PiD - Psychotherapie im Dialog

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor einiger Zeit ließ mich eine Informationsveranstaltung zum Direktstudium Psychotherapie eines etablierten universitären Anbieters recht nachdenklich zurück: Der vorgestellte Blended-Learning-Studiengang beinhaltet nur 20 % analoge Lehre in Präsenz. Sieht man von weiteren 20 % der Gesamtunterrichtsstunden für die Durchführung von Praktika ab, findet der Hauptteil der Wissensvermittlung digital statt: In Life-Online-Kursen, auf Lernplattformen mit digitalisierten Lernmaterialien wie Texten, Videos und Podcasts sowie interaktiven Inhalten für das Selbststudium.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Flexibilität und Individualität des Lernens und Lehrens, Nachhaltigkeit, Vereinbarkeit des Studiums mit sonstigen Lebensaufgaben – um nur einige der Pluspunkte des digitalen Lernens zu nennen. Erfolgt die notwendige Anpassung der didaktischen und pädagogischen Konzepte, dann ist die digitale Lernwelt hinsichtlich der Wissensvermittlung erfolgreich – vielleicht sogar erfolgreicher, da zentrierter auf die Bedürfnisse des Lernenden. Für die Ausbildungseinrichtung ist sie sicher zeit- und kosteneffizient.

Einerseits faszinieren mich diese innovativen Konzepte, andererseits bedauere ich die heutigen Studierenden auch etwas. Denn, mal Hand auf Herz: Hätten Sie so studieren wollen? 60 % der Studienzeit am PC, allein in Ihrem Kämmerlein? Ich gestehe, dass ich mich rückblickend weniger an Inhalte des Studiums erinnere, sondern mehr an Kaffeetrinken zwischen Vorlesungen, an Flirten, Ausprobieren und entwicklungsfördernde Streitigkeiten. Wie machen dies die heutigen Studierenden? Wir wissen um die sozialen und psychischen Folgen von Home-Schooling. Was lernen wir daraus? Wie finden wir hier eine gute Balance?

Daher freue ich mich auf dieses Heft „Beziehungswelten heute“! Es kommt zur rechten Zeit.

Ihre

Barbara Stein

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Article published online:
22 August 2024