Aktuelle Ernährungsmedizin 2023; 48(06): 431-433
DOI: 10.1055/a-2135-1691
Gesellschaftsnachrichten
Gesellschaftsnachrichten des Verbands der Diätassistenten - Deutscher Bundesverband e.V. (VDD) und des BerufsVerbands Oecotrophologie e.V. (VDOE)

„Die Ernährungstherapie wird transparent und sicher“

VDD-Präsidentin Uta Köpcke und Sandra Strehle, Geschäftsführung QUETHEB, stellten in Irsee Ende Oktober das geplante gemeinsame Zertifikat der Verbände für die Ernährungstherapie vor. Wir berichten in Auszügen.

Bei der Entwicklung eines gemeinsamen Zertifikates und der Etablierung einer gemeinsamen Plattform für die Ernährungstherapie machen die Verbände VDD, QUETHEB und VDOE große Fortschritte ([Abb. 1]). Seit 2020 arbeiten die Berufsverbände an diesem Vorhaben. In einigen Monaten soll es dann soweit sein und ein einheitliches Zertifikat Ernährungstherapie, eine für die Erteilung dieses Zertifikates zuständige Zertifizierungsorganisation und eine öffentlich einsehbare Plattform etabliert werden. Bei der 37. Irseer Fortbildungsveranstaltung der DGEM stellte VDD-Präsidentin Uta Köpcke gemeinsam mit Sandra Strehle, Geschäftsführerin QUETHEB, Details des verbandsübergreifenden Zertifikats und der gemeinsamen Plattform vor.

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Abb. 1 Auf dem Weg zu einem einheitlichen Zertifi kat „Ernährungstherapie“ stehen die Verbände kurz vor dem Ziel (Quelle: Uta Köpcke/VDD)

Ernährungstherapie: Wer macht, wer kann, wer darf was?

Grundsätzlich ist die Ernährungstherapie eine delegierfähige Leistung, mit der Mediziner bestimmte, entsprechend qualifizierte Leistungserbringer beauftragen können. In der Vergangenheit wurde immer wieder beklagt, dass die Landschaft der Ernährungstherapie und der Ernährungsberatung sehr heterogen und unübersichtlich ist. Für beide Begriffe „Ernährungstherapeut“ und „Ernährungsberater“ gibt es nach wie vor keine einheitlichen Definitionen, geschweige denn einen gesetzlichen Schutz. Diätassistenten wiederum werden von Endverbrauchern häufig nicht als zuständig für alle ernährungstherapeutischen Bereiche wahrgenommen. Um den Markt transparenter und die Ernährungstherapie im Sinne des Patientenschutzes sicherer zu machen, haben sich die Verbände auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt.

Diätassistentinnen und Diätassistenten haben aufgrund des gesetzlich geregelten Heilberufs die Grundqualifikation, um den ärztlichen Delegationsauftrag erfüllen zu können und eine verordnete Ernährungstherapie von der Diagnose über die Planung und Durchführung bis zur Dokumentation eigenverantwortlich umzusetzen. Andere Anbietende wie z. B. aus der Ernährungswissenschaft oder Oecotrophologie verfügen über uneinheitliche Ausbildungswege und -inhalte. Im Versorgungsalltag fordern Krankenkassen meist die Vorlage eines Zertifikats, um Leistungen im Bereich Ernährungstherapie zu bezuschussen. Unbeachtet bleibt, dass einige Zertifikate zum Nachweis für die Kompetenz, gesunde Menschen in den verschiedenen Lebensphasen zu beraten, konzipiert sind, also nicht für den Bereich der Therapie. Verschiedene Zertifikate – von VDD, VFED, QUETHEB, VDOE und DGE –, bilden einen Dschungel für alle, die auf Ernährungstherapie angewiesen sind. Unterschiede in der jeweiligen Qualifikation sind nur für die Experten ersichtlich.

Ziel des gemeinsamen Zertifikates ist es, Ärztinnen und Ärzten, Patientinnen und Patienten und auch anderen Berufsgruppen (beispielsweise der Pflege) eine klare und einheitliche Basis zu verschaffen, auf der sie Qualität und Standards der angebotenen Ernährungstherapie beurteilen können. Zudem sollen ernährungstherapeutisch Tätige mit einer soliden Grundqualifikation besser auffindbar sein als bisher, nämlich an möglichst einer, statt an 4-5 Plattformen.

Rahmenempfehlungen und Verträge bisher nur unzureichend

Basis für die Ernährungstherapie sind die derzeitigen leistungsrechtlichen Grundlagen des Sozialgesetzbuches (SGB V) sowie der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Daraus resultieren Rahmenempfehlungen und Verträge – die jedoch definieren mehr oder weniger genau, wer eine Leistung im Rahmen der vorhandenen Bedingungen erbringen kann.

Für das Heilmittel Ernährungstherapie haben VDD, VDOE, VFED und QUETHEB mit dem GKV Spitzenverband dazu den Vertrag über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln gemäß § 125 Abs. 1 SGB V für den Bereich Ernährungstherapie auf Basis der Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Diätassistenten abgeschlossen. Darin sind die Mindestanforderungen für die Zulassung von Absolventen oecotrophologischer und ernährungswissenschaftlicher Bachelor- und Masterstudiengänge für den ernährungstherapeutischen Prozess „Ernährungstherapie“ fixiert. Gemeinsames Ziel ist es jetzt, diese Mindestanforderungen als eine der Grundvoraussetzungen zur Zulassung als Heilmittelerbringer und darüber hinaus für das Arbeiten mit Erkrankten in allen Bereichen transparent zu definieren und in die Öffentlichkeit zu tragen.

Neben 100 ECTS in den verschiedenen Bereichen Naturwissenschaftliche und biologisch-medizinische Grundlagen, Ernährungswissenschaft und Lebensmittelwissenschaft, Ernährungsmedizin & Diätetik, aber auch Ernährungspsychologie und Ernährungssoziologie sowie Beratung & Kommunikation bedarf es analog zur Diätassistentenausbildung der praktischen Erfahrung ([Abb. 2]). Zusätzlich zu den in Studium und Fortbildung erworbenen 100 ECTS sollen 50 ECTS über eine mindestens einjährige praktische Tätigkeit im Bereich Ernährungsberatung und -therapie innerhalb einer Institution wie Krankenhaus, Rehabilitationszentrum oder einer ernährungstherapeutischen Praxis nachgewiesen werden, um das zukünftige Zertifikat erwerben zu können. Diätassistentinnen und Diätassistenten sowie zahlreiche über ein Studium Qualifizierte erfüllen diese Kriterien bereits heute, dasselbe gilt für diejenigen, die schon jetzt ein Zertifikat führen; sie genießen Bestandsschutz. Für Qualifizierte mit einer Anwartschaft wird es Übergangsregelungen geben.

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Abb. 2 Angestrebtes Kompetenzniveau für das Zertifi kat Ernährungstherapie (Quelle: Uta Köpcke/VDD)

Zertifikatsvergabe ausgegliedert von Verbandsgeschehen

Übergeordnete Instanz zur Vergabe des künftig gemeinsamen Zertifikates für Ernährungstherapie soll eine eigenständige Organisation sein, um Zertifikatsvergabe und Bepunktung der Fortbildungen im Sinne der Qualitätssicherung unabhängig von dem aktuellen Verbandsgeschehen durchzuführen.

Die Aufgaben dieser Organisation ([Abb. 3]) umfassen neben der Zertifizierung und Rezertifizierung nach drei Jahren die Registrierung und Veröffentlichung von ernährungstherapeutisch arbeitenden Personen/Praxen und die Bepunktung von Fort- und Weiterbildungen (z. B. Kongresse, Fortbildungsveranstaltungen von Dienstleistern oder von kooperierenden Verbänden und Fachgesellschaften).

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Abb. 3 Mögliche Geschäftsbereiche der künftigen eigenständigen Organisation für die Vergabe des Zertifi kats Ernährungstherapie (Quelle: Uta Köpcke/VDD)

VDD, QUETHEB und VDOE sind sich in Ziel und Absicht des gemeinsamen Zertifikates und einer gemeinsamen Plattform einig und hoffen, mittelfristig gemeinsam mit weiteren Anbietern von Zertifikaten zu kooperieren. Um die Bedarfe und Anforderungen der Ernährungsfachkräfte optimal aufzugreifen und gleichzeitig auch die vielfach an die Verbände herangetragenen Bedürfnisse von Betroffenen, Krankenkassen und Ärzteschaft noch besser kennenzulernen, sind detaillierte Umfragen geplant. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten.

ERNÄHRUNGSTHERAPIE

Ernährungstherapie richtet sich an erkrankte Personen und erfolgt auf An- bzw. Verordnung und in enger Kooperation mit dem behandelnden Arzt.

Sie wird zur Behandlung ernährungsmitbedingter Erkrankungen oder bei krankheitsbedingten Ernährungsproblemen eingesetzt.

Innerhalb eines therapeutischen Gesamtkonzepts auf der Basis wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse verfolgt die Ernährungstherapie folgende Ziele: Heilung oder Linderung der Erkrankung.

Nachhaltige Verbesserung der individuellen Ernährungsweise und des Essverhaltens gemäß medizinischer Notwendigkeit und individueller Bedürfnisse.

Vermittlung der Grundsätze einer gesundheitsfördernden, vollwertigen Ernährung, um den Gesundheitszustand zu verbessern und Rückfällen/Folgeerkrankungen vorzubeugen.

Erhalt bzw. Verbesserung der Lebensqualität.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
18. Dezember 2023

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