Rofo 2024; 196(08): 866-870
DOI: 10.1055/a-2333-3763
DRG-Mitteilungen

Stolpersteine auf dem Weg in den Ruhestand – rechtliche Hürden für die Beendigung der radiologischen Tätigkeit

 

„Viele Wege führen nach Rom“

Irgendwann muss Schluss sein. Die Schwierigkeit besteht darin, dieses „Irgendwann“ zu konkretisieren.

Für den freiberuflich niedergelassenen Radiologen in der vertragsärztlichen Versorgung ergeben sich die rechtlichen Hürden aus dem Vertragsarztrecht. Denn der freiberuflich niedergelassene Radiologe wird seine Praxis oder seinen Anteil an einer radiologischen Berufsausübungsgemeinschaft nicht verkaufen können, ohne zugleich einen Weg für die Übertragung seiner Vertragsarztzulassung gefunden zu haben. Zudem ergeben sich Unterschiede auf dem Weg in den Ruhestand, je nachdem, ob der Radiologe eine Einzelpraxis betreibt oder Gesellschafter einer Berufsausübungsgemeinschaft ist.


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Für den beispielsweise in einem MVZ, in einer Berufsausübungsgemeinschaft oder einem Krankenhaus angestellten Radiologen wird das Ende seiner Tätigkeit durch den Anstellungsvertrag bestimmt bzw. durch tarifvertragliche Regelungen. Zumeist enthalten diese Regelungen ein festes Datum für die Beendigung der beruflichen Tätigkeit, sei es der Zeitpunkt, zu dem erstmals Altersrente bezogen werden kann, oder die Vollendung eines bestimmten Lebensjahres. Ob und wie die Arztstelle neu besetzt wird, ist Sache des Arbeitgebers. Für den angestellten Radiologen ist der Weg in den Ruhestand daher einfacher; aber auch hier kann es den Eintritt in den Ruhestand beeinflussende Aspekte geben.

Wege in den Ruhestand I: Der Radiologe mit Einzelpraxis

Ist der Radiologe Inhaber einer Einzelpraxis, so ist er auf den ersten Blick in der Disposition über seine Vertragsarztzulassung frei; er kann den mit der Vertragsarztzulassung verbundenen Sicherstellungsauftrag durch einen Verzicht auf die Vertragsarztzulassung gegenüber dem Zulassungsausschuss einseitig beenden.


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Der Verzicht auf die Vertragsarztzulassung

Nach § 28 Abs. 1 Ärztezulassungsverordnung (Ärzte-ZV) wird der Verzicht auf die Zulassung mit dem Ende des auf den Zugang der Verzichtserklärung des Vertragsarztes beim Zulassungsausschuss folgenden Kalendervierteljahrs wirksam. Diese Frist kann nach § 28 Abs. 2 Ärzte-ZV verkürzt werden, wenn der Vertragsarzt nachweist, dass für ihn die weitere Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit für die gesamte Dauer oder einen Teil der Frist unzumutbar ist. Der Zulassungsausschuss stellt das Erlöschen der Vertragsarztzulassung fest und erteilt dem Arzt, der auf seine Vertragsarztzulassung verzichtet hat, einen entsprechenden Feststellungsbescheid.

Mit dem Wirksamwerden des Verzichts auf die Vertragsarztzulassung entfällt die Grundlage für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Damit ist auch keine Vertretung mehr möglich, da diese voraussetzt, dass eine fortführungsfähige radiologische Praxis besteht. Die mit den in der Praxis vorhandenen materiellen Werten, also mit Geräten und Inventar verbundenen Zwecke können nicht mehr erreicht werden, ein immaterieller Wert droht zu erlöschen. Unabhängig davon bestehen die Verpflichtungen des Praxisinhabers aus den laufenden Verträgen der Praxis fort, es sei denn, dieser hat rechtzeitig durch entsprechende Kündigungserklärungen die Beendigung z. B. des Mietvertrages bzw. der Anstellungsverträge herbeigeführt.

Es liegt auf der Hand, dass durch diese Art der Beendigung der radiologischen Tätigkeit erhebliche wirtschaftliche Werte vernichtet werden können bzw. Risiken in Gestalt fortbestehender Verpflichtungen drohen. Allerdings ist solch ein Beendigungsszenario nicht mehr ganz fernliegend angesichts der derzeitigen Rahmenbedingungen vertragsärztlicher Tätigkeit: Unsicherheiten hinsichtlich der Weiterentwicklung von EBM und GOÄ, fortschreitende Bürokratisierung der vertragsärztlichen Tätigkeit, steigende Zinsen, Mangel an Mitarbeitern, mit dem Arbeitsanfall in der Praxis nicht kompatible Vorstellungen potenzieller Nachfolger, was eine befriedigende Work-Life-Balance anbetrifft.


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Kein Ruhestand ohne Verwertung der Praxis

Der Weg in den Ruhestand lässt sich daher nicht von der Disposition über die in der Praxis verkörperten wirtschaftlichen Werte trennen, sei es in Gestalt des Verkaufs oder – sollte sich kein Käufer finden lassen – in der Abwicklung.


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Das Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 4 SGB V (Ausschreibung und Nachbesetzung)

Ist ein Käufer gefunden, so taucht in Gestalt des § 103 Abs. 4 SGB V eine vertragsarztrechtliche Hürde auf, die im Fall des Verkaufs einer Einzelpraxis nicht leicht zu überwinden ist. Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes, ob ein Nachbesetzungsverfahren für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll.


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Hürde I: Mangelnde Versorgungsrelevanz

Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist; dies gilt nicht, sofern die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, der einem privilegierten Personenkreis angehört. Privilegiert ist ein Bewerber z. B. dann, wenn er der Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes oder ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde. In diesen Fällen muss der Verkäufer nicht mit einer Einziehung seiner Vertragsarztzulassung rechnen; dies gilt auch, wenn er in einem Umfang an der Versorgung von GKV-Patienten teilnimmt, der nicht wesentlich unter dem Fachgruppenschnitt angesiedelt ist.

Für einen Verkäufer mit gut laufender Praxis wird diese Hürde daher kein Problem darstellen. Jedoch verlängert diese Hürde das Nachbesetzungsverfahren nicht unerheblich. Hat der Zulassungsausschuss nämlich entschieden, dass die Nachbesetzung der Vertragsarztzulassung aus Versorgungsgründen erforderlich ist, so wird die Vertragsarztzulassung zur Nachbesetzung durch die Kassenärztliche Vereinigung ausgeschrieben. Auf der Grundlage der eingegangenen Bewerbungen kommt es zu einer zweiten Befassung des Zulassungsausschusses mit dem Antrag des Verkäufers auf Nachbesetzung seiner Vertragsarztzulassung durch den Käufer. Je nachdem, wie die Vorlaufzeiten bei den einzelnen Zulassungsausschüssen sind, kann sich das Nachbesetzungsverfahren über mehrere Monate erstrecken. Berücksichtigt man noch, dass in der Regel sowohl Verkäufer als auch Käufer daran gelegen ist, die kaufvertraglichen Vereinbarungen vor Beginn des Nachbesetzungsverfahrens zum Abschluss gebracht zu haben, müssen Verkäufer und Käufer sich auf eine Dauer von mindestens einem Jahr von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Nachbesetzungsentscheidung des Zulassungsausschusses einstellen.


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Hürde II: Bewerberauswahl

Damit ist die vertragsarztrechtliche Hürde der Nachbesetzung der Vertragsarztzulassung allerdings noch nicht in ihrer gesamten Dimension erfasst. Verkäufer und Käufer können sich nämlich nicht ohne weiteres darauf verlassen, dass der von dem Verkäufer ausgewählte Käufer vom Zulassungsausschuss auch als Nachfolger auf die Vertragsarztzulassung des Verkäufers nachbesetzt wird.

Unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen, hat der Zulassungsausschuss den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen. Bei der Auswahl der Bewerber sind die in § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 1 ff. SGB V geregelten Kriterien zu berücksichtigen wie z. B. die berufliche Eignung, das Approbationsalter, die Dauer der ärztlichen Tätigkeit, ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist, ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde, um die in der Praxis der Zulassungsausschüsse wichtigsten Kriterien zu benennen. Die Auflistung in § 103 Abs. 4 S. 5 SGB V ist nicht abschließend[ 1 ], zusätzlich ist z. B. die Dauer des Wartelisteneintrags des jeweiligen Bewerbers zu berücksichtigen. Andererseits bedeutet die längere berufliche Erfahrung nicht automatisch eine höhere Eignung[ 2 ]. Die Interessen des Praxisverkäufers werden insoweit geschützt, als der Zulassungsausschuss nur einen Bewerber auswählen darf, der bereit ist, an den Praxisverkäufer den Verkehrswert der Praxis zu zahlen, § 103 Abs. 4 S. 9 SGB V. Aus dem Erfordernis der Fortführung der Praxis ergeben sich Anforderungen an den Nachfolger. Seine Qualifikation muss zu dem Praxiszuschnitt des Vorgängers passen (möglichst einschließlich Zusatzqualifikationen und Leistungsspektrum). Als weiteres Kriterium über die im Gesetz genannten Kriterien hinaus kann insbesondere auch der Gesichtspunkt der Versorgungskontinuität berücksichtigt werden, dieser Gesichtspunkt kann zur Auswahl eines Bewerbers führen, der zusätzliche Qualifikationen wie der abgebende Vertragsarzt aufweist (z. B. Sonografie-Qualifikation).

Aufgabe des Zulassungsausschusses ist es, die Kriterien unter Berücksichtigung der Gestaltung des konkreten Falles zu gewichten.

Hieraus ergibt sich für den Käufer und den Verkäufer eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit, und dies über einen längeren Zeitraum, denn erst wenn der Zulassungsausschuss die Nachbesetzung vorgenommen hat, kein Widerspruch durch einen anderen Bewerber erhoben bzw. ein solcher Widerspruch durch den Berufungsausschuss zurückgewiesen wurde und der Widerspruchsführer keine Klage erhoben hat, tritt die Bestandskraft der Nachbesetzung durch den Zulassungsausschuss ein, die Grundlage die Fortführung der Praxis durch den Käufer ist.

Der Käufer muss sich darüber klar sein, dass er während der Nachbesetzungsphase keine andere berufliche Herausforderung annehmen kann, weil er ja möglicherweise vom Zulassungsausschuss ausgewählt wird und damit Kaufvertrag und Finanzierung bindend werden (es sei denn, im Kaufvertrag ist ein Rücktrittsrecht des Käufers vereinbart).

Der Verkäufer muss damit rechnen, dass der Zulassungsausschuss einen anderen Bewerber auswählt, sodass der Verkäufer mit diesem Bewerber erneut die vertraglichen Konditionen – dann aber in einer für ihn als Verkäufer strategisch eher ungünstigen Position – verhandeln muss.

Für die Beteiligten wird es darum gehen, das Risiko der Nachbesetzung möglichst zu minimieren. Das kann dadurch geschehen, dass dem Zulassungsausschuss so konkret wie möglich dargelegt wird, welche Kriterien für den vom Verkäufer gewünschten Bewerber sprechen.

Hilfreich kann auch sein, wenn der Bewerber vor Einleitung des Nachbesetzungsverfahrens bereits in der Praxis des Verkäufers tätig wird, sei es als Angestellter oder als Job Sharing Partner, § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 6 SGB V.

Denkbar ist auch, eine in der Praxis des Verkäufers möglicherweise bestehende Arztstelle mit dem Käufer als Angestellten zu besetzen, um sie später in eine Zulassung umzuwandeln.

Hier ist gestalterische Kreativität gefragt. Der Verkäufer muss sich daher frühzeitig mit den denkbaren Wegen in den Ruhestand befassen und ggfs. einen Übergangszeitraum akzeptieren, in dem Käufer und Verkäufer in der Praxis zusammenarbeiten.


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Das Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 4a, b SGB V (Verzicht zum Zweck der Anstellung)

Die Alternative besteht in dem Verkauf an einen Vertragsarzt, z. B. den Inhaber einer bereits bestehenden radiologischen Praxis, oder an ein Krankenhaus zu dem Zweck, die Praxis des Verkäufers als Nebenbetriebsstätte des Käufers, ggfs. im Rahmen einer von dem Käufer bereits aufgebauten MVZ-Struktur, fortzuführen.

Für den Verkäufer scheint bei einem Blick ins Gesetz dieser Weg in den Ruhestand mit den geringsten Hürden verbunden zu sein. Er verzichtet auf seine Zulassung zum Zweck der Anstellung in der Praxis oder dem MVZ des Käufers. Eine Nachbesetzung der Zulassung findet nicht statt, daher kommt dem Zulassungsausschuss auch kein Auswahlermessen zu. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, muss der Zulassungsausschuss die Anstellung des Verkäufers genehmigen. Die Praxis des Verkäufers kann auch an dem bisherigen Standort als Nebenbetriebsstätte der Praxis des Käufers fortgeführt werden, der Verkäufer kann also sicher sein, dass der Standort erhalten bleibt (Versorgungskontinuität) und für die Mitarbeiter – zumindest für eine Übergangszeit – das jeweilige Arbeitsverhältnis gesichert ist. Zur Umsetzung bedarf es neben dem Antrag auf Genehmigung der Anstellung des Verkäufers an den Zulassungsausschuss eines Antrages auf Genehmigung der Nebenbetriebsstätte an den Vorstand der jeweiligen KV oder das von diesem benannte Gremium, bei dem Erwerb einer Praxis außerhalb des KV-Bezirks eines Antrags an den Zulassungsausschuss, der für den Standort der Praxis zuständig ist, auf Ermächtigung zum Führen der bisherigen Praxis des Verkäufers als Nebenbetriebsstätte der Praxis oder des MVZ des Käufers. Diese vertragsarztrechtlich erforderlichen Anträge machen in der Praxis bei sorgfältiger Vorbereitung und rechtzeitiger Planung kein Problem.


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Hürde III: Absicht des Verkäufers, das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber drei Jahre aufrechtzuerhalten

Die Probleme entstehen aus einer Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts, denn nicht immer hilft ein bloßer Blick ins Gesetz. Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 04.05.2016, Aktenzeichen B 6 KA 21/15 R entschieden, dass derjenige, der auf seine Zulassung verzichtet, um bei einem anderen Vertragsarzt oder einem Krankenhaus tätig zu werden, die Absicht haben muss, diese Anstellung für mindestens drei Jahre nach Beginn der Anstellung bei dem Käufer aufrechtzuerhalten. Zur Umsetzung dieses Wegs in den Ruhestand bedarf es also einer längeren Zusammenarbeit zwischen Verkäufer und Käufer, die dadurch geprägt ist, dass der Verkäufer in „seiner ehemaligen Praxis“ als Angestellter und der Käufer als Arbeitgeber tätig werden. Das kann zu Friktionen führen, insbesondere, wenn Verkäufer und Käufer unterschiedliche Vorstellungen von der zukünftigen Entwicklung der Praxis haben oder der Verkäufer bestimmte Standards seiner radiologischen Tätigkeit für die drei Jahre gesichert sehen möchte, so z. B. die Dauer des Urlaubs, die Verteilung der Arbeitszeit oder was die Ausstattung seiner ehemaligen Praxis mit Geräten oder die personelle Ausstattung anbetrifft. Der Käufer wird vertraglich abgesichert haben wollen, dass er nicht Arztstelle und Kaufpreis verliert, wenn sich später herausstellt, dass der Verkäufer doch nicht die Absicht hatte, das Arbeitsverhältnis mit dem Käufer drei Jahre aufrechtzuerhalten, die Anstellung also ohne triftigen Grund, wie z. B. eine Berufsunfähigkeit des Verkäufers, vor Ablauf der drei Jahre nach Beginn der Anstellung beendet.

Die Stolpersteine auf dem Weg in den Ruhestand liegen hier weniger in den vertragsarztrechtlichen Abläufen als in der Gestaltung von Kauf- und Anstellungsvertrag, um die Belange von Käufer und den Verkäufer in dem Dreijahreszeitraum so in den Griff zu bekommen, dass Friktionen vermieden werden. Erschwert wird die Vertragsgestaltung, weil steuerrechtliche Aspekte zu berücksichtigen sind.: Je „freier“ z. B. die Rechtsstellung des Verkäufers in der Nebenbetriebsstätte ist, je schwächer das Direktionsrecht des Käufers ausgestaltet ist, umso mehr besteht das Risiko einer Gewerblichkeit, die den gesamten Betrieb des Käufers infiziert.


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Wege in den Ruhestand II: Der Radiologe in einer Berufsausübungsgemeinschaft

Inwieweit der Ausstieg aus einer radiologischen Berufsausübungsgemeinschaft mit Stolpersteinen belastet ist, hängt weniger von den vertragsarztrechtlichen als den durch den Gesellschaftsvertrag der Berufsausübungsgemeinschaft geschaffenen Rahmenbedingungen ab.

Die Vertragsarztzulassung wird bei einer Berufsausübungsgemeinschaft zur Nachbesetzung in dieser Berufsausübungsgemeinschaft ausgeschrieben. Hier gilt das Privileg des § 103 Abs. 6 SGB V: Der Zulassungsausschuss hat bei der Nachbesetzung die Belange der verbleibenden Gesellschafter zu berücksichtigen. Das führt in der Praxis dazu, dass der Bewerber ausgewählt wird, den die verbleibenden Gesellschafter wünschen.


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Hürde: Gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen zu Lasten des ausscheidenden Gesellschafters

Die Stolpersteine liegen daher seltener bei den vertragsarztrechtlichen Abläufen als im gesellschaftsvertraglichen Bereich, also bei den Vereinbarungen zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und seinen Mitgesellschaftern. Diese stammen aber – und daraus ergeben sich häufig Probleme – aus einer Zeit, in der niemand, auch nicht der ausscheidende Gesellschafter, daran gedacht hat, welche Risiken sich aus bestimmten gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen über das Ausscheiden eines Gesellschafters ergeben können. Diese Regelungen können nämlich ohne Zustimmung der verbleibenden Gesellschafter zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder nur unter Inkaufnahme von Nachteilen für den ausscheidenden Gesellschafter geändert werden. Folgende Beispiele zeigen die Brisanz des Themas.


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Hürde I: Abfindung ist abhängig von dem Beitritt eines Nachfolgers zur Berufsausübungsgemeinschaft

Im Gesellschaftsvertrag kann sich eine Regelung finden, wonach den verbleibenden Gesellschaftern bei Ausscheiden eines Gesellschafters dessen Gesellschaftsanteile anwachsen und sie die Praxis mit allen materiellen und immateriellen Werten fortführen. Zunächst ist das eine aus Sicht des ausscheidenden Gesellschafters vorteilhafte Regelung. Er kann sein Ausscheiden mittels Kündigung herbeiführen, die verbleibenden Gesellschafter müssen ihn abfinden und tragen das Risiko der Verwertung des Gesellschaftsanteils des ausscheidenden Gesellschafters und seiner Vertragsarztzulassung.

So einfach ist es aber zumeist nicht. In vielen Gesellschaftsverträgen finden sich Regelungen, die die Höhe der Abfindung davon abhängig machen, dass der Gesellschaftsanteil innerhalb einer bestimmten Frist übertragen und die Vertragsarztzulassung nachbesetzt wird oder Bestimmungen, die zum Schutz der Liquidität der Praxis die Zahlung der Abfindung über einen längeren Zeitraum strecken. Diese Regelungen sind für den ausscheidenden Gesellschafter nachteilig, sie zwingen ihn mittelbar, selbst aktiv die Suche nach einem Nachfolger zu betreiben, und zwar vor Erklärung gegenüber den verbleibenden Gesellschaftern, ausscheiden zu wollen. Der Weg in den Ruhestand ist in diesem Fall aber nicht nur mit einer solchen Suche belastet; der ausscheidende Gesellschafter ist für die Realisierung einer ungeminderten Abfindung auch auf die Mitwirkung der verbleibenden Gesellschafter bei der Auswahl eines geeigneten Nachfolgers angewiesen. Hier können sich seit längerem schwelende Konflikte zwischen den Gesellschaftern nachteilig auf den Prozess des Ausscheidens auswirken.


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Hürde II: Verwertung von Gesellschaftsanteil und Zulassung durch ausscheidenden Gesellschafter

Noch unkalkulierbarer wird die Ausgangslage für ein gelungenes Ausscheiden, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Regelung enthält, wonach die verbleibenden Gesellschafter berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, den Gesellschaftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters zu übernehmen, verbunden mit der Bestimmung, dass der ausscheidende Gesellschafter bei einer Ablehnung der Übernahme des Gesellschaftsanteils des ausscheidenden Gesellschafters durch die verbleibenden Gesellschafter berechtigt ist, über seinen Gesellschaftsanteil (einschließlich seiner Vertragsarztzulassung) frei zu verfügen mit der Folge, dass der Abfindungsanspruch zugunsten des ausscheidenden Gesellschafters erlischt.

Diese Regelung stellt den ausscheidenden Gesellschafter vor die Schwierigkeit, einen externen Käufer finden zu müssen, der Gesellschaftsanteil und Vertragsarztzulassung übernimmt, was in der Regel nur über einen Verzicht auf die Vertragsarztzulassung zum Zweck der Anstellung bei dem Käufer zu realisieren ist. Hierbei sind steuerrechtliche Probleme in den Blick zu nehmen, da fraglich ist, was der Verkäufer in einem solchen Fall eigentlich verkauft, da es an einem Praxissubstrat mangeln könnte (es fehlt an einem übertragbaren immateriellen Wert, wenn – wie in solchen Konstellationen häufig – kein Patientenstamm übertragen wird).


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Der Weg in den Ruhestand beginnt mit der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages

Aus den Regelungen im Gesellschaftsvertrag können sich daher erhebliche Hürden auf dem Weg in den Ruhestand ergeben. Bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages darf daher das Ausscheiden nicht lediglich als ein zeitlich weit entfernt liegender Sachverhalt behandelt werden. Die Regelungen zum Ausscheiden eines Gesellschafters bedürfen vielmehr einer gesteigerten Aufmerksamkeit der künftigen Gesellschafter und ihrer Berater, verbunden mit der Einsicht, dass bei allem Verständnis für den Wunsch einzelner Gesellschafter, im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters ihre Partikularinteressen durchzusetzen, an vorderster Stelle der Überlegungen das Interesse der Praxis als Träger der Versorgung von Patienten und Erwerbschance nicht nur der Gesellschafter, sondern auch der Mitarbeiter stehen sollte. Hierin liegt auch zumeist der Schlüssel für einen gelungenen Weg in den Ruhestand: Die verbleibenden Gesellschafter verpflichten sich durch eine Fortführungs- und Sitzbindungsklausel, die Suche nach einem Nachfolger zu betreiben, und einen ausscheidenden Gesellschafter durch Regelungen zur Begrenzung der Abfindung an dem Risiko zu beteiligen, sollte aus von den verbleibenden Gesellschaftern nicht zu vertretenden Gründen die Nachfolge scheitern mit entsprechenden Auswirkungen auf den Ertragswert der Praxis.

Wichtig für ein gelungenes Ausscheiden ist schließlich, Maßstäbe für die Berechnung der Abfindung zu verankern, um nicht im Fall des Ausscheidens noch über diese Maßstäbe streiten zu müssen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die beschriebenen Hürden lassen sich nicht beseitigen, sie sind „systemimmanent“; minimieren lassen sich aber die Risiken aus diesen Hürden, wenn man sich frühzeitig mit dem Ausscheiden beschäftigt (bei Berufsausübungsgemeinschaften bereits bei Abfassen des Gesellschaftsvertrages). Es darauf ankommen zu lassen, ist nur in den seltensten Fällen eine gute Strategie für den Weg in den Ruhestand.


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Wege in den Ruhestand III: Der angestellte Radiologe

Rechtlich einfach ist für einen Radiologen das Ausscheiden aus dem Angestelltenverhältnis zu bewirken. Es genügt eine Kündigung unter Einhaltung einer im Arbeitsvertrag, sollte dort nichts geregelt sein, in § 622 BGB geregelten Frist. Nach Ablauf der Frist muss der Arbeitgeber sehen, wie er die entstandene Lücke füllt. Auch zulassungsrechtlich ist der Arbeitgeber gefordert. Er teilt dem Zulassungsausschuss mit, dass das Arbeitsverhältnis mit dem ausgeschiedenen Radiologen beendet ist und beantragt die Nachbesetzung der frei gewordenen Arztstelle.

Aber auch dieser Weg in den Ruhestand ist für den ausscheidenden Radiologen im Einzelfall nicht ohne Hindernisse.


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Hürde I: Abhängigkeit vom Arbeitgeber bei speziellen Gestaltungswünschen

Der angestellte Radiologe ist anders als der freiberuflich tätige Radiologe hinsichtlich des Zeitpunkts seines Ausscheidens nicht völlig frei. Er kann zwar durch einseitige Willenserklärung, die ordentliche Kündigung, sein Ausscheiden herbeiführen[ 3 ], sein Ausscheiden aber nicht nach seinem Belieben hinausschieben, wenn der Arbeitsvertrag für die Beendigung der Tätigkeit ein festes Datum vorsieht, z. B. den Zeitpunkt, zu dem die (ungeminderte) Altersrente bezogen werden kann. Wünscht der Radiologe über diesen Zeitpunkt hinaus zu arbeiten, so bedarf es einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. 

Ob und inwieweit ein angestellter Radiologe durch den Arbeitgeber an seinem Wunsch, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen, unter Hinweis auf Nebenpflichten aus dem Anstellungsvertrag gehindert werden kann, wenn der Arbeitgeber trotz intensiven Bemühens keinen Nachfolger für die freiwerdende Arztstelle findet, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden, aber aufgrund des zunehmenden Arbeitskräftemangels auch im Medizinbetrieb kein ganz fernliegendes Szenario.


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Hürde II: Verlängerte Kündigungsfristen

Eine verlängerte Kündigungsfrist für Arbeitnehmer ist per se unzulässig. Gemäß § 622 Abs. 6 BGB darf die Frist für Arbeitnehmer jedoch nicht länger sein als die für den Arbeitgeber. Nicht selten wird im Arbeitsvertrag vereinbart, dass die je nach Beschäftigungsdauer zwischen einem und sieben Monaten liegenden Kündigungsfristen, die der Arbeitgeber gemäß § 622 Abs. 2 S. 1 BGB zu beachten hat, auch vom Arbeitnehmer einzuhalten sind. In aller Regel wird der Arbeitgeber eines Radiologen mit diesem eine längere Kündigungsfrist als vier Wochen zum Monatsende vereinbaren, weil er bei einer Kündigung des Radiologen qualifizierten Ersatz suchen und die terminlichen Vorgaben des Zulassungsausschusses für die Nachbesetzung der Arztstelle beachten muss. So kann nach § 622 Abs. 2 S. 1 BGB eine Kündigungsfrist für den Radiologen sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats betragen, wenn das Arbeitsverhältnis 20 Jahre bestanden hat.

Arbeitgeber können ein Interesse daran haben, Arbeitnehmer sehr lange an das Unternehmen zu binden. Wird jedoch eine (wechselseitige) Kündigungsfrist vereinbart, die wesentlich länger ist als die gesetzliche Kündigungsfrist, muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Frist den Arbeitnehmer unangemessen in seiner Entscheidungsfreiheit und Berufsfreiheit einschränkt. Eine Kündigungsfrist von drei Jahren zum Monatsende ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts unwirksam[ 4 ]. So ist im Interesse des Arbeitgebers eine – wechselseitig geltende – längere Kündigungsfrist für einen PVA im Mammografie-Screening zulässig, damit ein Nachfolger die erforderliche Qualifikation erwerben kann, bevor der bisherige PVA ausscheidet.


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Hürde III: Keine Abfindung

Mit der Verwertung der Praxis, eines Gesellschaftsanteils an einer Berufsausübungsgemeinschaft oder der Vertragsarztzulassung hat der angestellte Radiologe nichts zu tun. Das bedeutet aber auch, dass er im Fall der Beendigung seiner Tätigkeit keinen Kaufpreis oder keine Abfindung zur Finanzierung des Ruhestands zu erwarten hat, da der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, bei Ausscheiden eines Arbeitnehmers aufgrund Eigenkündigung des Arbeitnehmers eine Abfindung an diesen zu zahlen. Daher wird der Radiologe frühzeitig darüber nachdenken müssen, ob die Alters-/Hinterbliebenenrente des Versorgungswerks ausreichend ist, um ggfs. noch Ausbildungskosten für Kinder neben den allgemeinen Lebenshaltungskosten zu decken oder ob es nicht sinnvoll ist, während der radiologischen Tätigkeit mittels freiwilliger zusätzlicher Beiträge im zuständigen ärztlichen Versorgungswerk eine Anwartschaft für eine höhere Alters-/Hinterbliebenenversorgung aufzubauen.


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Fazit

Es gibt keinen Königsweg für den Ruhestand. Ob der Radiologe eine Einzelpraxis führt, an einer Berufsausübungsgemeinschaft beteiligt ist oder als Angestellter in einer Praxis oder in einem MVZ arbeitet, stets gibt es Rahmenbedingungen für den Weg in den Ruhestand, die Hindernisse aus Sicht des potenziellen Ruheständlers zur Folge haben können. Anderseits zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass sich viele Hindernisse beseitigen oder deren Auswirkungen minimieren lassen, wenn der Ruhestand bei den vertraglichen Dispositionen mitgedacht wird, auch wenn er nicht unmittelbar bevorsteht.

Dr. Horst Bonvie
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

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1 Urteil des BSG vom 20.3.2013 – B 6 KA 19/12 R.


2 Urteil des BSG vom 20.3.2013 – B 6 KA 19/12 R: mehr als fünfjährige Tätigkeit nach Abschluss der Weiterbildung begründet in der Regel keinen Vorzug eines Bewerbers.


3 Es sei denn, er hätte eine befristete Anstellung vereinbart oder das Anstellungsverhältnis im Zuge des Verzichts auf seine Vertragsarztzulassung zum Zweck der Anstellung begründet; hier muss der angestellte Radiologe die Absicht haben, seine Anstellung für drei Jahre aufrechtzuerhalten.


4 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2017, Aktenzeichen: 6 AZR 158/16.



Publication History

Article published online:
17 July 2024

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