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DOI: 10.1055/a-2123-9266
Forum Gesundheitskompetenz 2023

Unter dem Motto „Organisationale und Professionelle Gesundheitskompetenz: Wo stehen wir in Deutschland?“ fand am 20. Juni 2023 eine Veranstaltung des Patientenbeauftragten der Bundesregierung und der Stiftung Gesundheitswissen in Berlin statt. Das Tagesprogramm war straff organisiert und bot eine Fülle von neuen Erkenntnissen. So wurden die Ergebnisse einer soeben erschienenen Studie vorgestellt, in der erstmals empirische Daten zur „professionellen Gesundheitskompetenz ausgewählter Gesundheitsberufe in Deutschland“ erhoben wurden. Darüber hinaus wurde ein Projekt zur Entwicklung von „gesundheitskompetenten Organisationen“ präsentiert. Beide Projekte wurden ausführlich mit Expertinnen und Experten diskutiert. Sie betonten die Wichtigkeit beider Projekte für die wissenschaftliche Diskussion und auch die Praxis, denn sie liefern zahlreiche wertvolle Anknüpfungspunkte dafür, wie die organisationale und professionelle Gesundheitskompetenz gestärkt werden kann.
Eröffnet wurde die Veranstaltung vom Patientenbeauftragten der Bundesregierung Stefan Schwartze und dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Gesundheitswissen PD Dr. Ralf Suhr. Beide unterstrichen die gesellschaftliche Bedeutung der organisationalen und professionellen Gesundheitskompetenz. So sei es für die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung von großer Bedeutung, die Rahmenbedingungen und Strukturen in den Gesundheitseinrichtungen zu berücksichtigen und ausreichende Ressourcen dafür bereitzustellen. Dazu gehöre zugleich, dass die Gesundheitsprofessionen in der Lage sind, gesundheitsrelevantes Fachwissen und Informationen so aufzubereiten, zu vermitteln und zu kommunizieren, dass sie von ihren Patienten und Patientinnen verstanden und genutzt werden können.
Den ersten Programmpunkt bildete ein Vortrag von Dr. Christina Dietscher (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Österreich, Co-Chair des M-POHL Netzwerks), mit dem eine Einordnung der beiden Konzepte organisationale und professionelle Gesundheitskompetenz vorgenommen und deren enge Verknüpfung aufgezeigt wurde.
Im Anschluss gingen Prof. in. Dr. Doris Schaeffer (Universität Bielefeld) und Dr. Alexander Haarmann (Hertie School, Berlin) in ihrem Vortrag der Frage nach, wie Gesundheitseinrichtungen sich zu Gesundheitskompetenten Organisationen (GkO) entwickeln und nutzerfreundlich werden können. Dazu wurden Ergebnisse aus einem vom Patientenbeauftragten der Bundesregierung geförderten Projekt vorgestellt, in dem international vorliegende Konzepte, Methoden und Best-Practice-Beispiele zu GkOs zusammengetragen sowie deren Umsetzungsbedingungen exploriert worden waren. Die Ergebnisse, so betonte Prof. in. Schaeffer, bilden eine wichtige Grundlage, um auch in Deutschland die Umsetzung von GkOs anzuregen. Zugleich dürfe nicht vergessen werden, dass für eine gelingende Umsetzung eine bessere Information über die Themen GkOs und die Probleme geringer Gesundheitskompetenz erforderlich ist. Nicht weniger wichtig ist die Schaffung geeigneter struktureller Bedingungen, etwa die Bereitstellung ausreichender zeitlicher, räumlicher und personeller Ressourcen.
Die Projektergebnisse lieferten zugleich die Grundlage für die Entwicklung eines onlinebasierten Methodenkoffers „Gesundheitskompetenz-Kompass (GEKOKO)“ –, der anschließend durch PD Dr. Saša Sopka und Dr. Martin Klasen (AIXTRA – Kompetenzzentrum für Training und Patientensicherheit) vorgestellt und erläutert wurde. Neben einer Einführung in die Konzepte Gesundheitskompetenz und GkO bietet der GEKOKO Gesundheitseinrichtungen und Gesundheitsberufen eine Bündelung verschiedener Methoden, Leitfäden und Arbeitshilfen zur Förderung der Gesundheitskompetenz ihrer Patientinnen und Patienten.
Erste empirische Befunde zur professionellen Gesundheitskompetenz in Deutschland präsentierten im Anschluss Prof. in. Dr. Doris Schaeffer und Dr. Lennert Griese (Universität Bielefeld, Hertie School Berlin). Mit der in Kooperation mit der Stiftung Gesundheitswissen durchgeführten Studie wurde gleich in mehrfacher Hinsicht Neuland betreten: Mit einem neuen Konzept und einem neu entwickelten Fragebogen konnten erstmals in Deutschland Daten zur professionellen Gesundheitskompetenz von Ärztinnen/Ärzten und Pflegefachpersonen erhoben werden. Von bisherigen Studien, so betont Schaeffer, unterscheide sich das Konzept insbesondere dadurch, dass es nicht auf die persönliche Gesundheitskompetenz von Gesundheitsprofessionen abhebt. Vielmehr stehen die Fähigkeiten im Mittelpunkt, die sie in der Rolle als „Health Professional“ bei der Förderung der Gesundheitskompetenz ihrer Patientinnen und Patienten benötigen.
Insgesamt, so das Ergebnis der Studie, schätzen die befragten Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachpersonen ihre Fähigkeiten zur Förderung der Gesundheitskompetenz recht positiv ein. Gleichzeitig geben die Ergebnisse Einblick in bestehende Schwierigkeiten und weisen auf Optimierungsbedarf. Dies trifft beispielsweise auf den Umgang mit statistischen Befunden, aber auch auf die Beurteilung und Einschätzung wissenschaftlicher Ergebnisse zu. Zwischen 15% und 24% der Befragten schätzen diese Aufgaben als herausfordernd ein. Auch Aufgaben im Bereich der systematischen Informationsvermittlung stoßen auf erhebliche Schwierigkeiten. Der aktuell wichtige Bereich der professionellen digitalen Gesundheitskompetenz, also Patientinnen und Patienten dabei zu unterstützen, mit digitalen Informationen umzugehen, weist das größte Verbesserungspotential auf. Die Ergebnisse unterstreichen damit die Wichtigkeit, auch die professionelle Gesundheitskompetenz zu stärken. Sie liefern zudem zahlreiche Hinweise dafür, wo dabei anzusetzen ist.
Prof. in. Dr. Marie Luise Dierks (Med. Hochschule Hannover; DNGK) und Dr. Saskia De Gani (Zentrum für Gesundheitskompetenz Careum, Zürich) kommentierten die Ergebnisse der GkO-Studie; Prof. in. Dr. Melanie Messer (Universität Trier) und Prof. Dr. Martin Scherer (Universität Hamburg) die Studie zur professionellen Gesundheitskompetenz. Sie stellten heraus, welche hohe Bedeutung den Ergebnissen zukommt und ordneten sie in einen größeren Zusammenhang ein.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine zweiteilige Podiumsdiskussion mit ausgewiesenen Expertinnen und Experten. Moderiert von Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, wurde unter Einbeziehung des Publikums u. a. über die Umsetzbarkeit der organisationalen und professionellen Gesundheitskompetenz in Deutschland diskutiert, was bei der Implementation zu beachten ist und was von anderen Ländern gelernt werden kann. An der Podiumsdiskussion beteiligt waren Prof. in. Dr. Eva-Maria Bitzer (Pädagogische Hochschule Freiburg), Prof. Dr. Tim Brümmendorf (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen), Dr. Christina Dietscher (Gesundheitsministerium Österreich), Dr. Siiri Doka (Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe), Dr. Bernadette Klapper (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe), Ulrich Langenberg (Bundesärztekammer) und Dr. Constanze Lessing (Bundeszahnärztekammer).
Insgesamt, so das Fazit zur Veranstaltung, liefern die Ergebnisse beider Studien sehr wichtige Beiträge für die Praxis, konkret für die Unterstützung von Patientinnen und Patienten im Umgang mit Informationen durch die Gesundheitsprofessionen. Gleiches gilt für die Implementation gesundheitskompetenter Organisationen, die Nutzerinnen und Nutzer auf allen Ebenen mit verschiedenen Informationsformaten unterstützen, denn sie leisten einen bedeutsamen Beitrag zur Förderung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Betont wurde allerdings auch, dass trotz beobachtbarer Fortschritte noch viel Arbeit notwendig ist, um das Potenzial organisationaler und professioneller Gesundheitskompetenz auszuschöpfen. Die Veranstaltung mit über 350 Interessierten zeigte jedoch, dass das Thema auf großes Interesse stößt und bei den Akteurinnen und Akteuren des Gesundheitssystems zunehmend Zuspruch erfährt.
Die Ergebnisberichte zur professionellen Gesundheitskompetenz und dem Projekt Gesundheitskompetente Organisationen können auf der Internetseite des Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz heruntergeladen werden: https://www.nap-gesundheitskompetenz.de/gesundheitskompetenz/forschungsergebnisse-f%C3%BCr-deutschland/ Gesundheitskompetenz-Kompasses (GEKOKO): https://gekoko.de/
Publication History
Article published online:
22 August 2023
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