CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitswesen 2024; 86(07): 499-507
DOI: 10.1055/a-2310-9105
Originalarbeit

Die Etablierung des Wahlfachs „Öffentliches Gesundheitswesen“ im Praktischen Jahr für Medizinstudierende der Universitätsmedizin Göttingen – Ergebnisse aus dem UNITE-Projekt

The implementation of the elective subject “Public Health” in the final year for medical students at Göttingen University Medical Center: results of the UNITE project
Iris Demmer
1   Department of General Practice, University Medical Center Göttingen, Göttingen, Germany
,
Lia Espe
1   Department of General Practice, University Medical Center Göttingen, Göttingen, Germany
,
Sina Biermann
2   Fakultät Ingenieurwissenschaften und Gesundheit, Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Gesundheitscampus Göttingen, Göttingen, Germany
,
Eva Hummers
3   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Germany
,
Eckart Mayr
4   Ehemalige Leitung, Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Göttingen, Göttingen, Germany
,
Angelika Puls
5   Leitung, Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Göttingen, Göttingen, Germany
› Author Affiliations
Fördermittel Das Projekt UNITE „Gemeinsam lernen und studieren in Einrichtungen der öffentlichen Gesundheit in der Gesundheitsregion Göttingen“ wurde durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung im Zeitraum vom 1.7.2021 bis 30.6.2022 mit 80.000 € gefördert. Land Niedersachsen — 6SL1.5/GR199
 

Zusammenfassung

Hintergrund Internationale und nationale Rahmenwerke und Initiativen fordern die Stärkung der Ausbildung von Gesundheitsprofessionen im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) durch Kooperationen mit Hochschulen. Die Ärztliche Approbationsordnung (ÄApprO) vom 21.09.2021 sieht für Medizinstudierende in Deutschland seit dem 1. Mai 2022 eine Integration des ÖGD in die medizinische Ausbildung im Praktischen Jahr (PJ) vor. Der Projektbericht stellt die Vorgehensweise und Ergebnisse der Implementierung des PJ-Wahlfaches Öffentliches Gesundheitswesen (ÖGW) für Medizinstudierende der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) in Kooperation mit dem örtlichen Gesundheitsamt vor.

Methoden In dem zwölfmonatigen Projekt UNITE (07/21-06/22) wurde das PJ-Wahlfach ÖGW in sieben Schritten etabliert: Analyse der Rahmenbedingungen, Konzeption des Wahlfaches, Erstellung eines Logbuches, Pilotphase mit fünf Studierenden in einwöchigen Rotationen, Öffentlichkeitsarbeit für Studierende, Einführung einer medizindidaktischen Schulung für Mitarbeitende des Gesundheitsamtes und Umsetzung des Wahlfaches ÖGW mit PJ-Studierenden.

Ergebnisse Ein Kooperationsvertrag für die UMG und das Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Göttingen regelt die Zusammenarbeit zur Ausbildung Medizinstudierender im PJ. Die Studierenden absolvieren vierwöchige Rotationen in die Bereiche Amtsärztlicher Dienst und Bestattungswesen, Kinder- und Jugendmedizinischer Dienst, Infektionsschutz und Sozialpsychiatrischer Dienst. Das Logbuch für Studierende enthält Lernziele für die einzelnen Fachdienste zur Selbsteinschätzung der erlangten Kompetenzen. Die Didaktikschulung wurde mit hohem Lernerfolg der teilnehmenden Mitarbeitenden umgesetzt. Drei Studierende haben das PJ-Wahlfach erfolgreich absolviert.

Schlussfolgerungen Die Etablierung des PJ-Wahlfaches ÖGW stärkt die Verankerung öffentlicher Gesundheitsthemen in der Ausbildung Medizinstudierender am Standort Göttingen und macht das ÖGW als berufliche Perspektive sichtbarer. Wesentlich für die erfolgreiche Umsetzung waren der Aufbau einer kontinuierlichen Kooperation zwischen Universität und Gesundheitsamt, eine studierendenorientierte Ausrichtung des Lehr- Lernkonzeptes mit einem standortpassenden Logbuch, ein geschultes multiprofessionelles Team im Gesundheitsamt und die Evaluation des PJ-Wahlfachs zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der PJ-Ausbildung. Das dargelegte Konzept kann andere Standorten bei der Etablierung des PJs im ÖDG unterstützen und auf spezifische Vorortbedingungen angepasst werden.


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Abstract

Background International and national frameworks and initiatives call for strengthening the training of health professionals in the public health service (PHS) through cooperation with universities. The German Medical Licensing Regulations of 21st Sep 2021 provides for an integration of PHS into undergraduate medical training in the final year since 1st May 2022. The present study presents the procedure and results of the final year elective Public Health (PH) implementation for medical students at the University Medical Center Göttingen (UMG) in cooperation with the local PHS.

Methods In the twelve-month project UNITE (07/21-06/22), the final year elective PH was implemented in seven steps: analysis of the framework conditions, conception of the elective, preparation of a logbook, pilot phase with five students in one-week rotations, public relations for students, introduction of a medical didactic training for staff of the health department and implementation of the elective PHS with students.

Results A cooperation agreement between UMG and the Health Department regulates the training of medical students. Students complete four-week rotations in the areas of public health service and funeral services, paediatric and adolescent medical service, infection control and social psychiatric service. The logbook for students contains learning objectives for individuals specialised in services for self-assessment of the acquired competences. The didactics training was implemented with high learning success of the participating staff. So far three final year students have successfully completed the elective.

Conclusions The implementation of final year elective PHS strengthens the anchoring of public health topics in the education of medical students in Göttingen and makes PHS more visible as a professional perspective. Essential for the successful implementation were the establishment of a continuous cooperation between the university and the health department, student-oriented teaching-learning concept with a logbook suitable for the location, a trained multiprofessional team in the health department, and the evaluation of the elective for quality assurance and further development of the training. The concept presented here can help other locations in establishing the final year elective in PH and can be adapted to specific local conditions.


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Einleitung

Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) in Deutschland umfasst Einrichtungen der Gesundheitsverwaltung auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene. Er nimmt ein breites Aufgabenspektrum zur Gesundheitsförderung, Prävention von Erkrankungen und zum Gesundheitsschutz auf Bevölkerungsebene wahr. Gesundheitsämter sind multiprofessionell besetzt [1] [2]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert eine interprofessionelle Ausbildung und gemeinsame Lern- und Arbeitsprozesse zur Förderung von Gesundheitsprofessionen im ÖGD [3] [4]. In Deutschland verabschiedete die Gesundheitsministerkonferenz 2018 ein „Leitbild für einen modernen ÖGD“, in dem die Relevanz der Kooperation des ÖGD mit der Wissenschaft und evidenzbasierten Arbeitsweisen innerhalb des ÖGD herausgestellt wird [5]. Der "Pakt für den ÖGD" des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 29.09.2020 stärkte die zentrale Bedeutung des ÖGD nicht nur zur Bewältigung der Corona-Pandemie, sondern fokussiert mit seinen fünf Säulen auf seine nachhaltige Weiterentwicklung und Modernisierung für einen wirksamen Schutz der Gesundheit der Bevölkerung [6]. Neben einer Stärkung der wissenschaftlichen Kompetenz innerhalb des ÖGD selbst bedarf es nachhaltiger Kooperationen mit Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen, um eine Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden des ÖGD und des fachlichen Nachwuchses zu etablieren und zu fördern. Auch die Neuerung der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) vom 21.09.2021 sieht deshalb eine Integration des ÖGD in die medizinische Ausbildung insbesondere im Praktischen Jahr (PJ) seit dem 1. Mai 2022 vor [7].

Erfahrungen mit der Etablierung eines Wahlfaches Öffentliches Gesundheitswesen (ÖGW) im PJ gab es bisher in Deutschland lediglich am Universitätsstandort Frankfurt/Main in Kooperation mit dem dortigen Gesundheitsamt [8]. Die erste Initiative zur Sichtbarmachung des Ausbildungsstandorts Gesundheitsamt für Medizinstudierende in Göttingen und zur Etablierung des PJ-Wahlfachs ÖGW ging bereits 2015 von dem damaligen Leiter des Gesundheitsamtes Göttingen (Autor EM) aus und wurde in einer standortübergreifenden Arbeitsgruppe mit mehreren Gesundheitsämtern, u. a. dem in Frankfurt/Main, weiterentwickelt. Als ein Ergebnis dieser Initiative absolvierten seit 2018 einige Medizinstudierende eine Famulatur im Gesundheitsamt Göttingen und es folgten seit 2019 erste Kooperationsgespräche mit der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) zum PJ-Wahlfach.

Am Hochschulstandort Göttingen studieren jährlich ca. 360 Studierende der Humanmedizin der UMG und ca. 120 Studierende am Gesundheitscampus Göttingen (GCG), einer Kooperation der UMG und der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK), in den Studiengängen Soziale Arbeit im Gesundheitswesen, Pflege, Therapiewissenschaften und Hebammenwissenschaften. Für eine Integration dieser Ausbildungen in den ÖGD wurde 2021 das Kooperationsprojekt „UNITE – Gemeinsam lernen und studieren in Einrichtungen der öffentlichen Gesundheit“ ins Leben gerufen, um das PJ-Wahlfach ÖGW wie auch Praktika für Studierende der akademisierten Gesundheitsberufe im Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Göttingen anzubieten und dabei auch interprofessionelles Lernen zu ermöglichen.

Ziel dieses Manuskriptes ist es, das Vorgehen und die Schritte zur Implementierung des PJ-Wahlfachs ÖGW als Teilprojekt des Kooperationsprojektes „UNITE – Gemeinsam lernen und studieren in Einrichtungen der öffentlichen Gesundheit“ zu beschreiben und zu evaluieren. Ergebnisse der Evaluationen der ersten PJ-Studierenden im Gesundheitsamt Göttingen werden in Hinblick auf die weitere Umsetzung dieses PJ-Angebots diskutiert. Dieser Bericht soll andere Fakultäten und Gesundheitsämter bei der Etablierung des PJ-Wahlfachs ÖGW und anderer Lehrformen unterstützen.


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Methoden

Das Projekt „UNITE – Gemeinsam lernen und studieren in Einrichtungen der öffentlichen Gesundheit“ unter Beteiligung der Gesundheitsregion Göttingen/Südniedersachsen wurde vom Institut für Allgemeinmedizin der UMG sowie dem Gesundheitscampus in einer Projektlaufzeit von zwölf Monaten vom 01.07.2021 bis zum 30.06.2022 durchgeführt. Eine Zuwendung des Landes Niedersachsen erfolgte nach der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Gesundheitsregionen in Niedersachsen. Mit den hieraus verfügbaren Personalmitteln wurden zwei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen (LE, SB) für ein Jahr teilzeitig im Projekt beschäftigt. Kooperationspartner war das Gesundheitsamt für die Stadt und den Landkreis Göttingen. Der Fokus des Teilprojektes seitens der UMG (Teilprojektleitung durch die Autorin ID) lag auf der Etablierung des PJ-Wahlfachs „Öffentliches Gesundheitswesen“.

Die Etablierung des PJ-Wahlfachs ÖGW erfolgte mittels eines Mixed-Methods-Ansatzes in sieben aufeinanderfolgenden Schritten ([Abb. 1]):

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Abb. 1 Schritte in der Etablierung des PJ-Wahlfaches ÖGW.

Zur Analyse und Beschreibung der Rahmenbedingungen für das PJ-Wahlfach ÖGW wurden die gesetzlichen Vorgaben, Positionspapiere zur Umsetzung sowie Lernzielkataloge herangezogen [9] und das Vorgehen am Standort Göttingen beschrieben.

Zur Konzeption des Wahlfachs wurden die Leiter*innen der sechs Fachdienste (FD) -Gutachten und Bestattungswesen, Kinder- und Jugendärztlicher Dienst, Infektionsschutz, Zahngesundheit, Sozialpsychiatrischer Dienst, Sozialdienst und Gesundheitsverwaltung – des Gesundheitsamtes von den Projektmitarbeiterinnen (LE, SB) persönlich oder telefonisch befragt. Der Interviewleitfaden wurde vom Projektteam (ID, LE) entwickelt und mit dem Leiter des Gesundheitsamtes (EM) abgestimmt. Ziel war es, Informationen zu den Aufgaben und der Teamzusammensetzung des jeweiligen Fachdienstes, Vorerfahrungen mit Auszubildenden und Studierenden in Praktika, Kooperationen mit Hochschulen, Einstellungen zur Betreuung von Medizinstudierenden und möglichen Lernfeldern für Medizinstudierende zu erhalten (Anhang 1). Die Ergebnisse wurden handschriftlich dokumentiert, im Projektteam diskutiert, schriftlich zusammengefasst und gingen insbesondere in die Entwicklung des Logbuchs und die darin enthaltenen Fachdienstbeschreibungen ein.

Die Erstellung des Logbuches erfolgte auf Basis des Frankfurter Logbuches [10]. In der Pilotierungsphase unseres Projektes wurden die Fachdienstleiter*innen und die Studierenden gebeten, anhand von Druckversionen der im Frankfurter Logbuch ausformulierten Lernziele ein schriftliches Feedback zu notwendigen Anpassungen und eine Einschätzung zur Umsetzbarkeit der Lernziele und zu erreichbaren Kompetenztiefen („demonstriert bekommen“, „unter Supervision durchgeführt“ und „eigenverantwortlich durchgeführt“) am Göttinger Standort zu erstellen.

Die Mitwirkung Medizinstudierender an der Konzeption des PJ-Wahlfachs ÖGW wurde durch freiwillige Teilnahme von fünf PJ-Studierenden im Wahlfach Allgemeinmedizin in einwöchigen freiwilligen PJ-Rotationen im Gesundheitsamt Göttingen realisiert, deren Feedback zu Lehr-Lernformen, Logbuch und Lernziele) eingeholt wurde.

Die Öffentlichkeitsarbeit konzentrierte sich auf die öffentliche Sichtbarmachung des PJ-Wahlfachs ÖGD für die Studierenden im bundesweiten PJ-Portal und auf der Homepage der UMG.

Die Konzeption, Durchführung und Evaluation einer medizindidaktischen Schulung für Lehrende und M3-Prüfende (M3: dritter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung) des Göttinger Gesundheitsamtes orientierte sich am Positionspapier des Ausschusses Primärversorgung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung zur didaktischen Qualifikation von Lehrenden in der Primärversorgung [11] sowie an der Vorgehensweise eines Modellprojektes zur Schulung für lehrende Hausärzt*innen des Instituts für Allgemeinmedizin der UMG [12]. Bei der Evaluation der Schulung der Lehrenden orientierten wir uns an in der Medizindidaktik empfohlenen Skalen zur Beurteilung von Lehrveranstaltungen [13].

In einem von den Projektmitarbeiter*innen (ID, LE) erstellten onlinebasierten schriftlichen Fragebogen wurden Schulungsbedarfe der Lehrenden im Gesundheitsamt Göttingen zum Wahlfach ÖGW und zur Didaktik anhand von neun Kompetenzzielen („Nach der Schulung möchte ich befähigt sein, …“), mittels einer Likert-Skala von 1 „niedrige Relevanz“ bis 6 „hohe Relevanz“ eingeschätzt. Diese Befragung erfolgte anonym und richtete sich an alle Fachdienstleiter*innen und ihre Vertretungen (insgesamt 12 Personen). Es nahmen acht Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamtes teil.

Die Schulung der Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamtes, die in die PJ-Studierendenbetreuung eingebunden sind, zum Wahlfach ÖGW und zur Didaktik erfolgte durch Mitarbeiterinnen des Projektteams (ID, LE, SB) im Rahmen einer zweistündigen Präsenzveranstaltung. Die Schulungsinhalte werden in [Tab. 1] beschrieben. Es nahmen zehn Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamtes aus vier FD teil. Ergänzend nahmen alle Fachdienstleiter*innen sowie die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes an einem 20-minütigen Feedbacktraining im Onlineformat teil (insgesamt neun Personen), das an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg im Lernkrankenhaus TheSiMa in Kooperation mit der Abteilung Allgemeinmedizin entwickelt wurde. Es informiert in Texten über Qualitätskriterien von Feedback sowie Vorgehensweisen bei geplantem sowie spontanem Feedback. Die Leiterin des Gesundheitsamtes (AP) und eine ärztliche Mitarbeiterin, Fachärztin für ÖGW, nahmen darüber hinaus an einer von der Projektleiterin (ID) durchgeführten M3-Prüferschulung teil, in der sie Informationen zum Prüfungsablauf, zu Prüferaufgaben und Tipps zur Erstellung von praktischen Aufgaben und Fallvignetten erhielten. Ziel der Prüferschulung war die umfassende Vorbereitung auf die Rolle als Wahlfachprüfer im M3-Examen. Alle Schulungsmaterialien wurden den Teilnehmer*innen digital zur Verfügung gestellt.

Tab. 1 Themen und Inhalte des zweistündigen Didaktikworkshops für Mitarbeitende des Gesundheitsamtes.

Themen

Inhalte

PJ-Ablauf und Organisation

Rahmenbedingungen, Anmeldung zum Wahlfach, Checkliste vor Beginn des PJ

Rechte und Pflichten der Studierenden

Formale Anforderungen, Leistungsnachweise, Haftungsfragen

Zusammenarbeit mit der UMG

Fortbildungen Lehren und Prüfen, Interessenvertretung in der Fakultät

Ausbildungsziele und PJ-Logbuch

Nutzung des PJ-Logbuches, Evaluation des PJ-Wahlfachs. PJ-Seminarreihe „Prävention und Gesundheitsförderung“

Ausbildungsgespräche

Inhalte von Einführungs-,Verlaufs- und Abschlussgespräch; Feedback

Lehr- und Assessmentmethoden

Rollenvorbild, Lehr-Lerngelegenheiten, arbeitsplatzbasierte Rückmeldungen, Anleitung und Supervision Studierender im Kontakt mit Bürger*innen

Die Schulung wurde nach der Durchführung mittels eines onlinebasierten schriftlichen Fragebogens evaluiert, der mit 16 positiv formulierten Items die didaktische Qualität auf einer Skala von 1 (trifft voll zu) bis 5 (trifft nicht zu) erhob, die Erreichung von 10 Lernzielen im Prä-Post-Vergleich (Skala von 1 (trifft voll zu) bis 6 (trifft überhaupt nicht zu) erhob und eine Gesamtnote als Schulnote von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) erhob.

Die Umsetzung des PJ-Wahlfachs ÖGW orientierte sich im Vorgehen an Empfehlungen zur Einbeziehung von Praxen ins Praktische Jahr [9].

Die Evaluation des PJ-Tertials erfolgte durch drei Studierende der UMG, die das neue Wahlfach ÖGW 2022/23 vollständig im Gesundheitsamt Göttingen absolvierten. Zur mündlichen dialogischen Evaluation fand nach jeder Rotation ein persönliches ca. 15-20-minütiges Gespräch der PJ-Studierenden mit den jeweiligen Fachdienstleiter*innen statt. In der schriftlichen Evaluation des PJ-Wahlfachs ÖGW wurden die Fragen und Skalen aus dem Frankfurter Logbuch übernommen. Pro absolviertem Fachdienst erfolgte eine Einschätzung zur Supervision und Integration ins Team, zur Wissensvermittlung und zu den umgesetzten Tätigkeiten (einschl. Erhalt von Feedback) anhand von jeweils fünf positiv formulierten Items anhand einer Skala von 1 (sehr zutreffend) bis 5 (gar nicht zutreffend) erhoben. Zur besseren Auswertbarkeit wurden die Skalenwerte in Schulnoten transferiert („sehr zutreffend“ als „sehr gut“ bis „trifft gar nicht zu“ als „ungenügend“). Nur die Leiterin des Gesundheitsamtes und Wahlfachleiterin (AP) und die PJ-Beauftragte (ID) hatten Zugang zu den Evaluationsdokumenten der Studierenden.


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Ergebnisse

Rechtlicher Rahmen, Kooperation und Finanzierung

Zur Umsetzung des PJ-Wahlfaches ÖGW wurde in der Neuerung der ÄApprO zur Kooperation zwischen Fakultät und Gesundheitseinrichtung formuliert: „Die Universitäten können … geeignete Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens im Einvernehmen mit der zuständigen Gesundheitsbehörde in die Ausbildung einbeziehen; sie treffen hierzu Vereinbarungen mit den … Einrichtungen. Die jeweilige … Einrichtung muss gewährleisten, das Logbuch der Universität einzuhalten.“ (§3 Abs. 2a in [7]). Deshalb wurde bereits in der Initialphase des Projektes UNITE ein Kooperationsvertrag zwischen UMG, vertreten durch den Vorstand, und der Stadt Göttingen, Fachbereich Gesundheitsamt für die Stadt und den Landkreis Göttingen als akademische Lehreinrichtung, vertreten durch die Oberbürgermeisterin, erstellt, der die Zusammenarbeit regelt. Hierzu gehören u. a. Vereinbarungen zur Anzahl der Ausbildungsplätze pro Jahr, Ausbildungsziele, Anforderungen an die Lehreinrichtung und die ausbildenden Mitarbeiter*innen, qualitätssichernde Maßnahmen, Dokumentation und Haftungsthemen. Als Wahlfachleiterin fungiert die Leiterin des Gesundheitsamtes (Autorin AP, Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen) und als PJ-Beauftragte seitens der UMG die Projektleiterin (Autorin ID, Fachärztin für Allgemeinmedizin).

Die Stadtverwaltung Göttingen schließt mit den einzelnen Studierenden einen Kooperationsvertrag ab, in dem die pauschalen Zahlungen des Ausbildungsgeldes, die Pflichten und versicherungs- und haftungsrechtlichen Belange der Studierenden vertraglich geregelt werden. Derzeit erhalten die Studierenden eine PJ-Ausbildungsvergütung von 450 Euro pro Monat.


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Konzeption des PJ-Wahlfachs

An den Interviews nahmen alle Fachdienstleiter*innen (6) teil. Die Fachdienste (FD) Gutachten und Bestattungswesen, Kinder- und Jugendärztlicher Dienst, Infektionsschutz und Sozialpsychiatrischer Dienst werden durch Fachärzt*innen geleitet, der FD Zahngesundheit durch eine Zahnärztin und der Sozialdienst durch eine Sozialarbeiterin. Positiv herausgestellt wurden als attraktive Faktoren für die Tätigkeiten in den einzelnen FD die versorgende und beratende Funktion für die jeweiligen Zielgruppen der Bevölkerung und deren An- und Zugehörige, die Vielfalt der Tätigkeiten und (ausgenommen FD Gutachten und Bestattungswesen) die professions- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Versorgern.

Vorerfahrungen mit Auszubildenden und/oder Studierenden wurden von allen FD außer dem Zahnärztlichen Dienst berichtet. Es habe sich überwiegend um Praktikant*innen verschiedener Ausbildungsrichtungen (z. B. Hygiene, Pflege) aus dem Bildungsbereich der Gesundheitsberufe gehandelt. Studierende der Humanmedizin absolvierten bisher vereinzelt Famulaturen oder kürzere Hospitationen im Gesundheitsamt. Kooperationsstrukturen zwischen Gesundheitsamt und UMG zum Ziel der medizinischen Ausbildung bestanden jedoch noch nicht.

Die Einstellung zur Betreuung von Medizinstudierenden wurde in den Interviews mit den Fachdienstleiter*innen insgesamt positiv herausgestellt. Längere Praktika wie im PJ wurden mit einem tieferen Einblick in die Tätigkeit der FD assoziiert, verlässliche Rotationspläne wurden ausdrücklich gewünscht, direkte Bürger*innenkontakte im Gesundheitsamt – bei Begehungen oder Hausbesuchen oder im Rahmen von Präventionsprojekten – wurden als besonders geeignete Lerngelegenheiten herausgestellt. Die Erfahrungen mit den enormen Arbeitsanforderungen an die Gesundheitsämter in der Coronapandemie wurden mehrfach thematisiert und Lehren unter Pandemiebedingungen wurde rückblickend als einschränkend für eine zufriedenstellende Betreuung von Studierenden wahrgenommen.

Als Ergebnis des Austauschs zwischen Projektleitung (Autorin ID), Projektmitarbeiterinnen (Autorinnen LE und SB), der Leitung des Gesundheitsamtes (Autoren EM und als Nachfolgerin AP) und den FD-Leiter*innen wurde gemeinsam festgelegt, dass die PJ-Studierenden

  • in bis zu vierwöchigen Rotationen die FD Sozialpsychiatrischer Dienst, Begutachtung und Bestattungswesen, Kinder- und Jugendgesundheitlicher Dienst und Infektionsschutz absolvieren

  • Wahlrotationen von bis zu einer Woche Dauer in die FD Zahnärztlicher Dienst und Sozialer Dienst durchführen können und

  • für jede Rotation einen monatlichen Plan mit Ansprechpartnern und Terminen (z. B. Für Begehungen, Konferenzen) erhalten.


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Lernfelder und Lernziele, Logbuchentwicklung

Das im Projekt erstellte Logbuch für PJ Studierende der UMG im Gesundheitsamt der Stadt und des Landkreises Göttingen ist unter https://www.umg.eu/fileadmin/Redaktion/Dachportal/005_Studium_Lehre/CONTENT_NEU/id87_Humanmedizin/id90_Praktisches_Jahr/studium_pj_logbuch_Oeffentliches_Gesundheitswesen.pdf abrufbar. Abschnitte und Inhalte werden in [Tab. 2] dargestellt.

Tab. 2 Abschnitte und Inhalte des Logbuches für PJ-Studierende im Wahlfach ÖGW.

Abschnitt

Inhalte

Einleitende Informationen

Vorstellung des Gesundheitsamtes, Aufgaben und Leitbild des ÖGD, Aufgaben und Tätigkeitsschwerpunkte der einzelnen Fachdienste

Personalien der Studierenden

Personenangaben, Anwesenheit und Fehltage

Informationen für Studierende

Ansprechpartner*innen, Rahmenbedingungen (rechtliche, Haftungs- und Versicherungsfragen, Informationsquellen im Internet, allgemeine Ausbildungsziele im PJ)

Ausbildungsziele nach Fachdiensten

Lernziele mit Dokumentationsmöglichkeit des erreichten Kompetenzniveaus (Demonstration, unter Supervision durchgeführt, eigenständig durchgeführt); weitere, optionale Lernziele

Gutachten und Bestattungswesen

Einführung und theoretische Hintergründe für die unterschiedlichen Begutachtungen mit Erwerb von Kenntnissen über die gesetzlichen Grundlagen, amtsärztliche Sprechstunde, Aufsicht über die med. Heil- und Hilfsberufe und Prostituiertenschutzgesetz, Bestattungswesen

Infektionsschutz

Epidemiologische Überwachung, Meldepflichtige Erkrankungen, Bekämpfung übertragbarer Erkrankungen, Infektionshygienische Überwachungen von med. Einrichtungen, Unternehmen und Personen, Tuberkulosefürsorge, HIV-Sprechstunde, Trink- und Badewasserangelegenheiten, Gesundheitliche Anforderungen an das Personal beim Umgang mit Lebensmitteln

Kinder- und Jugendgesundheitsdienst

Einschulungsuntersuchungen, Untersuchungen in den 4. Klassen der Grundschulen, Untersuchungen im Rahmen sozialrechtlicher Gutachten, Hospitationen/Besprechungen/Fortbildungen, Sprechstunden und sonstige Arbeitsbereiche, Impfwesen im Kindes- und Jugendalter

Sozialpsychiatrischer Dienst

ÖGD-Spezifika und Rechtsgrundlagen, Begutachtung, Beratung und Prävention, Berichte und Dokumentation, Gesprächsführung und Diagnostik

Dokumentation von Feedbackgesprächen

Anleitung für Gesprächsinhalte und Feedbackfragen, fachdienstbezogene Kurzevaluationen aus Sicht der Studierenden (Betreuung, Unterricht, Tätigkeiten, Gesamtbewertung, Gefallen/Missfallen/Verbesserungen)

Einsatznachweise

Mit Unterschrift für die absolvierten Fachdienstrotationen

Referenzen

Die Auswahl, Formulierung und Festlegung der im PJ erreichbaren Kompetenztiefen der Lernziele erfolgte in einem zweischrittigen Vorgehen:

  1. Die Lernziele aus dem Logbuch Frankfurt wurden fachdienstbezogen von den Fachdienstleiter*innen auf ihre Umsetzbarkeit im Gesundheitsamt Göttingen bewertet und ggf. gestrichen oder hinsichtlich der erreichbaren Kompetenztiefe angepasst. Die FD-Leiter*innen ergänzten stichwortartig Lernziele, die im Rahmen des Workshops der Didaktikschulung zusätzlich herausgearbeitet wurden oder die sie aus ihrer persönlichen Erfahrung im FD zusätzlich als umsetzbar einschätzten, und legten die jeweils erreichbare Kompetenztiefe fest.

  2. In einem iterativen Vorgehen mit informellem mündlichem und schriftlichem Austausch zwischen Projektteam, Leiter*in des Gesundheitsamtes und den Fachdienstleiter*innen erfolgten formale und inhaltliche Anpassungen und Ausformulierungen und eine finale Abstimmung jedes fachdienstbezogenen Lernzielkatalogs mit den FD-Leiter*innen.

Im Logbuch findet sich für jeden FD ein an das Logbuch Frankfurt/Main angelehnter Evaluationsbogen für ein Feedback für den jeweiligen FD. Darin können PJ-Studierende Feedback zu Betreuung, Unterricht, Tätigkeiten und Gesamteinschätzung geben. Ebenso können positiv/negativ aufgefallene Aspekte sowie Verbesserungsmöglichkeiten dokumentiert werden.


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Didaktikschulungen

In der schriftlichen Fragebogenerhebung zur Untersuchung des Bedarfs an einer medizindidaktischen Schulung wurden alle Kompetenzziele mit einer eher hohen Relevanz zwischen 3 und 6 bewertet ([Abb. 2]). Die höchste Relevanz wurde den Kompetenzzielen „Aufgaben bei der Vorbereitung, Durchführung und Evaluation der PJ-Betreuung zu benennen“ und „Studierenden im PJ strukturiertes Feedback zu geben“ zugeordnet (Median jeweils 6).

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Abb. 2 Relevanz von Kompetenzzielen für eine didaktische Schulung aus Sicht PJ-lehrender Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamtes (Fragebogenerhebung, 8 Teilnehmende).

In der vom Projektteam durchgeführten Evaluation der Schulung schätzten die Teilnehmer*innen eine hohe Zufriedenheit mit der Didaktikschulung (Schulnote Median 1, MW 1,4, Standard Deviation SD=0.5) und einen Lernzielzuwachs für sämtliche 10 Lernziele im Post-Prä-Vergleich ein. Sie erachteten auf einer Skala von 1 (trifft voll zu) bis 5 (trifft nicht zu) den Zeitumfang mit 1.3 (SD=0.7) als sehr angemessen und schätzten eine gute Umsetzbarkeit der vermittelten Inhalte mit 1.8 (SD=0.4) ein.


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Öffentlichkeitsarbeit

Das Wahlfach ist über das bundesweite PJ-Portal standortübergreifend wählbar. Zur Information und Ansprache Göttinger Studierender zum PJ-Wahlfach ÖGW wurde ein fünfminütiges Video für die digitale PJ-Messe der Fakultät erstellt, in dem eine Studierende aus der Pilotierungsphase ihre Erfahrungen in den FD anschaulich beschrieb. Inzwischen findet die PJ-Messe wieder halbjährlich im Präsenzformat statt und das Fach wird dort mit Poster und Stand von der Wahlfachleiterin (AP) und der PJ-Beauftragten (ID) der Fakultät vertreten.

Darüber hinaus wurde ein digitaler Informationskatalog erstellt, der studiengangübergreifend Informationen zu Praktika in Gesundheitsämtern der Region enthält und kontinuierlich aktualisiert wird: https://generalpractice.umg.eu/fileadmin/Redaktion/Allgemeinmedizin/Dokumente/Informationskatalog_UNITE_Stand_April_2023.pdf


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Teilnahme Studierender

Im Zeitraum von Oktober 2021 bis März 2022 nahmen fünf PJ-Studierende aus dem Wahlfach Allgemeinmedizin im Rahmen der Pilotierungsphase auf freiwilliger Basis an einwöchigen Hospitationen im Gesundheitsamt teil. In halb- bzw. tageweisen Rotationen erhielten sie Einblick in die Arbeitsfelder der einzelnen FD und konnten Teammeetings, Begehungen und Hausbesuche erleben. Sofern es ihnen im Rahmen der kurzen Rotationen möglich war, gaben sie zu ausgewählten Lernzielen des Logbuchs mündliches Feedback an das Projektteam und erstellten einen Kurzbericht über die Rotationen in die jeweiligen FD.

Das PJ-Wahlfach ÖGW im Gesundheitsamt Göttingen ist für Studierende seit September 2022 buchbar. Im Kooperationsvertrag zwischen UMG und Gesundheitsamt ist geregelt, dass „die Lehreinrichtung mindestens drei Ausbildungsplätze pro Jahr für die PJ-Ausbildung im Wahlfach Öffentliches Gesundheitswesen bereit hält“. Seit Mai 2022 absolvierten drei Studierende der UMG das PJ-Wahlfach ÖGW vollständig im Gesundheitsamt Göttingen, die vierte Studierende befindet sich zurzeit im Wahlfach. Sie erhielten Rotationspläne mit Angaben zu den jeweiligen FD und multiprofessionelle Ansprechpartner*innen. Dies erwies sich für alle beteiligten Mitarbeiter*innen als praktikabel und transparent. Das Tertial umfasst monatliche Rotationen in die Bereiche:

  • Amtsärztlicher Dienst und Bestattungswesen

  • Kinder- und Jugendmedizinischer Dienst

  • Infektionsschutz

  • Sozialpsychiatrischer Dienst.

Die Studierenden nehmen regelmäßig an FD-Besprechungen, an amtsinternen Fortbildungen wie auch an Online-Fortbildungen der Akademie des öffentlichen Gesundheitswesens und Veranstaltungen des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes teil. Im Rahmen der Implementierung wurde eine strukturierte Rotation ins Niedersächsische Landesgesundheitsamt erarbeitet und etabliert, so dass die Studierenden Einblicke in die Tätigkeitsfelder der oberen Landesgesundheitsbehörde erhielten.

Gemeinsam mit PJ-Studierenden im Wahlfach Allgemeinmedizin absolvierten sie eine Online-Seminarreihe zu multiprofessionellen Themen der Öffentlichen Gesundheit und der Primärversorgung.

In der schriftlichen Evaluation wurde die Betreuung in allen FD von den Studierenden als „sehr gut“ (10x) oder „gut“ (2x) eingeschätzt, die Wissensvermittlung als „sehr gut“ (2x), „gut“ (9x) oder „zufriedenstellend“ (1x) und die umgesetzten Tätigkeiten als „sehr gut“ (2x), „gut“ (2x), „zufriedenstellend“ (5x) oder „genügend“ (1x). Alle Studierenden gaben an, im PJ-Wahlfach ÖGW viele relevante Aspekte für ihre spätere ärztliche Tätigkeit gelernt zu haben und es anderen Studierenden weiterempfehlen zu können. Ihr Interessensfokus lag insbesondere auf der Weiterentwicklung ärztlicher Kompetenzen im Bereich der bürgerbezogenen Prävention und Versorgung. Besonders positiv herausgestellt wurden:

  • das hohe Lehrengagement der Mitarbeitenden des Gesundheitsamts

  • die Teilnahme an der Beratung und Untersuchung von Klient*innen und Bürger*innen im Gesundheitsamt und im Rahmen von aufsuchenden Tätigkeiten

  • die Teilnahme an interdisziplinären Fallbesprechungen und an Fortbildungen und einer Rotation ins Niedersächsische Landesgesundheitsamt

  • Einblick in die Umsetzung von Präventionsprojekten.

Die Studierenden regten zur Weiterentwicklung des PJ Wahlfachs ÖGW konkret an: Ermöglichung von Gutachtenerstellung unter Supervision, Digitalisierung des Logbuchs, die Bereitstellung von fachdienstbezogenen medizinischen Dokumenten, gesetzlichen Vorgaben und Informationen in Form eines (digitalen) Ordners und die verlässliche Organisation von Mitfahrgelegenheiten für Aktivitäten außerhalb des Gesundheitsamtes Göttingen (Stadt) wie zum Beispiel in Zweigstellen.


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Diskussion

Im Rahmen des Projektes UNITE wurden innerhalb eines Jahres schrittweise die Voraussetzungen für die Umsetzung eines PJ-Wahlfaches ÖGD im Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Göttingen geschaffen. Die ersten drei Medizinstudierenden haben diesen PJ-Abschnitt absolviert und das Wahlfach wird weiterhin regelmäßig gebucht.

Von besonderem Wert waren in der Konzeptionsphase die durchgeführten einwöchigen Pilotierungen durch Studierende und in der Umsetzungsphase die umfassenden Rückmeldungen der ersten PJ-Studierenden über ihr absolviertes PJ-Wahlfach ÖGW. Ihre Auswertung ermöglichte eine studierendenorientierte Ausrichtung des Lehr- Lernkonzeptes. Das multiprofessionelle Team des Gesundheitsamtes wurde in die PJ-Etablierung einbezogen, bedarfsgerecht zu Themen der Lehre und Prüfungen geschult und erhält aus den Evaluationen der Studierenden Anregungen zur kontinuierlichen Weiterentwicklung seiner Ausbildungskompetenzen und -inhalte.

Wesentliche Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung des Projektes waren ein multiprofessionelles Projektteam, eine kontinuierliche Kooperation mit dem Gesundheitsamt und allen beteiligten Mitarbeiter*innen, das Vorhandensein personeller und finanzieller Ressourcen im Projekt und die Vergütung der PJ-Ausbildung durch die Stadt Göttingen sowie das hohe Engagement der teilnehmenden Studierenden bei der Pilotierung, Umsetzung und Evaluation des PJ-Wahlfachs.

Mit der Umsetzung des neuen PJ-Wahlfachs für die ersten Studierenden offenbarten sich auch Herausforderungen und Bedingungen für eine erfolgreiche Verstetigung dieses Wahlfachangebotes. So benötigen die Studierenden während des PJ-Tertials eine umfassende Supervision durch Lehrende, da sie im klinischen Studienabschnitt bisher nur wenig Einblick in die Aufgaben und die Arbeitsweise im ÖGD erhalten hatten. Die Gewährleistung umfassender Supervision bedarf aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle der Mitarbeiter*innen im Gesundheitsamt einer sorgfältigen Vorabplanung. Auch zur Anleitung und Schulung der nun in Lehre und Prüfungen involvierten Mitarbeiter*innen und zur Koordination der PJ-Rotationen und -fortbildungen im Gesundheitsamt werden qualifizierte Mitarbeiter*innen mit zeitlichen Ressourcen für die neuen Aufgaben benötigt.

Studierende der UMG erhalten nun zum PJ-Wahlfach ÖGD ausführliche Informationen durch fachlich kompetente Ansprechpartner*innen wie auch digitale Informationsquellen und können das Fach für ein vollständiges Tertial oder eine Rotation aus einem anderen Wahlfach heraus wählen und nach festgelegten Standards (geschulte Lehrende, Fachdienstrotationen, Logbuch mit Ausbildungszielen und standardisierte Evaluation) absolvieren.

Zur Implementierung interprofessionellen Lernens müssten zeitgleich Praktikant*innen der Studiengänge der Gesundheitsfachberufe und Medizinstudierende im Gesundheitsamt lernen. dies war bei den ersten drei PJ-Studierenden noch nicht gegeben. Somit ergibt sich für die Lehrverantwortlichen der beiden am Projekt beteiligten Hochschulstandorte und die Lehrenden im Gesundheitsamt mittelfristig die Aufgabe, potenziell gemeinsam Lernende im Gesundheitsamt Göttingen zu identifizieren, sie zu begleiten und die Erreichung interprofessioneller Lernziele und Kompetenzen mit geeigneten Lehr-Lernformen zu fördern.

Für Medizinstudierende der UMG wird die von der Bundesärztekammer wie auch von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. geforderte stärkere Verankerung von Themen der öffentlichen Gesundheit in die medizinische Ausbildung für den Ausbildungsabschnitt des Praktischen Jahres beispielhaft umgesetzt [14] [15]. Die Etablierung einer Kooperation zwischen der medizinischen Fakultät und dem kommunalen Gesundheitsamt setzt gleichzeitig Impulse für eine weiterführende Zusammenarbeit in der Lehre im vorklinischen und klinischen Studienabschnitt. Ziel ist eine longitudinale und aufeinander aufbauende Verankerung von Themen der öffentlichen Gesundheit in den Curricula, die sich am Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM 2.0) [16] orientieren, in medizinischen Prüfungen wie auch in gemeinsamen Präventions- und Forschungsprojekten . Im aktuellen Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen wird eine systematische Verankerung der ÖGD-Forschung und eine wissenschaftliche Fundierung der Ausbildungsinhalte durch die Einrichtung von Professuren für Öffentliche Gesundheit empfohlen [17]. Zur Stärkung der wissenschaftlichen Grundlagen des ÖGD empfiehlt die Steuerungsgruppe des Zukunftsforums Public Health darüber hinaus in ihrer Stellungnahme Pakt für den ÖGD, Kooperationen der Hochschulen zu den Akademien für ÖGW und den Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten des ÖGD sicherzustellen sowie Postgraduierten-Programme und Karriereoptionen für Mitarbeiter*innen des ÖGD zu etablieren, um wissenschaftliche Laufbahn und Tätigkeit im ÖGD verbinden zu können [18]. Ein PJ-Tertial im Medizinstudium wie auch Praktika gesundheitswissenschaftlicher Berufsgruppen in den verschiedenen Studiengängen sollen berufliche Perspektiven, z. B. für Mediziner die Weiterbildung zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, für verschiedene Berufsgruppen, Spezialisierungen, und wissenschaftliche Karrierewege im Public Health Bereich aufzeigen, erste Erfahrungen mit multiprofessioneller Zusammenarbeit und Interdisziplinarität im ÖGD ermöglichen und einem Nachwuchsfachkräftemangel entgegenwirken [19].

Das in diesem Bericht dargelegte Konzept zur Etablierung des PJ-Tertials im Gesundheitsamt Göttingen und die beschriebenen Erfahrungen in der Umsetzungsphase sollen anderen Standorten als Beispiel für die Implementierung dieses PJ-Wahlfachs dienen. Das Logbuch ist online verfügbar und kann auf spezifische Vorortbedingungen angepasst werden.

Ethik

Die Durchführung von Fragebogenevaluationen wurde der Ethikkommission der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) vorgelegt (3/5/22; 1.6.2022)


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Wir bedanken uns bei den Projektpartner*innen Prof. Dr. Juliane Leinweber, Uta Hochheim, Prof. Dr. Melanie Misamer, Dr.-Ing. Falk Schlegelmilch und Franka Blankenburg für die gute Zusammenarbeit im Projektteam UNITE und ihre Beiträge zur Etablierung des PJ ÖGW, bei der Gesundheitsregion Göttingen/Südniedersachsen für die Beteiligung am Projekt UNITE, bei den Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamtes für ihr hohes Engagement zur Etablierung und Umsetzung des PJ-Tertials, bei den Studierenden für ihren Einsatz und alle Anregungen zur Entwicklung und Umsetzung des PJ-Tertials und beim Mannheimer Team für die Möglichkeit, das Feedbacktraining auch an unserer Fakultät einzusetzen zu dürfen.

Zusätzliches Material


Korrespondenzadresse

Dr. Iris Demmer
University Medical Center Göttingen, Department of General Practice, Humboldtallee 38
37073 Göttingen
Germany   

Publication History

Accepted Manuscript online:
22 April 2024

Article published online:
16 July 2024

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Abb. 1 Schritte in der Etablierung des PJ-Wahlfaches ÖGW.
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Abb. 2 Relevanz von Kompetenzzielen für eine didaktische Schulung aus Sicht PJ-lehrender Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamtes (Fragebogenerhebung, 8 Teilnehmende).