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DOI: 10.1055/a-2282-7993
Schnellkraft: eine vernachlässigte Determinante der körperlichen Funktionsfähigkeit
- Bedeutung der Muskulatur
- Begriffsklärung
- Schnellkraft und Maximalkraft als Determinanten der körperlichen Funktionsfähigkeit
- Evidenz aus klinischen Studien
- Adverse Events
- Umsetzung des Trainings
- Diskussion
- Literatur
Bedeutung der Muskulatur
Eine gut koordinierte Kontraktion von Muskeln und der Übertrag der hierbei erzeugten Kraft auf das Skelett stellt die Grundlage jeder harmonischen, menschlichen Bewegung dar. Die Muskelgesundheit bzw. die Gesundheit des gesamten neuromuskulären Systems ist hierbei die zentrale Determinante. Mit dem Alter kommt es jedoch zu Veränderungen verschiedener Qualitätsparameter des neuromuskulären Systems und damit auch zu einer Abnahme der Bewegungsqualität. Diese altersbedingten Veränderungen beginnen, wie Russ und Kollegen in ihrer Übersichtsarbeit darstellen [1], bereits bei zentralnervösen Prozessen wie einer geringeren Aktivierung der Neuronen im Motorkortex. Vom Motorkortex ausgehend wird festgelegt, wie viele und wie koordiniert die Alphamotoneurone aktiviert werden sollen (Intramuskuläre Koordination) und hierdurch, wie viele Aktionspotenziale tatsächlich an der Muskulatur ankommen und eine Kontraktion bewirken. Sowohl in Kadaverstudien als auch in Studien mit bildgebenden Verfahren wurde gezeigt, dass der primäre Motorkortex (M1) von Personen über 65 Jahre und ohne neurologische Auffälligkeiten ein niedrigeres Volumen, eine geringere Zellkörperdichte und eine geringere Vernetzung der Neuronen aufweist. Neben diesen strukturellen Faktoren gibt es auch altersassoziierte neurochemische Veränderungen in den für die Motorik verantwortlichen Arealen des Gehirns. So zeigen verschiedene Arbeiten eine beeinträchtigte Neurotransmission, wie sie, selbstredend in extremster Ausprägung, von neurologischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson bekannt sind.
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Auch die motorischen Einheiten sind von altersassoziierter Degeneration nicht verschont und nehmen in ihrer Gesamtzahl mit steigendem Alter ab. Dies hat zur Konsequenz, dass pro Motorneuron mehr Muskelfasern innerviert werden müssen und letztere hierdurch schlechter koordiniert sind. Auch werden morphologische Veränderungen wie eine stärkere Verzweigung der präsynaptischen Axone und eine Verringerung der postsynaptischen Rezeptorendichte der motorischen Endplatte berichtet. Diese Faktoren schlagen sich in einem größeren Kraftdefizit nieder, d. h. die Differenz aus willkürlich erzeugbarer Kraft und durch zusätzliche elektrische Stimulation erzeugter Kraft. Durch Reflexmessungen konnte darüber hinaus eine altersassoziierte, niedrigere Erregbarkeit monosynaptischer Reflexe nachgewiesen werden, was ebenfalls einen Indikator für die Effizienz zumindest des caudalen Teils des neuromuskulären Systems darstellt.
Auf der Seite der Muskelmorphologie kommt es ebenfalls zu verschiedenen altersbedingten Veränderungen, die sich unmittelbar auf die Muskelqualität auswirken. So zeigen Daten von über 1.600 Probanden, dass ab einem Alter von etwa 70 Jahren mit einer Reduktion der Muskelmasse von 1% pro Jahr bei Männern und 0,65% bei Frauen zu rechnen ist [2]. Diese Veränderung könnte vor allem auf den Verlust der schnellzuckenden Typ II Muskelfasern und der reduzierten Verfügbarkeit von Satellitenzellen zurückzuführen sein [3]. Wilkinson et al. diskutieren in ihrer spannenden Übersichtsarbeit darüber hinaus grundsätzliche muskelmetabolische Veränderungen und sprechen von einer altersassoziierten anabolen Resistenz, die sich dadurch auszeichnet, dass der Abbau von Muskelproteinen die Proteinbiosyntheserate übersteigt, wovon insbesondere Typ II Fasern betroffen sind [4]. Neben dem Muskel können auch die Sehnen von altersassoziierten Veränderungen betroffen sein, wie Svensson und Kollegen in ihrer Übersichtsarbeit illustrieren, jedoch liegen hier noch relativ wenige und zum Teil auch widersprüchliche Daten vor [5].
Durch Krankheit und Medikation können diese negativen Entwicklungen zusätzlich beschleunigt werden und in schwerwiegenden Implikationen münden, wie im von Verbrugge & Jette als „Disablement Prozess“ bezeichneten Prozess illustriert wird [6], der letztens in Behinderung mündet. Verbrugge & Jette gliedern diesen Prozess in 4 Phasen ([Abb. 1]).
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Dieser altersassoziierte Verlust an körperlicher Funktionsfähigkeit deckt sich gut mit den Befunden in der Literatur, aber natürlich auch mit den Alltagserfahrungen. Manche Studien geben darüber hinaus allerdings auch an, dass sich dieser Trend mit zunehmendem Alter beschleunigt [7] [8], wohingegen andere Studien dies verneinen und eher einen kontinuierlichen Abbau dokumentieren [9] [10]. Ungeachtet des tatsächlichen Trends kann dieser Funktionsverlust zumindest zum Teil durch eine Reduktion der Kraftfähigkeit begründet werden [11], was zur in [Abb. 1] dargestellten Kette führt, die unmittelbar in der Handlungsempfehlung mündet, die Kraftfähigkeit durch Krafttraining zu verbessern. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang jedoch, welche Kraftfähigkeit hier insbesondere zu adressieren ist. Die gewaltige Datenlage, die inzwischen zu den Effekten des Krafttrainings vorliegt, hat gezeigt, dass die Effekte immer dann am größten ausfallen, wenn die Evaluationsanforderungen ähnlich denen des Trainings sind. So wird sich ein intensives Krafttraining in großen Anstiegen des 1RM bemerkbar machen, wohingegen ein extensives Kraftausdauertraining, vor allem die Muskelausdauer anspricht und vergleichsweise weniger effektiv das 1RM verändert [12]. Diese Beobachtungen implizieren, dass das Krafttraining so gestaltet werden sollte, dass jene Kraftfähigkeiten trainiert werden, die den größten Übertrag in den Alltag besitzen. Betrachtet man konkret die oben angeführten strukturellen und funktionellen Veränderungen der Skelettmuskulatur, wird deutlich, dass hier insbesondere die Leistungsdeterminanten für schnelle Bewegungen betroffen sind (z. B. intramuskuläre Koordination, Typ II Muskelfasern). Hieraus lässt sich die Hypothese ableiten, dass insbesondere jener Dimension der Kraftfähigkeit, welche mit schnellen Bewegungen assoziiert ist, die Schnellkraft (im englischen häufig als Power bezeichnet), für ältere Menschen ein besonderer Stellenwert zukommt.
Begriffsklärung
Wie so oft unterliegen sportwissenschaftliche Begriffe keiner einheitlichen und erschöpfenden Definition, sondern werden zum Teil mit abweichendem Verständnis bzw. in Abhängigkeit von der bewegungswissenschaftlichen Betrachtungsweise benutzt [13]. Dies haben wir im Kontext der Kraft bereits an anderer Stelle diskutiert [14]. Diese Uneinheitlichkeit wird im Kontext der „Power“ allerdings noch deutlicher.
Aus einer streng (bio-)mechanischen Betrachtungsweise beschreibt das englische Wort Power die in einer bestimmten Zeit verrichteten Arbeit und entspricht dem deutschen Begriff der Leistung (gemessen in Watt). Alternativ kann die Leistung auch als Produkt aus Kraft und Geschwindigkeit bezeichnet werden.
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Leistung (P)=Arbeit (J)/Zeit (t)
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Leistung (P)=Kraft (F)*Geschwindigkeit (v)
Da bei jeder kraftinduzierten Bewegung (Bewegung ist hier (bio-)mechanisch als Ortsveränderung zu verstehen) eine Geschwindigkeit erreicht wird, liegt dieser konsequenterweise auch eine klar messbare Leistung („Power“) zugrunde. Daher kann es aus (bio-)mechanischer Betrachtung als wenig sinnvoll erachtet werden, von Powertraining, Poweraktionen oder Powersports zu sprechen. Darüber hinaus erfolgt der Einsatz des Powerbegriffs in der Literatur sehr unspezifisch und häufig unter Vernachlässigung biomechanischer Modelle sowie einer fehlenden Spezifizierung, was mit Power ganz genau gemeint ist: „Many specific qualifiers (internal/external, average/peak, movement phase) and measurement (model, instruments and calculations) details must be explicitly documented to talk meaningfully about the mechanical power in human movements“. (S.1904) [15]. Hinzu kommt, dass die Maximierung des mechanischen Poweroutputs und mit Power assoziierte sportliche Bewegungen nicht miteinander vereinbart werden können. Knudsen (S. 1903) hierzu: „There is no one-to-one correspondence between maximizing mechanical power output of the body and certain sport movements, so the colloquial use of the term power as a unique performance neuromuscular performance characteristic is not consistent with the true definition of power“.
Spricht man über Musclepower und Powertraining, müssen diese Limitationen klar sein. Aus praktischen Gründen – und dies geht aus dem Zitat auch hervor – kann es nützlich sein, sich vom streng und konsequenterweise korrekten Power-Begriff im Kontext der (bio-)mechanischen Betrachtungsweise etwas lösen und stattdessen eine differenziellmotorische Kraftdimension zu wählen, der eine fähigkeitsorientierte Definition zugrunde legt, d. h. eine Definition, welche die interne Kontrolle und Steuerungsprozesse berücksichtigt („neuromuscular performance characteristic“), um interindividuelle Leistungsunterschiede zu erklären. Kraemer und Looney erklären den fähigkeitsorientierten Powerbegriff beispielsweise mit: „The underlying basis of power is the optimal recruitment of motor units that allow for the needed force at a given velocity of movement“(S.13) [16]. Natürlich finden sich in dieser Definition auch mechanische Elemente wieder, die wir oben bereits diskutiert haben; Power im Zusammenhang von Kraft und Geschwindigkeit. Die sportwissenschaftliche Nomenklatur im deutschsprachigen Raum liefert mit der Schnell-, Explosiv- und Reaktivkraft Subdimensionen der Kraftfähigkeit, die alle mehr oder weniger mit der obigen Definition von Kraemer und Looney vereinbar sind; günstige Lösungen, die ohne die strenge Bindung an mechanische Gesetzmäßigkeiten auskommen. Im Folgenden wird der englische Powerbegriff daher durch Schnellkraft ersetzt. Dies stellt an vielen Stellen sicherlich eine unzureichende Vereinfachung des Sachverhaltes dar, welche wir aus praktischen Gründen hier allerdings als gerechtfertigt sehen.
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Schnellkraft und Maximalkraft als Determinanten der körperlichen Funktionsfähigkeit
Hinsichtlich des Zusammenhangs der verschiedenen Kraftfähigkeiten und der körperlichen Funktionsfähigkeit existieren verschiedene empirische Belege. In ihrem Review illustrieren Reid und Fielding die besondere Stellung der Schnellkraft neben anderen motorischen Beanspruchungsformen [17]. So berichten die Autoren durchgängig höhere Korrelationen zwischen verschiedenen funktionellen Tests (Treppensteigen, verschiedene Chair-Stand-Test, Ganggeschwindigkeit, Testbatterien wie die Short Phyiscal Performance Battery (SPPB)) und der Schnellkraft verglichen mit der Maximalkraft. In einer im Review zitierten Arbeit wurde an über 1000 Teilnehmern beobachtet, dass eine niedrige Schnellkraft der Beinstreckerkette mit einem doppelt bis dreifach höheren Risiko für Bewegungseinschränkungen einhergeht als eine niedrigere Maximalkraft. Bean [22] Reid und Fielding heben dabei allerdings auch hervor, dass es nicht unerheblich ist, wie die Schnellkraft gemessen wurde und dass den eingeschlossenen Arbeiten substanzielle Unterschiede in der Methodik zugrunde liegen. Beispielsweise spielt die relative Intensität eine entscheidende Rolle, bei der die Leistung erzeugt wird. So zeigt sich die bei 40%-1RM gemessene Leistung jener bei 70%-1RM im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit überlegen.
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Evidenz aus klinischen Studien
Inzwischen liegt eine große Studienlage vor, in welcher die Wirksamkeit von Schnellkrafttraining betrachtet wurde. Beispielsweise schlossen Balachandran et al. in ihrer Übersichtsarbeit und Meta-Analyse Studien ein [18], in denen ältere Menschen rekrutiert wurden, welche an einer mindestens sechswöchigen Krafttrainingsintervention teilnahmen. Das Schnellkrafttraining war so definiert, dass die Widerstände während des Krafttrainings schnellstmöglich überwunden werden sollten. Verglichen wurden die so definierten Interventionsformen mit konventionellen Krafttrainingsgruppen. Als primärer Endpunkt wurden die körperliche Funktionsfähigkeit definiert, wozu neben selbst berichteter körperlicher Funktionsfähigkeit auch motorische Tests (z. B. Chair-Rise-Test) oder motorische Testbatterien (z. B. SPPB) zählten. Darüber hinaus wurden verschiedene sekundäre Endpunkte erhoben, wobei wir uns im vorliegenden Journal Club nur auf die primären Endpunkte und die Adverse Events konzentrieren werden. Insgesamt konnten 20 Parallelgruppen-RCTs identifiziert werden, die in die Übersichtsarbeit eingeschlossen wurden. Die Studien verfügten mit einer medianen Probandenzahl von n=12 (Range: 8–20) in den Schnellkraftarmen bzw. n=13 (Range: 7–25) im konventionellen Trainingsarm über relativ kleine Stichproben. Die Gesamtzahl der metaanalysierten Personen liegt bei 566 Personen mit einem mittleren Alter von 70,1 Jahren (SD=4,8). Hinsichtlich der Geschlechterverteilung waren knapp 2/3 der Teilnehmer Frauen (n=368, 65%). Der mittlere BMI in den Studien variierte zwischen 21 und 30, in 14 Studien wurden Menschen mit guter körperlicher Funktionsfähigkeit eingeschlossen, in 6 Studien Personen mit niedriger bis moderater körperlicher Funktion. Über alle motorischen Funktionstests hinweg (TuG, verschiedene Chair-Rise-Tests, SPPB, Treppensteigen) zeigten sich statistisch signifikante Überlegenheiten des Schnellkrafttrainings (d=0,30, 95% KI=0,05, 0,54) bei mittlerer Heterogenität (I2=48). In den Analysen zu den einzelnen Tests zeigte sich im TuG-Test ein mittlerer Effekt von d=0,34 (95% KI=0,04; 0,63), beim Treppensteigen ein vergleichbarer Effekt von d=0,32 (95% KI=0,11; 0,52) und über die Chair-Rise-Tests ein im Mittel etwas geringerer Effekt von d=0,13 (95% KI=− 0,06; 0,32). Bezüglich der selbst berichteten körperlichen Funktionsfähigkeit lagen lediglich vier Werte aus 3 Studien und 85 Teilnehmern vor. Auch hier zeigte sich ein im Mittel mit dem obigen Wert vergleichbarer Effekt von d=0,38 (95% KI=− 0,62; 1,37), durch die kleine Zahl der Datenpunkte und die moderate Heterogenität der einzelnen Schätzer (I2=32%) wurde das statistische Signifikanzniveau hier allerdings verfehlt. Anhand von Meta-Regressionen untersuchten die Autoren die Effekte zudem auf potenzielle Einflussfaktoren. Hinsichtlich personenbezogener Faktoren wie Alter, BMI und Geschlecht konnten keine Effekte identifiziert werden, allerdings zeigte sich, dass die Trainingsfrequenz einen positiven Einfluss auf den Effekt besitzen könnte d=0,36 (95% KI=− 0,01; 0,73). Durch die kleine Stichprobengröße und den großen Risk of Bias der einzelnen Studie, sahen sich die Autoren allerdings gezwungen, den Studienergebnissen eine niedrige Sicherheit beizumessen.
Diese Beobachtungen werden auch gut durch die Ergebnisse einer kürzlich publizierten Netzwerk-Meta-Analyse mit insgesamt 79 eingeschlossenen Studien bestätigt [19]. Die Arbeit schloss ausschließlich RCTs ein, in denen entweder konventionelles Krafttraining oder Schnellkrafttraining mit der Anweisung, den Widerstand während der konzentrischen Phase so schnell wie möglich zu bewegen, durchgeführt wurde. Als Kontrollgruppen wurden entweder inaktive Kontrollen oder ein direkter Vergleich der obigen Interventionen zugelassen. Eingeschlossen wurden Studien mit untrainierten, aber relativ gesunden (d. h. keine chronische Erkrankung) Menschen ab 60 Jahren. Die Mindestdauer der Interventionen musste bei 4 Wochen liegen. Als primäre Endpunkte wurden von den Autoren die Ganggeschwindigkeit, TuG, verschiedene Chair-Rise-Tests sowie der Sechs-Minuten-Gehtest gewählt. Identifiziert wurden 80 Artikel aus 79 RCTs mit insgesamt etwa 3500 Teilnehmern. Das mittlere Alter der Probanden lag bei 70 Jahren (IQR: 67–73) mit einem mittleren BMI von 27,6 kg/m2 (IQR: 25,6–28,6). In 69% der Studien wurden lediglich gesunde Probanden eingeschlossen, in den verbleibenden Studien lagen bereits funktionelle Einschränkungen vor. In 31 (31%) der insgesamt 101 Interventionsarmen wurde ein Schnellkrafttraining durchgeführt. In den verbleibenden 70 Interventionsarmen wurde ein konventionelles Krafttraining durchgeführt. Wie in der Arbeit von Balachandran unterlag die Mehrheit der Studien einem großen Risk of Bias und schmälert hierdurch die Sicherheit der gefundenen Effekte. Sowohl das Schnellkrafttraining als auch das konventionelle Krafttraining zeigen sich überaus effektiv auf die körperliche Funktionsfähigkeit (Im Gegensatz zum Originalpaper wurden hier zum besseren Verständnis alle Effektstärken mit positiven Vorzeichen versehen. D.h. auch eine Zeitreduktion im TuG wurde hier als positiver Effekt dargestellt, sodass eine größere Effektstärke eine bessere Wirksamkeit impliziert):
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Gehgeschwindigkeit
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dSK*=0,44 (95% KI=0; 0,87)
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dKK**=0,16 (95% KI=− 016; 0,48)
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Timed-up-and-Go-Zeit
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dSK=0,76 (95% KI=− 1,05; − 0,47)
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dKK=0,64 (95% KI=− 0,83; − 0,45)
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5-Times Sit-to-Stand (Chair Rise)
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dSK=0,74 (95% KI=− 1,20; − 0,27)
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dKK=0,64, (95% KI=− 0,83; − 0,45)
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30s Sit-to-Stand (Chair Rise)
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dSK=0,89 (95% KI=0,43; 1,34)
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dKK=1,01 (95% KI=0,68; 1,34)
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Sechs-Minuten-Gehtest
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dSK=0,63, (95% KI=0,07; 1,18)
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dKK=0,68, (95% KI=0,34; 1,03)
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Die primäre Analyse zeigt, dass die Überlegenheit des Schnellkrafttrainings nicht auf alle Endpunkte übertragbar ist. So zeigt das Schnellkrafttraining im Hinblick auf die Ganggeschwindigkeit, den TuG und den 5-Times Sit-to-Stand-Test zwar etwas bessere Ergebnisse als das konventionelle Krafttraining, schnitt aber im Kontext des 30s Sit-to-Stand-Tests etwas schlechter ab. Im direkten Interventionsvergleich wurde allerdings für keinen der Endpunkte die statistische Signifikanz erreicht. Dem Vorliegen funktioneller Einschränkungen konnte keine moderierende Funktion nachgewiesen werden, so profitierten beide Populationen von beiden Trainingsformen mit beachtlichen Effekten.
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Adverse Events
In ihrer Analyse berichten Balachandran et al. [18], dass lediglich 14 (70%) der 20 eingeschlossenen Arbeiten Adverse Events berichteten. Über diese Studien hinweg lag die mittlere Prävalenz von Adverse Events für das Schnellkrafttraining bei 3.27 Ereignissen (95% KI=1,76; –6,09) pro 1000 Personen-Sessions und für das konventionelle Krafttraining bei 2.08 Ereignissen (95% KI=0,99; –4,36). Die hierin berichteten Adverse Events beziehen sich dabei vor allem auf die Verstärkung arthrotischer und muskulärer Beschwerden. Es wurde in keiner der Arbeiten von schwerwiegenden Adverse Events berichtet. Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass in der (Kraft-)trainingswissenschaftlichen Literatur ein Underreporting von Adverse Events vorliegt.
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Umsetzung des Trainings
Wie aus den Einschlusskriterien der Übersichtsarbeiten bereits hervorging, zeichnet sich ein Schnellkrafttraining dadurch aus, dass der Widerstand während der konzentrischen Phase maximal beschleunigt wird. Aus den korrelativen Ergebnissen, von denen Reid & Fielding berichten, scheint der optimale Widerstand hierfür bei ca. 40% des 1RM zu liegen. Ein Blick in die internationalen Krafttrainingsguidelines unterstützt dies, zumindest teilweise. Izquierdo et al. empfehlen [20], neben der Förderung anderer motorischen Beanspruchungsformen in Form von konventionellem Kraft-, Ausdauer- und Balancetraining die Umsetzung von Schnellkrafttraining. Für die obere Extremitäten sollte dies bei 30–45%, für die untere Extremität deutlich intensiver bei 60–70% des 1RM durchgeführt werden. Die Autoren heben aber auch hervor, dass bereits niedrigere Intensitäten ab 40% des 1RM zu wünschenswerten Adaptationen führen. Auch ist es wichtig zu berücksichtigen, dass es für ein Schnellkrafttraining nicht sinnvoll ist, bis oder nahe der Muskelerschöpfung zu trainieren. Sicherlich ist es hierbei sinnvoll, das breite Spektrum an Möglichkeiten als didaktisches Mittel zu nutzen und das Training somit auf die Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Schadensbilder der Trainierenden anzupassen. Auch die Krafttrainingsempfehlungen der National Strength and Conditioning Association [21] heben die Wichtigkeit des Schnellkrafttrainings hervor und sehen dieses, wie auch Izquierdo et al. [20], in Kombination mit konventionellem Krafttraining für wertvoll. Ergänzend heben Fragala et al. jedoch nochmals hervor, dass explizit darauf geachtet werden muss, die Widerstände über die gesamte konzentrische Phase zu beschleunigen und keinesfalls abzubremsen. D.h. der Widerstand geht am Ende der konzentrischen Phase in eine Flugphase über und verliert den Kontakt zum Körper (z. B. Hände/Füße).
Neben dem Schnellkrafttraining, welches im Englischen auch als ballistic training bezeichnet wird, existiert mit dem Reaktivkrafttraining (plyometric training) eine weitere Trainingsform, in welcher maximale Beschleunigungen erzeugt werden und die damit zum Powertraining gezählt werden kann. Im Gegensatz zum bis hier diskutierten Schnellkrafttraining wird sich beim Reaktivkrafttraining der Dehnungsverkürzungszyklen sowie der Energiespeicherfähigkeit der Sehnen bedient. Typisch für das Reaktivkrafttraining der unteren Extremität sind Counter Movement Jumps oder Drop Jumps (Squat Jumps sind dagegen eine typische Schnellkraftübung). Da hierbei das gesamte Körpergewicht beschleunigt wird, können hierbei hohe Widerstände auftreten, was in der Trainingsplanung berücksichtig werden sollte. Darüber hinaus stellt das Sprungtraining eine hohe Anforderung an das Gleichgewicht, was gerade bei älteren Menschen und klinischem Klientel besonders zu berücksichtigen ist. Beiden Faktoren – die hohen Drehmomente, die durch die hohen Beschleunigungen auf die Gelenke wirken, und die große Anforderung an das Gleichgewicht – kann aber z. B. durch eine Veränderung der Flexionswinkel der unteren Extremität entgegengewirkt werden.
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Diskussion
Durch die immer älter werdende Gesellschaft und die enge Assoziation zwischen Alter und körperlicher Funktionsfähigkeit wird auch der Anteil von Pflegebedürftigen in den kommenden Jahrzehnten massiv ansteigen. Um dieser gesundheitspolitischen, aber auch gesamtgesellschaftlichen Herausforderung gerecht zu werden, ist es notwendig, ein gutes Verständnis für die bio-psycho-sozialen Determinanten der körperlichen Funktionsfähigkeit zu entwickeln und effektive Maßnahmen zu besitzen, um diesem Funktionsverlust entgegenzuwirken. Die aktuelle Datenlage deutet darauf hin, dass die Schnellkraft, also die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, einen Widerstand auf eine hohe Geschwindigkeit zu beschleunigen, mit der körperlichen Funktionsfähigkeit etwas höher als die Maximalkraft korreliert. Diese Unterschiede sind zugegebenermaßen relativ klein, könnten aber ein Indiz dafür sein, wie wichtig diese motorische Fähigkeit bzw. diese Subdimension der Kraftfähigkeit für ältere Menschen doch sein könnte. Die vorgestellten Meta-Analysen zur Wirksamkeit des Schnellkrafttrainings unterstreichen dies eindrücklich. Zwar erscheinen die hier beobachteten Effekte um d=0,3 auf den ersten Blick relativ klein und unterliegen aufgrund des geringen Studienqualität auch einer großen Unsicherheit. Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass hierbei der inkrementelle Mehrwert gegenüber dem konventionellem Krafttraining, also einer bereits bestens bewährten und effektiven Interventionsform, betrachtet wird. Aus bewegungswissenschaftlicher Sicht muss jedoch eingestanden werden, dass es immens schwierig ist, die Effekte von körperlicher Aktivität und körperlichem Training derart singulär zu betrachten. Bewegung mündet immer in multidimensionalen Effektbündeln, und verschiedene Formen der Bewegung bergen unterschiedliche Nutzenpotenziale. Daher ist auch eine Fokussierung auf eine einzige motorische Beanspruchungsform, wie hier die Schnellkraft, nicht zielführend. Vielmehr sollte die gesamte Pluralität der Bewegung genutzt werden, wobei das Schnellkrafttraining einen wichtigen Beitrag liefern kann und so auch in internationalen Guidelines empfohlen wird. Zur Illustration sei hier auf die Bewegungspyramide des Deutschen Verbands für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) verwiesen, in welcher das Schnellkrafttraining als Ergänzung zum allgemeinen Krafttraining sinnvoll zu integrieren ist ([Abb. 2]).
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Literatur
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Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
05 June 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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