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DOI: 10.1055/a-2331-3433
Workflow einer In-House-Lösung zur Herstellung direkt gedruckter serieller Schienen
Einführung
Schienen zur orthodontischen Korrektur von Zahnfehlstellungen, sogenannte Aligner, werden zunehmend weiterentwickelt. Dies betrifft nicht nur die digitale Planung unter Berücksichtigung biomechanischer Aspkete, wie beispielsweise die Form und Positionierung von Attachments [1] [2], oder das Indikationsspektrum [3], sondern auch die eigentlichen Herstellungsprozesse der Schienen. Denn mithilfe neuer Materialien, wie beispielsweise mit dem Tera Harz TC-85DAC (Fa. Graphy, Seoul, Südkorea), ist es inzwischen möglich, Aligner im Direktdruckverfahren mit 3D-Druckern herzustellen, wodurch auf externe Anbieter, den Druck dreidimensionaler Zahnkränze und das anschließende Tiefziehverfahren verzichtet werden kann. In diesem Beitrag wird ein vollständig digitaler In-House-Workflow einer Aligner-Behandlung zur Fertigung mittels direkt gedruckter serieller Schienen dargestellt.
Video 1 Herstellung direkt gedruckter serieller Schienen
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Direktdruck der Schienen
Nach dem Intraoralscan und der digitalen Planung des Set-Ups werden die Aligner mit einem Drucker, der eine Genauigkeit von ± 10 µm und eine Z-Auflösung, also eine Schichthöhe von 10 bis 100 µm aufweist, im Stereolithografie-Verfahren gedruckt. Dazu werden die Schienenformen anhand der digitalen Set-Up-Modelle in dem Programm ArchForm (Fa. ArchForm, San Mateo, CA, USA) konstruiert und im 3D-Drucker UNIZ NBee (Fa. UNIZ, San Diego, CA, USA) mit entsprechenden Stützstrukturen, sogenannten Supports, hergestellt. Diese sind für einen präzisen, formstabilen Druck der Schienen unerlässlich und sollten in den benötigten Bereichen positioniert werden. Zur Randgestaltung der Aligner stehen die Möglichkeiten gewellt, gerade, gewellt verlängert und gerade verlängert zur Verfügung [4] [5]. In diesem Beitrag wurde exemplarisch das gewellte Design gewählt.
Anschließend werden die Aligner auf der virtuellen Druckerplattform positioniert, wobei sowohl eine horizontale als auch eine vertikale Ausrichtung möglich ist. Zwar erlaubt die horizontale Positionierung aufgrund der reduzierten Schicht-Anzahl eine höhere Druckgeschwindigkeit, jedoch erfordert sie auch eine höhere Anzahl an Supports und ermöglicht den Druck weniger Aligner. Umgekehrt können bei vertikaler Ausrichtung mehrere Schienen simultan hergestellt werden, wenngleich mit geringerer Geschwindigkeit und höherem Fehlerrisiko aufgrund der erhöhten Schicht-Anzahl.
Für den 3D-Direktdruck wird das Resin Tera Harz TC-85DAC genutzt. Zur Vermeidung eines Fehldruckes muss das zu verwendende Resin homogen sein, sodass es bei einer Temperatur von etwa 30°C einige Minuten vermengt werden sollte. Der eigentliche Druckvorgang dauert bei sechs vertikal angeordneten Alignern etwa 20 bis 25 Minuten.
Im Anschluss erfolgt die Nachbearbeitung der Aligner. Dazu werden sie von der Druckerplattform entfernt und mit den Stützstrukturen nach innen zeigend in die Zentrifuge Tera Harz Cure Spinner (Fa. Graphy, Seoul, Südkorea) positioniert, um das überschüssige, nicht ausgehärtete Harz zu entfernen. Die Zentrifugation sollte bei 500–600 Umdrehungen/ Minute für sechs Minuten stattfinden. Anschließend werden die Supports entfernt und die Aligner in der UV-Härtungseinheit Tera Harz Cure THC2 (Fa. Graphy, Seoul, Südkorea) ausgehärtet. Dieses Gerät wurde speziell für gedruckte Aligner mit Hochleistungs-LEDs hergestellt und ist mit einem Stickstoffgenerator ausgestattet, um eine Aushärtung unter Ausschluss von Sauerstoff zu ermöglichen. Auf diese Weise wird die Herstellung eines biokompatiblen Aligners bei gleichzeitiger Erhöhung der Transparenz gewährleistet, da Sauerstoff die vollständige Polymerisation hemmen und somit potentiell die mechanischen Eigenschaften des Aligners negativ beeinflussen würde [6]. Im Anschluss werden die ausgehärteten Schienen für zwei Minuten in die Ultraschallreinigungseinheit U-Wash (Fa. UNIZ, San Diego, CA, USA) gelegt, um Rückstände zu entfernen.
Nun erfolgt eine Politur der Schienen an jenen Stellen, an denen sich zuvor die Stützstrukturen befanden. Abschließend werden die Aligner für eine Minute in kochend heißes Wasser getaucht, um noch eventuell vorhandene Restrückstände von Substanzen zu entfernen und somit das Risiko allergischer Reaktionen zu reduzieren. Die mechanischen Materialeigenschaften werden durch die Wärmezufuhr nicht negativ beeinflusst [2].
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Mechanische und zytotoxische Eigenschaften direkt gedruckter Aligner
Aligner, welche mit TC-85DAC hergestellt werden, üben aufgrund ihrer Flexibilität und viskoelastischen Eigenschaften konstant Kraft auf die Zähne aus. Somit wird der Kraftabfall, der bei thermoplastisch hergestellten Alignern durch das wiederholte Ein- und Ausgliedern auftritt, verringert und eine konstante Kraftabgabe aufrechterhalten [7] [8]. Dies ist auf den sogenannten Formgedächtniseffekt des TC-85DAC-Harzes zurückzuführen, welcher bei Mundtemperatur zum Tragen kommt. Folglich wird die Anpassung der Aligner an den Zahnbogen verbessert, was, in Kombination mit dem reduzierten Kraftabbau, umfangreichere Zahnbewegungen pro Zahnumstellungsschritt ermöglichen soll [7]. Darüber hinaus weisen die direkt gedruckten Aligner eine mit tiefgezogenen Schienen vergleichbare Härte und Steifigkeit auf [9].
Hinsichtlich der zytotoxischen Eigenschaften konnte gezeigt werden, dass während einer 14-tägigen Lagerung von 3D-gedruckten Alignern in Wasser durchaus Substanzen freigesetzt wurden. Jedoch hatten diese in vitro weder einen zytotoxischen oder östrogenen Effekt, noch einen Einfluss auf die intrazelluläre Menge an reaktivem Sauerstoff in humanen Gingivafibroblasten [10].
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Vor- und Nachteile direkt gedruckter Aligner
3D-gedruckte Zahnkranzmodelle führen zur zunehmenden Ansammlung von nicht recycelbarem Abfall, welcher bei direkt gedruckten Alignern entfällt. Ein weiterer Vorteil der direkt gedruckten gegenüber den thermoplastisch hergestellten Schienen ist eine potentiell schnellere Herstellung, da die Schritte Modelldruck, Tiefziehen, Entfernen des Aligners vom Modell und Trimmen entfallen [11]. Darüber hinaus weisen gedruckte Schienen eine höhere Passgenauigkeit im Vergleich zu tiefgezogenen Schienen auf. Dies könnte bei Bewegungen, welche schwierig vollständig umzusetzen sind, einen entscheidenden Vorteil darstellen [12]. Außerdem können direkt gedruckte Aligner in gleichmäßiger Schichtstärke hergestellt werden, sodass die Kräfte homogen auf alle Zähne übertragen werden können. Im Gegensatz dazu weisen thermoplastisch hergestellte Schienen nach dem Tiefziehvorgang eine ungleichmäßige und geringere Schichtstärke als die ursprünglich verwendete Kunststofffolie auf [13] [14]. Schließlich ist es von Vorteil, dass bei gedruckten Schienen deren Dicke in bestimmten Bereichen erhöht werden kann. Beispielsweise kann bei gewünschter Protrusion der unteren Inzisivi auf Höhe ihrer Lingualfläche zusätzliches Schienenmaterial aufgetragen werden, um selektiv die Steifigkeit der Aligner zu erhöhen. Allerdings ist noch nicht eindeutig wissenschaftlich belegt, dass sich eine erhöhte Schichtdicke positiv auf die Wirksamkeit der Aligner-Behandlung auswirkt [13].
Als Nachteile können beispielsweise eine intensive Personalschulung, sowie eine aufwendige Integration der Hard- und Software in der Praxis aufgeführt werden, wodurch sich insbesondere die Anfangsphase als zeitaufwändig und ineffizient darstellen kann [15] [16]. Zudem sollte vor der Anschaffung für die beim 3D-Druck entstehenden Abfallstoffe ein Entsorgungs- und Aufbereitungsplan erstellt werden, um diese entsprechend zu recyceln. Dadurch kann die Belastung der Umwelt mit Mikroplastik reduziert werden [17] [18]. Schließlich gilt es zu beachten, dass die meisten Untersuchungen zur Biokompatibilität in vitro durchgeführt wurden, während aussagekräftige In-vivo-Studien noch ausstehen.
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Publication History
Article published online:
27 September 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Castroflorio T, Parrini S, Rossini G. Aligner biomechanics: Where we are now and where we are heading for. J World Fed Orthod 2024; 13: 57-64
- 2 Mattle M, Zinelis S, Polychronis G. et al. Effect of heat treatment and nitrogen atmosphere during post-curing on mechanical properties of 3D-printed orthodontic aligners. Eur J Orthod 2024; 46 cjad074
- 3 Najjar HE, Alangary MA, Radwan AN. et al. Indications, limitations, and outcomes of clear aligners in orthodontic treatment. Int J Community Med Public Health 2023; 10: 2604-2608
- 4 Elshazly TM, Bourauel C, Aldesoki M. et al. Effect of attachment configuration and trim line design on the force system of orthodontic aligners: A finite element study on the upper central incisor. Orthod Craniofac Res 2024; Mar 9
- 5 Elshazly TM, Salvatori D, Elattar H. et al. Effect of trimming line design and edge extension of orthodontic aligners on force transmission: A 3D finite element study. J Mech Behav Biomed Mater 2023; 140: 105741
- 6 Panayi NC. Directly Printed Aligner: Aligning with the Future. Turk J Orthod 2023; 36: 62-69
- 7 Lee SY, Kim H, Kim H-J. et al. Thermo-mechanical properties of 3D printed photocurable shape memory resin for clear aligners. Sci Rep 2022; 12: 6246
- 8 Shirey N, Mendonca G, Groth C. et al. Comparison of mechanical properties of 3-dimensional printed and thermoformed orthodontic aligners. Am J Orthod Dentofacial Orthop 2023; 163: 720-728
- 9 Atta I, Bourauel C, Alkabani Y. et al. Physiochemical and mechanical characterisation of orthodontic 3D printed aligner material made of shape memory polymers (4D aligner material). J Mech Behav Biomed Mater 2024; 150: 106337
- 10 Pratsinis H, Papageorgiou SN, Panayi N. et al. Cytotoxicity and estrogenicity of a novel 3-dimensional printed orthodontic aligner. Am J Orthod Dentofacial Orthop 2022; 162: e116-e122
- 11 Peeters B, Kiratli N, Semeijn J. A barrier analysis for distributed recycling of 3D printing waste: Taking the maker movement perspective. J Clean Prod 2019; 241: 118313
- 12 Koenig N, Choi J-Y, McCray J. et al. Comparison of dimensional accuracy between direct-printed and thermoformed aligners. Korean J Orthod 2022; 52: 249-257
- 13 Bucci R, Rongo R, Levatè C. et al. Thickness of orthodontic clear aligners after thermoforming and after 10 days of intraoral exposure: a prospective clinical study. Prog Orthod 2019; 20: 36
- 14 Mantovani E, Parrini S, Coda E. et al. Micro computed tomography evaluation of Invisalign aligner thickness homogeneity. Angle Orthod 2021; 91: 343-348
- 15 Kenning KB, Risinger DC, English JD. et al. Evaluation of the dimensional accuracy of thermoformed appliances taken from 3D printed models with varied shell thicknesses: An in vitro study. Int Orthod 2021; 19: 137-146
- 16 Zinelis S, Panayi N, Polychronis G. et al. Comparative analysis of mechanical properties of orthodontic aligners produced by different contemporary 3D printers. Orthod Craniofac Res 2022; 25: 336-341
- 17 Slaymaker J, Woolley J, Hirani S. 3D Printing in Orthodontics: An Introduction. SVOA-Dentistry 2023; 4: 229-241
- 18 Venezia P, Ronsivalle V, Rustico L. et al. Accuracy of orthodontic models prototyped for clear aligners therapy: A 3D imaging analysis comparing different market segments 3D printing protocols. J Dent 2022; 124: 104212