Einleitung
Die Osteoporose zählt zu den bedeutendsten chronischen Erkrankungen. Sie ist
definiert als eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine Verminderung der
Knochenmasse sowie eine Veränderung der Knochenmikroarchitektur charakterisiert ist.
Daraus resultiert eine reduzierte Bruchfestigkeit des Knochens, die wiederum zu
einer erhöhten Frakturneigung prädisponiert [1]. Eine Hochrechnung von Hadji et al. lässt auf eine
Osteoporose-Prävalenz von sechs bis acht Millionen betroffenen Menschen schließen;
die Inzidenz liegt schätzungsweise bei mindestens 885.000 Neuerkrankungen pro Jahr
[2]. Mehr als jeder zehnte Versicherte mit
Osteoporose erleidet innerhalb eines Jahres eine Fraktur, dabei sind Alter und
Geschlecht Risikofaktoren. Insgesamt erhielten lediglich 36,88% eine
Osteoporose-Therapie [2]
[3].
Mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung
und Innovation“ – Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) am 19.12.2019 wurde der Weg für
die digitalen Gesundheitsanwendungen geebnet. Unter anderem sieht das Gesetz vor,
dass Ärzt:innen aller Fachrichtungen und Psychotherapeut:innen Patient:innen
zugelassene Gesundheitsapplikationen verschreiben dürfen, die von Krankenkassen
vergütet werden. Wie gesetzlich verankert, müssen Digitale Gesundheitsanwendungen
(DiGA) einen Nachweis von positiven Versorgungseffekten in Form von medizinischem
Nutzen oder patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturverbesserungen erbringen,
bevor sie in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen und vergütet werden. Dieser Nachweis
kann dadurch erbracht werden, indem eine Evaluation der DiGA Erkenntnis über die
Effekte liefert [4]. Derzeit sind im
DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
17
DiGA dauerhaft und 28 DiGA vorläufig (stand: 28.04.2023) zu verschiedenen
Erkrankungsbildern wie Adipositas, psychosomatische Erkrankungen, Diabetes mellitus,
chronischer Schmerz usw. gelistet [5].
Die Leitlinie Osteoporose wurde in 2023 aktualisiert. Daneben wird das
Disease-Management-Programm Osteoporose erarbeitet. Expert:innen prüfen, ob und
inwiefern DiGA und digitale Hilfsmittel in der Therapie der Osteoporosepatient:innen
sinnvoll miteingebunden werden können. DiGA sollen die aktive Einbindung der
Patienten in den Behandlungsprozess fördern und die Effektivität der Behandlung
steigern. Insbesondere über Erinnerungsmodule können Patienten an ihre regelmäßige
Medikamenteneinnahme erinnert oder zu körperlicher Aktivität aufgefordert
werden.
Für die Indikation Osteoporose gibt es bisher keine DiGA. Während bei jüngeren
Patienten eine ausreichende Affinität sowie Akzeptanz für DiGAs vorausgesetzt wird,
ist dies bei älteren Patienten nicht gesichert [6].
Ziel der vorliegenden Arbeit war, die technischen Voraussetzungen und Akzeptanz in
einer betroffenen Patientengruppe zu evaluieren.
Ergebnisse
Der Altersmedian liegt bei der Gruppe der 70–79-Jährigen, 93,9% waren zwischen 60
und
89 Jahren alt (20,6% 60-69 Jahre, 42,2% 70–79 Jahre, 31,1% 80–89 Jahre). 95,8% der
Antwortenden waren weiblich (4% männlich, 0,2% divers).
63,2% (n=773) der Befragten haben einen Schulabschluss der mittleren Reife oder höher
erreicht. Im Vergleich zur deutschen Bevölkerung (Altersgruppe 65 und älter) liegt
der Anteil mit entsprechenden Abschlüssen um 20,7% höher [9].
Osteoporose und Multimorbidität
Von den Befragten gaben 76,1% (n=878) an, seit mindestens 5 Jahren über ihre
Osteoporose-Erkrankung Bescheid zu wissen. Der Mittelwert (3,19 KI±0,05) fällt
in die Zeitspanne von 5-10 Jahren (vgl. [Abb.
1])
Abb. 1 Verteilung der Dauer der Kenntnis über die eigene Osteoporoseerkrankung
in %. Antwortoptionen in Einfachnennung (n = 1.153).
Fig. 1 Distribution of length of knowledge about own osteoporosis
illness in%. Answer option in simple choice (n=1,153).
Insgesamt gaben 87% (n=1.141) der Teilnehmenden im Rahmen des SF36 an, in ihrem
Alltag in irgendeiner Form durch Schmerzen beeinträchtigt zu sein. 22,5% (n=269)
gaben an, sehr stark beeinträchtigt zu sein. Der Mittelwert lag bei 2,73
(KI±0,06), Tendenz zu mäßiger Beeinträchtigung.
Ihren allgemeinen Gesundheitszustand bewerteten die Proband:innen in 55,9%
(n=665) der Fälle als „gut“ bis „ausgezeichnet“. Der Mittelwert lag bei 2,57
(KI±0,04) und somit zwischen „weniger gut“ und „gut“ (vgl. [Tab. 1]).
Tab. 1 Verteilung der Antworten auf die Fragen nach dem
allgemeinen Gesundheitszustand (links) und der Beeinträchtigung im
Alltag durch Schmerzen (rechts).
Table 1 Distribution of
answers to the question about the general health condition (left)
and impairment in daily life (right).
|
|
Allgemeiner Gesundheitszustand n=1.191
|
|
Beeinträchtigung des Alltags durch Schmerzen n=1.196
|
1
|
Schlecht
|
4,3%
|
Gar nicht
|
13%
|
2
|
Weniger gut
|
39,9%
|
Ein bisschen
|
27,6%
|
3
|
Gut
|
50,4%
|
Mäßig
|
37%
|
4
|
Sehr gut
|
5,2%
|
Ziemlich
|
18,3%
|
5
|
Ausgezeichnet
|
0,3%
|
Sehr
|
4,2%
|
Bezüglich Komorbidität gaben 76,8% (n=982) der Befragten an, neben Osteoporose
zudem an mindestens einer weiteren Krankheit erkrankt zu sein. Die häufigsten
Krankheitskombinationen waren dabei Osteoporose und Gelenkverschleiß oder
-entzündungen mit 15,9% (n=192) und Osteoporose, Gelenkverschleiß oder
-entzündungen und Bluthochdruck mit 12,6% (n=152; vgl. [Abb. 2]).
Abb. 2
Fig. 2 Six most frequent chronic diseases in%, based on the
entity of incoming questionnaires (n=1,241, multiple choice).
Die meisten der Befragten haben in den letzten drei Jahre einen Bruch am
Wirbelkörper erlitten (49,8%). Danach folgen, der Häufigkeit nach angeordnet,
Brüche der Hand (15,3%), des Unterarms (9,3%), der Hüfte (6,9%), des
Oberschenkels (3,4%) und der Wirbelsäule/Hand (3,4%) (vgl. [Abb. 3]).
Abb. 3 Die häufigsten Brüche der letzten drei Jahre in%; bezogen
auf die 25,9% die angaben, sich in den letzten drei Jahren eins der
genannten Körperteile gebrochen zu haben (n=321, Mehrfachnennung); 19,4%
(n=241) gaben zudem Brüche anderer Körperteile an.▶Fig.
3 Fracture types and their occurrence rate in the last three years
in%, based on 25.9% of responders with fractures in the past three years
of listed body parts (n=321, multiple choice); 19.4% (n=241) had
fractures of other body parts.
Medizinische Betreuung
64,3% (n=613) der Befragten gaben an, erstmals von niedergelassenen
Orthopäd:innen über ihre Osteoporose-Erkrankung informiert worden zu sein. Auch
bei der weiteren Betreuung der Patient:innen bildeten die Orthopäd:innen mit
46,9% (n=494) die größte Gruppe, gefolgt von Hausärzt:innen mit 25,5% (n=269)
und Hausärzt:innen und Orthopäd:innen gemeinsam mit 23,1% (n=243).
Gynäkolog:innen waren, auch in Kombination mit anderen Ärzt:innen, selten an der
Betreuung beteiligt (4,6%, n=48) (vgl. [Tab.
2]).
Tab. 2 Häufigkeit der Beteiligung nach ärztlicher
Profession an der Erstinformation (links, Einfachnennung) und der
weiteren Betreuung (rechts, Mehrfachnennung); Nennung anderer
Quellen bezogen auf alle eingegangenen Fragebögen (n=1.241).
Table 2 Frequency of involvement regarding primary
information based on physicians professional opinion (left, simple
choice, n=954 without further source) and further treatment (right,
multiple choice, n=1,054 without further source); stating other
source based on all incoming questionnaires (n=1,241).
|
Erstinformation durch n=954 Einfachnennung
|
|
Behandlung durch n=1.054 Mehrfachnennung
|
Orthopäd:in
|
64,3%
|
Orthopäd:in
|
73,3%
|
Hausärzt:in
|
20,4%
|
Hausärzt:in
|
51,1%
|
Krankenhausärzt:in
|
15,3%
|
Gynäkolog:in
|
4,6%
|
Andere Quelle
|
19,5%
|
Andere Quelle
|
18,7%
|
Die Zufriedenheit mit den behandelnden Ärzt:innen wurde mittels der
ZAP-Informationsskala erhoben und lag mit 61,16 (KI±1,6858, n=778) unterhalb der
Referenzwerte der Autor:innen für die Zufriedenheit von Patient:innen über 60
Jahre sowohl mit Hausärzt:innen (86,97±1,9878, n=278) als auch mit
Fachärzt:innen (84,52±3,7025, n=91) [8].
Ein Welch-Test untermauert die deskriptive Beobachtung
(thausärztlich=–19,41<tkrit=1,969, df=700, p=0,049;
tfachärztlich=–11,25<tkrit=1,983, df=131, p=0,049).
Die Osteoporose-Patient:innen scheinen mit der Information durch ihre Ärzt:innen
tendenziell unzufriedener zu sein als eine nicht nach der Krankheit selektierte,
für das Alter gematchte Vergleichsgruppe.
Drei Subskalen weichen signifikant von der ZAP-Gesamtskala ab
(tZAP-e=–11,156, df=1.224, p<0,001; tZAP-f=7,311,
d=910, p<0,001; tZAP-g=–6.582, df=883, p<0,001;
αDunn–Šidák=0,017). Die abweichenden Subskalen („Wie zufrieden
sind Sie mit Ihrem behandelnden „Osteoporose“-Arzt in Bezug auf die
Informationen darüber, was Sie selbst auch zur Heilung beitragen können (z. B.
Hinweis auf Selbsthilfegruppen, Ernährungstipps)? Beachtung von Nebenwirkungen
bei der Verordnung von Medikamenten? Beachtung von Nebenwirkungen bei der
Verordnung von Medikamenten?) legen nahe, dass vor allem das Gefühl mangelnder
Selbstwirksamkeit und fehlende Berücksichtigung von Nebenwirkungen der
Medikamente die Unzufriedenheit mit der ärztlichen Betreuung bedingen, während
das Verstehen von Informationen für die Befragten unproblematisch erscheint.
Medikation und Therapie zur Osteoporosebehandlung
Insgesamt gaben 85,9% (n=1.065) der Befragten an, aufgrund einer Osteoporose
Medikamente zu nehmen. 44,1% (n=470) der Befragten gaben an, sowohl eine
spezifische Therapie als auch eine Basismedikation einzunehmen, 43,7% (n=465)
gaben lediglich eine Basismedikation an. Eine frühere Einnahme spezifischer
Medikamente wurde dabei nicht abgefragt. Am häufigsten nahmen
Osteoporose-Patient:innen unspezifische Supplemente, wie Vitamin D (73,9%,
n=917) und Calcium (36,4%, n=452) ein. Von den spezifischen Medikamenten waren
Denosumab (17,1%, n=212) und Alendronat (15,5%, n=192) am häufigsten
verschrieben (vgl. [Tab. 3], [4]).
Tab. 3 Häufigkeit der Behandlung mit spezifischen
Medikamenten, Basismedikation/Supplemente oder beiden
Behandlungsformen.
Table 3 Frequency of treatment with
specific drugs, basic medication/supplements or both forms of
treatment.
|
Medikamente (n=1.065)
|
Spezifisch
|
12,2%
|
Basismedikation
|
43,7%
|
Spezifisch und Basismedikation
|
44,1%
|
Tab. 4 Häufigkeit der Einnahme spezifischer Medikamenten
sowie Basismedikationen/Supplemente, zzgl. Freitextangaben; bezogen
auf alle eingegangenen Fragebögen (n=1.241; Mehrfachnennung).
Table 4 Frequency of specific drug intake and basic
medications/supplements, plus free text, based on all incoming
questionnaires (n=1,241; multiple choice).
Medikament
|
Häufigkeit% (n)
|
Spezifische Medikamente
|
|
Denosumab
|
17,1 (212)
|
Alendronat
|
15,5 (192)
|
Ibandronat
|
7,4 (91)
|
Risedronat
|
4,4 (55)
|
Östrogene, Gestagen
|
2,3 (28)
|
Raloxifen
|
1,5 (19)
|
Zoledronat
|
1,9 (24)
|
Teriparatid
|
1,9 (23)
|
Romosozumab
|
0,5 (6)
|
Basistherapie
|
|
Vitamin D
|
73,9 (917)
|
Calcium
|
36,4 (452)
|
Andere
|
1,4 (17)
|
Weiß nicht
|
1,5 (18)
|
Unbekannte Spritze/Infusion
|
0,6 (7)
|
Die Zufriedenheit mit den behandelnden Ärzt:innen wird nicht signifikant von der
Art der Medikation beeinflusst (H=1,631, df=3, p=0,652,
Kruskal-Wallis-Test).
18,4% (n=207) von den medikamentös behandelten Patient:innen gaben an, ihre
Medikamente nicht regelmäßig einzunehmen. Gründe dafür waren primär die Einnahme
vieler anderer Medikamente (59,48%, n=91) und Unverträglichkeit der
verschriebenen Medikamente (35,29%, n=54). Das Vergessen der regelmäßigen
Einnahme (15,03%, n=23) und Schwierigkeiten bei der Einnahme (2,61%, n=4)
beeinflussen weniger häufig die Nicht-Einnahme.
Neben der medikamentösen Behandlung gaben 94,5% (n=1.127) an, mindestens
wöchentlich gezielt Sport gegen ihre Osteoporose zu betreiben (Spazierengehen
explizit eingeschlossen). Der Mittelwert lag mit 2,71 (KI±0,05) näher an „3–6
mal wöchentlich“ als an „1–2 mal wöchentlich“.
Digitale Kompetenzen und Osteoporose-DiGA
64,8% (n=776) der Befragten gaben an, ein Smartphone zu besitzen. Davon nutzten
83,5% (n=628) ihr Smartphone täglich.
Bezüglich der Frage, ob das Alter die Häufigkeit der Smartphone-Nutzung
beeinflusst, zeigte sich ein schwacher Effekt von ρ=−0.171, der die Hypothese
bestätigt (p<0.001, n=746).
Die Hauptfunktion des Smartphones ist das Telefonieren (82,2%, n=622). 62,9%
(n=476) der Befragten nutzen das Smartphone zudem, um zu surfen oder im Internet
zu recherchieren. Digitale Gesundheitsanwendungen wurden von 12,1% (n=90) der
Smartphone-Nutzer:innen verwendet. Am häufigsten werden diverse Schrittzähler,
YouTube-Videos zur sportlichen Betätigung und die „Health-„ und „7Mind“-App
genutzt.
Die Bereitschaft, eine Osteoporose-App ergänzend zur ärztlichen Behandlung zu
nutzen, lag bei den Smartphone-Nutzer:innen bei 57,1% (n=427). Davon waren 13,2%
(n=99) ganz sicher, eine Osteoporose-App nutzen zu wollen. 42,9% (n=321) gaben
an, die App eher nicht zu nutzen. Davon äußerten 6% (n=45), die App keinesfalls
nutzen zu wollen.
Die Smartphone-Nutzer:innen wurden gefragt, was eine Osteoporose-App ihrer
Meinung erfüllen sollte. Das Informieren ist für die Befragten von großer
Bedeutung (MW=3,39±0,08), gefolgt von der Erwartung, die App solle Daten messen
(MW=2,85±0,09). Die übrigen Anwendungen, dokumentieren, Daten auswerten und
Motivationsbotschaften und Tipps zusenden, fanden bei über 60% der Befragten
Zustimmung. Uneinigkeit bestand bei der Frage, ob die App Erinnerungen (bspw.
zur Medikamenteneinnahme) verschicken soll (MW=2,46±0,09). Eher negativ wurde
die „Daten teilen“-Funktion gesehen (MW=2,23±0,09) (vgl. [Tab. 5]).
Tab. 5 Erwartungen an eine Osteoporose-App; codiert nach
„Stimme voll zu“=4 bis „Stimme nicht zu“=1.
Table
5 Expectations on osteoporosis-application; coded from “totally
agree”=4 to “totally disagree”=1.
Die Osteoporose-App sollte…
|
Stimme voll und ganz zu
|
Stimme zu
|
Stimme eher nicht zu
|
Stimme nicht zu
|
n
|
Informieren
|
56,6%
|
34,6%
|
4%
|
4,7%
|
595
|
Daten messen
|
31,2%
|
43,1%
|
14,1%
|
11,5%
|
538
|
Dokumentieren
|
22,8%
|
38,9%
|
21,6%
|
16,7%
|
522
|
Daten auswerten
|
29,7%
|
37,7%
|
18,4%
|
14,1%
|
538
|
Erinnern
|
18%
|
36,6%
|
24,7%
|
20,7%
|
522
|
Daten teilen
|
13,7%
|
27,4%
|
31,9%
|
27%
|
518
|
Motivationsbotschaften und Tipps senden
|
26,9%
|
41,2%
|
17,4%
|
14,5%
|
551
|
Es zeigte sich ein schwacher Effekt darin, dass Unzufriedenheit mit den
behandelnden Osteoporose-Ärzt:innen mit Offenheit für App-Nutzung einhergeht
(ρ=−0.124, p=0.002, n=544).
Bei der Frage nach der präferierten Schulungsform bezüglich Aufklärung über ihre
Krankheit gab eine deutliche Mehrheit von 72,2% (n=813) den Wunsch nach vor
Ort-Präsenzschulungen an. 34,9% (n=393) der Befragten gaben mitunter Interesse
an Erklärvideos an. An Online-Präsenzschulungen äußerten 14% (n=157) Interesse.
12,5% (n=141) gaben an, kein Interesse an Schulungen zu haben.
Allgemein standen die Befragten der Digitalisierung des Gesundheitswesens eher
neutral gegenüber (37,4%, n=416). 20,4% (n=227) der Patient:innen sehen darin
eine Chance, 27,7% (n=308) empfinden eher Unbehagen (MW=1,91±0,05). 14,6%
(n=162) sind ambivalent.
Post-hoc Untersuchungen der Daten zeigten, dass jüngere Osteoporose-Patient:innen
(<60 Jahren) der Digitalisierung positiver gegenüberstehen als ältere
(ρ=−0.101, p<0.001, N=946).
Da die Gruppen der unter 40-Jährigen (n=1), 40–49-Jährigen (n=3) und
50–59-Jährigen (n=59) kleiner sind und damit die Aussagekraft der vorherigen
Korrelation beeinträchtigen, wurde zur Überprüfung der Befunde ein
Kruskal-Wallis-Test für die Altersgruppen der 60–69-Jährigen (n=254), der
70–79-Jährigen (n=519) und der 80–89-Jährigen (n=383) durchgeführt mit der
Alternativhypothese, mindestens eine der Stichproben hat nicht die gleiche
zentrale Tendenz wie die anderen. Dabei zeigte sich eine klare Tendenz in den
mittleren Rängen der Gruppen, die jedoch nicht signifikant wurde (H=5,76, df=2,
p=0,056).
Diskussion
Neben der Frage, wie offen die befragte Klientel digitalen Osteoporose-Angeboten
gegenübersteht, wurden weitere Bereiche wie Komorbidität, Medikation und Aspekte der
ärztlichen Betreuung abgefragt. Ziel dieser weiterführenden Fragen ist, einen ersten
Überblick über relevante Faktoren für die Nutzungsbereitschaft einer
Osteoporose-DiGA zu erhalten und den Bedarf der Klientel sowie deren Offenheit
gegenüber entsprechenden Anwendungen einschätzen zu können.
Im Allgemeinen scheint unter den Smartphone-Nutzer:innen Interesse an einer
unterstützenden Osteoporose-App zu bestehen (57,1%, n=427 äußerten Interesse). Da
tendenziell eher jüngere Patient:innen angaben, ein Smartphone zu besitzen und
regelmäßig zu nutzen (ρ=−0.171, p<0.001, n=746), kann die Entwicklung einer
Osteoporose-App neben heutigem Bedarf nach digitalen Anwendungen auch als
Investition in die Zukunft angesehen werden, da davon auszugehen ist, dass die
jüngeren Generationen ausgeprägtere digitale Kompetenzen besitzen. Befragungen von
statista 2020 haben gezeigt, dass das Interesse an Apps auf Rezept einer Stichprobe
ab 16 Jahren sehr ähnlich zu dieser Befragung war. 59% der statista-Befragten
konnten sich vorstellen eine App auf Rezept zu nutzen [10].
Die Befragten wünschten sich als zukünftige App-Nutzer:innen die Bereitstellung
ergänzender und erweiternder Informationen über die Erkrankung Osteoporose und die
Funktion des Gesundheitsmonitorings.
Etwa ein Viertel der Befragten gaben an, in den letzten drei Jahren eine Fraktur
erlitten zu haben. Alle Befragten sind Mitglieder in einer Selbsthilfegruppe für
Osteoporose. Es zeigt sich selbst in dieser Gruppe, die wahrscheinlich im Vergleich
mit der allgemeinen Bevölkerung über ein höheres Wissen über das Krankheitsbild
Osteoporose verfügt, eine ausgesprochen unbefriedigende Versorgung mit spezifischen
Medikamenten. 44% der Befragten nahmen lediglich eine Basistherapie zur Therapie der
Osteoporose ein. 10,5% waren mit einer rein spezifischen Therapie versorgt und 37,9%
wurden sowohl spezifisch als auch mit einem Basispräparat therapiert. Zudem nehmen
knapp ein Fünftel der Befragten ihre Medikamente nicht regelmäßig ein. Die
Steigerung der Gesundheitskompetenz durch den Einsatz einer Osteoporose-DiGA und die
Verbesserung der Adhärenz wären wünschenswert.
DiGA sollen die aktive Einbindung der Patienten in den Behandlungsprozess fördern
und
die Effektivität der Behandlung steigern.
Trotz Interesse an digitalen Anwendungen bevorzugen Patient:innen vor
Ort-Präsenzschulungen (72,2%; n=813). Dies unterstreicht aus unserer Sicht, daß eine
DiGa die ärztliche Behandlung zwar unterstützen, in keinem Fall jedoch ersetzen
kann. An Erklärvideos (34,9%, n=393) und online Präsenzschulungen (14%, n=157)
besteht zwar Interesse, es scheint jedoch sinnvoll zu sein, auch aufgrund des
Wunsches nach zusätzlicher Information, die digitalen Anwendungen ergänzend zu
Vor-Ort-Veranstaltungen anzubieten. Außerdem ist in der aktuellen Situation
(Pandemie und Fachkräftemangel in ländlichen Regionen) das Potenzial solcher Apps
hervorzuheben. Auf dem Land gibt es weniger und schlechter erreichbare
ärztliche/therapeutische Versorgungs- und Selbsthilfeangebote. Obgleich das
Versorgungsnetz in diesen Gebieten ausgebaut werden muss und nicht durch digitale
Angebote ersetzt werden kann, können Apps eine Übergangslösung darstellen bzw.
Vor-Ort-Versorgung ergänzen.
Insbesondere die Corona-Pandemie hat das Potenzial digitaler Anwendungen gezeigt,
Betroffene bei der Auseinandersetzung mit ihrer Osteoporose-Erkrankung zu
unterstützen. Informationen und Sportangebote bieten eine kontaktarme Basis, gesunde
Routinen aufzubauen und bei Bedarf Kontakte zu anderen Betroffenen digital zu
pflegen oder zu knüpfen.