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DOI: 10.1055/a-2280-8966
Einstellung zur Insulinpumpentherapie bei Menschen mit Typ-1-Diabetes sechs Monate nach Umstellung im Vergleich zu mehrfach täglichen Insulininjektionen – Eine Beobachtungstudie
Attitudes towards insulin pump therapy in people with type 1 diabetes six months after switch versus multiple daily insulin injections – an observational trialClinical Trial: Registration number (trial ID): DRKS00011246, Trial registry: Deutsches Register für Klinische Studien., Type of Study:
- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Patientenstichprobe und Methodik
- Erhebungsmethoden – Der Insulin Pump Attitudes Questionnaire (IPA-Q)
- Statistische Analyse
- Ergebnisse
- Diskussion und Schlussfolgerung
- Literatur
Zusammenfassung
Hintergrund Obwohl die Insulinpumpentherapie (CSII) derzeit im Vergleich zur Insulininjektionstherapie eine deutlich physiologischere Methode der Insulinsubstitution darstellt, wenden in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern weniger Menschen mit einem Typ-1-Diabetes diese Therapieform an. Eine Bedeutung könnten hierbei psychologische Faktoren wie Erwartungen und Einstellungen gegenüber einer Insulinpumpentherapie zukommen. In dieser nicht-interventionellen Beobachtungsstudie wurden die Einstellungen zur Insulinpumpentherapie erwachsener Insulinpumpenträger 6 Monate nach Neueinstellung mit Erwachsenen mit einer mehrfachen täglichen Insulininjektionstherapie (MDI) verglichen.
Methoden Einstellungen zur CSII-Therapie wurden mit dem Insulin Pump Attitudes Questionnaire (IPA-Q) erfasst, sowohl bei Teilnehmern der YES-Studie, einer nicht-interventionellen Post Market Surveillance Study zur Effektivität und Sicherheit der mylife YpsoPump (ohne Hybrid-Closed-Loop Algorithmus (= CSII-Nutzer), als auch bei MDI-Anwendern der IPA-Q-Evaluierungsstudie.
Ergebnisse Es wurden die Fragebogendaten von n=191 Teilnehmern (CSII-Nutzer: n=81 Teilnehmer der YES-Studie; MDI-Nutzer: n=110 Teilnehmer der IPA-Q Evaluierungsstudie) ausgewertet. CSII-Nutzer, die eine mylife YpsoPump verwenden, standen 6 Monate nach der Neueinstellung oder Umstellung auf eine CSII-Therapie einer solchen signifikant positiver gegenüber als Nutzer einer MDI-Therapie, während gleichzeitig weniger Nachteile der Insulinpumpentherapie berichtet wurden.
Schlussfolgerungen Diese Studie zeigt eine hohe Relevanz psychologischer Faktoren für die Akzeptanz und Implementierung einer Insulinpumpentherapie. Strukturierte Diabetesschulungen für Menschen mit Typ-1-Diabetes und eine gute technische Einweisung bei Personen, die sich für eine Insulinpumpentherapie entschieden haben, können dazu beitragen, unrealistische Erwartungen und inadäquate negative Einstellungen zur Insulinpumpentherapie abzubauen.
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Abstract
Background Although insulin pump therapy (CSII) is currently the most physiological method of insulin delivery compared to insulin injection therapy, fewer people with type 1 diabetes in Germany use this form of therapy compared to other countries. Psychological factors such as expectations and attitudes towards insulin pump therapy could play a role in this respect. In this non-interventional observational study, attitudes of insulin pump users 6 months after starting insulin pump therapy respectively after switching to another insulin pump model were compared with those of people on multiple daily insulin injection (MDI) therapy.
Methods Attitudes towards CSII therapy were measured using the Insulin Pump Attitudes Questionnaire (IPA-Q), both in participants of the YES study, a non-interventional post market surveillance study on the effectiveness and safety of the mylife YpsoPump without hybrid-closed-loop algorithm (= CSII users), and in MDI users of the IPA-Q evaluation study.
Results The questionnaire data of n=191 participants (CSII users: n=81 participants of the YES study; MDI users: n=110 participants of the IPA-Q evaluation study) were analyzed. CSII users using a mylife YpsoPump were significantly more positive about CSII therapy 6 months after starting or switching to CSII therapy than MDI users, while fewer disadvantages of insulin pump therapy were reported.
Conclusions This study demonstrates in particular the high relevance of psychological factors for the acceptance and implementation of insulin pump therapy. Structured diabetes education for people with type 1 diabetes and good technical instruction for people who have opted for insulin pump therapy can help to reduce unrealistic expectations and inadequate negative attitudes towards insulin pump therapy.
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Schlüsselwörter
Typ-1-Diabetes - Insulinpumpentherapie CSII - Einstellungen - mehrere tägliche Insulininjektionen (MDI)Keywords
Type 1 Diabetes - continuous subcutaneous insulin pump therapy (CSII) - attitudes - multiple dialy insulin injections (MDI)Einleitung
Die kontinuierliche subkutane Insulininfusion (CSII) oder Insulinpumpentherapie wurde bereits in den 1970er Jahren eingeführt, um insbesondere bei Menschen mit Typ-1-Diabetes eine optimale Blutzuckereinstellung zu erreichen. Eine CSII ahmt die Insulinabgabe bei stoffwechselgesunden Menschen ohne Diabetes mellitus nach, indem über einen subkutanen Katheter kleine, prinzipiell variable Insulinmengen über den Tag verteilt abgegeben werden, um den basalen Insulinbedarf (Basalrate) zu decken. Variable Basalraten ermöglichen eine Anpassung an den individuell zirkadian schwankenden Insulinbedarf. Verschiedene Basalratenprofile ermöglichen zudem eine einfache Anpassung der Basalrate an besondere Situationen (z.B. körperliche Aktivität oder Infektionen). Das zu den Mahlzeiten benötigte Insulin (Insulinbolus) wird ebenfalls über den subkutanen Insulinkatheter verabreicht. Verschiedene Bolusvarianten ermöglichen die Anpassung an unterschiedliche Mahlzeiten (z.B. fettreiche oder ballaststoffreiche Kost). Während die Basalratenprofile vom Anwender vorprogrammiert werden, erfolgt die Abgabe der Insulinboli manuell. Inzwischen sind Insulinpumpen auch integraler Bestandteil sogenannter (Hybrid-) Closed-Loop-Systeme oder Automatischer Insulin-Dosiersysteme (AID), bei denen die Insulindosis anhand eines Algorithmus automatisch an den kontinuierlich gemessenen Glukosespiegel angepasst wird [1] [2] [3] [4].
Für Menschen mit Typ-1-Diabetes besteht ein breites Spektrum von Indikationen für eine Insulinpumpentherapie. Dazu gehören Probleme mit Unterzuckerungen, Schwangerschaft, flexibler Lebensstil mit wechselndem Insulinbedarf und hohe Insulinsensitivität mit sehr geringem Insulinbedarf. In Deutschland nutzen entsprechend des DPV-Registers 34,5% aller Menschen mit Typ-1-Diabetes eine Insulinpumpe [5], während dies in den USA nach den Daten des T1D-Exchange Registry bei fast doppelt so vielen Personen mit einem Typ-1-Diabetes (63,0%) der Fall ist [6]. Auch wenn beide Register hinsichtlich der Repräsentativität ihrer Daten aufgrund eines unterschiedlich hohen Erfassungsgrads von Menschen mit Diabetes nicht unmittelbar vergleichbar sind, deuten diese Ergebnisse auf eine höhere Nutzung von Insulinpumpen in den USA im Vergleich zu Deutschland bei Erwachsenen mit einem Typ-1-Diabetes hin. Eine seit 2018 jährlich stattfindende Befragung von Ärzt:innen und Diabetesberater:innen zur Nutzung einer Insulinpumpentherapie in Deutschland zeigt ebenfalls eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Anteil von Menschen mit einem Typ-1-Diabetes, bei denen Diabetolog*innen eine Insulinpumpentherapie für indiziert halten (71,1%) und bei denen eine solche Therapie (33,4%) tatsächlich eingesetzt wird [7] [8]. Auch zeigt der Trend der Nutzung von Insulinpumpen in Deutschland, dass sich die Nutzungsrate von Insulinpumpen nur unwesentlich gesteigert hat [8] [9]. Dieser Trend ist vor dem Hintergrund zu bewerten, dass Registerdaten in der klinischen Praxis niedrigere HbA1c-Werte bei geringen Akutkomplikationen wie schwere Hypoglykämien oder diabetische Ketoazidosen bei Insulinpumpennutzern zeigen [10]. Somit ist in Deutschland davon auszugehen, dass nicht alle Menschen mit Typ-1-Diabetes, die von einer Insulinpumpentherapie profitieren könnten, diese Behandlungsform auch tatsächlich erhalten. John Pickup hat bereits 2012 für dieses Phänomen den Begriff „underuse of insulin pump therapy“ geprägt [1].
Fragt man nach den Ursachen dieser Situation, so spielen hierfür einerseits organisatorische und regulatorische Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. So bietet nicht jede Diabeteseinrichtung eine Insulinpumpentherapie an, da der Aufwand für die Einstellung als relativ hoch eingeschätzt oder in einigen Regionen Deutschlands die Honorierung als zu gering eingeschätzt wird. Auch stehen manchmal die Krankenkassen aus Kostengründen einer CSII-Therapie eher ablehnend gegenüber, was dann für die Diabeteseinrichtung häufig auch einen Mehraufwand im Hinblick auf Gutachtenerstellung und Verordnung bedeutet. Zum anderen können aber auch psychologische Faktoren auf Anwender- und/oder Verordnerseite, wie die wahrgenommenen Vorteile oder Nachteile einer Insulinpumpentherapie, zur Nutzung respektive Nicht-Nutzung dieser Therapieform beitragen [11] [12] [13]. Als relevante psychologische Faktoren, die mit der Nutzung einer Insulinpumpentherapie assoziiert sind, haben sich beispielsweise ein subjektiv wahrgenommener negativer Einfluss auf das Körperbild oder das Gefühl einer zu großen Abhängigkeit von der Technologie als Barrieren der Nutzung dieser Therapieoption herauskristallisiert [14]. Solche negativen Einstellungen können sogar dazu führen, dass Personen eine begonnene Insulinpumpentherapie auch wieder beenden [15]. Umgekehrt können positive Erwartungen gegenüber einer Insulinpumpentherapie, wie eine höhere Flexibilität im Alltag, die Erwartung einer besseren glykämischen Kontrolle oder eine gute Funktionalität bzw. Bedienungsfreundlichkeit inklusive höherer Diskretion der Insulinpumpe eine Nutzung fördern [14]. Die Einbeziehung der Perspektive von Menschen mit Diabetes zum individuellen Nutzen respektive möglicher Nachteile einer Insulinpumpentherapie ist daher wichtig, um Personen, die von einer Insulinpumpentherapie profitieren würden, zu ihrer Nutzung zu motivieren [11] [12]. Ein Vergleich von Einstellungen zur Insulinpumpentherapie bei Nutzern und Nicht-Nutzern einer Insulinpumpentherapie kann ein besseres Verständnis für die Bedeutung dieser Einstellungen für eine erfolgreiche Insulinpumpentherapie ermöglichen. Ebenso können Neunutzer einer Insulinpumpentherapie gezielter bei der Initiierung dieser Therapie unterstützt werden, falls Barrieren zu deren Nutzung sehr ausgeprägt sind.
Um die Frage nach der Relevanz dieser wahrgenommenen Vor- und Nachteile einer Insulinpumpentherapie für die Nutzung bzw. Nichtnutzung einer Insulinpumpentherapie zu beantworten, wurden die Fragebogenergebnisse einer Studie mit Insulinpumpenträgern, die von einer Insulininjektionstherapie auf eine mylife YpsoPump umgestellt wurden bzw. von einer anderen Insulinpumpe auf die mylife YpsoPump gewechselt haben [16], mit den entsprechenden Ergebnissen von Personen mit einer intensivierten Insulininjektionstherapie (multiple daily injections, MDI) verglichen. Durch diesen Vergleich konnten wir zum einen die Einstellungen zur Insulinpumpentherapie von Insulinpumpennutzern mit denen von MDI-Nutzern vergleichen. Zum anderen konnten wir analysieren, ob sich die Einstellungen von Neunutzern einer Insulinpumpe von denen erfahrener Nutzer dieser Therapieform unterscheiden. Damit können in der klinischen Praxis möglicherweise frühzeitig Barrieren oder inadäquate Erwartungen von Neulingen oder erfahrenen Insulinpumpennutzern identifiziert werden, die dann im Rahmen einer Schulung oder Beratung thematisiert werden können.
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Patientenstichprobe und Methodik
Es handelt sich hier um eine kombinierte Stichprobe zweier Beobachtungsstudien. Bei der YES-Studie handelte es sich um eine Post Market Surveillance–Studie an Insulinpumpenträgern zur Effektivität und Sicherheit der mylife YpsoPump und Orbit-Infusionsset. Mehr als 80% der Studienteilnehmer verwendeten eine flexible Kunststoffkanüle, ein Studienteilnehmer nutzte sowohl eine Kunststoff- als auch eine Stahlkanüle und sieben machten keine Angaben zum Infusionsset. Teilnehmer der YES-Studie waren Menschen mit einem Typ-1-Diabetes, die zwischen dem 21.06.2016 und dem 06.07.2020 von einer MDI-Therapie oder von einer bereits bestehenden CSII-Therapie auf eine Ypsomed-Insulinpumpe (mylife YpsoPump) umgestellt wurden. In der YES-Studie wurden der HbA1c-Wert, Sicherheitsoutcomes als auch Einstellungen zur Insulintherapie mittels des IPA-Q über einen Follow-up-Zeitraum von 12 Monaten erfasst. Der primäre Endpunkt waren die Veränderungen zum 6-Monats-Follow-up. Weitere Information zur YES-Studie finden sich im Deutschen Register für Klinische Studien unter der Identifikationsnummer DRKS00011246. In der Evaluierungsstudie des IPA-Q füllten Menschen mit Typ-1-Diabetes und einer MDI-Therapie in der Zeit zwischen dem 01.03.2018 und 30.04.2018 im Rahmen einer Online-Befragung diesen Fragebogen aus.
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Erhebungsmethoden – Der Insulin Pump Attitudes Questionnaire (IPA-Q)
Der IPA-Q erfasst mit 26 Items auf 6 Skalen wahrgenommene oder erwartete Vor- und Nachteile einer Insulinpumpentherapie. Die einzelnen Items dieser Skalen bzw. Bereiche sind als Aussagen bzw. Einstellungen formuliert, denen die Teilnehmer zustimmen oder die sie ablehnen können. Die Beantwortung erfolgt auf einer 5-stufigen Likert-Skala (0 = völlige Ablehnung bis 4 = völlige Zustimmung). Für jede Skala wurden Skalenmittelwerte berechnet. Ein hoher Wert auf den vier Skalen zu den erwarteten Vorteilen (Blutzuckerkontrolle, Flexibilität, Benutzerfreundlichkeit, Funktionalität) zeigt eine eher positive Einstellung zur CSII-Therapie an, während ein hoher Wert auf den beiden Skalen zu den erwarteten Nachteilen (Technikabhängigkeit, gestörtes Körpergefühl) eine eher negative Einstellung anzeigt. Nach Umkehrung der Werte mit negativen Erwartungen wurde durch Mittelwertbildung über alle Aussagen ein Gesamtwert gebildet. Ein hoher Wert deutet auf eine positive Einstellung zur CSII-Therapie hin, ein niedriger Wert entsprechend auf eine negative Einstellung. Die Reliabilität der Fragebogenskalen kann mit einem Cronbach Alpha zwischen 0,69 und 0,86 als gut bis befriedigend bewertet werden. Die Validität des Fragebogens konnte in der psychometrischen Evaluationsstudie ebenfalls nachgewiesen werden. Für weitere Details siehe Bergis et al. [14].
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Statistische Analyse
Nach Zusammenführung der beiden Datensätze wurden mittels T-Tests für unabhängige Stichproben mögliche Unterschiede zwischen Insulinpumpenträgern und Personen mit intensivierter Insulininjektionstherapie analysiert. Dazu wurden die Daten der MDI-Stichprobe mit den Daten der YES-Studie zum Zeitpunkt der Nachbeobachtung nach 6 Monaten (primärer Endpunkt der YES-Studie) verglichen.
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Ergebnisse
Demografische Daten
[Tab. 1] zeigt die demografischen Daten der Teilnehmer der YES-Studie (Anwender einer CSII-Therapie) und der Teilnehmer der Validierungsstudie des IPA-Fragebogens (Anwender einer MDI-Therapie).
Die beiden Studienpopulationen mit unterschiedlichen Therapieformen (CSII-Anwender vs. MDI-Anwender) sind hinsichtlich der demografischen Variablen Alter, Geschlecht, BMI recht gut vergleichbar. Hinsichtlich der Diabetesdauer und des HbA1c-Wertes unterscheiden sich die beiden Gruppen jedoch signifikant. Bei dem Vergleich zwischen Neu-Nutzern einer Insulinpumpe und erfahrenen Insulinpumennutzern zeigten sich keine signifikanten Unterscheide zwischen diesen beiden Subgruppen.
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Einstellungen zur Insulinpumpentherapie
[Tab. 2] zeigt die Ergebnisse zu den Einstellungen zur Insulinpumpentherapie von Insulinpumpenträgern und MDI-Therapierten, die mit dem IPA-Q erhoben wurden.
Es zeigen sich signifikante Unterschiede in der Einstellung zur Insulinpumpentherapie zwischen CSII- und MDI-Therapierten. In allen Skalen – mit Ausnahme der Funktionalität – und im Gesamtscore zeigt sich, dass Anwender einer Insulinpumpentherapie diese signifikant positiver bewerten als Anwender einer MDI-Therapie. Anwender einer Insulinpumpentherapie sehen in der Anwendung einer Insulinpumpe mehr Vorteile hinsichtlich einer Verbesserung der Blutzuckerkontrolle, eine höhere Flexibilität im Alltag sowie eine höhere Benutzerfreundlichkeit im Vergleich zu Anwendern einer MDI-Therapie. Letztere erwarten von einer CSII-Therapie auch signifikant mehr Nachteile hinsichtlich einer Beeinträchtigung des Körperselbstbildes und der Abhängigkeit von der Technik. Die Tatsache, dass die Nutzer einer MDI-Therapie signifikant höhere Werte hinsichtlich der Funktionalität aufweisen, also tendenziell positivere Erwartungen an eine CSII-Therapie haben als die Nutzer einer CSII-Therapie, könnte dahingehend interpretiert werden, dass die Erwartungen an den Nutzen dieser Technik möglicherweise zu hoch sind und sich in der Realität nicht vollständig bestätigen. Bei der Subgruppenanalyse von Neunutzern der Insulinpumpe und erfahrenen Nutzern zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.
Die Unterschiede zwischen den MDI- und den Insulinpumpen-Nutzern sind hoch und reichen von 0,56 bis 1,41. Bei einer Skala von 0 bis 4 entspricht dies immerhin zwischen 14% und 35% des gesamten Skalenbereichs. Diese Effektstärke wird auch durch die Effektstärkenanalyse bestätigt ([Abb. 1]). Die Effektstärken (Mittelwertdifferenz standardisiert mit Standardabweichung – Cohen’s d) sind als groß einzustufen, da ein Cohen’s d über 0,5 als große Effektstärke gilt [17]. Ein entsprechender Vergleich von Neunutzern und erfahrenen Nutzern einer Insulinpumpentherapie zeigt deutlich geringere Effektstärken, die alle im Bereich zwischen 0,09 und 0,44 liegen und somit als „gering“ bis „mittel“ einzustufen sind.
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Diskussion und Schlussfolgerung
In dieser Studie wurden die Einstellungen zur Insulinpumpentherapie von Anwendern einer CSII-Therapie mit den Einstellungen bzw. Erwartungen von Anwendern einer MDI-Therapie verglichen. Dieser Vergleich zeigt, dass die Anwender einer CSII-Therapie in allen Bereichen bzw. Aspekten – mit Ausnahme der Funktionalität – eine durchweg positivere Einstellung zur CSII-Therapie haben als die Anwender einer MDI-Therapie. Die beiden Gruppen unterscheiden sich nicht signifikant hinsichtlich demografischer Variablen (Alter, Geschlecht) und werden als gut vergleichbar angesehen. Signifikante Unterschiede zeigten sich jedoch im HbA1c und in der Diabetesdauer. MDI-Anwender hatten einen besseren HbA1c-Wert und eine längere Diabetesdauer. Dies könnte ein Hinweis auf die Genehmigungspraxis in Deutschland sein, nach der eine Insulinpumpentherapie vor allem dann genehmigt wird, wenn die Therapieziele (HbA1c) mit einer MDI-Therapie nicht erreicht werden, sodass Personen mit einer fortgesetzten Insulininjektionstherapie im Durchschnitt bessere HbA1c-Werte als Insulinpumpenträger haben können. Eine Subgruppenanalyse zwischen Neunutzern und erfahrenen Nutzern einer Insulinpumpe zeigte keine signifikanten Unterschiede.
Personen mit einer MDI-Therapie schätzen den Nutzen einer Insulinpumpentherapie systematisch geringer ein als Personen mit einer neu begonnenen oder bereits bestehenden Insulinpumpentherapie. Gleichzeitig nehmen Personen mit einer MDI-Therapie subjektiv mehr Barrieren gegenüber einer Insulinpumpentherapie wahr als Personen mit Insulinpumpentherapie. Neben der oben beschriebenen Bewilligungspraxis der Insulinpumpentherapie können solche Unterschiede in der Wahrnehmung der Insulinpumpentherapie bei Personen mit einer MDI-Therapie eine weitere Ursache dafür sein, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes die Insulinpumpentherapie seltener nutzen als eigentlich indiziert wäre. Die beobachteten, relativ hohen Unterschiede der Fragebogenwerte zwischen den beiden Nutzergruppen von 14% bis 35% des gesamten Skalenbereichs sowie die hohe Effektstärke der Gruppenunterschiede mit einer standardisierten Mittelwertdifferenz von 0,5 bis 1,4 Standardabweichungen sprechen gleichzeitig dafür, dass solche Unterschiede nicht nur statistisch signifikant, sondern auch von klinischer Relevanz sind. Die entsprechenden Effektstärken in der Subgruppenanalyse, in der zwischen neuen und erfahrenen Insulinpumpennutzern unterschieden wurde, waren mit standardisierten Mittelwertdifferenzen zwischen 0,09 und 0,44 deutlich geringer. Der Unterschied zwischen MDI-Anwendern und Insulinpumpennutzern scheint also deutlich größer zu sein als zwischen neuen und erfahrenen Insulinpumpennutzern. Dies könnte auf einen gewissen Selektionseffekt hindeuten, wonach sich vor allem Personen mit einer bereits positiveren Einstellung zur Insulinpumpentherapie für diese Therapieform entscheiden und sich diese Einstellungen nicht erst im Laufe einer längeren Insulinpumpenanwendung herausbilden.
Bei der Interpretation der Ergebnisse sind verschiedene Einschränkungen dieser Analyse zu beachten. Teilnehmer der YES-Studie verwenden ausschließlich die mylife YpsoPump, was eine Verallgemeinerung der Ergebnisse auf andere Insulinpumpenmodelle nicht erlaubt. Ebenso wenig kann der Umkehrschluss gezogen werden, dass die wahrgenommenen Vorteile und die geringere Bewertung der Nachteile durch die Insulinpumpennutzer ausschließlich mit der mylife YpsoPump erreicht werden können. Allerdings sind die Ergebnisse der Nutzer einer mylife YpsoPump in der YES-Studie recht gut vergleichbar mit den Ergebnissen der CSII-Nutzer in der IPA-Q-Evaluationsstudie [14], was einen pumpenmodell-spezifischen Effekt zur Erklärung der beobachteten Ergebnisse eher unwahrscheinlich macht.
Bezüglich der Subgruppenanalyse, in der neue und erfahrene Anwender einer Insulinpumpentherapie verglichen wurden, stellt natürlich die geringe Größe dieser beiden Subgruppen eine wesentliche Einschränkung dar, da dadurch die statistische Power zur Entdeckung potenzieller Subgruppenunterschiede naturgemäß recht gering ist. In der Teilstichprobe der MDI-Anwender ist möglicherweise ebenfalls ein Selektionsbias wirksam. Diese Personen erreichen mit ihrer bestehenden MDI-Therapie eine durchaus gute Blutzuckerkontrolle und stehen ihrer praktizierten Therapieform vermutlich positiver gegenüber als Patienten mit Typ-1-Diabetes, die mit einer MDI-Therapie keine ausreichend gute Stoffwechseleinstellung erreichen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Nutzer einer mylife YpsoPump die Insulinpumpentherapie durchweg positiver wahrnehmen als Personen mit einer MDI-Therapie. Vor dem Hintergrund, dass deutlich mehr Menschen mit Diabetes von einer Insulinpumpentherapie profitieren würden (Indikationsstellung) als tatsächlich eine Insulinpumpentherapie durchführen, kann eine negativere Einstellung zur bzw. eine geringere positive Erwartung an eine CSII-Therapie bei Anwendern einer Insulininjektionstherapie eine wesentliche Barriere für die Nutzung bzw. Umstellung auf eine CSII-Therapie darstellen und zum Phänomen der Unterversorgung mit einer CSII-Therapie beitragen. Diabetesschulungen für Menschen mit Typ-1-Diabetes und eine gute technische Einweisung bei Personen, die sich für eine CSII-Therapie entschieden haben, können dazu beitragen, unrealistische Erwartungen und inadäquate negative Einstellungen zur CSII-Therapie abzubauen.
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Interessenkonflikt
Prof. Dr. Norbert Hermanns berichtet Honorare als Mitglied von Advisory Boards bei Abbott Diabetes Care, Ypsomed und Insulet sowie Honorare für Vorträge von Berlin Chemie AG, Becton Dickenson. Sanofi Deutschland und Roche Diabetes Care und Dexcom, Deutschland. PD Dr. Dominic Ehrmann berichtet Honorare als Beiratsmitglied von mySugr, Dexcom Deutschland und Roche Diabetes Care sowie Honorare für Vorträge von Berlin Chemie AG, Dexcom, Deutschland und Roche Diabetes Care. Bernhard Kulzer berichtet Honorare als Beiratsmitglied von Abbott Diabetes Care, Embecta, Roche Diabetes Care, Novo Nordisk, Berlin Chemie AG und Dexcom Deutschland sowie Honorare für Vorträge von Sanofi Deutschland, Novo Nordisk, Abbott Diabetes Care, Roche Diabetes Care, Berlin Chemie AG, Embecta, Dexcom und Feen. Außerdem berichtet er über Reisekosten und Honorare für wissenschaftliche Tagungen von Sanofi, Roche und Berlin Chemie sowie über unentgeltliche Verpflichtungen als Workshopleiter und Mitglied von Arbeitsgruppen der Deutschen Diabetes-Gesellschaft. Dr. med. & dipl. El.-Ing. ETH Lucas Kalt ist seit 2014 bei Ypsomed angestellt, ab 2018 als Medical Director, davor 8 Jahre bei Roche Diabetes Care und 3 Jahre bei Disetronic, Schweiz Prof. Dr. med. Jochen Seufert erhielt Honorare und/oder Reisekostenerstattung für Vorträge und/oder Beratung und/oder Schriftleitung für Fachzeitschriften und oder Publikationen und/oder Sponsoring für Fortbildungsveranstaltungen und/oder Forschungsförderung von Abbott, Amgen, AstraZeneca, Bayer, Berlin Chemie, Boehringer Ingelheim, Bristol Myers Squibb, Camurus, esanum, Falk Foundation, GI-Dynamics, Glaxo Smith Kline, Ipsen, Janssen, LifeScan, Lilly, Merck Sharp Dohme, MedScape, Mundipharma, Novartis, Novo Nordisk, Omniamed, Pfizer, Roche, Sanofi Aventis, SCIARC, Servier, Springer Medizin Verlag, SYNLAB Akademie, Takeda, Thieme Verlag, Ypsomed
-
Literatur
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Korrespondenzadresse
Publikationsverlauf
Eingereicht: 19. Dezember 2023
Angenommen nach Revision: 08. Februar 2024
Artikel online veröffentlicht:
04. Oktober 2024
© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).
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