Zeitschrift für Palliativmedizin 2024; 25(04): 165-166
DOI: 10.1055/a-2256-8855
Editorial

30 Jahre Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin – Von einer kleinen Gruppe zu einer vielfältigen Fachgesellschaft

Die ersten Anfänge der Palliativversorgung gehen in Deutschland in die 1980er-Jahre zurück. Damals gründete Prof. Dr. Dr. Heinz Pichlmaier die erste Palliativstation im Universitätsklinikum Köln. Prof. Pichlmaier war es dann auch, der 1994 eine Gruppe von 13 Ärztinnen und Ärzten um sich scharte, die die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin gründete. Die Zeit war damals reif, die verschiedenen palliativmedizinischen Aktivitäten zu bündeln und unter das Dach einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft zu stellen. Einige dieser Gründungsmitglieder sind auch heute noch aktiv oder prägten über lange Zeit die Palliativlandschaft in Deutschland.

Kurz vor dem „Bergfest“ aus heutiger Sicht, im 15. Jahr seit ihrer Gründung, beschloss die DGP eine entscheidende Satzungsänderung: Fortan konnten nicht allein Ärzt:innen, sondern Vertreter:innen aller in der Palliativversorgung tätigen Professionen ordentliche Mitglieder der DGP werden. Dies machte eine Umstrukturierung innerhalb der Fachgesellschaft erforderlich: Monoprofessionelle Sektionen arbeiten seither zu berufsbezogenen Anliegen, multiprofessionelle Arbeitsgruppen zu fachübergreifenden Themen.

So ist die DGP in der Zwischenzeit zu einer mittelgroßen Fachgesellschaft mit über 6500 Mitgliedern gewachsen; sie ist, wie es die Notwendigkeit der Palliativversorgung fordert, multiprofessionell mit 12 Sektionen aufgestellt und darüber hinaus äußerst lebendig mit 15 Landesvertretungen und 21 Arbeitsgruppen. Mehr als jedes sechste DGP-Mitglied bringt sich aktiv in die Arbeit der DGP ein.

Seit nunmehr 30 Jahren erarbeiten die Gremien der DGP kontinuierlich kurz- und mittelfristige Antworten und Statements zu diversen fachlichen Fragen, weit über 200 auf der Website veröffentlichte Stellungnahmen, Positionspapiere und Handreichungen – vielfach im Verbund mit Partnerorganisationen – geben beredt darüber Auskunft. Hinzu kommen zahlreiche Stellungnahmen, um welche die DGP von verschiedenen Institutionen im Rahmen offizieller Stellungnahmeverfahren gebeten wurde.

Parallel zum Tagesgeschäft haben wir in der DGP umfassende und für die breite Öffentlichkeit wesentliche Projekte mit entwickelt, begleitet und dem jeweiligen fachlichen Stand angepasst: Beispielhaft seien hier der Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung Deutschland, die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland und die Aufklärungs- und Informationskampagne „das ist palliativ“ genannt.

Alle drei Projekte haben dank gebündelter Kompetenz und Ressourcen, mit Geduld, Austausch, fortwährender Abstimmung, Überarbeitung und einem langen Atem über all die Jahre die eine oder andere Hürde genommen und sind – das macht uns glücklich – bei denen angekommen, für die sie gedacht waren: den schwerkranken und sterbenden Menschen im Kreise der ihnen Nahestehenden. Mit der Gesellschaft und den damit zunehmenden Aufgaben ist auch die Geschäftsstelle in Berlin mit in der Zwischenzeit 11 Mitarbeitenden stetig gewachsen. Ohne die unermüdliche Unterstützung der Mitarbeitenden könnte der ehrenamtliche Vorstand gar nicht allen Aufgaben nachkommen, die notwendig sind, um die DGP zu repräsentieren und weiterzuentwickeln und sich aktiv in politische und gesellschaftliche Diskussionen einzubringen. Gleichzeitig freue ich persönlich mich darüber, die Anforderungen, Erfolge und Erfahrungen mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Vorstand teilen zu dürfen und keine „one woman show“ gestalten zu müssen.

Die DGP hat sich in den letzten 30 Jahren zu einer wichtigen Ansprechpartnerin für Politik und Verbände in allen Belangen der Palliativversorgung entwickelt. Sie hat dazu beigetragen, dass Palliativversorgung heute mit eigenen gesetzlichen Regelungen fest in der ambulanten und stationären Regelversorgung verankert und, wenn auch nicht immer auskömmlich, durch Kranken- und Pflegeversicherungen finanziert ist.

Seit 1996 finden regelmäßig Kongresse im 2-jährigen Rhythmus statt, der 15. Kongress in Aachen steht direkt vor der Tür! Die Wissenschaftlichen Arbeitstage und die DGP-Mitgliedertage sind ebenfalls verlässliche Termine im jährlichen DGP-Kalender. Neben den Tagungen gehört außerdem die Zeitschrift für Palliativmedizin mit sechs Ausgaben im Jahr zu den festen Pfeilern der DGP. In der Zwischenzeit mit eigenem Impact Factor wird es immer attraktiver, wissenschaftliche Arbeiten dort zu veröffentlichen und sie so einer breiten deutschsprachigen Leserschaft bekannt zu machen. Ebenso bieten das Forum, die Perspektiven, Methodikartikel und Beiträge zu Palliativpflege wichtige und aktuelle Einblicke in den Alltag der Palliativversorgung.

Auch wenn wir mit großer Dankbarkeit und ein wenig Stolz auf die letzten 30 Jahre schauen können, so stehen wir doch aktuell an einer kritischen Schwelle und es ist nicht selbstverständlich, dass das Erreichte so erhalten bleibt.

So liegt dem derzeitigen Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes der Krankenhausplan NRW zugrunde und damit auch – mit Hinweis auf den Beitritt des Landes NRW zur Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen – die Festlegung einer eigenen Leistungsgruppe Palliativmedizin.

Doch könnte die Krankenhausstrukturreform dennoch zu einer möglichen palliativmedizinischen Unterversorgung führen, da die zugrunde gelegten Zahlen für Palliativbetten deutlich zu gering sind und Palliativdienste gar nicht vorgesehen sind. Ebenso wenig wird die psychosoziale Berufsgruppe in der SAPV von den Kostenträgern finanziert, solange sie nicht gesetzlich verankert ist. Und schließlich ringen wir mit der Bundesärztekammer um ein angemessenes Weiterbildungsniveau, sei es durch eine Schärfung der Zusatzweiterbildung Palliativmedizin oder auch die Frage einer höhergradigen Spezialisierung, sei es durch einen eigenen Facharzt oder eine vertiefte Zusatzweiterbildung.

Es bleibt also wenig Zeit, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Wir müssen weiter an den verschiedenen Themen dranbleiben! Doch soll genug Zeit zum Feiern sein, sei es virtuell am wirklichen Geburtstag, dem 2. Juli, im DGP Online-Dialog oder dann persönlich beim Festabend beim DGP-Kongress am 27. September! Zu beidem möchte ich Sie herzlich einladen, verbunden mit dem Dank an alle, die die DGP und damit die Palliativversorgung in Deutschland über die Jahre aktiv unterstützt haben!

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Prof. Dr. Claudia Bausewein
Präsidentin der DGP



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Article published online:
28 June 2024

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