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DOI: 10.1055/a-2256-4215
Therapeutische Vakzinierungsstrategien beim Mammakarzinom
Article in several languages: English | deutsch- Zusammenfassung
- Tumorspezifische Eiweiße als primärer Zielpunkt von Vakzinierungen
- Behandlungssetting
- Studienlage
- Fazit
- References
Zusammenfassung
Der Einfluss des Immunsystems auf den Verlauf einer Krebserkrankung ist seit Jahrzehnten bekannt, trotzdem wurde ihm in der Behandlung diverser Tumorentitäten aber oft wenig Stellenwert beigemessen. In den letzten Jahren hat sich die Therapielandschaft des Mammakarzinoms deutlich verändert. Besonders der Einsatz von T-Zell-basierten Immuntherapien in Form von Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) hat die Routinebehandlung revolutioniert. Obwohl dies die Bedeutung des Immunsystems in der Behandlung des Mammakarzinoms unterstreicht, spielen weitere T-Zell-basierte Immuntherapien, wie beispielsweise therapeutische Impfstoffe, bislang keine relevante klinische Rolle. In den letzten Jahren gab es zahlreiche Studien zu verschiedenen Impfstoffkandidaten, die teilweise auch Erfolge in der Induktion einer Immunantwort zeigen konnten. Eine zentrale Herausforderung stellt weiterhin die Auswahl geeigneter Antigene und Applikationsformen/Adjuvantien zur Induktion lang anhaltender und klinisch effektiver T-Zell-Antworten dar. Vielversprechend könnte in Zukunft auch die Kombination von ICI mit Vakzinen sein, um die Spezifität der T-Zellantwort und damit die Anti-Tumorwirkung zu erhöhen.
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Die Aufgabe unseres Immunsystems ist es, körpereigene Zellen zu überwachen und entartete Zellen frühzeitig zu erkennen und zu eliminieren. Diese Immunerkennung von Tumoren stellt die Grundlage für zahlreiche in den letzten Jahren entwickelte Immuntherapien dar. In Bezug auf das Mammakarzinom ist hier vorrangig der Einzug von T-Zell-basierten Immuntherapien in Form von Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) in die Routinebehandlung im metastasierten oder neoadjuvanten Setting zu nennen [1] [2]. Dennoch profitiert erst ein kleiner Teil der Patienten von dieser Therapie [3] und es besteht ein großer Bedarf für weitere immuntherapeutische Ansätze, die die Spezifität der Immunantwort verbessern und die Ansprechraten erhöhen. Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, stellt die therapeutische Vakzinierung dar, bei der das Immunsystem spezifisch gegen Tumorzellen gerichtet wird. Im Gegensatz zu Impfungen gegen Krankheitserreger, die einen Siegeszug in der Prävention zuvor tödlicher Infektionserkrankungen erreicht haben, kommen Tumorvakzine erst therapeutisch zum Einsatz, um T-Zellen gezielt gegenüber Antigenen zu trainieren, die über humane Leukozyten-Antigene (HLA) auf Tumorzellen präsentiert werden. Zahlreiche Impfstoffkandidaten für das Mammakarzinom befinden sich aktuell in der klinischen Prüfung, jedoch konnte sich dieser Therapieansatz bislang noch nicht in der klinischen Routine etablieren.
Tumorspezifische Eiweiße als primärer Zielpunkt von Vakzinierungen
Eine zentrale Voraussetzung für die Entwicklung von Tumorvakzinen ist die Auswahl geeigneter Antigene, die gleichzeitig spezifisch für den Tumor sein sollen und bei möglichst vielen Patienten in einer hohen Frequenz vorkommen sollen. Die Zielstruktur der T-Zell-vermittelten Immunantwort stellen Peptide dar, die auf der Zelloberfläche über HLA-Moleküle präsentiert werden. Diese Peptide unterscheiden sich zwischen gesunden Körperzellen und Tumorzellen und ermöglichen es so dem Immunsystem, diese als fremd zu erkennen und zu zerstören. Als Tumorantigen kommen einerseits Neoepitope infrage, die aus tumorspezifischen Mutationen stammen und als Hauptzielstruktur der durch ICI-vermittelten Immunantwort beschrieben wurden, und andererseits tumorassoziierte Antigene (TAA), die durch veränderte Genexpression oder Prozessierung ausschließlich im Tumorgewebe präsentiert sind[4] [5] [6] [7]. Unabhängig davon, durch welche Umstände diese Peptide entstehen und präsentiert werden, stellen tumorexklusive Peptide, die idealerweise bei einem Großteil der Patienten präsentiert werden, optimale Kandidaten für eine therapeutische Vakzinierung dar und ermöglichen einen breiten Einsatz im klinischen Setting. Für das Mammakarzinom steht als TAA der Epidermal-growth-factor-receptor-2 (HER2) als Zielstruktur im Fokus und ist Gegenstand vieler Studien. Daneben sind weitere Antigene für Tumorvakzine, wie z.B. Epidermal-growth-factor-receptor-3, Folat-Rezeptor-α und Programmed-cell-death-ligand-1 beschrieben, die sich ebenfalls in klinischer Prüfung befinden [8] [9].
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Behandlungssetting
Für die Applikation der Antigene stehen verschiedenste Strategien, wie u.a. Peptidvakzine, DNS- oder RNS-basierte Vakzine sowie auf dendritischen Zellen oder viralen Vektoren basierende Ansätze, kombiniert mit geeigneten Adjuvanzien, zur Verfügung. Bei DNS- oder RNS-basierten Vakzinen wird DNS oder RNS, welche für Tumorantigene kodieren, in den Körper eingebracht. Die Zellen des Empfängers nehmen dies auf und produzieren Antigene, die dann vom Immunsystem als fremd erkannt werden [10] [11]. Dieses Vorgehen nutzt man auch bei viralen Vektoren, die die genetische Information als Vehikel in den Körper einbringen und dann eine Immunreaktion auf die produzierten Antigene auslösen [12]. Bei Peptid-basierten Impfstoffen werden die Tumorantigene direkt als kurze Aminosäuresequenzen appliziert. Die Peptide werden synthetisch hergestellt und in Kombination mit Adjuvantien verabreicht, die das Immunsystem stimulieren [13]. Zellbasierte Ansätze nutzen patienteneigene dendritische Zellen, die ex vivo mit Tumorantigenen beladen und anschließend zurück in den Patienten infundiert werden. Die beladenen dendritischen Zellen präsentieren die entsprechenden Tumorantigene dann den T-Zellen [14]. Neben der Auswahl optimaler Tumorantigene, Adjuvanzien und Applikationsstrategien ist der Zeitpunkt der Anwendung im Rahmen der Tumorbehandlung für den Erfolg der Tumorvakzine maßgeblich. Entscheidend für deren Effizienz ist das Vorhandensein eines optimalen Verhältnisses von Effektor- zu Zielzelle, d.h. es müssen ausreichend funktionale T-Zellen verfügbar sein, um die vorhandenen Tumorzellen zu eliminieren. Dies wäre im Mammakarzinom beispielsweise postoperativ mit oder ohne vorangegangener neoadjuvanter Chemotherapie (NACT) der Fall. Die Therapie könnte dann als alleinige Gabe oder in Kombination einer weiteren Therapie, die das Immunsystem in der Funktion nicht herabsetzt (z.B. ICI-Therapie), erfolgen. Neben diesem „klassischen Setting“ prüfen neuere Konzepte die Wirksamkeit auch ergänzend zu einer NACT.
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Studienlage
Therapeutische Impfstoffe werden im Mammakarzinom bereits seit vielen Jahren evaluiert [15]. Als erste Zielstrukturen wurden Tumorantigene aus HER2 beim HER2-positivem Mammakarzinom identifiziert. Hier konnten bereits früh erste Erfolge mit der Induktion einer Immunantwort bei HLA-A2-positiven Patienten erzielt werden [16] [17] [18]. Inzwischen werden weitere Tumorantigene evaluiert, im Vergleich zu anderen Tumorentitäten ist die Auswahl geeigneter Zielstrukturen jedoch eingeschränkt, da ein Großteil aufgrund fehlender oder nicht ausreichender Immunantworten nicht weiterverfolgt wurde [8]. Nur ein kleiner Teil der entwickelten Tumorimpfstoffe konnte in weitergehende klinische Phasen überführt werden. Dabei bleibt HER2 die primäre Zielstruktur. Die aktuellen Phase-2/3-Studien ([Tab. 1]) konnten bereits in früheren Phasen vielversprechende Immunantworten belegen. Auch hier ist der zunehmende Einfluss bereits etablierter Immuntherapien deutlich zu erkennen. Ein zunehmender Teil der Studien nutzt ICI als Kombinationspartner zur Vakzinierungstherapie. Zum Beispiel im Falle der NSABP-FB-14-Studie konnte der Peptid-basierte Impfstoff bereits vor Jahren eine Immunogenität gegen HER2 zeigen [17] und wird nun, zusammen mit einem ICI, auch im triple-negativen metastasierten Mammakarzinom geprüft (NCT04024800). Die größte Studie im deutschsprachigen Raum ist die Flamingo-01-Studie, in der ein vielversprechender, Peptid-basierter HER2-zielgerichteter Impfstoff, in Kombination mit dem Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor, bei Patientinnen nach neoadjuvanter Chemotherapie (NACT) und hohem Rezidivrisiko untersucht wird (NCT05232916). Hervorzuheben sind auch neuere Konzepte, die eine additive präoperative Vakzinierung untersuchen. Diese erfolgt z.B. in Kombination mit einer NACT mit HER2-zielgerichteter Therapie (NCT04329065), bei der die Ansprechrate durch die Vakzinierung verbessert werden soll. Ein weiteres spannendes Konzept bietet die CBCV-Studie (NCT03804944), in der die präoperative Gabe von Letrozol im Hormon-Rezeptor-positiven/HER2-negativen Mammakarzinom um ein 4-armiges Konzept mit lokaler Bestrahlung, entweder ohne weitere Therapie oder in Kombination mit einer Peptid-basierten Vakzinierung, ICI oder deren Kombination, erweitert und auf das histologische Ansprechen nach abgeschlossener Therapie untersucht wird.
Studiennummer |
Phase |
Wirkprinzip |
Setting |
Kohorte |
Zielstruktur |
Abkürzungen: GM-CSF: Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierende Faktor; DC: dendritische Zelle; DNS: Desoxyribonukleinsäure; vs.: versus; THP: Neoadjuvante Chemotherapie mit Taxol (Paclitaxel), Herceptin (Trastuzumab) und Perjeta (Pertuzumab); ICI: Immun-Checkpoint-Inhibitor; BC: Mammakarzinom; eBC: frühes Mammakarzinom; mBC: metastasiertes Mammakarzinom; Nab-Paclitaxel: Nanopartikel-Albumin-gebundenes Paclitaxel; HER2: human epidermal growth factor receptor 2; non-pCR: histologischer Nachweis von Resttumor nach Operation; NACT: neoadjuvante Chemotherapie, TNBC: triple-negatives Mammakarzinom; HR+ BC: Hormonrezeptor-positives Mammakarzinom, HR- BC: Hormonrezeptor-negatives Mammakarzinom; Globo H: Globo-hexaosylceramide; FOLR1: Folat-Rezeptor α; ftl-3: fms-like tyrosine kinase 3; HER3: human epidermal growth factor receptor 3; PD-L1: Programmed cell death ligand-1; IDO: Indolamin-2,3-Dioxygenase: CIK-Agonist: Zytokin-induzierter Killerzellen-Agonist; WT1: Wilms-Tumor-Protein 1 |
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NCT05232916 |
III |
Peptid-basiert + GM-CSF |
eBC |
HER2+ BC mit non-pCR nach NACT oder hohem Rezidivrisiko nach NACT |
HER2 |
NCT03562637 |
III |
Peptid-basiert |
eBC |
Globo-H-positives TNBC |
Globo H |
NCT03384914 |
II |
DC-basiert vs. DNS-basiert |
eBC |
HER2+ BC mit non-pCR nach NACT |
HER2 |
NCT04329065 |
II |
DNS-basiert + THP |
eBC |
HR-/HER2+ BC vor Operation |
HER2 |
NCT04197687 |
II |
Peptid-basiert + GM-CSF |
eBC |
HER2+ BC mit non-pCR nach NACT |
HER2 |
NCT03012100 |
II |
Peptid-basiert + GM-CSF + Cyclophosphamid |
eBC |
TNBC |
FOLR1 |
NCT03804944 |
II |
Letrozol + Radiatio vs. Letrozol + Radiatio + Peptid-basiert vs. Letrozol + Radiatio + ICI vs. Letrozol + Radiatio + Peptid-basiert + ICI |
eBC |
HR+/HER2- BC, lokal fortgeschritten vor Operation |
Ftl-3 |
NCT03632941 |
II |
Alphavirus-basiert + ICI |
mBC |
HR-/HER2+ BC |
HER2 |
NCT04348747 |
II |
DC-basiert + ICI |
mBC |
TNBC oder HER2+ BC mit Hirnmetastasen |
HER2/HER3 |
NCT03328026 |
II |
Allogene BC-Zellen + ICI + Cyclophosphamid |
mBC |
Jeder Subtyp |
GM-CSF |
NCT02491697 |
II |
DC-basiert + Capecitabine |
mBC |
Jeder Subtyp |
CIK-Agonist |
NCT04024800 |
II |
Peptid-basiert + ICI |
mBC |
TNBC |
HER2 |
NCT04348747 |
II |
DC-basiert + ICI |
mBC |
TNBC/HER2+ BC |
HER2/HER3 |
NCT03606967 |
II |
Peptid-basiert + Nab-Paclitaxel + 2 ICI |
mBC |
TNBC |
Personalisierter Impfstoff |
NCT03761914 |
II |
Peptid-basiert + ICI |
mBC |
TNBC |
WT1 |
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Fazit
Es befinden sich aktuell erstmals zahlreiche therapeutische Vakzinierungsstrategien für das Mammakarzinom in weitergehenden Studienphasen, für die bereits in früheren Studien eine adäquate Immunantwort gezeigt werden konnte. Neben dem klassischen adjuvanten Setting entstehen auch neue Konzepte, die entweder ICI als Kombinationspartner nutzen oder auf eine Verbesserung der Ansprechrate unter NACT abzielen. In der klinischen Etablierung bleiben weiterhin der Aufwand und die Kosten dieser personalisierten Ansätze eine Hürde. Zudem mangelt es weiterhin an geeigneten Tumorantigenen des Mammakarzinoms, die sich für „Off-the-shelf-Ansätze“ in großen Patientenpopulationen anbieten.
Implikationen für die Klinik
In der klinischen Routine spielen therapeutische Vakzine im Mammakarzinom aktuell noch keine Rolle. Die Erfolge, die mit ICI erzielt werden konnten, unterstreichen jedoch das Potenzial des Immunsystems, Mammakarzinome auch bei schlechter Prognose zu kontrollieren. Dennoch besteht weiterhin Raum für Verbesserungen, da ICI (bislang) nicht bei allen Patienten mit Mammakarzinom eingesetzt werden können und nur in einem Teil der Patienten effektiv sind. Tumorvakzine bieten hier die Möglichkeit, die Spezifität der Immunantworten zu verbessern und so die Effektivität der Immuntherapien zu optimieren. Für die Zukunft könnten insbesondere im Fall von begrenzten therapeutischen Alternativen, beispielsweise bei histologischem Nachweis von Resttumor nach NACT, Vakzinierungsstrategien (ggf. je nach Subtyp in Kombination mit einem ICI) eine sinnvolle Ergänzung sein, um die Therapieoptionen weiter zu verbessern.
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References
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- 18 Mittendorf EA, Storrer CE, Foley RJ. et al. Evaluation of the HER2/neu-derived peptide GP2 for use in a peptide-based breast cancer vaccine trial. Cancer 2006; 106 (11) 2309-2317
Correspondence
Publication History
Article published online:
13 September 2024
© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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References
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