Nervenheilkunde 2024; 43(06): 376-377
DOI: 10.1055/a-2261-0701
Gesellschaftsnachrichten

Kopfschmerz News der DMKG

 

Galcanezumab als Prophylaxe für Clusterkopfschmerz-Patienten

** Lamas Pérez R, Millán-Vázquez M, González-Oria C. Efficacy and safety of galcanezumab as chronic cluster headache preventive treatment under real world conditions: Observational prospective study. Cephalalgia 2024; 44(3) 1–8

Galcanezumab 240 mg s.c. ist in therapierefraktären, chronischen Clusterkopfschmerz-Patienten wirksam.

Zusammenfassung

Lamas Pérez et al. untersuchten die Wirksamkeit einer mind. einmonatigen Anwendung von Galcanezumab 240 mg s.c. in therapierefraktären, chronischen Clusterkopfschmerz-Patienten. Als therapierefraktär gelten nach den Kriterien der European Headache Federation (EHF) chronische Clusterkopfschmerz-Patienten mit mind. 3 starken Kopfschmerzattacken/Woche sowie fehlendem Ansprechen auf mind. 3 prophylaktische Medikationen. Diese müssen in einer maximal tolerierbaren Dosierung und einem ausreichenden Zeitraum ausprobiert worden sein. Die Medikamente müssen in randomisiert-kontrollierten Studien eine bessere Wirksamkeit als Placebo gezeigt haben; dazu zählen bspw. Verapamil, Lithium, Kortikosteroide, die GON-Blockade, Topiramat, Methysergid, Ergotamine, Zucapsaicin und langwirksame Triptane [1].

Insgesamt wurden 21 Clusterkopfschmerz-Patienten (16 männlich, Alter 47,5 ± 8,3 Jahre) in die prospektive Beobachtungsstudie eingeschlossen. Durchschnittlich wurden 6,3 Vortherapien ausprobiert, zu den häufigsten gehörten Verapamil (100 %), Topiramat (100 %), Onabotulinumtoxin A (90,5 %), Lithium (57,1 %), Melatonin (95,2 %), Gabapentin (71,4 %) und GON-Blockaden (61,9 %). Nach einem Monat zeigte sich eine signifikante Reduktion der Attackenzahl, -intensität und Einnahmehäufigkeit von Triptanen. Es zeigte sich eine 50 %ige bzw. 75 %ige Ansprechrate in 47,6 % bzw. 19 % der Patienten. 15 Patienten erhielten 3 Gaben Galcanezumab 240 mg s.c. über 3 Monate. Auch über diesen Zeitraum zeigte sich eine anhaltende Wirksamkeit mit Reduktion der Attackenhäufigkeit und -intensität sowie reduzierter Einnahme von Triptanen. In Bezug auf die Wirksamkeit konnte kein Zusammenhang mit der Attackenhäufigkeit, -intensität, Triptaneinnahme oder Anprechen auf Triptane festgestellt werden.


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Kommentar

Galcanezumab 300 mg s.c./Monat zeigte in einer randomisiert-kontrollierten Studie keine signifikant bessere Wirksamkeit als Placebo in chronischen Clusterkopfschmerz-Patienten [2] und ist in Deutschland für die Behandlung des Clusterkopfschmerzes nicht zugelassen. Dennoch liegen einige Beobachtungsstudien oder Fallserien für die Off-label-Behandlung vor, die insgesamt eine gute Wirksamkeit berichten. In dieser Hinsicht bietet die Studie zwar keine neue Erkenntnis und die Patientenzahl ist auch eher klein, dennoch ergänzt sie unser Wissen in Bezug auf schwer betroffene Patienten. Auch sofern zahlreiche Prophylaxen ohne Wirkung ausprobiert worden sind, können diese Patienten von einem Off-label-Behandlungsversuch mit Galcanezumab 240 mg s.c./Monat profitieren.

Katharina Kamm, München


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Kein negativer Einfluss von Koffeinkonsum auf Migräne-Kopfschmerzen

*** Mittleman MR, Mostofsky E, Vgontzas A, et al. Habitual caffeinated beverage consumption and headaches among adults with episodic migraine: A prospective cohort study. Headache 2024; 64(3): 299–305. doi: 10.1111/head.14673

Hintergrund

Der Konsum von koffeinhaltigen Getränken wird in epidemiologischen Studien mit der Chronifizierung einer Migräne und eines Kopfschmerzes bei Medikamentenübergebrauch in Zusammenhang gebracht [1]. Epidemiologische Zusammenhänge können jedoch eine Kausalität schwer belegen, sodass Zusammenhänge in höherwertigen Studien untersucht werden sollten. In der vorliegenden Studie wurde das Design einer prospektiven Beobachtungsstudie gewählt, um den Zusammenhang zwischen Koffeinkonsum und der Entwicklung von Migränekopfschmerzen zu untersuchen.


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Zusammenfassung

In einer prospektiven Studien wurden 4 Kohorten von Patienten untersucht, die unter einer episodischen Migräne litten. Patienten mit chronischer Migräne oder Gebrauch von Opiaten wurden ausgeschlossen. Es musste ein elektronisches Tagebuch über mindestens 3 von 6 Wochen des Studienzeitraums geführt worden sein, um die Daten eines Probanden für die Auswertung zu berücksichtigen. Letztlich konnten die Daten von 98 Patienten (35,1 ± 12,1 Jahre alt, 88 % weiblich) über 1 Jahr akquiriert und ausgewertet werden. Die durchschnittliche Kopfschmerzfrequenz lag bei 8,4 Tagen/Monat. Die Studienteilnehmer wurden vor Beginn des Beobachtungszeitraums hinsichtlich ihrer Kopfschmerzcharakteristika und ihres Koffeinkonsums befragt. Der Koffeinkonsum wurde ordinal skaliert erfasst (0 Portionen, 1–2 Portionen, 3–4 Portionen, 5+ Portionen). Eine Portion wurde als eine Tasse oder ein Glas üblicher Größe eines Getränks definiert. Kein Patient gab an 5+ koffeinhaltige Getränke pro Tag einzunehmen. Die übrigen Patienten berichteten 0 (n = 20), 1–2 (n = 65) oder 3–4 (n = 12) Portionen einzunehmen. Der Mittelwert der Kopfschmerztage pro Monat war bei 0 Portionen/Tag (7,1 Tage, 95 %CI: 5,1–9,2), 1–2 Portionen/Tag (7,4 Tage, 95 %CI: 6,1–8,7) und 3–4 Portionen/Tag (5,9 Tage, 95 %CI: 3,3–8,4) ähnlich. Auch die durchschnittliche Dauer der Kopfschmerzen (keine Portionen/Tag: 8,6 h, 95 %CI: 3,8–13,3; 1–2 Portionen/Tag: 8,5 h, 95 %CI: 5,5–11,5; 3–4 Portionen/Tag: 8,8 h, 95 %CI: 2,3–14,9) und Intensität (keine Portionen/Tag: 43,8, 95 %CI: 37,0–50,5; 1–2 Portionen/Tag: 43,1, 95 %CI: 38,9–47,4; 3–4 Portionen/Tag: 46,5, 95 %CI: 37,8–55,3) unterschieden sich nicht.


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Kommentar

Die Ergebnisse dieser pragmatischen Kohortenstudie sind interessant, da sie einen einfachen Zusammenhang zwischen chronischem Konsumkonsum und der Verschlechterung einer Migräne nicht widerspiegeln. Die Autoren schließen somit, dass nicht grundsätzlich vom Koffeinkonsum bei Patienten mit episodischer Migräne abgeraten werden sollte. Dies ist sicherlich einerseits für Liebhaber von koffeinhaltigen Getränken interessant. Anderseits, so betonen die Autoren, sind diese Daten beruhigend hinsichtlich des Gebrauchs koffeinhaltiger Akutmedikation, sofern die Grenzen eines Übergebrauchs nicht überschritten werden. Als Limitationen sind die ungleichen Gruppengrößen und das Fehlen eines höherwertigen interventionellen Studiendesigns zu nennen.

Robert Fleischmann, Greifswald

INFORMATION

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Exzellente Arbeit, die bahnbrechende Neuerungen beinhaltet oder eine ausgezeichnete Übersicht bietet

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Gute experimentelle oder klinische Studie

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Gute Studie mit allerdings etwas geringerem Innovationscharakter

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Studie von geringerem klinischen oder experimentellen Interesse und leichteren methodischen Mängeln

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Studie oder Übersicht mit deutlichen methodischen oder inhaltlichen Mängeln

Die Kopfschmerz-News werden betreut von der Jungen DMKG, vertreten durch Dr. Robert Fleischmann, Greifswald, Dr. Katharina Kamm, München (Bereich Trigemino-autonomer Kopfschmerz & Clusterkopfschmerz), Dr. Laura Zaranek, Dresden (Bereich Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen) und Dr. Thomas Dresler, Tübingen (Bereich Psychologie und Kopfschmerz).

Ansprechpartner ist Dr. Robert Fleischmann, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Unimedizin Greifswald, Ferdinand-Sauerbruch-Str. 1, 17475 Greifswald, Tel. 03834/86-6815, robert.fleischmann@uni-greifswald.de

Die Besprechungen und Bewertungen der Artikel stellen die Einschätzung des jeweiligen Autors dar, nicht eine offizielle Bewertung durch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.


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Publication History

Article published online:
11 June 2024

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