Neurologie up2date 2024; 07(03): 225-242
DOI: 10.1055/a-2130-5810
Neurologische Notfall- und Intensivmedizin

Schwindel in der Notaufnahme

Neues zur Differenzialdiagnostik und Therapie
Ken Möhwald
,
Filipp Filippopulos
,
Andreas Zwergal

Akuter Schwindel gehört zu den häufigsten Leitsymptomen in der Notaufnahme. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen gutartigen und potenziell lebensbedrohlichen Erkrankungen wie einem vestibulären Schlaganfall. Die Einteilung nach klinischer Präsentation vereinfacht die differenzialdiagnostischen Überlegungen. Dieser Artikel gibt praktische Handlungsanweisungen zu Anamnese, klinischer Untersuchung, diagnostischen Algorithmen und Therapieoptionen.

Kernaussagen
  • Akuter Schwindel ist nach Kopfschmerzen und motorischen Defiziten das dritthäufigste neurologische Leitsymptom in der Notaufnahme und macht 12–13% der neurologischen und bis zu 5% aller notfallmäßigen Vorstellungen aus.

  • Differenzialdiagnostisch kommen neurootologische, internistische und psychiatrische Ursachen infrage.

  • Die häufigste Diagnose ist der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (BPPV).

  • Bis zu 1/4 der Diagnosen sind potenziell lebensbedrohlich. Die wichtigste maligne Differenzialdiagnose ist der vestibuläre Schlaganfall in bis zu 15% der Fälle.

  • Anamnestisch ist die Erhebung von Triggerfaktoren, Vorgeschichte für Schwindelsymptome/-erkrankungen, kardiovaskulären Risikofaktoren und neuen Symptomen wie Kopf-/Nackenschmerzen oder zusätzlichen neurologischen Defiziten relevant.

  • Für weitere differenzialdiagnostische Überlegungen bietet sich die Einteilung nach der klinischen Präsentation an:

    • akutes vestibuläres Syndrom (Drehschwindel, Spontannystagmus, Standunsicherheit, Übelkeit/Erbrechen),

    • akutes Imbalance-Syndrom (Dreh-/Schwank-/Benommenheitsschwindel, kein Spontannystagmus, häufig unspezifische oder transiente Symptome),

    • akutes lageabhängiges Syndrom (Schwindelprovokation getriggert durch Körperlageveränderung).

  • Zur Unterscheidung zwischen einer zentralen und peripheren Ursache des Schwindels sollten vestibuläre, okulomotorische und posturale Untersuchungen durchgeführt werden mit der Frage nach zentralen Zeichen.

  • Die cMRT-Untersuchung zeigt in den ersten 48 h bis zu 50% falsch-negative Befunde bei kleinen Läsionen <1 cm.

  • Diagnostische Indextests beinhalten eine Kombination aus Anamnese, Risikofaktoren und Untersuchungsbefunden und unterstützen die Risikoabschätzung für eine vertebrobasiläre Ischämie und erleichtern die differenzialdiagnostischen Überlegungen auch für Nicht-Experten.

  • Die Therapie richtet sich nach der Verdachtsdiagnose und beinhaltet symptomatische, ursächliche und physikalische Ansätze, die frühzeitig begonnen werden sollten.



Publication History

Article published online:
09 September 2024

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