 2021
verzeichnete der Deutsche Hebammenverband 25 hebammengeleitete
Kreißsäle in Deutschland [3].
Von den 163 Level 1 Perinatalzentren in Deutschland bieten (Stand Oktober 2022)
bisher 10 Kliniken einen Hebammenkreißsaal als erweitertes Betreuungskonzept
an.
Die überwiegende Anzahl an Geburten in Deutschland erfolgt in einem
klinischen Setting. Laut statistischem Bundesamt haben 2021 deutschlandweit 762.337
Geburten und demnach 98% aller Geburten in einem klinischen Umfeld
stattgefunden [4]. Seit einigen Jahren kommt
es jedoch zunehmend zur Schließung kleinerer Geburtenstationen in
Krankenhäusern.
Die daraus resultierende Zentralisation und Regionalisierung erforderten eine
Erweiterung und Weiterentwicklung der Betreuungskonzepte in den Zentren. Ziel muss
es hierbei sein, für Schwangere mit niedrigem Risiko, die dann zunehmend in
größeren Kliniken gebären, die freie Wahl der
Geburtsbetreuung durch klinische Binnendifferenzierung sicherzustellen.
Die zentralen angestrebten Kriterien in einem Hebammenkreißsaal sind die
Sicherstellung einer Betreuungskontinuität und eine Steigerung der aktiven
Mitgestaltung der Gebärenden während des Geburtsprozesses, bei
gleichem gesundheitlichem Outcome für Mutter und Kind sowie einer
möglichen Reduzierung von medizinisch-technischen Interventionen [5]. Wichtig ist hierbei, dass der
Hebammenkreißsaal den ärztlichen Kreißsaal nicht ersetzt,
sondern eine Erweiterung des Betreuungsangebots einer geburtshilflichen Klinik
darstellt. Gleichzeitig verfolgt der Hebammenkreißsaal das Ziel, die
Zufriedenheit der Hebammen zu erhöhen und die Attraktivität des
Hebammenberufes im klinischen Bereich zu erhöhen. Auch die Akademisierung
des Hebammenberufes generiert eine Weiterentwicklung der Betreuungskonzepte.
Eine Herausforderung liegt vor allem in der richtigen Einschätzung des
Risikoprofils einer Schwangeren. So wurde 1975 ein Risikofaktorenmodell
eingeführt, welches die frühzeitige Erkennung von
Risikoschwangerschaften und -geburten als Hauptziel ärztlicher
Schwangerschaftsvorsorge beschreibt [6]. Laut
der Bundesauswertung des Instituts für Qualitätssicherung und
Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) zur Geburtshilfe wurden 2020 circa 80
Prozent der Schwangeren während der Schwangerschaft als Schwangerschaften
mit Geburtsrisiken eingestuft [7], was wenig
plausibel und realistisch erscheint. In einer aktuellen Studie aus dem Jahr 2020
konnte gezeigt werden, dass es zu weniger Interventionen unter der Geburt kam, wenn
die Frauen davon überzeugt waren, dass die Geburt vor allem ein
physiologischer Prozess sei, welcher in der Regel von der Gebärenden
bewältigt werden kann [8].
Dies steht in einem deutlichen Kontrast zu einem wachsenden Risikoblick, welcher
nicht nur die Schwangeren, sondern auch die betreuenden Ärzte und Hebammen
verunsichern kann. Die dadurch entstehende Unsicherheit führt nicht selten
zu vermehrten Interventionen [6]. Dies zeigt
sich zum Beispiel auch in der angestiegenen Kaiserschnittrate
(„Sectiorate“). Das Anstreben einer spezifischen Sectiorate von etwa
15 Prozent wurde in einem WHO – Statement von 2015 zwar relativiert, da
aktuell noch keine zuverlässige Aussage über die maternale und
kindliche Morbidität getroffen werden kann, muss aber, bei einem nicht
belegten Einfluss auf die maternale und neonatale Morbidität und
Mortalität bei Überschreiten dieser gut begründet sein [9].
Aufgrund der zunehmenden peripartalen Interventionen rief 2019 der US –
amerikanische Gynäkologenverband (ACOG) zu einer weniger invasiven
Geburtshilfe und einer Förderung des physiologischen Geburtsverlaufes
mittels nicht-invasiver, patienten- und familienorientierter Betreuung, vor allem
während der Latenzphase der Geburt, auf [10].
Deutschlandweit gibt es kaum medizinische Auswertungen eines alternativen
Betreuungskonzepts im Rahmen eines hebammengeleiteten Kreißsaals, welcher in
ein Perinatalzentrum Level 1 integriert ist. Dabei spannt gerade diese Struktur den
größtmöglichen Bogen zwischen geburtsmedizinischer
Hochleistungsmedizin mit (notwendiger) Technisierung auf der einen Seite und
salutogenetischer und interventionsarmer Geburtshilfe auf der anderen Seite. Ziel
dieser Arbeit ist es, Unterschiede zwischen einem hebammengeleiteten
Kreißsaal und einem ärztlich geleiteten Kreißsaal in einem
Perinatalzentrum Level 1 hinsichtlich medizinischer Faktoren wie des maternalen und
neonatalen Outcomes, der peripartalen Parameter, Interventionen sowie
ärztliche Konsultationen/Visiten unter der Geburt zu erfassen.
Material Und Methoden
Studiendesign
In der vorliegenden Arbeit wurden Schwangere erfasst, welche im Zeitraum von
Dezember 2020 bis Dezember 2021 in der Abteilung für Geburtsmedizin des
Universitätsklinikums Leipzig im hebammengeleiteten Kreißsaal
entbunden, unter der Geburt aufgrund spezifischer Faktoren in den
ärztlich geleiteten Kreißsaal übergeleitet oder
primär im ärztlich geleiteten Kreißsaal entbunden
wurden. Es handelt sich um eine retrospektive, explorative Analyse. Die
Datenrecherche erfolgte mithilfe des SAP – Computersystems (SAP ERP
6.0), sowie den Geburtenbüchern, in denen alle Gebärenden und
Geburten, die in der Universitätsklinik Leipzig entbunden haben,
dokumentiert werden. Das hieraus ermittelte Kollektiv umfasste insgesamt 191
Gebärende. Im Kollektiv des Hebammenkreißsaals erfolgte die
Vorstellung von 265 Gebärenden zu einem ersten
Informationsgespräch. Von diesen wurden 199 (75%) zur Geburt im
Hebammenkreißsaal zugelassen. Bei 197 erfolgte die Vorstellung zum 3.
Termin. Von den 132 (49%) initial im hebammengeleiteten
Kreißsaal aufgenommenen Gebärenden haben 58 (21,9%)
erfolgreich im hebammengeleiteten Kreißsaal entbunden. 67 der
primär für den Hebammenkreißsaal zugelassenen
Schwangeren (33,7%) mussten unmittelbar vor der Geburt ausgeschlossen
werden. Es wurde eine Kontrollgruppe von 59 primär im ärztlichen
Kreißsaal Gebärenden gebildet ([Abb. S1]). Um eine gute Vergleichbarkeit zwischen beiden Gruppen zu
erreichen, wurde die jeweils auf eine erfolgreiche hebammengeleitete Geburt
folgende Geburt, mit einem vergleichbaren Risikoprofil, als matched pair aus den
Geburtenbüchern erfasst.
Abb. 1 Verteilung der Gebärpositionen innerhalb der
Studienpopulation (n=191). Anteil an den jeweiligen Gruppen
(Hebammengeburt n=58, übergeleitete Geburt n=74,
Arztgeburt n=59). Signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen
werden durch verschieden Buchstaben gekennzeichnet (p<0,05). SSL
– Steinschnittlage.
Nach Zusammenstellung der Kohorten sollten neben allgemeinen Kriterien wie
Body-Mass-Index (BMI), Alter, Gravidität und Parität folgende
Merkmale analysiert werden: präpartale und peripartale Risikofaktoren,
Entbindungsmodus, Gebärposition, Analgetika-Gabe, Wehen-Induktion,
ärztliche Konsultationsgründe,
Überleitungsgründe, Nachgeburtsleitung, fetales und maternales
Outcome, Blutverlust, Geburts- und Hospitalisierungsdauer sowie
Betreuungsschlüssel ([Tab.
1]
[2]).
Tab. 1 Deskriptive Darstellung der Studienpopulation
(n=191) anhand ausgewählter kategorialer Merkmale.
*Prozentualer Anteil der jeweiligen Gruppen (Hebammengeburt
n=58, übergeleitete Geburt n=74, Arztgeburt
n=59). **Prozentualer Anteil der
übergeleiteten Geburten abzüglich der Sectiones
(n=69).
|
Hebammengeburt
|
übergeleitete Geburt
|
Arztgeburt
|
n
|
% *
|
n
|
%*
|
n
|
% *
|
präpartal erhobene Risikofaktoren
|
arterielle Hypertonie
|
0
|
|
1
|
1,4
|
1
|
1,7
|
Z. n. instrumenteller Entbindung
|
4
|
6,9
|
1
|
1,4
|
1
|
1,7
|
Z. n. Atonie
|
2
|
3,6
|
1
|
1,4
|
4
|
6,8
|
Z. n. instrumenteller Nachtastung
|
11
|
19,0
|
7
|
9,5
|
13
|
22
|
Z. n. Abort/IR
|
13
|
22,4
|
9
|
12,2
|
15
|
25,4
|
psychische Erkrankung
|
6
|
10,3
|
4
|
5,4
|
2
|
3,4
|
hämostaseologische Erkrankung
|
1
|
1,7
|
3
|
4,1
|
4
|
6,8
|
Gestationsdiabetes/DM
|
2
|
3,6
|
2
|
2,7
|
7
|
11,9
|
Uterusanomalien
|
0
|
|
2
|
2,7
|
2
|
3,4
|
peripartale Risikofaktoren
|
Geburtsstillstand in der Eröffnungsperiode
|
0
|
|
2
|
2,7
|
0
|
|
Geburtsstillstand in der Austreibungsperiode
|
0
|
|
17
|
23,0
|
2
|
3,4
|
grünes Fruchtwasser
|
8
|
13,8
|
19
|
25,7
|
8
|
13,6
|
Einstellungsanomalie
|
1
|
1,7
|
3
|
4,1
|
0
|
|
sekundäre Wehenschwäche
|
2
|
3,4
|
10
|
13,5
|
1
|
1,7
|
Nabelschnurkomplikationen
|
17
|
29,3
|
19
|
25,7
|
12
|
20,3
|
IUGR/SGA
|
1
|
1,7
|
3
|
4,1
|
0
|
|
vorzeitiger Blasensprung
|
8
|
13,8
|
29
|
39,2
|
10
|
16,9
|
CTG-Auffälligkeiten
|
1
|
1,7
|
30
|
40,5
|
5
|
8,5
|
Atonische
Blutung/Plazentalösungsstörungen
|
5
|
8,6
|
13
|
17,6
|
3
|
5,1
|
Infektionen in der Schwangerschaft (HIV, Hepatitis, CMV)
|
1
|
1,7
|
2
|
2,7
|
0
|
|
GBS positiv
|
13
|
22,4
|
6
|
8,2
|
6
|
10,2
|
Entbindungsmodus
|
SpP
|
58
|
100
|
54
|
73,0
|
59
|
100
|
vaginal operativ
|
0
|
|
14
|
18,9
|
0
|
|
sek.-Sectio
|
0
|
|
5
|
6,8
|
0
|
|
Notsectio
|
0
|
|
1
|
1,3
|
0
|
|
Analgetika
|
Paracetamol, Buscopan (supp., oral, i. m.)
|
5
|
8,6
|
33
|
44,6
|
16
|
27,1
|
Paracetamol, Buscopan (i. v.)
|
0
|
|
7
|
9,5
|
2
|
3,4
|
Opiode i. m.
|
0
|
|
4
|
5,4
|
9
|
15,3
|
Opiode i. v.
|
0
|
|
14
|
18,9
|
22
|
37,3
|
Livopan
|
3
|
5,2
|
2
|
2,7
|
1
|
1,7
|
PDA/CSE
|
0
|
|
36
|
48,6
|
1
|
1,7
|
SPA
|
0
|
|
5
|
6,8
|
0
|
|
Alternativmedizin
|
26
|
44,8
|
57
|
77,0
|
29
|
49,2
|
Weheninduktion
|
Misoprostol oral
|
0
|
|
17
|
23,0
|
2
|
3,4
|
Oxytocin i. v.
|
0
|
|
41
|
55,4
|
5
|
8,5
|
Amniotomie
|
10
|
17,2
|
15
|
20,3
|
17
|
28,8
|
Prostaglandingel
|
0
|
|
1
|
1,4
|
1
|
1,7
|
Konsultationsgründe
|
Antibiotikagabe
|
10
|
17,2
|
31
|
41,9
|
5
|
8,5
|
Naht
|
46
|
79,3
|
61
|
82,4
|
40
|
67,8
|
CTG-Beurteilung
|
2
|
3,4
|
48
|
64,9
|
6
|
10,2
|
Atonie
|
3
|
5,2
|
5
|
6,8
|
2
|
3,4
|
Flexülenanlage
|
17
|
29,3
|
64
|
86,5
|
56
|
94,9
|
intrapartale Sonografie
|
7
|
12,1
|
28
|
37,8
|
7
|
11,9
|
Anlage Skalpelektrode
|
1
|
1,7
|
10
|
13,5
|
3
|
5,1
|
Blutentnahme intrapartal
|
1
|
1,7
|
27
|
36,5
|
3
|
5,1
|
ärztliches Gespräch (intrapartal)
|
4
|
6,9
|
59
|
79,7
|
8
|
13,6
|
Pädiater zur Geburt
|
16
|
27,6
|
16
|
21,6
|
4
|
6,8
|
|
|
|
n
|
% **
|
|
|
Gebärposition
|
liegend, Querbett, sitzend
|
34
|
58,6
|
57
|
83,8
|
49
|
83,1
|
Seitenlage
|
6
|
10,3
|
6
|
8,8
|
2
|
3,4
|
andere (Hockergeburt, Vierfüßlerstand,
Wannengeburt, stehend)
|
18
|
31,1
|
5
|
7,4
|
8
|
13,5
|
Nachgeburtsleitung
|
aktiv
|
13
|
22,4
|
47
|
63,5
|
51
|
86,4
|
konservativ
|
41
|
70,7
|
19
|
25,7
|
8
|
13,6
|
frustran konservativ
|
4
|
6,9
|
3
|
4,1
|
0
|
|
i. m. – intramuskulär, i. v. –
intravenös, supp. – Suppositorium, Z. n. –
Zustand nach, SpP – Spontanpartus, DM – Diabetes
mellitus, IUGR – intrauterine growth retardation, SGA –
small for gestational age, CMV – Cytomegalievirus, HIV –
Human immunodeficiency Virus ,PDA – Peridualanästhesie,
CSE – combined spinal and epidural anaesthesia, SPA –
Spinalanästhesie, CTG – Kardiotokografie.
Tab. 2 Neonatales und maternales Outcome innerhalb der
Studienpopulation (n=191). *Prozentualer Anteil der
jeweiligen Gruppe (Hebammengeburt n=58,
übergeleitete Geburt n=74, Arztgeburt
n=59).
|
Hebammengeburt
|
übergeleitete Geburt
|
Arztgeburt
|
fetales Outcome
|
Geburtsgewicht (in g)
|
Minimum
|
2670
|
2830
|
2820
|
Mittelwert (±SD)
|
3587,7 (±428,1)
|
3526,3 (±429,3)
|
3522,4 (±348,5)
|
Maximum
|
4400
|
4560
|
4370
|
|
|
n
|
% *
|
n
|
% *
|
n
|
% *
|
NA-pH
|
<7,00
|
1
|
1,7
|
1
|
1,4
|
0
|
|
7,00–7,10
|
3
|
5,2
|
4
|
5,4
|
2
|
3,4
|
>7,10
|
54
|
93,1
|
69
|
93,2
|
57
|
96,6
|
5-Minuten-Apgar
|
≤8
|
7
|
12,1
|
3
|
4,0
|
1
|
6,7
|
>8
|
51
|
87,9
|
71
|
96,0
|
58
|
98,3
|
maternales Outcome
|
|
|
|
|
|
|
Blutverlust (in ml)
|
Atonie I° (500–1000)
|
5
|
8,6
|
14
|
18,9
|
3
|
5,1
|
Atonie II° (1000–1500)
|
0
|
|
3
|
4,1
|
0
|
|
Atonie III° (≥1500)
|
0
|
|
2
|
2,7
|
0
|
|
Geburtsverletzungen
|
keine
|
10
|
17,2
|
9
|
12,2
|
21
|
35,6
|
geringgradige Verletzungen (DR I°, andere
Weichteilverletzungen)
|
42
|
72,4
|
25
|
34,2
|
25
|
42,4
|
DR II°
|
5
|
8,6
|
21
|
28,8
|
5
|
8,5
|
höher gradige Verletzungen (DR III°,
IV°)
|
0
|
|
5
|
8,5
|
0
|
|
Episiotomie
|
1
|
1,7
|
14
|
19,2
|
8
|
13,6
|
ambulante Geburt
|
ja
|
14
|
24,1
|
9
|
12,2
|
2
|
3,4
|
nein
|
44
|
75,9
|
65
|
87,8
|
57
|
96,6
|
DR – Dammriss, g – Gramm.
Bei der Plazentarperiode wurde zwischen aktiver und konservativer Leitung
unterschieden, wobei unter der aktiven Leitung die Gabe von 3 I.E. Oxytocin
intravenös und anschließender Cord Traction verstanden wird.
Die Daten wurden in einer Exceldatei (Microsoft·Excel für Mac
Version 16.61.1 2022) erfasst.
Spezifische Kriterien für den Hebammenkreißsaal am
Universitätsklinikum Leipzig
Der Kriterienkatalog des Universitätsklinikum Leipzigs für den
Hebammenkreißsaal orientiert sich in erster Linie an den Vorgaben der
Mutterschaftsrichtlinien zur Stratifizierung von Risikoschwangerschaften und
Risikogeburten [11]. Es sind sowohl Ein-
als auch Ausschlusskriterien zur Betreuung im Hebammenkreissaal definiert. Diese
wurden in Anlehnung an das Qualitätshandbuch zum
Hebammenkreißsaal erstellt und können dort nachgeschlagen werden
[5]. In drei Konsultationen
während der Schwangerschaft erfolgt mittels Prüfung dieser
Kriterien die Entscheidung, ob eine Betreuung im Hebammenkreissaal
möglich ist. Ein erstes Informationsgespräch mit Vorstellung des
Konzeptes ist um die 28. Schwangerschaftswoche (SSW) geplant. In der 32.
– 34. SSW erfolgt eine ärztliche Konsultation mit Ultraschall.
In Nähe des Geburtstermins findet erneut eine Hebammenvorsorge
statt.
Eingeschlossen wurden Schwangere mit einer Einlingsschwangerschaft ab vollendeter
37. bis 42. SSW mit einem normal großen Kind in Schädellage.
Weiterhin werden unauffällige fetale Herztöne (ggf. mittels
CTG), ein normaler Plazentasitz und ein guter Gesundheits- und Allgemeinzustand
der Schwangeren vorausgesetzt.
Die Ausschlusskriterien für den Hebammenkreißsaal, werden in
einem Kriterienkatalog A und B aufgelistet. Im Katalog A werden die Anamnese und
allgemeine Befunde, im Katalog B besondere Befunde im Schwangerschaftsverlauf
erfasst. In den Katalogen C – E werden Geburtsrisiken, postpartale
Krankheiten und Störungen des Neugeborenen oder der Frau, welche zur
Überleitung in den ärztlich geleiteten Kreißsaal
führen, erfasst.
Bei der Aufnahme der Schwangeren im Kreißsaal wird erneut durch die
Hebamme geprüft, ob sich keine neuen Risiken ergeben haben, welche eine
mögliche Weiterleitung in den ärztlich geleiteten
Kreißsaal oder eine nochmalige individuelle Konsultation erforderlich
machen.
Im Falle einer mehr als 14 Tage zurückliegenden, hausinternen
Ultraschalluntersuchung, sind die diensthabenden Ärzt:innen für
einen Aufnahmeultraschall zu konsultieren.
Konsultationen vor, während und nach der Geburt erfolgen mit den
diensthabenden ärztlichen Kolleg:innen auf kollegialer Ebene und dienen
der betreuenden Hebamme als Beratung und zur Entscheidungsfindung. Die
Konsultationen werden gemäß den Festlegungen des
Kriterienkatalogs durchgeführt und können jederzeit
zusätzlich durch die betreuende Hebamme in Anspruch genommen werden.
Sowohl im Falle einer Weiterleitung als auch einer Konsultation wird im
Partogramm die Zeit, der Anlass und die daraus resultierende
Festlegung/Anordnung dokumentiert und sowohl von
Arzt/Ärztin als auch von der Hebamme unterzeichnet.
Eine detaillierte Festlegung zu den Weiterleitungsindikationen kann dem
Kriterienkatalog C – E entnommen werden. Am Universitätsklinikum
Leipzig teilen sich der Hebammenkreißsaal und der ärztliche
geleitete Kreißsaal dieselben Räumlichkeiten, sodass es bei
einer Überleitung keines Raum- oder Hebammenwechsels bedarf.
Statistische Analyse
Alle statistischen Analysen wurden mittels des IBM Stastical Package for Social
Sciences (IBM SPSS Version 27) durchgeführt. Auf Unterschiede innerhalb
verschiedener Merkmale zwischen den Gruppen „primär
ärztlich geleiteter Kreißsaal“, „erfolgreich
hebammengeleiteter Kreißsaal“ und
„übergeleiteter Kreißsaal“, bzw. der
„Gesamtpopulation“ wurde bei Normalverteilung der Daten mittels
einfaktorieller Varianzanalyse (ANOVA) und Bonferroni Post-Hoc Test getestet.
Bei nicht-normal verteilten Daten wurden auf signifikante Unterschiede mittels
Mann-Whitney-U Test getestet. Korrelationen zwischen Merkmalen innerhalb bzw.
zwischen den jeweiligen Gruppen wurden mittels Pearson-χ2 Test getestet.
Für alle statistischen Analysen betrug das Signifikanzniveau 5%
(p<0,05).
Ethik
Die schriftliche Einverständniserklärung zur wissenschaftlichen
Verwendung der anonymisierten Daten wurde bei jeder Gebärenden als
institutionelles Standardverfahren eingeholt. Alle Verfahren entsprachen den
ethischen Standards des zuständigen Ausschusses für menschliche
Experimente (institutionell und national) und der aktuellen Fassung der
Deklaration von Helsinki (1975). Die Studie wurde durch die Ethikkommission des
Universitätsklinikums Leipzig (IRB00001750) genehmigt: Reg. Nr.
219/22-ek.
Ergebnisse
Beschreibung der Studienpopulation
In die Analyse wurden insgesamt 191 Fälle zwischen 37+3. und
42+4. SSW eingeschlossen. Zum Geburtszeitpunkt betrug das mittlere
Gestationsalter 40+6. SSW (±0,97) und unterschied sich in
den einzelnen untersuchten Gruppen nicht signifikant (p=0,66). Die
Studienpopulation zeigte ein Alter zwischen 16 Jahren und 40 Jahren, wobei das
mittlere Alter der Gebärenden bei 31 Jahren (±4,1) lag
und sich in den einzelnen Gruppen ebenfalls nicht signifikant unterschied
(p=0,19). Im Kollektiv waren erst- bis fünftgebärende
Schwangere vertreten, wobei im Gesamtkollektiv die Erstgebärenden mit
52,9% (n=101) und die Zweitgebärenden mit 36,6%
(n=70) den größten Anteil ausmachten. Bei den
hebammengeleiteten Geburten und den primär ärztlich geleiteten
Geburten überwogen die Zweitgebärenden mit jeweils 62,1%
(n=36) und 47,5% (n=28). Bei den übergeleiteten
Geburten wurden mit 87,8% (n=65) hingegen signifikant mehr
Erstgebärende (p<0,001) erfasst.
Im Gesamtkollektiv bewegte sich der Body-Mass-Index (BMI) zur Geburt zwischen
einem Minimum von 21,7 und einem Maximum von 44,1 (Mittelwert (MW) 28,1
[±3,8]). Der BMI zur Geburt war im primär ärztlich
geleiteten Kreißsaal zu den initial im Hebammenkreißsaal
gestarteten Geburten im Durchschnitt signifikant höher (MW 29,2
[±4,2] vs. 27,7 [±3,3]; p=0,043).
Insgesamt 68,6% der Gebärenden wiesen bei
Kreißsaalaufnahme eine Muttermundseröffnung von 1 bis
3 cm auf. Bei den übergeleiteten Geburten wurde im Vergleich zu
den hebammengeleiteten und den primär ärztlich geleiteten
Geburten ein signifikant unreiferer Muttermundsbefund zur
Kreißsaalaufnahme erfasst (2,2 [±1,5] vs. 4,1 [±2,4] und
3,4 [±2,4]; p<0,001) ([Tab.
3]).
Tab. 3 Varianzanalyse mittels Kruskal-Wallis-Test und
ANOVA (Bonferroni-Post-Hoc-Test) für die gruppierte
Fallpopulation hinsichtlich verschiedener kategorialer Merkmale. Der
p-Wert wird nur für signifikante Unterschiede angegeben
(p<0,05). Ges=Gesamtpopulation (n=191), G
1=Gruppe 1, erfolgreich hebammengeleiteter Kreißsaal
(n=58), G 2=Gruppe 2, übergeleiteter
Kreißsaal (n=74), G 3=Gruppe 3,
primär ärztlich geleiteter Kreißsaal
(n=59). a=p<0,05 G 1 vs. 2;
b=p<0,001 G 1 vs 2;
c=p<0,05 G 1 vs. 3;
d=p<0,001 G 1 vs. 3;
e=p<0,05 G 2 vs. 3; f=p<0,001 G
2 vs. 3.
|
MW
|
SD
|
95%-KI
|
z-Wert
|
p
|
maternales Alter (Jahre)
|
Ges
|
31
|
4,1
|
|
|
|
Gestationsalter bei Entbindung
(Schwangerschaftswoche)
|
|
40+6
|
0,97
|
|
|
|
Parität
|
Ges
|
1,6
|
0,75
|
|
|
|
G 1
|
1,81
|
0,63
|
1,64; 1,98
|
0,27
|
<0,001
b
|
G 2
|
1,16
|
0,47
|
1,05; 1,27
|
− 0,59
|
|
G 3
|
1,95
|
0,75
|
1,72; 2,18
|
0,47
|
<0,001
f
|
präpartal erhobene Risikofaktoren
|
Ges
|
0,99
|
1
|
|
|
|
G 1
|
1,1
|
1
|
|
|
|
G 2
|
0,73
|
0,9
|
0,52; 0,94
|
− 0,26
|
0,02
e
|
G 3
|
1,2
|
1,1
|
0,93; 1,51
|
0,21
|
|
maternaler BMI bei Entbindung
|
Ges
|
28,1
|
3,8
|
|
|
|
G 1
|
27,7
|
3,3
|
26,8; 28,6
|
− 0,1
|
|
G 2
|
27,6
|
3,6
|
26,7; 28,4
|
− 0,13
|
|
G 3
|
29,2
|
4,2
|
28,1; 30,3
|
0,29
|
0,04
e
|
Muttermundseröffnung zur Kreißsaalaufnahme
(cm)
|
Ges
|
3,2
|
2,3
|
|
|
|
G 1
|
4,1
|
2,4
|
3,48; 4,76
|
0,42
|
<0,001
b
|
G 2
|
2,2
|
1,5
|
1,81; 2,52
|
− 0,43
|
|
G 3
|
3,4
|
2,4
|
2,8; 4,05
|
0,09
|
0,002
e
|
Geburtsdauer (min)
|
Ges
|
425
|
274,5
|
|
|
|
G 1
|
344
|
176,1
|
297,7; 390,3
|
− 0,3
|
<0,001
b
|
G 2
|
607,2
|
317,2
|
531; 683,4
|
0,66
|
|
G 3
|
291,6
|
166,6
|
248,2; 335
|
− 0,49
|
<0,001
f
|
Eröffnungsperiode (min)
|
Ges
|
379,1
|
248,5
|
|
|
|
G 1
|
315,9
|
167,3
|
271,9; 359,9
|
− 0,25
|
<0,001
b
|
G 2
|
522,8
|
302
|
450,3; 595,4
|
0,58
|
|
G 3
|
273,1
|
150,1
|
234; 312,2
|
− 0,43
|
<0,001
f
|
Austreibungsperiode (min)
|
Ges
|
48,5
|
53,5
|
|
|
|
G 1
|
28,2
|
33,7
|
19,3; 37
|
0,67
|
<0,001
b
|
G 2
|
84,3
|
60,9
|
69,7; 99
|
0,67
|
|
G 3
|
26,6
|
35,4
|
17,4; 35,9
|
− 0,41
|
<0,001
f
|
Plazentarperiode (min)
|
Ges
|
13,8
|
8,9
|
|
|
|
G 1
|
16,4
|
9,6
|
13,9; 19
|
0,29
|
0,013
c
|
G 2
|
13,3
|
8,3
|
11,3; 15,3
|
− 0,06
|
|
G 3
|
11,6
|
8,9
|
9,4; 13,8
|
− 0,25
|
|
Betreuungsschlüssel
|
|
betreuende Hebammen unter der Geburt
|
Ges
|
1,8
|
0,9
|
|
|
|
G 1
|
1,6
|
0,7
|
1,38; 1,72
|
− 0,22
|
<0,001
b
|
G 2
|
2,3
|
1,1
|
2,07; 2,60
|
0,56
|
|
G 3
|
1,4
|
0,56
|
1,23; 1,52
|
− 0,44
|
<0,001
f
|
ärztliche Konsultationen/Visiten
|
Ges
|
5,5
|
4,3
|
|
|
|
G 1
|
1,6
|
1,1
|
1,3; 1,9
|
− 0,9
|
<0,001
b, d
|
G 2
|
9,5
|
4
|
8,5; 10,4
|
0,93
|
|
G 3
|
4,4
|
1,8
|
3,9; 4,8
|
− 0,26
|
<0,001
d, f
|
min – Minuten, cm – Zentimeter, BMI –
Body-Mass-Index, KI – Konfidenzintervall, Ges –
Gesamtpopulation.
Überleitung und Betreuung unter der Geburt
Im Beobachtungszeitraum verzeichnete das Universitätsklinikum Leipzig
eine Gesamtgeburtenrate von 2.777 Geburten: davon starteten 132 Geburten
(4,8%) im HKS. 58 von diesen Frauen konnten erfolgreich im HKS
gebären (2,1% der Gesamtgeburtenrate, 44% der initial im
HKS gestarteten Geburten) und 74 der Frauen mussten im Verlauf der Geburt in den
ärztlich geleiteten Kreißsaal übergeleitet werden
(2,7% der Gesamtgeburtenrate, 56% der im HKS gestarteten
Geburten).
Die Mehrzahl der Überleitungsgründe war mit 52,7%
(n=39) der Wunsch der Gebärenden nach effektiverer Analgesie
(Opioide, PDA/CSE). Die ärztlich indizierten
Überleitungen erfolgten bei 43,2% (n=32) der
übergeleiteten Geburten in folgender Verteilung:
CTG-Auffälligkeiten, protrahierter Geburtsverlauf oder ausbleibende
Wehentätigkeit nach vorzeitigem Blasensprung. Lediglich zwei
Gebärende wurden aufgrund von atonischer Blutung oder
höhergradiger Dammverletzung (≥DR III°) postpartal
übergeleitet ([Tab. 4]).
Tab. 4 Analyse der Überleitungen der im
Hebammenkreißsaal gestarteten Geburten (n=74).
% *Prozentualer Anteil der im HKS
gestarteten Geburten (n=132).
% **Prozentualer Anteil der
übergeleiteten Geburten (n=74).
Überleitungsgrund
|
|
n
|
% *
|
% **
|
ärztlich indiziert
|
CTG-Auffälligkeiten
|
12
|
9,1
|
16,2
|
ausbleibende Wehentätigkeit nach Blasensprung
|
11
|
8,3
|
14,9
|
protrahierte Geburt
|
9
|
6,8
|
12,2
|
atonische Blutung
|
1
|
0,8
|
1,4
|
DR III-IV°
|
1
|
0,8
|
1,4
|
patientenindiziert
|
Analgesiewunsch (PDA, Opiode)
|
39
|
29,5
|
52,7
|
kapazitätsbedingt unter der Geburt
|
|
9
|
6,8
|
12,2
|
Anzahl ärztlicher Konsultationen bis zur
Überleitung
|
keine
|
15
|
20,3
|
|
1
|
27
|
36,5
|
2
|
25
|
33,8
|
3
|
6
|
8,1
|
4
|
1
|
1,4
|
Zeitpunkt der Überleitung
|
in der Eröffnungsperiode
|
64
|
86,5
|
in der Austreibungsperiode
|
8
|
10,8
|
postpartal
|
2
|
2,7
|
Insgesamt erfolgte bei 12,2% (n=9) der Gebärenden eine
Überleitung während der Geburt aus
Kapazitätsgründen (eine 1:1-Betreuung der Gebärenden
konnte in diesem Fall nicht mehr gewährleistet werden).
82,4% der Überleitungen (n=61) fanden in der
Eröffnungsperiode statt. Lediglich 8,1% (n=6) der
Überleitungen erfolgten in der Austreibungsperiode und 2,7%
(n=2) in der Plazentarperiode bzw. postpartal. Die hebammengeleiteten
und primär ärztlich geleiteten Geburten unterschieden sich im
Mittelwert durch eine signifikant kürzere Geburtsdauer von den
übergeleiteten Geburten (344 min [±176,1 min]
und 292 min [±166,6 min] vs. 607 min
[±17,2 min], p<0,001).
Bei einer erfolgreich hebammengeleiteten Geburt wurden die Frauen von signifikant
weniger Hebammen betreut als bei einer übergeleiteten Geburt (MW 1,6
[±0,7] vs. 2,3 [±1,1], p<0,001). Bei einer
primär ärztlich geleiteten Geburt gab es im Vergleich zum
erfolgreich hebammengeleitetem Kreißsaal keinen signifikanten
Unterschied im Betreuungsschlüssel (Mittelwert 1,6 [±0,7] vs.
1,4 [±0,6], (p=0,527).
Zwischen allen verglichenen Gruppen gab es einen signifikanten Unterschied
hinsichtlich der Anzahl der ärztlichen Konsultationen bzw. Visiten
(hebammengeleitet [MW 1,6 [±1,1]], übergeleitet [MW 9,5,
[±4]], ärztlich geleitet [MW 4,4 [±1,8]],
(p<0,001).
Die ärztlichen Konsultationen bzw. Visiten erfolgte vor allem zur
Versorgung von Geburtsverletzungen, zur Anlage eines intravenösen
Zugangs und Antibiotikagabe. Im erfolgreich hebammengeleiteten Kreißsaal
wurde im Vergleich zum übergeleiteten und ärztlich geleiteten
Kreißsaal signifikant seltener die Anlage eines intravenösen
Zugangs durchgeführt (p<0,001). Im übergeleiteten
Kreißsaal erfolgte verglichen zu den beiden anderen Gruppen signifikant
häufiger eine ärztliche Vorstellung zur CTG-Beurteilung
(p<0,001), Antibiotikagabe (p<0,001), intrapartalen Blutentnahme
(p<0,001), Anlage einer Skalpelektrode (p=0,029) und zum
ärztlichen Gespräch während der Geburt (p<0,001)
([Tab.1]). Im primär
ärztlich geleiteten Kreißsaal wurde, verglichen mit dem
hebammengeleiteten Kreißsaal, signifikant seltener ein Pädiater
zur Geburt konsultiert (p=0,012).
Neonatales Outcome
In den verglichenen Gruppen zeigte sich hinsichtlich folgender neonatologischer
Outcome Parameter im Mittel kein signifikanter Unterschied: Geburtsgewicht (MW
3543 g, [±404,6], p=0,613), Geburtsperzentile (MW 49.
Perz., [±27,5], p=0,457), Nabelschnur-pH (MW 7,23,
[±0.08], p=0,076) und 5-Minuten-Apgar (MW 9, [±0,6],
p=0,058) ([Tab. 2] und [Tab. S1]).
Zwischen den einzelnen Gruppen gab es keine Unterschiede hinsichtlich der
postpartalen Verlegungsrate der Neonaten. Eine Verlegung auf die neonatalogische
Intensivstation postpartal erfolgte bei jeweils zwei Kindern aus dem
hebammengeleiteten und übergeleiteten Kreißsaal. Die
Verlegungsgründe waren in diesen Fällen postpartale
Anpassungsstörung und fetale Azidose. Im primär ärztlich
geleiteten Kreißsaal erfolgte keine postpartale kindliche Verlegung.
Maternales Outcome
Die Geburtsdauer im Gesamtkollektiv betrug im Mittel 425 Minuten
(±274,5 min). Im Detail betrug die Eröffnungsperiode im
Mittel 379 Minuten (±248,5 min), die Austreibungsperiode 49
Minuten (±53,5 min) und die Plazentarperiode 14 Minuten
(±8,9 min). Bei den übergeleiteten Geburten war die
Geburtsdauer mit einem Mittelwert von 607 Minuten (±317 min)
etwa 240 Minuten länger als bei den hebammengeleiteten und
primär ärztlich geleiteten Geburten (p<0,001). Sowohl in
der Eröffnungs- (p<0,001) als auch in der Austreibungs-
(p<0,001) und Plazentarperiode (p=0,013) konnten zwischen den
Gruppen signifikante Unterschiede festgestellt werden. Die
Eröffnungsperiode zeigte sich bei den übergeleiteten Geburten im
Mittel mit 522 Minuten (±301 min) signifikant länger als
die der hebammengeleiteten und primär ärztlich geleiteten
Geburten, welche sich nicht signifikant untereinander unterschieden. In der
Austreibungsperiode verhielt es sich ähnlich: bei den
übergeleiteten Geburten wurden mit einem Mittelwert von 84 Minuten
(±60 min) signifikant längere Zeiten im Vergleich zu den
anderen beiden Gruppen erfasst. Die hebammengeleiteten Geburten wiesen eine
signifikant längere Plazentarperiode als die primär
ärztlich geleiteten Geburten auf (MW 16 min
(±9,5 min) vs. 11 min (±8,4 min),
p=0,013) ([Tab. 3]). Im
erfolgreich hebammengeleiteten Kreißsaal wurden im Vergleich zu den
anderen beiden Gruppen signifikant häufiger konservative
Nachgeburtsleitungen durchgeführt (p<0,001) ([Tab. 1]). Der Blutverlust betrug bei den
übergeleiteten Geburten im Durchschnitt 167 ml mehr und war
damit signifikant höher als bei den hebammengeleiteten (p=0,017)
und primär ärztlich geleiteten Geburten (p=0,007) ([Tab. 3]).
Die intrapartale Oxytocingabe zeigte im ärztlich geleiteten
Kreißsaal, im Gegensatz zum übergeleiten Kreißsaal,
keinen Zusammenhang zu Geburtsdauer (p=0,123 vs. p<0,001).
Im hebammengeleiteten Kreißsaal gebaren die Frauen signifikant
häufiger aus alternativen Gebärpositionen
(Hocker-/Wannengeburt, Vierfüßlerstand, stehend)
(p<0,001) und im übergeleiteten bzw. primär
ärztlich geleiteten Kreißsaal signifikant häufiger aus
horizontalen Gebärpositionen (liegend, sitzend oder in Steinschnittlage)
(p=0,001) ([Tab. 1], [Abb. 1]).
Im primär ärztlich geleiteten Kreißsaal wurden verglichen
zu den im Hebammenkreißsaal gestarteten Geburten signifikant
häufiger Opiode substituiert (52,5% [n=31] vs.
13,6% [n=18], p<0,001).
Im hebammengeleiteten (72,4%, n=42) und primär
ärztlich geleiteten Kreißsaal (42,4%, n=25)
überwogen die erstgradigen Dammrisse und andere Weichteilverletzungen.
Im primär ärztlich geleiteten Kreißsaal gab es die
meisten Geburten ohne Geburtsverletzungen (35,6%, n=21). Die
Episiotomierate war sowohl im primär ärztlichen (13,6%
[n=8], p=0,032) als auch im übergeleiteten
Kreißsaal (19,2% [n=14], p=0,001) signifikant
höher als im hebammengeleiteten Kreißsaal (1,7%
[n=1]). Höhergradige Dammverletzungen (≥DR II°)
wurden am häufigsten im übergeleiteten Kreißsaal erfasst
(37,3% [n=26]) ([Abb.
2]).
Abb. 2 Verteilung der Geburtsverletzungen innerhalb der.
Studienpopulation (n=191) in %. Prozentualer Anteil an
der jeweiligen Gruppe (Hebammengeburt n=58,
übergeleitete Geburt abzüglich der Sectiones
n=69, Arztgeburt n=59). DR – Dammriss.
Aktive und erfolgreich konservative Nachgeburtsleitung unterschieden sich im
Blutverlust nicht signifikant. Im Falle einer frustran konservativen
Nachgeburtsleitung war der Blutverlust im Durchschnitt 500 ml
höher (p<0,001).
Auch eine protrahierte Eröffnungsperiode>720 Minuten war mit
einem signifikant höheren Blutverlust von 200–300 ml
assoziiert (p=0,047). Im Gegensatz dazu hatte die Dauer der
Austreibungsperiode zwar keinen signifikanten Einfluss auf den Blutverlust, aber
mit einem Hospitalisierungstag zusätzlich einen signifikant
längeren postpartalen Krankenhausaufenthalt (p=0,001) ([Tab. S1]). Im erfolgreich
hebammengeleiteten Kreißsaal wurde signifikant häufiger als im
ärztlich geleiteten Kreißsaal ambulant entbunden (24,1%,
n=14 vs. 3,4%, n=2, p=0,004) ([Tab. 2]). Zudem hatten die Frauen, welche
im HKS entbanden mit 1,6 (±1,1) Tagen eine durchschnittlich
kürzere Hospitalisierungsdauer (p=0,003). Die
übergeleiteten und primär ärztlich geleiteten Geburten
unterschieden sich hinsichtlich des postpartalen Krankenhausaufenthaltes von
durchschnittlich 2,3 Tagen nicht signifikant untereinander ([Abb. 3]).
Abb. 3 Darstellung relevanter Unterschiede zwischen den einzelnen.
Gruppen in Bezug auf Geburtsdauer, Blutverlust, ärztliche
Kontakte unter der Geburt und der Hospitalisierungsdauer im Boxplot
(Hebammengeburt n=58, übergeleitete Geburt n=74,
Arztgeburt n=59). Signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen
werden durch verschiedene Buchstaben gekennzeichnet (p<0,05). ml
– Milliliter, x – Mittelwert.
Verteilung verschiedener kategorialer Merkmale im Verlauf des
Beobachtungszeitraumes (nach Halbjahren aufgeteilt) und in Abhängigkeit
vom Ausbildungsstand der Hebammen im Hebammenkreißsaal
Zur Darstellung einer möglichen Lernkurve erfolgte die vergleichende
Beurteilung der beiden Halbjahre des Beobachtungszeitraumes. Im Verlauf des
Beobachtungszeitraumes gab es weder Unterschiede in der Verteilung der im HKS
gestarteten und übergeleiteten Geburten noch in der Anzahl der
betreuenden Hebammen unter der Geburt. Der überwiegende Anteil der
hebammengeleiteten Geburten erfolgte im ersten Halbjahr
(12/2020–06/2021) des Beobachtungszeitraumes durch Hebammen mit einer
Berufserfahrung von mehr als 5 Jahren und im zweiten Halbjahr
(07/2021–12/2021) durch Hebammen mit einer Berufserfahrung von weniger
als 5 jedoch mehr als 2 Jahren (78,4% (n=29)/21,6%
(n=8) vs. 36,4% (n=12)/63,6% (n=21)).
Aufgrund der Neuetablierung des HKS in unserer Klinik erfolgte die Betreuung im
ersten Halbjahr vordergründig durch Hebammen mit einer Berufserfahrung
von mehr als 5 Jahren, was sich im Verlauf des zweiten Halbjahres zunehmend
änderte.
In der Anzahl der ärztlichen Konsultationen zeigte sich im Verlauf des
Beobachtungszeitraumes eine Tendenz: bei einer Berufserfahrung von≤5
Jahren nahmen diese zu, bei einer Berufserfahrung von>5 Jahren nahm die
Anzahl eher ab (p=0,76) ([Tab.
S1]).
Die Nachgeburtsleitungen im HKS unterschieden sich in Abhängigkeit von
der Berufserfahrung der Hebammen: weniger erfahrene Hebammen bevorzugten die
aktive Nachgeburtsleitung (<5 Jahre, 64,3% (n=27)
vs.>5 Jahre, 38,8% (n=33), p=0,022) wohingegen
bei den erfahreneren Hebammen die konservative Nachgeburtsleitung
überwog (<5 Jahre, 31% (n=13) vs.>5
Jahre, 55,3% (n=47), p=0,024).
Hinsichtlich der Gebärposition gab es keinen Unterschied im Zusammenhang
mit den Berufsjahren der Hebammen: der größere Anteil an
Entbindungen erfolgte in einer horizontalen Gebärposition (>5
Jahre 81,2% (n=69) vs.<5 Jahre 82,9%
(n=34)), der wesentlich kleinere Anteil in vertikaler
Gebärposition (>5 Jahre 18,8% (n=16)
vs.<5 Jahre 17,1% (n=7)).
Im Verlauf des Beobachtungszeitraumes unterschied sich die Verteilung der
Gebärpositionen nicht signifikant (1. Halbjahr vs. 2. Halbjahr:
horizontal 87,5% (n=56) vs. 75,8% (n=47) und
vertikal 12,5% (n=8) vs. 24,2% (n=15)).
Es gab ebenfalls keine signifikanten Unterschiede der Episiotomierate bezogen auf
den Beobachtungszeitraum und die Berufserfahrung: 1. Halbjahr 15%
(n=15) vs. 2. Halbjahr 10% (n=9) (p=0,383)
sowie≤5 Jahre 15,4% (n=10) vs.>5 Jahre
11,1% (n=14) (p=0,49). Auch die Verteilung der
PDA-Anlagen und der Oxytocinsubstitution intrapartal unterschied sich weder
zwischen dem Ausbildungsstand der Hebamme noch im Verlauf des
Beobachtungszeitraums signifikant (p=0,81/p=0,49).
Diskussion
Diese retrospektive Datenanalyse des ersten Jahres nach Integrierung eines HKS am
Universitätsklinikum zeigt, dass die von Hebammen eigenverantwortliche
Betreuung in einem klinischen Setting eine sichere Option für gesunde
Schwangere mit einer Niedrigrisikoschwangerschaft darstellt.
Von allen zum Informationsgespräch vorstelligen Schwangeren wurden
75% für den HKS zugelassen. Von den zugelassenen Schwangeren wurden
51% vor Aufnahme in den HKS in den ärztlich geleiteten
Kreißsaal verlegt. Letztgenannte Aspekte bestätigen die
Notwendigkeit einer gründlichen Vorauswahl und Reevaluation im
Schwangerschaftsverlauf nach dem Risikokatalog. Etwa die Hälfte
(43,9%, n=58) der im HKS gestarteten Schwangeren konnte erfolgreich
im HKS gebären. Bei etwas mehr als der Hälfte der Gebärenden
ist eine intrapartale Verlegung in den ärztlichen Kreißsaal
notwendig gewesen. Sowohl die prä- als auch die intrapartale
Überleitungsrate war im gesamten Beobachtungszeitraum annähernd
gleich.
Die Zahl der Überleitungen ist, wie in anderen Studien bereits beschrieben
[12], trotz strenger Ein- und
Ausschlusskriterien eines Low-Risk-Patientinnenkollektivs, auch bei unserer
Studienkohorte bemerkenswert hoch. Primäres Ziel sollte hierbei nicht eine
ehrgeizig niedrige Überleitungsrate sein. Im Gegenteil: eine angemessene
Überleitungsrate ist unserer Meinung nach ein Qualitätsmerkmal im
Sinne einer kompetenten und verantwortungsbewussten Arbeit der Hebammen bzw. der
geburtsmedizinischen Teams und spiegelt zudem die Wahrnehmung und
Wertschätzung der Bedürfnisse der Frauen wider. Es lässt
vermuten, dass die Hebammen aufgrund der gewohnten interprofessionellen, engen
Zusammenarbeit mit den ärztlichen Kolleg*innen in einem
Perinatalzentrum, diese Arbeitsweise wie gewohnt auch in den HKS übernehmen.
Zudem bietet die jederzeit verfügbare, zügige und effektive
Analgesie mittels PDA möglicherweise einer andere Schmerzberatungsgrundlage
als dies in anderen Kliniken der Fall wäre. Allerdings wird der Schwangeren,
bei Notwendigkeit einer Überleitung, durch die räumliche Anbindung
an eine Klinik eine Verlegung und ein Wechsel der Betreuungspersonen unter der
Geburt erspart und wichtige Zeit zugunsten des maternalen und neonatalen Outcomes
gewonnen.
Im HKS war die Wahrscheinlichkeit einer Spontangeburt höher und die
Sectiorate deutlich niedriger im Vergleich zur Gesamtpopulation der Jahre
2019–2021, was angesichts des Niedrigkollektivs verglichen zum
Gesamtkollektiv eines Perinatalzentrum Level I nicht überrascht. Die Zahl
der instrumentellen Geburten unterschied sich in allen beobachteten Kohorten
verglichen zum Gesamtkollektiv nicht. Sowohl Erstgebärende als auch Frauen
mit einem unreiferen Muttermundsbefund bei Aufnahme hatten ein höheres
Risiko in den ärztlich geleiteten Kreißsaal übergeleitet zu
werden. Im ärztlich übergeleiteten Kreißsaal war die Rate an
vaginal operativen Entbindungen, verglichen zum Gesamtkollektiv, deutlich
höher; die sekundäre Sectiorate deutlich niedriger (6,8%
(n=5) vs. 13,3% (n=347)). Die höhere Rate an
vaginal-operativen Entbindungen erklären wir uns durch die Häufung
von protrahierten Geburtsverläufen in der Gruppe der übergeleiteten
Geburten, die niedrigere Rate an sekundären Sectiones an der strengen
Vorselektion anhand des Kriterienkatalogs (z. B. keine makrosomen und
wachstumsretardierten Feten, keine Gebärenden mit Uterusvoroperationen).
Unter allen im Hebammenkreißsaal gestarteten Gebärenden lag die
sekundäre Sectiorate bei 3,8% und die Rate an vaginal-operativen
Entbindungen bei 10,6%, was aus unserer Sicht eine generelle Betreuung im
klinischen Setting rechtfertigt.
Insgesamt wurden im Hebammenkreißsaal bei gleicher
Regionalanästhesierate in allen drei Kohorten, deutlich weniger Analgetika
verabreicht. Dies war vor allem im übergeleiteten Kreißsaal zu
beobachten. Möglicherweise bestand nach ausgereizter interventionsarmer
Phase bei den erschöpften Frauen der Wunsch nach der effektivsten Analgesie.
Hierfür spricht die höhere PDK-Rate im übergeleiteten
Hebammenkreißsaal. Im Hebammenkreißsaal wurden mehr
alternativmedizinische Verfahren angewandt.
Aufgrund der retrospektiven Analyse der Daten ist eine Beurteilung des
Betreuungsschlüssels hinsichtlich einer 1:1-Betreuung nur beim erfolgreich
hebammengeleiteten Kreißsaal möglich, da hier sonst eine
Überleitung aus Kapazitätsgründen erfolgt wäre. Es
ist wahrscheinlich, dass die hohe Substitution von Analgetika (n=49,
83,1%) in dieser Gruppe durch eine intensivere Betreuung, wie es bei einer
1:1-Betreuung der Fall ist, möglicherweise gesenkt werden
könnte.
Im HKS entbanden mehr Frauen in einer aufrechten Position. Dies deckt sich ebenfalls
mit den Ergebnissen von mehreren Studien [13]
[5]
[12]. Die Gebärenden hatten deutlich
weniger Wechsel des medizinischen Personals, sowohl auf ärztlicher als auch
auf Hebammenseite (größere Kontinuität in der Betreuung) und
häufiger eine konservative Nachgeburtsleitung. Eine
6-Jahres-Follow-up-Studie aus Irland (2008–2013) von Dencker et al. [14] konnte diese Erkenntnisse ebenfalls
bestätigen. Andere medizinische Eingriffe wie Amniotomie und Episiotomie
waren ebenfalls deutlich seltener als in der Gesamtpopulation. In der Gruppe der
übergeleiteten Geburten erfolgten deutlich mehr Interventionen (Amniotomie,
Episiotomie, Anlage eines intravenösen Zugangs, Analgetikagabe,
instrumentelle Entbindung) und die Anzahl an Betreuungspersonen und vertikalen
Gebärpositionen war ebenfalls deutlich höher im Vergleich zur
Gesamtpopulation. In Anbetracht der Tatsache, dass sich in der Kohorte der
übergeleiteten Geburten, die komplikationsreicheren und protrahierten
Verläufe mit einem höheren Betreuungsaufwand sammelten, ist dieser
Effekt plausibel.
Studien zeigen, dass Interventionen wie Amniotomie und Episiotomie häufig
routinemäßig und ohne nachweisbare positive Effekte auf das Outcome
erfolgen [15]
[16]. Diese Eingriffe wurden in unserem ärztlich geleiteten
Kreißsaal bei gleichem Risikoprofil deutlich häufiger
durchgeführt. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Unterschiede in der
Interventionsrate bei Frauen mit einer spontan vaginalen Geburt am ehesten auf eine
unterschiedliche Betreuungsphilosophie zurückzuführen lassen [17]. Letzter Punkt zeigt vor allem, dass ein
Umdenken hinsichtlich der interventionsarmen Geburt zeitgemäß ist
und nicht ausschließlich dem Hebammenkreißsaal vorbehalten sein
sollte. Durch gegenseitiges Lernen und Austauschen kann dabei die inventionsarme
Geburtshilfe im Hebammenkreißsaal auch das Management außerhalb des
Hebammenkreißsaals positiv im Sinne eines „spill
over“-Effekts beeinflussen.
Bei der Geburt im Hebammenkreißsaal war interessanterweise deutlich
häufiger ein Pädiater anwesend. Dies erklären wir uns mit
einem hohen Sicherheitsbedürfnis der Hebammen im Zusammenhang mit dem neuen
Setting des eigenverantwortlichen Arbeitens im HKS und der Verfügbarkeit
eines Kinderarztes in unserem klinischen Setting. Andererseits verdeutlicht es aber
auch, wie wichtig eine sofortige Anwesenheit von neonatologisch geschultem Personal
ist, um bei Komplikationen peripartal ein optimales neonatales Outcome zu erreichen.
Eine Vergleichsstudie zwischen den verschiedenen Betreuungskonzepten
(Hebammenkreißsaal in einem Perinatalzentrum, Geburten in einem Krankenhaus
der Regelversorgung sowie in einem Geburtshaus oder bei Hausgeburten) könnte
genauere Aussagen zu den Auswirkungen auf neonatales und maternales Outcome in
Hinblick auf die Verfügbarkeit der unterschiedlichen Ressourcen (Kinderarzt,
Anästhesie) treffen. In Perinatalstatistiken und Qualitätserhebungen
wird das Outcome der verlegten Gebärenden nicht dem initial
zugehörigen Betreuungskonzept zugeordnet.
Unsere Auswertungen sind mit Ergebnissen der internationalen Literatur vergleichbar,
in der die hebammengeleitete Geburtshilfe als eine sichere Option, welche die Geburt
als normalen und physiologischen Prozess unterstützt, gilt [18]
[19]
[20].
Das neonatologische Outcome unterschied sich kaum von dem der Gesamtpopulation.
Obwohl es bei den im HKS entbundenen Kindern etwas mehr 5 Minuten Apgar≤8
und Nabelschnur-pH-Werte<7,10 mmol/l gab, erfolgte nur bei
einem Kind postpartal eine Verlegung auf eine pädiatrische
Überwachungsstation bei den Neugeborenen. Es ist davon auszugehen, dass sich
eine zügige ärztliche Intervention, positiv auf das neonatale
Outcome auswirkt. Insgesamt konnte, wie in mehreren internationalen Studien
ebenfalls beschrieben wurde, bestätigt werden, dass sich keine Unterschiede
im neonatalen Outcome zeigten [12]
[21]
[22].
Die höhere Zahl an Nullipara-Frauen, die eine intrapartale Verlegung
benötigten, lässt sich aus unserer Sicht darauf
zurückführen, dass eine Stratifizierung bezüglich
protrahierter Geburtsverläufe und anderer relevanter intrapartaler
Komplikationen erst unter der Geburt möglich ist. Bei den Multiparen ist in
Hinblick auf diese Risikofaktoren bereits eine Selektion mit der ersten Geburt
erfolgt. Die Geburtsdauer ist bei den Erstgebärenden physiologischer Weise
oft länger, wodurch sich der höhere Analgetikabedarf
erklären lässt. Wahrscheinlich spielen hier Faktoren wie
Geburtsbeschleunigung und zunehmende Optimierung des neonatalen und maternalen
Outcomes in der Geburtshilfe eine Rolle für die Verlegungsrate [21]. Überraschenderweise zeigte sich in
unserer Auswertung, im Gegensatz zum übergeleiteten Kreißsaal, in
der Gruppe der ärztlich geleiteten Geburten kein Zusammenhang zwischen der
Geburtsdauer und der intravenösen Oxytocingabe. Aufgrund der
multifaktoriellen Einflüsse auf die Geburtsdauer, lassen sich allerdings
keine Rückschlüsse auf eine möglicherweise unnötige
Oxytocingabe peripartal ziehen. Allerdings sollte diese Beobachtung einmal mehr
Anlass zum Umdenken in Richtung interventionsarme Geburtsmedizin geben und die
Prüfung eines Zusammenhangs in weiteren Studien in Betrachtung gezogen
werden. Ein intrapartaler Transfer der Frauen ist oft mit einer negativen Erfahrung
für die Frau [23] und einer
suboptimalen peripartalen Versorgung verbunden. Hebammenkreißsaal und
ärztlich geleiteter Kreißsaal in denselben Räumlichkeiten
vereinen viele Vorteile und schließen eine Betreuungskontinuität
nicht aus. Interessant war zudem die niedrige Anzahl an postpartale
Hämorrhagien (PPHs) trotz überwiegend konservativer
Nachgeburtsleitung, was diese bei Frauen mit einem niedrigen Risikoprofil als
sichere Option darstellt. Die vielfältigeren Geburtspositionen deuten zudem
daraufhin, dass sowohl die Gebärenden als auch die Hebammen im
Hebammenkreißsaal mehr Gestaltungsmöglichkeiten, Einfluss und
Kontrolle über die Geburt haben und diese somit möglicherweise
häufiger von den Frauen als selbstbestimmter wahrgenommen wird [24].
Limitierend ist neben der retrospektiven Datenanalyse auch die eingeschränkte
Vergleichbarkeit der einzelnen Gruppen. In dieser Arbeit steht vor allem der
Vergleich zwischen dem primär ärztlich geleiteten und dem
erfolgreich hebammengeleiteten Kreißsaal im Vordergrund. Es handelt sich
hierbei um zwei hochselektierte Gruppen im Niedrigrisikokollektiv, weshalb sich die
Ergebnisse nicht eins zu eins auf andere Risikokollektive übertragen lassen.
Eine entsprechende Vergleichsgruppe für die übergeleiteten Geburten
ist retrospektiv im Krankenhauskollektiv eines Perinatalzentrums Level I nur schwer
zu finden. Ein möglicher Vergleich mit Überleitungen im
außerklinischen geburtshilflichen Bereich könnte hier
zielführend sein. Weitere Untersuchungen hierzu wären
wünschenswert, um das maternale und neonatale Outcome der
Überleitungen besser beurteilen zu können.
Wir sind uns bewusst, dass unser hebammengeleiteter Kreißsaal nicht
unkritisch auf andere Betreuungskonzepte, vor allem auch international,
übertragen werden kann. Es gibt hier deutliche Unterschiede im Setting, den
Zulassungskriterien, der Möglichkeit von pädiatrischen
Konsultationen, PDA, Wehenmittel, Ultraschalluntersuchungen und CTG.
Seit 2003 wurde die klinische Geburtshilfe durch das Angebot eines
Hebammenkreißsaals in 25 deutschen Krankenhäusern, wovon sich
lediglich vier in Mitteldeutschland befinden, erweitert [3]. Unsere Ergebnisse zeigen, dass der
Hebammenkreißsaal als eine sichere Option angesehen werden kann und
unterstützen somit eine weitere Verbreitung des Hebammenkreißsaals.
Weitere Untersuchungen müssen darüber hinaus evaluieren, inwieweit
die Betreuung im Hebammenkreißsaal die Zufriedenheit der Hebammen verbessern
kann und wie sich die Akzeptanz und subjektive Wahrnehmung der Gebärenden
abbildet.
Schlussfolgerung
Der Hebammenkreißsaal bietet als eine Ergänzung des
Betreuungsangebots auch in einem Perinatalzentrum eine sichere Alternative und
Wahlmöglichkeit zum ärztlich geleiteten Kreißsaal
für gesunde Schwangere. Zudem fördert er die interprofessionelle
Zusammenarbeit auf Augenhöhe und somit die Kompetenz im gesamten
geburtshilflichen Team in einer Klinik. Bei strengen Überleitungskriterien
gibt es nur sehr wenige Komplikationen während der Geburt. Eine
flächendeckende Verbreitung des Hebammenkreißsaals ist
wünschenswert und kann den Hebammenberuf in Kliniken wieder attraktiver
gestalten.