Schlüsselwörter Gesundheitskompetenz - Patientenbrief - Krankenhausaufenthalt - Entlassmanagement
Patientenbefähigung
Hintergrund
Gesundheitskompetenz ist ein komplexes, relationales und multidimensionales Konstrukt
[1 ]. Sie umfasst das Wissen, die
Motivation und die Kompetenz, gesundheitsbezogene Informationen zu finden, zu
verstehen, zu bewerten und anzuwenden. Diese Kompetenzen sind notwendig, um
Entscheidungen in den Bereichen Krankheitsmanagement, Prävention und
Gesundheitsförderung zu treffen [1 ]
[2 ]
[3 ]. Gesundheitskompetenz
berücksichtigt nicht nur die persönlichen Ressourcen, sondern ist
auch kontextabhängig [4 ]
[5 ] und sollte daher als ein Zusammenspiel
der folgenden Faktoren verstanden werden
Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person (persönliche
Gesundheitskompetenz) und
die jeweiligen Anforderungen, die an den Einzelnen in den jeweiligen Systemen
und Organisationen, in denen er sich befindet, gestellt werden
(systemische/organisatorische Gesundheitskompetenz) [4 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ]
[8 ].
Je komplexer diese Systeme sind, desto höher sind die Anforderungen an die
Person, die sich in diesem System bewegt und Gesundheitsentscheidungen treffen muss.
Organisatorische Gesundheitskompetenz reduziert also in den jeweiligen Kontexten die
Anforderungen, die das Gesundheitssystem an den Einzelnen stellt.
Dieses umfassende Verständnis sollte bei der Entwicklung von
Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz
berücksichtigt werden. Diese sollten sich nicht nur auf die Stärkung
der persönlichen Kompetenzen und Fähigkeiten konzentrieren, sondern
auch auf die Verbesserung der jeweiligen Gestaltung der situativen Anforderungen und
Kontextfaktoren [4 ]
[7 ]. Ein Beispiel für die
Berücksichtigung dieser Faktoren ist die Anpassung der Informationen an die
Bedürfnisse des Patienten durch eine für den Patienten
verständliche Kommunikation. Dennoch zeigt sich, dass die Patienten mit der
Kommunikation in den herkömmlichen Entlassungsbriefen oft unzufrieden sind
und Probleme bei der Verarbeitung der darin enthaltenen Informationen haben [9 ]. So haben 54,3% der
Bevölkerung in Deutschland erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit
gesundheitsbezogenen Informationen [3 ].
Ein Ansatz, die Kommunikationslücke zwischen Patienten und Ärzten zu
schließen, ist der sogenannte Patientenbrief. Er wurde von der “Was
hab’ ich?” gGmbH initiiert, die sich zum Ziel gesetzt hat, die
Arzt-Patienten-Kommunikation zu verbessern, indem sie Patienten die
Möglichkeit bietet, ihre medizinischen Befunde in eine leicht
verständliche Sprache “übersetzen” zu lassen.
Im Folgenden berichten wir über die Pilotierung eines leicht
verständlichen Patientenbriefes nach einem stationären Aufenthalt.
Der Artikel untersucht die Akzeptanz des Patientenbriefs, mögliche
Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe und stellt erste
Überlegungen zur Implementierung des Patientenbriefs an. Im Mittelpunkt
dieses Artikels stehen die Fragen,
wie Patienten ihre Gesundheitskompetenz nach dem Krankenhausaufenthalt
einschätzen,
wie der Patientenbrief mit der Gesundheitskompetenz der Patienten
zusammenhängt,
wie der Patientenbrief von den Patienten bewertet wird und
welche Informationen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus benötigt
werden.
Methodik
Aufbau der Studie
Die randomisierte kontrollierte Pilotstudie wurde von 06/2016 bis
04/2018 durchgeführt. Rekrutiert wurden Patientinnen und
Patienten der Abteilung für Innere Medizin der Paracelsus-Klinik Bad
Ems, die sich im Studienzeitraum in stationärer Behandlung befanden.
Eingeschlossen wurden alle geplanten Patienten mit ausreichenden
Deutschkenntnissen, wobei mehrfache Krankenhausaufenthalte im Studienzeitraum
ein Ausschlusskriterium waren. Die rekrutierten Patienten wurden in einem
konsekutiven Sampling zufällig der Interventionsgruppe (IG) oder
der Kontrollgruppe (KG) zugeordnet. Da es zum Zeitpunkt der Studie in
Deutschland keine Interventionsstudien zur Gesundheitskompetenz gab, wurde die
Stichprobengröße auf der Grundlage einer früheren Studie
berechnet, die die Auswirkungen eines Patientenbriefs auf die Therapietreue
untersucht hatte (Quelle). Ausgehend von einer Effektgröße von
d=3 (zweiseitiger t-Test), einem Konfidenzintervall von 95% und
einer Power von 0,8 wurde eine Mindestfallzahl von 176 Teilnehmern pro Gruppe
angestrebt.
Intervention
Die konventionellen Entlassungsbriefe der Studienteilnehmer, die von
Krankenhausärzten verfasst wurden, wurden digital und datenschutzkonform
an “Was hab’ ich?” übermittelt. Das medizinische
Personal des gemeinnützigen Unternehmens übersetzte die
Entlassungsbriefe in eine für die Patienten leicht verständliche
Sprache. Jeder der übersetzten Patientenbriefe enthielt individuelle
Informationen über den Grund der Aufnahme, den Verlauf der Klinik, das
Krankheitsbild, durchgeführte Untersuchungen, verordnete Medikamente und
deren Wirkung, kardiovaskuläre Risikofaktoren und
gesundheitsförderndes Verhalten des Patienten.
Datenerhebung
Patienten der IG erhielten den leicht verständlichen Patientenbrief etwa
drei Tage nach der stationären Entlassung aus dem Krankenhaus
zusätzlich zum herkömmlichen Entlassungsbrief per Post. Die
Patienten der KG-Gruppe erhielten bei der Entlassung nur den konventionellen
Entlassungsbrief. Der Studienfragebogen wurde den Patienten etwa drei Tage nach
Versand des Patientenbriefs (IG) bzw. nach der Entlassung (KG) per Post
zugestellt.
Messgerät
Zusätzlich zu den soziodemografischen Daten wurden die folgenden Elemente
zur Beantwortung der Forschungsfragen herangezogen:
24 ausgewählte Items des deutschsprachigen European Health
Literacy Survey HLS-EU-Q47, die für die Frage der
Gesundheitskompetenz von Patienten nach der Entlassung relevant sind
[1 ]
Fragen zur Bewertung des Patientenbriefs (nur IG) und zur
Einschätzung des Bedarfs an verständlichen und
schriftlichen Informationen zum Krankenhausaufenthalt
Analyse
Bildung von Indizes zur Gesundheitskompetenz
Auf der Grundlage des konzeptionellen Modells der Gesundheitskompetenz von
Schaeffer et al. [3 ] wurde der
Gesamtindex der Gesundheitskompetenz aus 24 Items zur
Gesundheitskompetenz gebildet. Der Index enthält vier
verschiedene Kompetenzstufen: “unzureichend”,
“problematisch” (diese beiden Kategorien werden zu
“begrenzte/eingeschränkte”
Gesundheitskompetenz zusammengefasst), “ausreichend”,
“ausgezeichnet” (diese beiden Kategorien werden zu
“nicht eingeschränkter” Gesundheitskompetenz
zusammengefasst). Die Cut-off-Werte für die Kompetenzstufen sind wie
folgt: 0–50% der erreichten Punkte
“unzureichend”,>50–66%
“problematisch”,>66–84%
“ausreichend” und>84–100%
“ausgezeichnet”. Darüber hinaus wurden Teilindizes
aus Items gebildet, die nach der Fähigkeit der Patienten fragten,
Informationen in den Bereichen Krankheitsmanagement ,
Prävention und Gesundheitsförderung zu
finden , zu verstehen , zu bewerten und zu nutzen.
Statistische Auswertung
Der Einfluss der Faktoren Geschlecht, Alter, Bildungsniveau und Intervention
auf die Gesundheitskompetenz wurde mit Hilfe eines linearen
Regressionsmodells untersucht. Die Berechnungen wurden mit dem
Statistikprogramm SPSS 25.0 durchgeführt. Die Daten zum Gesamtindex
und zu den Teilindizes wurden zunächst deskriptiv ausgewertet und
anschließend verglichen (Mittelwertvergleich: T-Test für
unverbundene Stichproben; Vergleich der Häufigkeiten:
Pearson’s Chi²-Test). Das Signifikanzniveau wurde auf
5% festgelegt. Die 24 einzelnen Items zur Gesundheitskompetenz
wurden ausschließlich deskriptiv ausgewertet. Als Effektmaß
wurde Cohen’s d berechnet, um zu prüfen, ob und wie sich die
Mittelwerte der IG und KG unterscheiden.
Ergebnisse
Beispielhafte Beschreibung
Von 1.772 postalisch versandten Fragebögen konnten 417 (24%)
ausgefüllte Fragebögen (IG: n=242, KG: n=175) in
die Auswertung einbezogen werden.
56% aller teilnehmenden Patienten waren männlich. Das
Durchschnittsalter der Studienteilnehmer betrug 70,6 Jahre, wobei die
über 65-Jährigen die größte Altersgruppe
darstellten (71%). Die Hälfte der Studienteilnehmer
(50%) hatte einen niedrigen, 19% einen mittleren und 15%
einen hohen Bildungsstand. Etwa die Hälfte der Befragten bewertete ihren
Gesundheitszustand als durchschnittlich und jeweils ein Viertel als
gut/sehr gut oder schlecht/sehr schlecht (siehe [Tab. 1 ]).
Tab. 1 Stichprobenbeschreibung.
Variable
Gesamt n (%)
IG n (%)
KG n (%)
Studienteilnehmer
417 (100,0%)
242 (58,0%)
175 (42,0%)
Geschlecht
männlich
234 (56,1%)
139 (57,4%)
95 (54,3%)
weiblich
183 (43,9%)
103 (42,6%)
80 (45,7%)
Alter
20 bis 45 Jahre
13 (3,1%)
8 (3,3%)
5 (2,9%)
46 bis 65 Jahre
107 (25,7%)
66 (27,3%)
41 (23,4%)
über 65 Jahre
297 (71,2%)
168 (69,4%)
129 (73,7%)
Bildungsstand
niedrig
210 (50,4%)
128 (52,9%)
82 (46,9%)
mittel
80 (19,2%)
43 (17,8%)
37 (21,1%)
hoch
62 (14,9%)
32 (13,2%)
30 (17,1%)
keine Angabe
65 (15,6%)
39 (16,1%)
26 (14,9%)
Gesundheitszustand
sehr gut – gut
106 (25,4%)
61 (25,2%)
45 (25,7%)
mittelmäßig
215 (51,6%)
120 (49,6%)
95 (54,3%)
schlecht – sehr schlecht
96 (23,0%)
61 (25,2%)
35 (20,0%)
Gesamtindex der Gesundheitskompetenz
In der gesamten Stichprobe verfügten 17% der Befragten
über eine unzureichende Gesundheitskompetenz und 43%
über eine problematische Gesundheitskompetenz. 30% der
Befragten verfügten über eine ausreichende
Gesundheitskompetenz und 11% über eine
ausgezeichnete Gesundheitskompetenz (vgl. [Abb. 1 ]). Insgesamt gaben 60%
eine begrenzte Gesundheitskompetenz an.
Abb. 1 Gesamtindex der Gesundheitskompetenz.
Die Ergebnisse der Interventions- und Kontrollgruppe unterschieden sich nur
geringfügig, die Unterschiede waren nicht signifikant
(p=0,775).
Der Gesamtindex der Gesundheitskompetenz wurde in Abhängigkeit von
Geschlecht, Alter und Bildungsniveau analysiert. Es wurden keine signifikanten
Unterschiede zwischen IG und KG im Gesamtindex der Gesundheitskompetenz
festgestellt.
Teilindizes der Gesundheitskompetenz
Etwa die Hälfte aller Patienten der Gesamtstichprobe zeigte nach dem
Krankenhausaufenthalt eine eingeschränkte (problematische oder
unzureichende) Gesundheitskompetenz in den Bereichen
Krankheitsbewältigung (57%),
Prävention (53%) und
Gesundheitsförderung (49%) (vgl. [Abb. 2 ]).
Abb. 2 Subindizes der Gesundheitskompetenz.
In Bezug auf die vier Schritte der Informationsverarbeitung gab es in der
Gesamtstichprobe Verteilungsunterschiede. Bei den Teilindizes Informationen
verstehen und Informationen anwenden wies fast die Hälfte
der Studienteilnehmer eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz
auf (40% bzw. 46%). Bei den Teilindizes Informationen
finden und Informationen bewerten wies sogar mehr als die
Hälfte eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz auf
(57% bzw. 64%).
In der deskriptiven Analyse zeigten sich Unterschiede zwischen IG und KG im
Themenbereich Krankheitsbewältigung dahingehend, dass in der IG weniger
Patienten über problematische oder unzureichende Gesundheitskompetenzen
verfügten als in der KG (55% vs. 61%) (vgl. [Abb. 3 ]). Die vergleichende Analyse
konnte jedoch in keinem der Teilindizes signifikante Unterschiede
nachweisen.
Abb. 3 Subindex für die Krankheitsbewältigung,
geschichtet nach Studiengruppen.
In der deskriptiven Analyse auf der Ebene der einzelnen Items des Subindex
Krankheitsbewältigung wurde für 3 der 12 Items ein
positiver Mittelwertunterschied mit einem Cohen’s d über 0,2
gefunden: Die Patienten der IG schätzten ihre Fähigkeit, die
allgemeinen Anweisungen des Arztes oder Apothekers zu befolgen, die
Anweisungen des Arztes oder Apothekers zur Medikamenteneinnahme zu
verstehen sowie diese Anweisungen zu befolgen, besser ein als die
der KG (vgl. [Tab. 2 ]).
Tab. 2 Einzelitems mit Cohen’s d≥0,20.
Item: Wie einfach/wie schwierig ist es …
Gruppe
MW (1–4)
SD
MW-Diff.
SD (gep.)
Coh-ens d
…die Anweisungen Ihres Arztes oder Apothekers zur
Einnahme der verschrie-benen Medikamente zu verstehen?
IG (n=221)
3,29
0,68
0,15
0,71
0,21
KG (n=157)
3,14
0,74
…den Anweisungen für die Einnahme von
Medikamenten zu folgen?
IG (n=226)
3,38
0,62
0,13
0,64
0,20
KG (n=160)
3,26
0,66
…den Anweisungen Ihres Arztes oder Apothekers zu
folgen?
IG (n=225)
3,39
0,62
0,13
0,64
0,20
KG (n=156)
3,26
0,67
Fehlende Analyse
Die Fehlenden-Analyse und die Analyse der nicht gültigen Antworten im
Gesamtindex und in den Teilindizes zeigte, dass ein hoher Anteil der Befragten
mit weiß nicht oder gar nicht antwortete (8% IG vs.
20% KG, Chi2 -Test: p=0,006). Die vergleichende
Analyse zeigte, dass signifikant mehr Befragte in der KG nicht wussten, wie sie
ihre Kompetenz im Umgang mit Gesundheitsinformationen einschätzen
sollten.
Akzeptanz des Patientenbriefs
Die Patienten der Interventionsgruppe wurden nach der Verwendung und dem Nutzen
des Patientenbriefs befragt. 87% gaben an, dass sie ihn
ausführlich gelesen hatten. Etwa die Hälfte (53%) der
Befragten hatte ihn einer anderen Person gezeigt und ein Viertel (25%)
hatte ihn mindestens zwei anderen Personen gezeigt. 76% hatten mit einer
oder mehreren Personen über den Patientenbrief gesprochen. Der
Patientenbrief wurde von den Befragten der Interventionsgruppe
überwiegend als informativ (97%), verständlich
(97%) und hilfreich (95%) bewertet.
99% aller Patienten nach dem Krankenhausaufenthalt fanden es
wichtig/sehr wichtig, nach jedem Krankenhausaufenthalt eine
verständliche, schriftliche Erklärung der Befunde mit nach Hause
nehmen zu können; dabei gab es keine Unterschiede zwischen IG und
KG.
Diskussion
Die Stichprobe bestand überwiegend aus älteren Patienten mit
niedrigem Bildungsstand. Diese Merkmale werden mit chronischen Krankheiten in
Verbindung gebracht [10 ] und begrenzter
Gesundheitskompetenz [3 ]
[11 ]. Wie im Nationalen Aktionsplan
für Gesundheitskompetenz empfohlen [8 ]liefert die vorliegende Pilotstudie relevante Daten für diese
gefährdete Bevölkerungsgruppe.
60% der Studienteilnehmer berichteten über Schwierigkeiten im Umgang
mit gesundheitsbezogenen Informationen (gegenüber 54% in der
repräsentativen Bevölkerungsstichprobe Deutschlands –
HLS-GER [3 ]). In der vorliegenden Studie
wurden Bevölkerungsgruppen mit ähnlichem Alter und ähnlicher
Krankheitslast wie in den Subgruppenanalysen der HLS-GER [3 ] untersucht wurden. Die vorliegende
Studie zeigt, dass weniger Patienten eine eingeschränkte
Gesundheitskompetenz aufwiesen als die in der HLS-GER untersuchten chronisch Kranken
(60% vs. 73%) und älteren Bevölkerungsgruppen
(60% vs. 66%). In der vorliegenden Studie berichteten weniger
Teilnehmer über Probleme beim Auffinden (57% vs.
71%) , Verstehen (40% vs. 60%), Beurteilen
(64% vs. 69%) und Anwenden (46% vs. 58%) von
Gesundheitsinformationen als im HLS-GER. Der Anteil der Studienteilnehmer mit
eingeschränkter Gesundheitskompetenz in den Bereichen
Krankheitsbewältigung (57% vs. 67%) und
Prävention ( 53% vs. 60%) ist etwas geringer als
in den vulnerablen Gruppen der HLS-GER. Im Bereich der
Gesundheitsförderung berichteten die Studienteilnehmer dieser
Studie deutlich weniger Schwierigkeiten mit Gesundheitsinformationen als die
Befragten der HLS-GER (49% vs. 78%) [3 ].
Es ist möglich, dass diese Ergebnisse darauf beruhen, dass sich die Patienten
nach einem stationären Aufenthalt intensiv mit ihrer Krankheit und
Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Gesundheit auseinandergesetzt haben
(Krankenhauseffekt) und daher eine höhere Gesundheitskompetenz
aufweisen.
Der Patientenbrief zielte nicht nur auf die Verbesserung der individuellen
Kompetenzen und Fähigkeiten der Patienten ab. Durch die Bereitstellung
individueller, schriftlicher und leicht verständlicher Informationen als
Informationsintervention eines Krankenhauses sollte eine Reduktion der Anforderungen
an Patienten im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes (organisationale
Gesundheitskompetenz) erreicht werden. Für den komplexen Gesamtindex
Gesundheitskompetenz und die Teilindizes, die die persönlichen Kompetenzen
und Fähigkeiten abbilden, ergaben sich daher keine signifikanten
Unterschiede zwischen IG und KG.
Bei drei Einzelaspekten der Krankheitsbewältigung zeigte sich jedoch ein
positiver Trend: Mehr Patienten in der Interventionsgruppe als in der Kontrollgruppe
gaben an, dass sie in der Lage waren, medizinische Informationen gut anzuwenden.
Auch gaben mehr Patienten in der IG als in der KG an, dass sie in der Lage waren,
die Anweisungen zur verordneten Medikation zu verstehen und umzusetzen. Dies
lässt sich dadurch erklären, dass der Patientenbrief nicht nur
Wissen über die Krankheit vermittelt, sondern auch ein Verständnis
beim Patienten schafft, selbst mit der Krankheit umzugehen. Dies sind sehr relevante
Kompetenzerweiterungen für Patienten nach der Entlassung, da sie sich direkt
darauf auswirken, wie sie mit ihrer bestehenden Krankheit umgehen und sie
bewältigen.
Der Patientenbrief wurde von den Patienten der Interventionsgruppe weitgehend
akzeptiert und als informativ, verständlich und hilfreich eingestuft.
99% aller Patienten aus IG und KG wünschten sich bei der Entlassung
verständliche und schriftliche Informationen über ihren
Krankenhausaufenthalt. Diese Ergebnisse zeigen, dass seitens der Patienten ein
Bedarf besteht, die organisatorische Gesundheitskompetenz durch eine verbesserte
Patienteninformation bei der Entlassung aus dem Krankenhaus zu verbessern. Eine
breite Umsetzung des Patientenbriefs erfordert jedoch eine Automatisierung, um mehr
Entlassungsbriefe zeitnah bearbeiten zu können und damit die
zusätzliche Belastung der Ärzte zu minimieren.
Darüber hinaus könnte auf der Grundlage der Studienergebnisse in
weiteren Forschungsarbeiten untersucht werden, ob ein besseres Verständnis
medizinischer Sachverhalte zu einer verbesserten Therapietreue oder sogar zu
Verhaltensänderungen der Patienten führen kann.
Methodische Einschränkungen
An der Studie nahmen nur Patienten teil, die sich bei der Einwilligung zur Studie
bewusst für den Erhalt eines Patientenbriefes entschieden hatten
(Selektionsbias). Die Tatsache, dass an ihrer Gesundheit interessierte Patienten
auch ohne Intervention eine höhere Gesundheitskompetenz aufweisen,
könnte die Unterschiede in der Gesundheitskompetenz zwischen IG und KG
erklären. Der Vergleich der Studienergebnisse mit den Ergebnissen der
HLS-GER [3 ] bestärkt diese
These.
Um den Fragebogen an die Zielgruppe anzupassen, wurden nur 24 Items aus dem
HLS-GER verwendet, die für die Frage der Gesundheitskompetenz von
Patienten nach der Entlassung relevant sind. Diese wurden von einem erheblichen
Teil der Befragten nicht oder nicht gültig beantwortet. Dies deutet
darauf hin, dass einige HLS-EU-Fragen zur Gesundheitskompetenz von der
älteren Altersgruppe ohne zusätzliche Erklärungen nur
schwer zu beantworten sind. Außerdem ist der Fragebogen
möglicherweise weniger geeignet, wenn er als schriftliches
Erhebungsinstrument verwendet wird. In der HLS-GER Studie wurden, anders als in
der vorliegenden Studie, persönliche Interviews und der
vollständige HLS-EU Q47 verwendet. Daher sind der Vergleich der
Gesundheitskompetenz der jeweiligen Befragten sowie die Validität der
Ergebnisse zum Einfluss des Patientenbriefs auf die Gesundheitskompetenz
möglicherweise eingeschränkt. Eine altersgruppenbezogene
Validierung [12 ] und eine genaue
Überprüfung der mündlichen vs. schriftlichen Verwendung
des HLS-EU-Q47 wäre daher wünschenswert.
In die Analyse der Indizes und Einzelitems der Gesundheitskompetenz wurden nur
gültige Antworten einbezogen, was die Stichprobengröße
in IG und KG reduzierte, so dass bei der verfügbaren Fallzahl und einer
Power von 80% eine Effektgröße von 0,351 notwendig
gewesen wäre, um signifikante Gruppenunterschiede in der
Gesundheitskompetenz feststellen zu können. Dennoch lieferte diese
Pilotstudie wichtige inhaltliche und methodische Ergebnisse, die für die
Planung von Folgestudien nützlich sind.
Datenschutz und Ethik
Das Projekt entsprach den Datenschutzbestimmungen des Niedersächsischen
Landesbeauftragten für den Datenschutz (AZ:
2.2–1400–01/009) und erhielt eine Genehmigung der
Ethikkommission der Technischen Universität Dresden (AZ: EK 30012016).
Ein großer Teil der (post-)stationären Patienten weist
eine problematische oder unzureichende Gesundheitskompetenz auf. Dieser
vulnerablen Patientengruppe muss bei der Entwicklung von
Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz
besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Ein leicht verständlicher Patientenbrief nach einem
Krankenhausaufenthalt kann Patienten dabei helfen, Informationen
über Medikamente und Gesundheitszustand selbständig zu
finden und zu verstehen, sowie medizinische Informationen und
Empfehlungen besser zu verstehen, was Unsicherheiten im Umgang mit
Krankheit und Behandlung verringert.
Patienten haben ein großes Bedürfnis nach
verständlichen Gesundheitsinformationen. Ein leicht
verständlicher Patientenbrief wird von Patienten als hilfreiche
Informationsquelle (auch für Angehörige) bewertet.
Krankenhäuser sollten verständliche, individuelle und
schriftliche Patienteninformationen zur Stärkung der
Gesundheitskompetenz in ihr Entlassungsmanagement integrieren.