PPH 2023; 29(06): 264-265
DOI: 10.1055/a-2154-2071
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Virtual-Reality-Brille bei Magersucht

Universitätsklinikum Tübingen

Der Alltag von Menschen mit Magersucht ist geprägt von der Angst, Gewicht zuzunehmen und den Maßnahmen, eine Zunahme zu verhindern. Entsprechend schwierig ist es für die Betroffenen, die medizinisch dringend geratene Gewichtszunahme zu erreichen. Wissenschaftlerinnen der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen und des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme haben nun ein Virtual Reality Tool entwickelt, mit dem Betroffene sich dem gefürchteten Szenario stellen können. Erste Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Psychotherapy and Psychosomatics“ publiziert. Sie deuten darauf hin, dass die wiederholte virtuelle Darstellung mit gesundem Körpergewicht Personen mit Magersucht hilft, ihre Angst vor Zunahme zu reduzieren. Die Virtual-Reality-Umgebung ermöglicht es von Magersucht betroffenen Menschen, schon früh im Behandlungsverlauf auszuprobieren, wie es ihnen mit einem gesunden Körpergewicht ergehen könnte. Sie können ein beliebiges Körpergewicht anschauen, und zwar sowohl aus der Ich-Perspektive als auch in einem virtuellen Spiegel. Für die klinische Pilotstudie wurden 24 Patientinnen mit Magersucht untersucht, die aktuell in stationärer oder ambulanter Behandlung waren. Nach ausführlicher Vorbesprechung folgten vier Sitzungen zu je 30 Minuten, in denen die Patientinnen den gesunden virtuellen Körper betrachteten. Tatsächlich reagierten die Studienteilnehmerinnen sehr unterschiedlich: Knapp die Hälfte berichtete von hoher Anspannung, die rasch nachließ. Etwa ein Drittel reagierte zunächst mit geringer Anspannung, die sich aber steigerte, je mehr sie sich auf die Situation einließen. Manche Teilnehmerinnen schließlich erlebten den Anblick gar nicht als unangenehm. „Interessanterweise haben allerdings fast alle Patientinnen rückgemeldet, dass sie die virtuelle Darstellung als sehr hilfreich für ihre persönliche Genesung erlebt haben“, erläutert Dr. Simone Behrens, Psychotherapeutin und Projektleiterin. An diesen Ergebnissen möchte die Arbeitsgruppe nun anknüpfen und im nächsten Schritt Mechanismen während der virtuellen Körperexposition genauer untersuchen.



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Article published online:
04 December 2023

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