CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(11): 1382-1390
DOI: 10.1055/a-2091-0856
GebFra Science
Original Article

Möglichkeiten der Detektionsrate neonataler Sepsiserreger im Rahmen mikrobiologischer Diagnostik bei den Müttern – Real World Data

Article in several languages: English | deutsch
Raffael Kuld
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Städtisches Klinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Germany (Ringgold ID: RIN15050)
2   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Germany
,
Alexander Krauth
3   Klinik für Kinderheilkunde, Franz-Lust-Kinderklinik, Städtisches Klinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Germany (Ringgold ID: RIN15050)
,
Joachim Kühr
3   Klinik für Kinderheilkunde, Franz-Lust-Kinderklinik, Städtisches Klinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Germany (Ringgold ID: RIN15050)
,
Janine Krämer
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Städtisches Klinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Germany (Ringgold ID: RIN15050)
,
Ralf Dittrich
2   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Germany
4   Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany
,
Lothar Häberle
2   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Germany
4   Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany
,
Andreas Müller
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Städtisches Klinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Germany (Ringgold ID: RIN15050)
2   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Germany
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Ziel

Das Ziel dieser Studie war, die Detektionsrate neonataler Sepsiserreger in mikrobiologischen Abstrichen der Mütter zu identifizieren.

Studiendesign

Es handelt sich um eine retrospektive Studie an einem Perinatalzentrum Level 1 im Zeitraum 2014 bis 2019 im Rahmen der Routineversorgung. Bei allen Früh- und Neugeborenen mit neonataler Sepsis wurden die mikrobiologischen Befunde der Neonaten und der Mütter auf Übereinstimmung untersucht.

Ergebnisse

Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 948 Früh- oder Neugeborene mit einer neonatalen Infektion identifiziert. 209 (22%) der Früh- oder Neugeborenen erfüllten die Diagnosekriterien einer neonatalen Sepsis, davon waren 157 Frühgeborene und 52 Reifgeborene. Von diesen 209 Mutter-Kind-Paaren wurden die mikrobiologischen Befunde ausgewertet. Bei 27 von 157 Müttern von Frühgeborenen (17,1%) und bei 31 von 52 Müttern von Reifgeborenen (59,6%) konnten keine Keime nachgewiesen werden. Paare mit Keimübereinstimmung gab es in der Gruppe der Frühgeborenen bei 30 von 130 (23,1%, 95%-KI: 16,1–31,3) und in der Gruppe der Reifgeborenen bei 4 von 21 (19%, 95%-KI: 5,4–41,9). Die Number Needed to Test, um eine 90%-Erfolgswahrscheinlichkeit für die Detektion des Erregers zu haben, schwankt je nach Auswertungsmodus zwischen 9 und 11 im günstigsten Fall und 26 und 32 im ungünstigsten Fall.

Schlussfolgerung

Bei neonataler Sepsis gelang die Detektion des Sepsiserregers durch vorherige Abstrichuntersuchung der Mutter in 7% bei Reifgeborenen und in 19% bei Frühgeborenen. Die Number Needed to Test waren in allen Gruppen relativ hoch. Die Wertigkeit des mütterlichen Abstriches zur Identifikation neonataler Sepsiserreger muss kritisch hinterfragt werden.


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Abkürzungen

AIS: Amnioninfektionssyndrom
CRP: C-reaktives Protein
EOS: Early-Onset-Sepsis
GBS: Gruppe-B-Streptokokken
KNS: koagulasenegative Staphylokokken
LOS: Late-Onset-Sepsis
PCT: Procalcitonin
SIRS: Systemic Inflammatory Response Syndrome
SSW: Schwangerschaftswoche
vBS: vorzeitiger Blasensprung


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Einleitung

Die neonatale Sepsis ist nach wie vor ein schwerwiegendes neonatologisches Krankheitsbild. Die Definition der (neonatalen) Sepsis änderte sich in der Vergangenheit und unterscheidet sich insbesondere bei Neugeborenen von der bei Erwachsenen [1]. Es gibt nach wie vor kein Screening und keine Marker, die eine neonatale Sepsis zuverlässig vorhersagen bzw. ausschließen können [2].

Im Falle der neonatalen Sepsis gilt es, im Gegensatz zu Erwachsenen, zwischen Early-Onset-Sepsis (EOS) und Late-Onset-Sepsis (LOS) zu differenzieren – Early-Onset betrifft die Fälle, die innerhalb der ersten 72 Stunden nach Geburt klinisch auffällig werden, meist innerhalb der ersten 24 Stunden, Late-Onset bezeichnet den Beginn nach den ersten 72 Lebensstunden [2] [3]. Mittlerweile ist der Erregernachweis mittels Blutkultur nicht mehr obligat für die Diagnose einer Sepsis, auch von dem unbedingten Vorliegen eines „Systemic Inflammatory Response Syndrome“ als obligatem Bestandteil der Diagnosekriterien ist man mittlerweile abgekommen, da dieses auch anderweitig entstehen kann, zum Beispiel durch schwere Traumata und andere Erkrankungen. Schwerwiegende Folgen einer neonatalen Sepsis sind unter anderem der septische Schock mit einer hohen Letalitätsrate, Organversagen sowie als langfristig schwerwiegende Folge eine kompromittierte neurologische Entwicklung des Neugeborenen [4].

Als prominentester Vertreter der pränatalen Risikofaktoren für eine EOS, die ca. 1–5 pro 1000 Lebendgeburten betrifft [5], gerade auch im Zusammenhang mit dem nicht ausgereiften Immunsystem bei einer potenziellen Frühgeburtlichkeit, ist der vorzeitige Blasensprung (vBS) zu nennen [6]. Hierdurch ist die physikalische Barriere zwischen dem Ungeborenen und der Umwelt eingeschränkt, sodass eine Keimaszension leichter erfolgen kann. Aber auch eine transplazentare oder transuterine Infektion ist möglich, wenn auch seltener [7]. Somit sind auch das Amnioninfektionssyndrom, mittlerweile als Triple I bezeichnet, sowie generelle mütterliche Infektionen als Gefahr für den Fetus zu werten. Jedoch liegen in der meisten Anzahl der Fälle von Neugeborenen, die einem Amnioninfektionssyndrom ausgesetzt waren, keine per Blutkultur bestätigten Fälle von EOS vor [8], allerdings treten auch vollkommen asymptomatische Fälle mit in der Blutkultur bestätigter Keimbesiedlung auf [9]. Als Ursprungsort der Erreger ist im überwiegenden Anteil der Fälle der mütterliche Anogenitaltrakt zu bewerten, daher erklärt sich auch das vermehrte Vorkommen von Gruppe-B-Streptokokken und Escherichia coli als ursächlicher Erreger der neonatalen Sepsis [10] [11], wobei besonders Escherichia coli bei EOS mit einer höheren Mortalität assoziiert ist [12] [13]. Speziell im Falle einer EOS ist von einer vertikalen Übertragung von der Mutter auf das Kind auszugehen [14], im Falle einer LOS ist neben der vertikalen Übertragung auch eine horizontale Übertragung durch die Umgebung, zum Beispiel durch (zentrale) Venenzugänge oder durch das Personal möglich [2].

Es existieren bereits etablierte Präventionsmaßnahmen wie das GBS-Screening zwischen der 35. – 37. SSW zur Verhinderung neonataler Infektionen, welches auch in anderen Ländern wie bspw. den USA universell empfohlen wird [11]. Die konsequente Ausführung dieses Screenings ist im Hinblick auf die Dominanz dieses Erregers im Rahmen der neonatalen Sepsis auch weiterhin zu befürworten. Während das Screening durchaus eine Reduktion der GBS-positiven neonatalen Sepsis bewirkt, so blieb die Lage hinsichtlich Escherichia coli als Erreger konstant, eine absolute Vermehrung von Escherichia coli als Erreger der neonatalen Sepsis, bedingt durch die GBS-Prävention, konnte jedoch widerlegt werden [15]. Bei Müttern mit Verdacht auf Triple I wird bereits eine empirische antibiotische Therapie empfohlen. Deren vermehrter Gebrauch vermindert zwar die GBS-positiven EOS-Fälle [16], allerdings lag bei Neugeborenen, die dieser antibiotischen Therapie ausgesetzt waren, die Rate an postpartalen Komplikationen wie zum Beispiel der nekrotisierenden Enterokolitis höher als bei den nicht behandelten Kindern [7] [17]. Auch alternative Wege werden mitunter beschritten – hierbei sollen klinisch unauffällige sowie nahe der 37. SSW geborenen Kinder, deren Mutter an einem Triple I litt, nicht automatisch antibiotisch behandelt werden, sondern engmaschig klinisch beobachtet werden, um eine unnötige antibiotische Therapie zu vermeiden [17] [18]. Das Spektrum der Erreger der neonatalen Sepsis, sowohl für EOS als auch LOS, ist heutzutage weitgehend bekannt und kann postpartal somit auch effektiv antibiotisch behandelt werden.

Infektionen gehören zu den häufigsten Ursachen für Frühgeburtlichkeit [19] und insbesondere Frühgeborene sind durch die Unreife des Immunsystems durch neonatale Infektionen besonders gefährdet [7] [20]. Unklar ist die Wertigkeit der mikrobiologischen Diagnostik bei der Mutter bei drohender Frühgeburt. Einige Autoren empfehlen eine generelle mikrobiologische Diagnostik in Risikosituationen wie zum Beispiel dem frühen vorzeitigen Blasensprung und bei vorzeitiger Wehentätigkeit [14]. In den deutschen Leitlinien „Vaginale Geburt am Termin – S3-Leitlinie“ und „Prävention und Therapie der Frühgeburt – S2k-Leitlinie“ ist diese Diagnostik nicht grundsätzlich empfohlen [21] [22] [23] [24] [25], jedoch ist dies weitgehend klinische Praxis in Deutschland. In anderen Leitlinien wird eine mikrobiologische Diagnostik bei der Mutter nicht erwähnt bzw. spielt überhaupt keine Rolle und es wird ausschließlich die präventive maternale Antibiotikagabe empfohlen [23] [26]. Studien mit Daten zur Übereinstimmung von Abstrichergebnissen bei Müttern und deren Kindern im Falle einer Sepsis sind rar.

Das Ziel dieser Studie war daher festzustellen, wie hoch die mögliche Detektionsrate für Erreger der neonatalen Sepsis durch mikrobiologische Vaginalabstrichentnahme bei der Mutter ist im Rahmen der Routineversorgung im klinischen Alltag an einem Perinatalzentrum Level 1. Dazu wurde nach Keimübereinstimmungen bei Neonaten und deren Müttern gesucht, die im Rahmen der Routineversorgung vor der Geburt entnommen wurden.


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Material und Methoden

Im Zeitraum 2014–2019 wurden alle Neugeborenen und Frühgeborenen mit einer neonatalen Infektion identifiziert, die in der Kinderklinik des Städtischen Klinikums Karlsruhe (SKK) behandelt wurden und die in der Frauenklinik des SKK geboren wurden. Von extern zuverlegte Neonaten wurden nicht eingeschlossen. Im Falle von Mehrlingen wurde jeder Mehrling einzeln betrachtet.

Anhand des Studiums der Krankenakten wurden die Neonaten identifiziert, welche die nachfolgende Definition einer neonatalen Sepsis erfüllten. Als Grundlage für die Definition der neonatalen Sepsis wurden die „IQTIG Ausfüllhinweise für Neonatologie“ (QS-Spezifikation 2021 Version 07) herangezogen, in denen 3 Gruppen von Sepsis unterschieden werden – 1.) klinische Sepsis (ohne Erregernachweis), 2.) mikrobiologisch bestätigte Sepsis mit Erregernachweis ohne koagulasenegative Staphylokokken (KNS), 3.) mikrobiologisch bestätigte Sepsis mit KNS im Erregerspektrum. Ebenso wurden die AWMF-Leitlinien für bakterielle Infektionen bei Neugeborenen (Register Nr. 024/008, Version 4.2) hierzu genutzt, deren Diagnosekriterien sich mit dem bereits Genannten kongruent zeigen [27] [28]. Die Kinder, welche die Diagnosekriterien für die neonatale Sepsis nicht erfüllten, wurden von der weiteren Analyse ausgeschlossen.

Eine weitere Unterteilung erfolgte anhand des Schwangerschaftsalters ab 37 + 0 SSW in Reifgeborene und < 37 + 0 SSW in Frühgeborene. Anschließend wurde anhand der Krankenakte der zugehören Mutter die klinischen Parameter und mikrobiologischen Abstrichergebnisse ausgewertet.

Es wurden die Mütter identifiziert, bei denen Abstrichergebnisse vorlagen, anschließend wurden Mutter-Kind-Paare gebildet, bei denen eine Keimübereinstimmung bestand. Anhand des Zeitpunktes des Auftretens der Sepsis erfolgte die Einteilung in LOS > 72 Lebensstunden; trat die Sepsis davor auf, erfolgte die Einteilung als EOS.

Neben den bakteriologischen Ergebnissen wurden weitere klinische und laborchemische Parameter bei den Neonaten und den Müttern erhoben. Das Studienprotokoll ist in [Abb. 1] dargestellt. Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg genehmigt (Aktenzeichen F-2020–058).

Zoom ImageZoom Image
Abb. 1 Studiendesign mit Nennung der Fälle die ausgeschlossen wurden.

Klinisches Management

Diagnostische Routine war im Untersuchungszeitraum, dass bei allen Müttern mit frühem vorzeitigen Blasensprung oder vorzeitiger Wehentätigkeit (< 37 + 0 SSW) eine mikrobiologische Diagnostik mittels Vaginalabstrich und Zervixabstrich durchgeführt wurde. Ab der 37 + 0 SSW wurde in der Regel keine mikrobiologische Diagnostik bei den Schwangeren durchgeführt, außer es bestand der Verdacht auf eine Infektion bei der Mutter, dann erfolgte ein Abstrich, in gleicher Weise wie zuvor geschildert.

Therapeutische Routine im Untersuchungszeitraum war, bei frühem vorzeitigen Blasensprung vor der 37. SSW eine prophylaktische Antibiotikatherapie mit Piperacillin/Tazobactam i. v. für 8 Tage durchzuführen, während ab der 37. SSW die prophylaktische Therapie mit Ampicillin oder Cefuroxim i. v. erfolgte. Bei vorzeitiger Wehentätigkeit erfolgte nur eine Antibiotikatherapie bei klinischem Verdacht auf eine Infektion oder bei Erhalt eines pathologischen Abstrichergebnisses. Wenn nötig wurde nach Erhalt des Antibiogramms die Antibiotikatherapie angepasst. Kontrollabstriche erfolgten nicht.

Entsprechend dem PROMPT Trial wurde den Müttern ab 34 + 0 SSW und frühem vorzeitigem Blasensprung entweder die Geburtseinleitung oder ein abwartendes Vorgehen bei Fehlen von Infektionszeichen mit entsprechender Überwachung analog dem Vorgehen im PROMPT Trial angeboten [29].


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Statistik

Zum Zwecke der statistischen Auswertung der vorliegenden Daten wurde das Statistikprogramm „R“ verwendet. Als Konfidenzintervalle wurde in sämtlichen Berechnungen 95% gewählt. Da kein statistischer Test durchgeführt wurde, ist ein Signifikanzniveau formal nicht vorhanden – das Signifikanzniveau α = 5% steckt jedoch indirekt im genutzten 95%-Konfidenzintervall [(100 − α)% = 95%].


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Ergebnisse

948 Infektionen bei Neu- und Frühgeborenen wurden im Untersuchungszeitraum identifiziert. In 209 Fällen waren die Diagnosekriterien einer neonatalen Sepsis erfüllt. Davon ließen sich 52 Fälle (24,9%) der Gruppe der Reifgeborenen zuteilen und 157 Fälle (75,1%) entfielen auf die Gruppe der Frühgeborenen. In der Gruppe der Reifgeborenen konnte bei 31 Mütter (59,6%) kein Keim nachgewiesen werden, bei den Frühgeborenen konnte bei 27 Müttern (17,2%) kein Keim nachgewiesen werden. Diese Mutter-Kind-Paare wurden wegen Fehlen der mütterlichen Daten von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Bei den Reifgeborenen gab es 21 Schwangere, bei denen mikrobiologische Ergebnisse vorlagen, davon gab es bei 4 Mutter-Kind-Paaren eine Keimübereinstimmung. Alle 4 Fälle waren EOS-Fälle (95%-KI = 39,8–100%). Bei den Frühgeborenen gab es 130 Schwangere, bei denen mikrobiologische Ergebnisse vorlagen, davon gab es bei 30 Mutter-Kind-Paaren eine Keimübereinstimmung, wobei 11 EOS-Fälle vorlagen (36,7%) (95%-KI = 19,9–56,1%) und 19 LOS-Fälle (63,3%) (siehe Flussdiagramm [Abb. 1]).

Detektionsraten der neonatalen Sepsiserreger durch mütterliches Abstrichergebnis

Die Detektionsrate für Sepsiserreger bei Reifgeborenen lag bei 4 von insgesamt 52 Fällen (7,7%) und bei Frühgeborenen bei 30 von insgesamt 157 Fällen (19,1%) ([Tab. 1]).

Tab. 1 Detektionsrate neonataler Sepsiserreger in mütterlichen vaginalen Abstrichen.

gesamtes Kollektiv

Detektionsrate

Reifgeborene

4 von 52 (7,7%)

Frühgeborene

30 von 157 (19,1%)

nur Fälle mit Erregernachweis bei der Mutter

Reifgeborene

4 von 21 (19,0%)

Frühgeborene

30 von 130 (23,1%)

Frühgeborene und Ausschluss LOS-Fälle

gesamtes Kollektiv

11 von 157 (7,0%)

Erregernachweis bei der Mutter

11 von 130 (8,5%)

Die Detektionsraten werden besser, wenn man in die Berechnung der Detektionsrate nur die Fälle aufnimmt, bei denen ein Erreger bei der Mutter nachgewiesen wurde. Dann ergibt sich eine Detektionsrate bei den Reifgeborenen von 4 bei 21 Fällen (19,0%) und eine Detektionsrate bei den Frühgeborenen von 30 bei 130 Fällen (23,1%) ([Tab. 1]).

Dagegen wird die Detektionsrate bei den Frühgeborenen schlechter, wenn die Fälle mit LOS ausgeschlossen werden unter der Annahme, die Infektion kann auch auf horizontalem Weg entstanden sein; 11 von 157 Fällen (7%) bezogen auf alle untersuchten Neonaten und 11 von 130 Fällen (8,5%), wenn nur diejenigen Neonaten eingeschlossen werden, bei deren Mütter ein Erreger nachgewiesen wurde ([Tab. 1]).

Anhand der Ergebnisse von [Tab. 1] wurde analog zur „Number Needed to Treat“ eine „Number Needed to Test“ (NNT) errechnet. Hierdurch soll die Anzahl an Frauen ermittelt werden, die untersucht werden müssten, um im Anschluss den wahrscheinlichen Erreger der neonatalen Sepsis zu finden. Die NNT wird in [Tab. 2] anhand von wahrscheinlichen Erfolgsraten von 50%, 80% und 90% dargestellt ([Tab. 2]).

Tab. 2 „Number Needed to Test“ (NNT) aufgrund der Ergebnisse in [Tab. 1].

Detektionsrate in der Studie

notwendige Anzahl an Patientinnen für (mind.) einen Treffer

50% Erfolg

80% Erfolg

90% Erfolg

gesamtes Kollektiv

Reifgeborene

7,7% (4 von 52)

9

21

29

Frühgeborene

19,1% (30 von 157)

4

8

11

Mütter mit Erregernachweis

Reifgeborene

19,0% (4 von 21)

4

8

11

Frühgeborene

23,1% (30 von 130)

3

7

9

Frühgeborene und Ausschluss LOS-Fälle

gesamtes Kollektiv

7,0% (11 von 157)

10

23

32

Erregernachweis bei der Mutter

8,5% (11 von 130)

8

19

26


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Allgemeine Häufigkeit der Sepsiserreger bei Neonaten

Bei den Reifgeborenen wurde bei 22 Neonaten (42,3%) eine Sepsis ohne Keimnachweis (Gruppe 1 in Material und Methoden) und bei 30 Neonaten (57,7%) eine Sepsis mit Keimnachweis (Gruppe 2 + 3 in Material und Methoden) diagnostiziert. Bei den Frühgeborenen wurde bei 72 Neonaten (45,9%) eine Sepsis ohne Keimnachweis (Gruppe 1 in Material und Methoden) und bei 85 Neonaten (54,1%) eine Sepsis mit Keimnachweis (Gruppe 2 + 3 in Material und Methoden) diagnostiziert. Daneben sind in [Tab. 3] die Häufigkeiten der identifizierbaren Sepsiserreger unabhängig von den mütterlichen Ergebnissen dargestellt, aufgeteilt nach Früh- und Reifgeburten. Die Keime wurden entweder in Blutkulturen nachgewiesen, oder, wenn die Blutkulturen ohne Keimnachweis waren, dann handelt es sich um Abstrichergebnisse von Körperoberflächen. Der Übersichtlichkeit halber wurden hier maximal die 10 häufigsten Erreger pro Gruppe aufgelistet ([Tab. 3]).

Tab. 3 Häufigkeit der Erregernachweise (10 häufigste Erreger [Blutkultur, bei negativer Blutkultur Ergebnis von Abstrichen auf Körperoberflächen]).

Frühgeborene

Häufigkeit (n)

klinische Sepsis (ohne Erregernachweis)

72

Sepsis mit Erregernachweis

85

Reifgeborene

klinische Sepsis (ohne Erregernachweis)

22

Sepsis mit Erregernachweis

30

Frühgeborene

Häufigkeit (n)

Staphylococcus epidermidis

31

Staphylococcus haemolyticus

28

Escherichia coli

27

Klebsiella oxytoca

22

Enterococcus faecalis

21

Klebsiella pneumoniae

20

Enterobacter cloacae

19

KNS

19

Bacillus cereus

15

Staphylococcus capitis

13

Reifgeborene

Häufigkeit (n)

Escherichia coli

11

KNS

4

Staphylococcus epidermidis

4

GBS

3

Bacillus cereus

2

Enterokokken

2

Enterococcus faecalis

2

2MRGN Escherichia coli

2

diverse Erreger

jeweils 1


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Häufigkeit der Erreger bei Keimübereinstimmung zwischen Mütter und Neonaten

Bei den Reifgeborenen kam es zu 4 EOS-Fällen. In 3 von 4 Fällen zeigten sich übereinstimmende Ergebnisse mit Gruppe-B-Streptokokken und in 1 von 4 Fällen mit Escherichia coli, die sowohl bei der Mutter als auch beim Neonaten nachgewiesen wurden. LOS-Fälle traten bei Reifgeborenen nicht auf ([Tab. 4]).

Tab. 4 Häufigkeit der Keimübereinstimmung bei Mutter und Kind (Reifgeborene).

EOS

Häufigkeit (n)

GBS

3

Escherichia coli

1

LOS

Häufigkeit (n)

nicht vorhanden

nicht vorhanden

Bei den Frühgeborenen kam es zu 11 EOS-Fällen mit insgesamt 16 übereinstimmenden Ergebnissen (Mehrfachnennungen möglich). Es zeigten sich folgenden Häufigkeiten: 3 × Gruppe-B-Streptokokken, 3 × Escherichia coli, 2 × 3MRGN Escherichia coli, 1 × Enterococcus faecalis, 1 × Enterobacter aerogenes, 1 × Streptococcus mitis, 1 × Gruppe-A-Streptokokken, 1 × Morganella morganii, 1 × Ureaplasma urealyticum, 1 × Staphylococcus haemolyticus, 1 × koagulasenegative Staphylokokken ([Tab. 5]).

Tab. 5 Häufigkeit der Keimübereinstimmung bei Mutter und Kind (Frühgeborene).

EOS

Häufigkeit (n)

GBS

3

Escherichia coli

3

2MRGN Escherichia coli

2

Enterococcus faecalis

1

Enterobacter aerogenes

1

Streptococcus mitis

1

Gruppe-A-Streptokokken

1

Morganella morganii

1

Ureaplasma urealyticum

1

Staphylococcus haemolyticus

1

KNS

1

LOS

Häufigkeit (n)

Staphylococcus haemolyticus

6

Enterococcus faecalis

6

KNS

4

Escherichia coli

4

Staphylococcus epidermidis

3

GBS

3

Klebsiella pneumoniae

2

Staphylococcus capitis

2

Ureaplasma urealyticum

1

Bei den Frühgeborenen kam es zu 19 LOS-Fällen mit insgesamt 31 übereinstimmenden Ergebnissen (Mehrfachnennungen möglich). Es zeigten sich folgende Häufigkeiten: 6 × Staphylococcus haemolyticus, 6 × Enterococcus faecalis, 4 × koagulasenegative Staphylokokken, 4 × Escherichia coli, 3 × Staphylococcus epidermidis, 3 × Gruppe-B-Streptokokken, 2 × Klebsiella pneumoniae, 2 × Staphylococcus capitis, 1 × Ureaplasma urealyticum ([Tab. 5]).


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Klinische Parameter der Mütter und Früh- bzw. Neugeborenen mit Keimübereinstimmung

In [Tab. 6] und [Tab. 7] sind die klinischen Parameter der Mütter und der Früh- bzw. Neugeborenen dargestellt. Bei den Müttern der Frühgeborenen mit Sepsis (n = 157) traten insgesamt 26 Fälle mit AIS (16,6%) auf, während bei den Müttern der Reifgeborenen mit Sepsis (n = 52) nur 1 Fall mit postpartalem Fieber (1,9%) auftrat. Die Frühgeborenen mit EOS wurden durchschnittlich in 31 + 0 SSW geboren, die Frühgeborenen mit LOS wurden durchschnittlich in 30 + 2 SSW geboren. Beim Entbindungsmodus zeigte sich bei den Reifgeborenen kein Unterschied, bei den Frühgeborenen kann keine Aussage getätigt werden, da nur 2 Kinder aus der Gruppe der Frühgeborenen mit LOS spontan zur Welt kamen, alle anderen Frühgeborenen wurden per Sectio geboren. Auch bei den mütterlichen CRP und Leukozytenwerten zeigte sich keine Häufung besonders hoher Werte, die Werte erscheinen eher gleichmäßig verteilt ([Tab. 6]).

Tab. 6 Klinische Parameter der Mütter bei Keimübereinstimmung der Mutter-Kind-Paare.

vorzeitiger Blasensprung

Häufigkeit (n)

Reifgeborene

2/4

Frühgeborene (EOS)

7/11

Frühgeborene (LOS)

8/19

Entbindungsmodus

Häufigkeit (n)

Reifgeborene

2/4 per Vakuumextraktion

2/4 per Spontanpartus

Frühgeborene (EOS)

6/11 per Sectio

4/11 per Notsectio

1/11 per Forceps

Frühgeborene (LOS)

15/19 per Sectio

2/19 per Notsectio

2/19 per Spontanpartus

durchschnittlicher Entbindungszeitpunkt

Frühgeborene (EOS)

31 + 0 SSW

Frühgeborene (LOS)

30 + 2 SSW

CRP

peripartales Maximum (mg/dl)

Reifgeborene

2/4 < 10

1/4 10–20

1/4 > 20

Frühgeborene (EOS)

7/11 < 10

1/11 10–20

3/11 > 20

Frühgeborene (LOS)

17/19 < 10

2/19 10–20

0/19 > 20

Leukozyten

peripartales Maximum (pro nl)

Reifgeborene

0/4 < 20

3/4 20–30

1/4 > 30

Frühgeborene (EOS)

4/11 < 20

5/11 20–30

2/11 > 30

Frühgeborene (LOS)

12/19 < 20

7/19 20–30

0/19 > 30

mütterliche Infektionen

Mütter von Frühgeborenen

26 AIS (16,6%)

Mütter von Reifgeborenen

1-mal postpartal Fieber (1,9%)

Bei den Reifgeborenen zeigte sich überwiegend ein guter klinischer Verlauf. Bei den Frühgeborenen mit EOS kam es zu 4 Todesfällen, bei den Frühgeborenen mit LOS kam es zu 1 Todesfall. Bei den Reifgeborenen und bei den Frühgeborenen mit EOS und LOS zeigte sich keine Häufung besonders hoher CRP-, Leukozyten- oder Interleukin-6-Werte ([Tab. 7]).

Tab. 7 Klinische Parameter der Neugeborenen bei Keimübereinstimmung der Mutter-Kind-Paare.

* Aufgrund der Nähe zum Wohnort der Eltern wurden die Neonaten in stabilem Zustand in eine andere Kinderklinik zur weiteren Therapie verlegt.

Entlassungszustand

Häufigkeit (n)

Reifgeborene

4/4 klinisch unauffällig

Frühgeborene (EOS)

4/11 Exitus letalis

6/11 klinisch unauffällig

1/11 Verlegung externe Klinik, stabil, heimatnah*

Frühgeborene (LOS)

1/19 Exitus letalis

14/19 klinisch unauffällig

1/19 Verlegung externe Klinik, stabil, heimatnah*

CRP

Maximum (mg/dl)

Reifgeborene

3/4 < 10

1/4 10–20

Frühgeborene (EOS)

11/11 < 10

Frühgeborene (LOS)

16/19 < 10

3/19 10–20

Leukozyten

Maximum (pro nl)

Reifgeborene

2/4 < 20

1/4 20–30

1/4 > 30

Frühgeborene (EOS)

5/11 < 20

2/11 20–30

3/11 > 30

Frühgeborene (LOS)

8/19 < 20

7/19 20–30

4/19 > 30

Interleukin-6

Maximum (pg/ml)

Reifgeborene

1/4 < 1000

1/4 1000–2000

2/4 > 2000

Frühgeborene (EOS)

6/11 < 1000

4/11 1000–2000

1/11 > 2000

Frühgeborene (LOS)

14/19 < 1000

4/19 1000–2000

1/19 > 2000


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Diskussion

Die neonatale Sepsis ist ein sehr ernstes und schwer verlaufendes Krankheitsbild, das zu bleibenden Einschränkungen führen kann [1] [4] [22] [23]. Daher werden eine möglichst frühzeitige Diagnostik und Therapie angestrebt [27]. Aus diesem Grund ist auch die Suche nach einer möglichst frühzeitigen Identifikation möglicher Erreger nachvollziehbar, um letztendlich eine gezielte Therapie zu ermöglichen [14].

Zur Frage, inwieweit das Erregerspektrum im Falle einer neonatalen Sepsis mit dem Spektrum der Mutter übereinstimmt, gibt es kaum Daten. Es existiert zwar eine breite und gute Datenlage zum allgemeinen Erregerspektrum der neonatalen Sepsis, was auch mit unseren Ergebnissen übereinstimmt, sowie auch zu den theoretischen Transmissionswegen [11] [30] [31] [32]. Aber Daten, wie häufig eine Übereinstimmung zwischen dem Erregerspektrum von Mutter und Kind vorliegt, fehlen bisher und wurden hier erstmalig dargestellt.

Nach unserem Kenntnisstand ist dies die erste Studie, in der Übereinstimmungsraten im Keimspektrum bei neonataler Sepsis und in mütterlichen Abstrichergebnissen gezeigt werden konnten. Insgesamt sind die Übereinstimmungsraten niedrig, sodass die Wahrscheinlichkeit, den neonatalen Sepsiserreger schon im mütterlichen Abstrich nachzuweisen, sehr gering ist, entsprechend hoch ist die NNT. Bei den Reifgeborene lag bei 59% der Mütter kein Abstrichergebnis vor, bei den Frühgeborenen lag bei 17% der Mütter kein Abstrichergebnis vor. Einschränkend kommt noch hinzu, dass das Abstrichergebnis nicht immer zeitgerecht vorliegt, wenn mit der Behandlung des Neonaten begonnen werden muss, mit anderen Worten das Ergebnis kommt zu spät. Dieser Aspekt wurde in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt, würde aber noch einmal die klinische Wertigkeit des mütterlichen Abstriches vermindern.

Insbesondere bei einer EOS wird eine Keimübertragung von der Mutter auf das Kind angenommen, unklar ist dabei, wie der Infektionsweg verläuft. Während beim vorzeitigen Blasensprung eine aszendierende Infektion wahrscheinlich erscheint, gibt es aber immer wieder auch Infektionen des Kindes bei intakten Membranen oder fehlenden anderen Risikofaktoren aufseiten der Mutter. Dagegen muss bei LOS auch an Interventionen wie Beatmung und zentrale Venenzugänge als mögliche Infektionswege gedacht werden.

Das gefundene Keimspektrum in den Fällen mit neonataler Sepsis ohne Übereinstimmung mit den bei der Mutter gefundenen Erregern setzte sich weitgehend aus Hautkeimen wie Staphylococcus epidermidis und Staphylococcus haemolyticus zusammen. Hier sind aber die LOS-Fälle enthalten, somit ist auch eine horizontale Besiedlung nicht auszuschließen. Eine Verschiebung des Keimspektrums hin zu Gruppe-B-Streptokokken und Escherichia coli und anderen Keimen des anogenitalen Bereiches zeigt sich, wenn nur die EOS-Fälle betrachtet werden und wenn auch zwischen Mutter und Kind übereinstimmende Erregernachweise vorlagen, so dass bei diesen Fällen eine vertikale Übertragung von der Mutter auf den Neonaten am wahrscheinlichsten erscheint.

Insgesamt lässt sich unter Routinebedingungen im Rahmen der normalen Versorgungsstrukturen eine Detektionsrate der neonatalen Sepsiserreger durch Abstrichentnahme bei der Mutter von ca. 7% bei Reifgeborenen und 19% bei Frühgeborenen erreichen; wenn bei der Mutter ein Erreger nachgewiesen werden kann, dann sind die Raten etwas höher. Da aber nicht immer ein Erreger bei der Mutter identifizierbar ist, sinkt die Detektionsrate im Gesamtkollektiv auf 7,7% und 19,1% für Reif- und für Frühgeborene, und schließt man die Fälle mit LOS aus, so sinkt die Detektionsrate auf 8,5% bzw. 7%. Auch dies scheint eher gegen die klinische Bedeutung eines mütterlichen Abstrichergebnisses zu sprechen.

Die Ergebnisse sind nicht unter Studienbedingungen gewonnen worden, sondern spiegeln die Versorgungssituation in der Geburtshilfe in einem Perinatalzentrum Level 1 wider. Die Detektionsraten hinsichtlich neonataler Sepsiserreger in mütterlichen Abstrichen sind insgesamt niedrig, insbesondere dann, wenn man die LOS-Fälle ausschließt, in denen eine horizontale Erregerübertragung ebenfalls vorliegen kann. Daher erscheint die Bedeutung der mütterlichen Abstrichdiagnostik in der Schwangerschaft hinsichtlich frühzeitiger Identifikation neonataler Sepsiserreger fraglich, zumal auf der anderen Seite durch unnötige Antibiotikatherapien in der Schwangerschaft die Förderung von Resistenzen zu beachten ist [33] und auch eine Beeinflussung des Fetus durch transplazentare Antibiotikatherapie nicht ausgeschlossen werden kann [7]. Des Weiteren wird in aktuellen Studien der Erregernachweis nicht als zwingendes Diagnosekriterium für die neonatale Sepsis betrachtet und zwischen „klinischer Sepsis“ und zwischen bakteriologisch „bestätigter Sepsis“ unterschieden; somit ist die Suche nach dem auslösenden Erreger schon im Rahmen der Schwangerschaft fraglich [5] [26]. Auch ist fraglich, ob aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes die breite und empirische Antibiotikatherapie des Neonaten aufgrund eines fraglichen Befundes der Mutter in der Schwangerschaft verlassen werden sollte. Hier spielt auch die Vor-Therapie der Mutter mit den gewählten Antibiotikaregimen eine nicht zu unterschätzende Rolle, da dadurch auch eine Keimselektion im Fall einer Infektion des Neonaten nicht ausgeschlossen werden kann; so zeigten Schilling et al., dass immerhin 65% aller Schwangeren während der Schwangerschaft oder Geburt eine Antibiotikatherapie erhielten [17].

Der Vorteil dieser Studie ist nach unserem Wissen, dass erstmalig Übereinstimmungen zwischen neonatalen Erregernachweisen bei neonataler Sepsis und vaginalen Abstrichbefunden der Mütter aufgezeigt werden konnten und daraus mögliche Detektionsraten hinsichtlich der Identifikation neonataler Sepsiserreger durch mütterliche Abstrichentnahme errechnet werden konnten. Derartige Ergebnisse fehlen bisher in der Literatur. Auch die Fallzahl von 200 eingeschlossenen Neugeborenen ist groß und die Unterscheidung nach EOS und LOS bei der Datenanalyse ist sonst nicht immer üblich.

Der Nachteil dieser Studie ist das retrospektive Studiendesign und damit fehlende Daten in einigen Fällen, es lagen nicht von allen Müttern ein Keimnachweis vor, auch wurde die Abstrichentnahme nicht zu genau definierten Zeitpunkten durchgeführt und die Keimbestimmung erfolgte nach allgemein-bakteriologischen Diagnosekriterien und nicht durch genetische Untersuchungen; somit ist selbst bei Keimübereinstimmung nicht immer bewiesen, dass der mütterliche Keim auch der Sepsiserreger beim Neonaten ist.

Ein Instrument der Sepsisprophylaxe beim Neugeborenen ist das GBS-Screening in der 35.–37. Schwangerschaftswoche, in dem per vaginalem und rektalem Abstrich eine Besiedlung mit Gruppe-B-Streptokokken festgestellt werden kann. Das Risiko einer Sepsis bei mütterlicher Besiedlung wird mit ca. 1–2/100 Geburten angegeben, wobei ein erhöhtes Risiko vorliegt, falls frühzeitige Wehen (< 37. SSW) eintreten, ein vorzeitiger Blasensprung vorliegt oder die Mutter unter Geburt erhöhte Temperatur bzw. Fieber entwickelt [11] [33]; die Infektionsrate GBS-positiver Fälle unabhängig von der mütterlichen Besiedlung wird jedoch auf 2–5/1000 Geburten geschätzt [34]. Bei positivem Befund wird eine antibiotische Prophylaxe durchgeführt, dadurch konnte die Inzidenz der EOS reduziert werden, so zumindest in Studien [35]. Hierbei gilt es jedoch auch zu bedenken, dass die antibiotische Prophylaxe als Auslöser einer Störung des enteralen Mikrobioms infrage kommt und so zum Verursacher von schwerwiegenden neonatalen Erkrankungen wie der nekrotisierenden Enterokolitis werden kann [7] [17] [36]. Inwieweit dieses Screening, das nicht Teil der durch die Mutterschutzrichtlinie vorgeschriebenen Betreuung ist, und die Therapie bei positivem Befund in der realen Versorgungssituation wirklich zu einer Reduktion von Sepsisfällen führen, ist unklar; auch in der durch uns untersuchten Kohorte stellten Gruppe-B-Streptokokken die häufigsten Erreger der EOS sowohl bei Frühgeborenen als auch bei Reifgeborenen dar [37] [38].

Andere Risiko-Assessment-Instrumente, wie der in den USA verwendete „EOS Calculator“, der nicht nur das Risiko für Infektionen durch Gruppe-B-Streptokokken einbezieht, sondern auch durch andere Erreger, sollen eine generelle Risikoberechnung für EOS ab 34 + 0 SSW und somit eine Reduktion von unnötigen Antibiotikatherapien ermöglichen [39] [40] [41] [42].

Trotz aller Limitationen durch das retrospektive Studiendesign und die ausschließliche Einbeziehung von Ergebnissen, die im Rahmen der Routinebehandlung erhoben worden sind bzw. vorlagen, konnten wir zum ersten Mal Übereinstimmungen von Erregernachweisen bei Kindern mit neonataler Sepsis und deren Müttern in der Schwangerschaft aufzeigen und daraus mögliche Detektionsraten der Sepsiserreger durch mütterliche Abstriche errechnen.

In Anbetracht der Schwere des Krankheitsbildes „neonatale Sepsis“ mag eine Detektionsrate von ca. 20% bei Frühgeborenen die weitere Durchführung von Routineabstrichen befürworten. Wenn aber LOS-Fälle ausgeschlossen werden, sinkt die Detektionsrate unter 10%, und das Nutzen-Risiko-Verhältnis und die Gefahr durch unnötige Antibiotikatherapien müssen kritisch diskutiert werden.


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Schlussfolgerung

Die Ursachen der neonatalen Sepsis scheinen nicht immer eindeutig fassbar zu sein. Aufgrund der Schwere des Erkrankungsbildes werden eine frühzeitige Diagnostik und Therapie angestrebt. Der Beginn der Diagnostik schon bei der Mutter durch vaginale Abstrichentnahme erscheint aber sehr fraglich, da die Detektionsrate neonataler Sepsiserreger durch vorherige Abstrichuntersuchung der Mutter sehr gering ist. Die Wertigkeit des mütterlichen Abstriches zur Identifikation neonataler Sepsiserreger muss kritisch hinterfragt werden. Wahrscheinlich ist es sinnvoller, die Diagnostik beim Neonaten zu beginnen und sich auf diese Untersuchungsergebnisse zu konzentrieren.


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Anerkennungen

Diese Arbeit wurde durchgeführt zur Erfüllung der Anforderungen zum Erhalt des Titels „Dr. med.“ durch Herrn Rafael Kuld an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.


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Correspondence

Prof. Andreas Müller, MD
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Städtisches Klinikum Karlsruhe
Moltkestraße 90
76133 Karlsruhe
Germany   

Publication History

Received: 13 February 2023

Accepted after revision: 07 May 2023

Article published online:
21 June 2023

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