Laryngorhinootologie 2024; 103(09): 685-687
DOI: 10.1055/a-2316-2983
OP-Techniken

Eingriffe an Larynx, Hypopharynx und Trachea

J. A. Werner
,
J. P. Windfuhr

Transzervikale Larynxteilresektion

Chordektomie nach Thyreotomie

OP-Prinzip

Nach temporärer Spaltung des Schildknorpels mikroskopisch kontrollierte Tumorexzision an der Stimmlippe.

Indikation

Stimmlippenmalignom bei beweglicher Stimmlippe ohne Infiltration der vorderen Kommissur, das transoral nicht ausreichend sicher zur Darstellung gebracht und reseziert werden kann.


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OP-Planung

  • Klärung der allgemeinen Operationsfähigkeit

  • Sicherung des histologischen Befundes durch Biopsie

  • Lupenlaryngoskopie zur Orientierung von Tumorsitz und Stimmlippenbeweglichkeit

  • Mikrostützlaryngoskopie mit exakter Beurteilung von Tumorlokalisation und -ausdehnung, Einblick in Sinus Morgagni und subglottischen Raum mit Winkeloptik


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Spezielle Instrumente

  • Mikrostichsäge, Piezosäge oder oszillierende Säge

  • lange, schlanke Scherchen, ggf. Ohrmikroinstrumente

  • Operationsmikroskop


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Anästhesie

Lokalanästhesie oder Intubationsnarkose. Auch bei Intubationsnarkose ist nur ausnahmsweise eine Tracheotomie erforderlich.

  • Lokalanästhesie: Infiltration median vom Zungenbein bis zum Jugulum, rautenförmig nach lateral bis zum Vorderrand des M. sternocleidomastoideus. Zusätzliches Depot an beide Nn. laryngei craniales über dem Schildknorpeloberhorn. Später wird mit einer Kanüle im freigelegten Lig. conicum der Larynx punktiert und nach vorheriger Luftaspiration mit der Spitze 1 ml Pantocain eingeträufelt. Oberflächenanästhesie des eröffneten Larynx mit Pantocain; Unterspritzung der Stimmlippe mit Lidocain mit Adrenalinzusatz.

  • Intubationsnarkose: dünner Woodbridge-Tubus (Männer: 6,5mm; Frauen: 5,5 mm Innendurchmesser), Wechseldruckbeatmung


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OP-Technik

  • Lagerung: flache Lagerung auf dem Operationstisch mit flachem Schulterpolster und rekliniertem Kopf. Operateur steht an der gesunden Seite (guter Aufblick auf den Tumor).

  • Hautschnitt: Medianer Hautschnitt, vom Zungenbein bis zur Unterkante des Ringknorpels (falls Tracheotomie, weiter bis zum Jugulum). Alternativ kann eine quere Hautinzision prälaryngeal vorgenommen werden, eine zusätzlich erforderliche Tracheotomie erfolgt über einen separaten Hautschnitt. Vertiefung des Schnittes genau in der Mittellinie bis auf das Perichondrium des Schildknorpels. Querende Halsvenen werden unterbunden, die infrahyoidale Muskulatur wird mit Haken oder einem Wundsperrer zur Seite gezogen.

  • Schildknorpelpräparation und -spaltung: Das äußere Schildknorpelperichondrium wird mit einem Präpariertupfer freipräpariert, Zurückschieben des Perichondriumblattes über den Angulus, um es später als Deckung zu benutzen ([Abb. 1a]).

  • In der Mitte der Schildknorpelunterkante wird mit einem Freer-Raspatorium von der Perichondriumschnittstelle aus das innere Perichondrium knapp gelöst. Genau in der Mittellinie wird die Stichsäge mit abgerundetem Sägeblatt angesetzt und der Knorpel durchtrennt ([Abb. 1b]).

  • Eröffnung des Larynx: Die durchtrennten Knorpelhälften werden mit Haken auseinandergezogen; an der Schildknorpelunterkante wird der Larynx quer eröffnet und von hier aus die Weichteile entweder mit der Schere oder nach Einlegen einer Hohlsonde, die in die vordere Kommissur gedrückt wird, mit dem Skalpell von unten nach oben durchtrennt. Mit einem Scherenschnitt wird der Zugang nach kranial Richtung Petiolus erweitert, um eine optimale Übersicht zu haben ([Abb. 1c]).

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Abb. 1 Thyreotomie. a Umschneidung eines Perichondriumlappens 1 cm weit paramedian und Zurückschieben auf die Gegenseite. b Mediane Durchtrennung des Schildknorpels mit der Stichsäge. c Eröffnung des Larynxinneren über eine von unten eingeführte Hohlsonde streng median.
  • Auseinanderhalten des Larynxgerüstes mit einem Wundhäkchen oder Wundsperrer, Aufladung des Tubus mit einem Langenbeck-Haken. Mikroskop.

  • Unterspritzen der Stimmlippenregion mit einem Vasokonstringens mit ausreichendem Abstand zum Tumor.

  • Tumorresektion: Umschneidung des Tumors unter mikroskopischer Kontrolle mit einem Skalpell und/oder feinen Schere mit ausreichendem Sicherheitsabstand (3–5 mm) durch Schleimhautinzisionen parallel zum Stimmband kranial und kaudal hiervon. Diese Schnitte werden dann ventral und dorsal miteinander verbunden, der Tumor von ventral nach dorsal an seiner Basis abgesetzt und sofort für die histopathologische Untersuchung auf Kork aufgespannt und beschriftet. In jedem Fall sollten vom verbliebenen Gewebe Randschnitte für die Schnellschnittuntersuchung gewonnen werden, um ein randbildendes Tumorwachstum ausschließen zu können. Bei gegenteiligem Resultat muss nachreseziert werden, bis die Schnellschnitte tumorfrei sind oder die Grenze des Vertretbaren erreicht ist ([Abb. 2]).

  • Blutstillung und Defektdeckung: exakte Blutstillung (bipolar). Auf eine Deckung des Chordektomiebezirks wird verzichtet (spontane Epithelisierung; es bildet sich in der Folge eine narbige Ersatzstimmlippe). Musste eine Resektion des Processus vocalis erfolgen, so wird durch Bildung eines kleinen Verschiebelappens von der Taschenfaltenregion her die Knorpelschnittfläche gedeckt.

  • Wundverschluss: Zum Verschluss des Larynx wird das zuvor umschnittene Perichondrium rückverlagert und mit 4/0 resorbierbarem Material vernäht ([Abb. 3]). Falls die Bildung eines äußeren Perichondriumlappens nicht möglich war, Naht am Weichteilgewebe an der Schildknorpelober- und -unterkante. Darüber schichtweise Naht der Muskulatur, Einlage einer Wunddrainage, um ein Hautemphysem zu verhindern. Subkutan- und Hautnähte, zirkulärer Verband.

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Abb. 2 Chordektomie. Umschneidung der Stimmlippe mit dem Skalpell. Der kleinkalibrige Tubus wird mit dem Langenbeck-Haken zur Seite gehalten, um auch die dorsalen Stimmlippenanteile einsehen zu können.
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Abb. 3 Thyreotomie. Verschluss des Larynx durch Naht des Perichondriums.

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Modifikationen

Zeigt sich intraoperativ, dass der Tumor die Resektionsgrenzen der Chordektomie überschritten hat, so muss der Eingriff erweitert werden. Diese Situationen sind allerdings wegen der hohen Aussagekraft heutiger CT-Untersuchungstechniken in Kombination mit der obligaten präoperativen Panendoskopie kaum noch zu erwarten und werden deswegen in der Regel von vornherein ausgeführt:

  • Erweiterte Chordektomie nach St. Clair-Thompson: Bei Befall des inneren Perichondriums vom Stimmlippenkörper her wird von der Thyreotomie aus der befallene Knorpelbereich nach Ablösen des äußeren Perichondriums breit umschnitten und mit dem anhängenden Stimm- und Taschenfaltenbereich in toto reseziert. Auch hier keine Defektdeckung, möglich ist allerdings, sich einen Faszienlappen aus der mittleren Halsfaszie zu präparieren, in das Wundbett einzuschlagen und mit Fibrinkleber zu fixieren.

  • Frontolaterale Kehlkopfteilresektion: Erreicht der Tumor die vordere Kommissur, so muss der Eingriff im Sinne einer frontolateralen Kehlkopfteilresektion umgestaltet werden, wobei allerdings das Tumorpräparat durch die Nachresektion in 2 Teilen anfällt.

Risiken und Komplikationen
  • Emphysem der Halshaut: Entfernen einiger Fäden, Adaptation der Weichteile auf den Larynx durch leichten Druckverband; nur ausnahmsweise operative Revision mit zusätzlicher Abdichtung

  • Nachblutung im Halsgebiet aus der A. cricothyreoidea: operative Revision und Ligatur/bipolare Koagulation, im Einzelfall nach Wiedereröffnung des Larynx

  • Perichondritis: Antibiotikagabe, ggf. Wundrevision

  • Mediastinitis, Halsphlegmone, Sepsis (Rarität): gezielte Antibiotikagabe, Laboruntersuchungen (Leukozytenzahl, CRP, Präcalcitonin-Wert), evtl. CT-Hals/Thorax und operative Exploration

  • postoperative Larynxstenosen durch Synechiebildung oder Polypenbildung: mikrolaryngoskopische Resektion

  • Trachealstenosen, bleibendes Tracheostoma

  • Stimmverschlechterung (abschließende Beurteilung erst nach 6–12 Monaten)


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Nachbehandlung

  • Überwachung der Atmung, Inhalationen, Sprechverbot

  • Entfernung der Wunddrainage am zweiten Tag

  • falls tracheotomiert wurde, Dekanülierung frühzeitig versuchen, meist nach wenigen Tagen möglich

  • Antibiotikagabe, Antitussiva

  • bei Schluckstörungen Nährsonde, sonst weiche Kost

  • regelmäßige Überwachung


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Alternativen

Angesichts der hervorragenden laserchirurgisch erzielbaren Resultate ist das beschriebene Vorgehen von außen zunehmend nur speziellen Situationen vorbehalten. Dies betrifft in erster Linie T1b-Stimmlippenkarzinome, die laserchirurgisch nicht reseziert werden können, weil das tumortragende Areal nicht ausreichend sicher exponiert werden kann.

Aus: Rettinger G, Hosemann W, Huttenbrink KW, Werner JA. HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. 5., vollständig überarbeitete Auflage


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Publication History

Article published online:
02 September 2024

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