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DOI: 10.1055/a-2307-2551
Interdisziplinarität in der Nephrologie



Professor Friedrich Theodor von Frerichs (1819–1885), der erste Vorsitzende des Kongresses für Innere Medizin in Wiesbaden, sprach anlässlich des ersten Kongresses im April 1882 in seiner Eröffnungsansprache folgende Worte: „Die innere Heilkunde ist und bleibt der segenspendende Strom, von welchem die Spezialfächer wie Bäche sich abzweigen und gespeist werden, die aber im Sande verrinnen und versiegen werden, wenn sie sich abtrennen“. Von Frerichs bezog sich damals zwar auf die Abtrennung von Fächern wie Dermatologie, Neurologie und Psychiatrie, die ursprünglich zur Inneren Medizin gehörten, von der „reinen“ Inneren Medizin, das Gleiche ließe sich aber auch für die Nephrologie postulieren.
Das Fachgebiet der Nephrologie ist mit vielen anderen internistischen, aber auch nichtinternistischen operativen Disziplinen eng vernetzt. Da ein Ausfall der Nieren viele andere Organsysteme beeinflusst, ist die Nephrologie ein Fach, das eng mit anderen Disziplinen interagiert. Zum anderen führt der Ausfall anderer Organsysteme häufig zu einer Nierenbeteiligung. Klassische Beispiele sind diabetische Nierenschädigungen beim Diabetes sowie das hepatorenale Syndrom bei Leberstörungen (beide Krankheitsbilder werden in dieser Ausgabe aus einem interdisziplinären Standpunkt näher beleuchtet). Bei wiederum anderen Erkrankungen bedingt die Nierenbeteiligung die Therapie der Grunderkrankung. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der systemische Lupus erythematodes. Aufgrund der zentralen Rolle der Nephrologie bei der Nierentransplantation findet eine enge Interaktion mit der Transplantationschirurgie bzw. der Urologie statt. Auch dieses Thema wird in dieser Ausgabe in seiner Interdisziplinarität näher beleuchtet.
Die Zunahme des Wissens in der Medizin ist erstaunlich. Der nicht mehr ganz junge Gastherausgeber dieser Ausgabe der „Nephrologie aktuell“ kann sich noch an Zeiten erinnern ohne Ultrafiltrationskontrolle an der Dialyse mit Betten auf Patientenwaagen, mehrere Blutbeutel an jeder Dialysemaschine, da EPO noch nicht in die Therapie eingeführt war, Isolation von sogenannten „gelben“ Dialysepatienten aufgrund erhöhter Transaminasen (das Hepatitis-C-Virus war noch nicht entdeckt worden), riesige Plattendialysatoren, das Postulat in der Diabetologie, dass ACE-Hemmer schädlich sind für Patienten mit diabetischer Nephropathie und vieles andere. Interdisziplinarität kann helfen, neue Erkenntnisse anderer Fachdisziplinen für die Versorgung von Patienten mit akuten und chronischen Nierenerkrankungen zu nutzen. Kein Nephrologe kann alles wissen – es ist wichtig, eigene Grenzen zu wahren, denn das Arztsein bedeutet auch, Grenzen zu besitzen und zu beachten, ohne Zäune zu ziehen.
Mir ist klar, dass Interdisziplinarität und interdisziplinares Handeln nie einfach ist, da es eine enge Kommunikation mit anderen Fachdisziplinen erfordert und auch zulassen muss, dass eigene Standpunkte und eigenes Wissen infrage gestellt werden. Ich denke aber, zum Wohle der uns anvertrauten Patienten ist dies unabdinglich. Sollte dieses Heft von „Nephrologie aktuell“ zur interdisziplinären Diagnostik und Therapie von Menschen mit Nierenerkrankungen beitragen, hat es seinen Zweck mehr als erfüllt.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
06. September 2024
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