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DOI: 10.1055/a-2151-3018
Nachrichten der Arbeitsgemeinschaft Autonomes Nervensystem
Bericht zur EFAS-Jahrestagung 2023
Die Arbeitsgemeinschaft Autonomes Nervensystem (AGANS) verlieh 2023 ihr Reisestipendium an Dr. med. Ruihao Wang, Erlangen, zur Teilnahme an der Tagung der European Federation of Autonomic Societies (EFAS) in Dubrovnik.
Seit ihrer Gründung fördert die AGANS den wissenschaftlichen Austausch in ihrem Fachgebiet. Die EFAS ist ein Dachverband der nationalen autonomen Gesellschaften, der 1997 in London gegründet wurde. Ziel ist es, eine Plattform für Wissenschaftler und Kliniker mit Interesse an ANS-Physiologie, -Störungen und -Behandlung zu schaffen. Im Jahr 2023 trat die EFAS der Brain Health Mission (BHM) bei, deren Ziel es ist, das Bewusstsein zu schärfen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, besser zu verstehen, wie wichtig es ist, ein gesundes Gehirn und Nervensystem zu erhalten, neurologische und Gehirnstörungen frühzeitig zu diagnostizieren und zu behandeln. Zur Förderung der interdisziplinären Kommunikation wurde die Konferenz von einer anderen Landesgesellschft organisiert. Im Folgenden gibt Wang eine kurze Zusammenfassung seiner Tagungseindrücke.
Von 5.-7. Oktober 2023 fand die 24. Jahrestagung des EFAS in Dubrovnik statt. Es war die zweite Jahrestagung in Präsenz nach der COVID-19-Pandemie. Hunderte Kliniker und Wissenschaftlter nahmen teil. Die Jahrestagung wurde mit dem Vortrag vom EFAS-Präsidenten Prof. Roland Thijs eröffnet. In seinem Eröffnungsvortrag sprach Thijs über die Verschiedenheit autonomer Funktionsstörungen, welche sich kaleidoskopartig präsentieren können. In seinem Vortrag wurde die Interaktion zwischen Psyche und Körper erörtert. Laut Thijs beeinflusst einerseits die Psyche den Körper beeinflussen (psychosomatisch), andererseits sollte auch die Wirkung des Körpers auf die Psyche beachtet werden, d.h. somotopsychische Störung.
Der EFAS-Legende-Preis wurde Prof. Gert van Dijk vom Leiden University Medical Centre verliehen. Mit seinen Arbeiten zu transientem Bewusstseinsverlust und Synkope, leistete van Dijk nicht nur einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der neurogenen Kreislaufstörungen. Ihm gelang es außerdem, junge Kollegen für die Erforschung und Behandlung neurogener Kreislaufstörungen zu begeistern und motivieren. In diesem Sinne schloss er seinen Vortrag mit dem Aufruf: „Become an autonomic Legend! A superhero! Turn up the pressure!“.
Prof. Jens Jordan, Sprecher der German Autonomic Society und Direktor des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln, sprach über Phänomene der Regulation des Autonomen Nervensystems im Weltraum. Um die extreme Umgebungsbedingungen des Weltraums untersuchen zu können wird der Einfluss der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Kreislauf bspw. durch das „Head-down-bedrest“-Modell simuliert. Zudem wurde in einem interessantem Fallbeispiel eine 18-jährige Patientin mit genetischer autonomen Ganglionopathie vorgestellt, klinisch präsentierte die Patientin miotische rigide Pupillen, ausgeprägte orthostatische Intoleranz, gastrointestinale Hypomotilität und beeinträchtige Blasenentleerung. Die kardiale MIBG-Szintigraphie erbrachte intakte postganglionäre sympathische Nerven. Die Exon-Sequenzierung zeigte Frameshift- und Deletion-Mutationen im CHRNA3-Gen, welches die ganglionäre Azetylcholin-Rezeptor-Alpha-3-Untereinheit (nAChRα3) enkodiert. Die Vielzahl der Symptome ließ sich dadurch erklären, dass das postganglionäre autonome Nervensystem zwar intakt, aber durch genetische nAChRα3-Defiziency von dem zentralen autonomen Netzwerk getrennt war.
Prof. Max J. Hilz, Chair des Autonomic Disorders Specialty Group in World Federation of Neurology, pensionierter Professor für Neurologie der Kopfkliniken Erlangen und EFAS-Legende-Preisträger 2022, widmete seine Vorträge einerseits dem Gebiet der zerebralen Autoregulation und den kardiovaskulären Effekten in der Behandlung der Multiplen Sklerose mit Fingolimod. Im seinem Vortrag über die zerebrale Autoregulation stellte Hilz das Konzept der Phasenverschiebung zwischen Oszillationen zwischen Blutdruck und zerebraler Blutflussgeschwindigkeit vor. Anhand der Ermittlung der Phasenverschiebung zwischen diesen Oszillationen wird das Phänomen untersucht, dass die Oszillationen von zerebraler Blutflussgeschwindigkeiten den Oszillationen des Blutdrucks vorausgehen. Bei optimaler Autoregulation beträgt die Phasenverschiebung 90 Grad. Bei Patienten mit Stenosen intrakranieller Arterien, wie bspw. der Arteria cerebri media ist die Phasenverschiebung deutlich gemindert bis aufgehoben. Im zweiten Vortrag wurde anhand unveröffentlichter Daten der Effekt von Fingolimod auf die kardioautonome Regulation bei Patienten mit schubförmiger Multiplen Sklerose vorgestellt. Fingolimod der erste orale Spingosin-1-Phosphat-Rezeptor (S1PR)-Modulator. Dieser führte zwar initial zu einer Steigerung der Vagusfunktion mit verlangsamter Herzfrequenz Die langfristige Behandlung mit Fingolimod aber verursachte eine Desensibilisierung und Internalisierung des S1PR, mit reduzierter Herzfrequenzvariabilität. Nach Absetzen des Medikamentes normalisierte sich die kardiale-autonome Funktion.
Prof. Roy Freeman aus dem Beth Israel Deaconess Medical Center stellte Daten zu Hautbiopsie-Befunden bei Patienten mit Morbus Parkinson und Multisystematrophie (MSA) vor. Es waren 31 Patienten mit MSA, 54 Patienten mit Morbus Parkinson und 24 gesunde Probanden untersucht worden. Hautbiopsien wurden in 3 Regionen (Nacken, Oberschenkel und Unterschenkel) entnommen. Bei Patienten mit Morbus Parkinson wurde eine vergleichsweise geringere epidermale Nervenfaserdichte ermittelt als bei Patienten mit MSA. Die Wahrscheinlichkeit bei den Patientengruppen in jeweils einer Probe phosphoryliertes Alpha-Synuclein zu detektieren war sehr hoch. Der genannte Befund konnte allen Patienten mit MSA (100%) und bei 94% der Patienten mit Morbus Parkinson erhoben werden. Bei gesunden Probanden hingegen wurde kein phosphoryliertes Alpha-Synuclein detektiert. Im Unterschied zu Patienten mit Morbus Parkinson ergab die quantitative Analyse von kein Phosphoryliertes Alpha-Synuclein bei Patienten mit MSA eine höhere Quantität und breitere topografische Verteilung der Ablagerungen.
Prof. Horacio Kaufmann aus New York University sprach über das Spektrum der medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der neurogenen orthostatischen Hypotonie (nOH). Dazu zählen der Cholinesterasehemmer (Pyridostigmin), der Noradrenalin-Präkursor (Droxidopa), der α1-Adrenozeptor-Agonist (Midrodrin) und der Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Ampreloxetin). Die Studien von Horacio und Kollegen zeigten, dass die Behandlung mit Droxidopa sich insbesonderezur Behandlung von Patienten mit geringem Noradrenalin-Spiegel eignet. Grund hierfür scheint die Denervierungssupersensitivität zu sein, welche sich insbesondere bei Patienten mit Morbus Parkinson, Amyloidose oder Autoimmune Autonome Neuropathie entwickelt. Unter diesen Voraussetzungen kann ein guter Therapieerfolg mit Droxidopa angenommen werden. Bei Patienten mit MSA hingegen ist die Denervierungssupersensitivität geringer, es findet sich ein vergleichsweise höherer Noradrenalin-Spiegel. Es handelt sich um ein zentrales Versagen der autonomen Kreislaufregulation. Unter diesen Voraussetzungen ist die Behandlung der orthostatischen Hypotonie mit Ampreloxetin erfolgreicher.
Dr. Jacquie Baker von der University of Calgary stellte ebenfalls Untersuchungsergebnisse zur nOH vor. Bei 17 Patienten mit nOH konnte sie zeigen, daß eine leichtgradige Hyperkapnie ab 5 mmHg den arteriellen Blutdruck dosisabhängig anhebt. Durch die Inspiration der höheren Konzentrationen CO2 (10 mmHg) konnte Blutdruckabfall beim aktiven Aufstehen fast komplett vermieden werden. Bisher kann dieses Phänomen noch nicht hinreichend erklärt werden. Als mögliche Mechanismen werden das erhöhte Schlagvolumen und Herzzeitvolumen bei Hyperkapnie diskutiert.
Prof. Gregor K. Wenning von der Medizinischen Universität Innsbruck ist anerkannter Experte für die MSA. Seine Forschung ist auf die Modifikation des Krankheitsverlaufs der MSA gerichtet. Im Fokus seiner Studien standen Patienten mit Mutationen in Gen COQ2, welche einen Coenzym-Q10-Mangel verursachen. Diese sind sowohl mit einem erhöhten Risiko für das familiäre als auch sporadische Auftreten einer MSA assoziiert. Ergebnisse einer Phase-II-tudie zeigten, dass die hochdosierte Gabe von Coenzym Q10 von MSA-Patienten nicht nur gut vertragen wurde, sondern auch mit einer statisch signifikanten Verbesserung der Beschwerden verbunden war.
Prof. Mario Habek, von der Medizinischen Universität Zagreb und Konferenz-Präsident der EFAS-Jahrestagung 2023, gab Einblicke in seine langjährige Forschungsarbeit zu Multipler Sklerose (MS) und autonomen Störungen. Diese können bereits Monate bis Jahre vor Diagnose einer MS bei den Betroffenen präsent sein. Dazu gehören vor allem urogenitale und gastrointestinale Beschwerden, aber auch Abgeschlagenheit und Schmerzen sowie psychische Symptome wie Depression oder Angststörung. Habek schlussfolgerte, dass ein frühes Erkennen der MS-Prodrome klinisch und prophylaktisch relevant sein könnte. Als Beispiel führte er an, daß der Beginn einer Dimethylfumarat-Behandlung bei Patienten mit radiologisch isoliertem Syndrom das klinische Auftreten einer MS signifikant verzögern kann.
Prof. Alexandra Fanciulli, Neurologin an der Medizinischen Universität Innsbruck, berichtete über ihre Forschungsarbeiten zum Pure Autonomic Failure (PAF), d.h. der isolierten Dysautonomie. Sie untersuchte den Verlauf und die Phänokonversion dieser Erkrankung. Ihr war es wichtig, dass aufmerksam auf motorische oder kognitiver Störungen geachtet wird, da ihrer Erfahrung nach zu zahlreiche PAF-Pateinten im Krankheitsverlauf zurMSA , Morbus Parkinson oder Lewy-Körperchen-Demenz phänokonvertieren.
Wang stellte seine Forschungsdaten zu kardioautonomen Störungen bei ischämischem Schlaganfall vor. Es waren 65 Patienten (26 Frauen, mittleres Alter 64,2 ± 8,6 Jahre) mit milder zerebraler Ischämie, NIHSS 1 untersucht worden. Es wurden Untersuchungen der Herzratenvariabilität anhand metronomischer Atmung, Valsalva-Manöver und aktivem Aufstehen durchgeführt. Damit wurden auch die E/I-Ratio bei respiratorischer Sinusarrhythmie, die Valsalva-Ratio und 30/15-Ratio unmittelbar nach dem Aufrichten ins Stehen berechnet. In der akuten Schlaganfallphase wurden bei 15% der Patienten kardioautonome Störungen nachgewiesen. Bei mildem Schlaganfall ließ sich zeigen, daß sich die kardioautonome Funktionsstörung im Verlauf von 3-6 Monaten nach dem Schlaganfall besserte.
Auch künftig plant die AGANS Reise-Stipendien zu Konferenzen der Fachgesellschaften für das Autonome Nervensystem für Teilnehmer auszuschreiben, die noch keine Mitglieder in der AGANS sind. Bewerbungsvoraussetzung ist ein eigener wissenschaftlicher Beitrag in Form eines Posters oder Vortrages. Ausgewählt werden die Stipendiaten durch den wissenschaftlichen Beirat der AGANS
Prof. Dr. med. Christina Haubrich, Düsseldorf, und Dr. med. Ruihao Wang, Erlangen
Publication History
Article published online:
19 February 2024
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