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DOI: 10.1055/a-2334-7654
Für Sie gelesen: Aktuelle Studien
Birkeland, S, Bogh SB, Pedersen ML et al. Variation in opinions on coercion use among mental healthcare professionals: a questionnaire study. Nordic Journal of Psychiatry 2024; 78 (5): 448–455. DOI: 10.1080/08039488.2024.2341928
Hintergrund: Zwangsmaßnahmen sind trotz mannigfaltiger negativer Konsequenzen für Patient*innen und Mitarbeitende in der internationalen psychiatrischen Versorgungslandschaft weit verbreitet. In Dänemark ist der „Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs“ gesetzlich determiniert und soll handlungsleitend sein. Darüber hinaus ist jedoch wenig über die Haltung von psychiatrisch Tätigen hinsichtlich des Verständnisses des Grundsatzes oder dessen praktischer Anwendung bekannt.
Methode: Im April 2023 wurden 601 Mitarbeitende der Berufsgruppen Ärztinnen/Ärzte, Pflegepersonal und pädagogisches Personal dreier regionaler psychiatrischer Krankenhäuser Dänemarks zu einer webbasierten Fragebogenstudie eingeladen. Die Umfrage umfasste neben demografischen Angaben zur Person zwei Fallvignetten, die Szenarien zur Thematik Zwangsbehandlung beschrieben und Fragen zur Beantwortung boten: 1. Thema: Zwangseinweisung aufgrund eines sich verschlechternden psychotischen Zustands eines Patienten in eine psychiatrische Klinik; 2. Thema: die Anwendung von Zwang in einer psychiatrischen Klinik.
Ergebnisse: 132 Personen beteiligten sich an der Umfrage (Rücklaufquote 22 %). Beim ersten Szenario waren 57 % der Befragten der Meinung, dass eine unfreiwillige Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erfolgen müsse. Der Anteil erhöhte sich mit der Information, dass eine Eigen- (90 %) und Fremdgefährdung (92 %) vorlag. Die Meinungen variierten zwischen den Krankenhäusern und den Berufsgruppen. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang konnte zwischen den folgenden Merkmalen festgestellt werden: männliche Person; Angehörige der Berufsgruppe Pflege; Angabe, weniger Erfahrung mit Zwang zu haben; geringere Neigung, sich für Zwangseinweisungen auszusprechen. Beim zweiten Szenario waren 62 % der Befragten der Meinung, dass stationärer Zwang ausgeübt werden sollte (körperliches Festhalten, Fixierung, Zwangsinjektion von Beruhigungsmittel). 60 % der Befragten nahmen an, dass Kolleg*innen sich ähnlich verhalten würden; 34 % der Befragten waren der Meinung, dass Kolleg*innen zu mehr Zwang tendieren würden.
Fazit: Die Umfrage zielte auf die Meinungsunterschiede in Bezug auf die Anwendung von Zwang von psychiatrisch Tägigen ab. In der Studie wurden große Unterschiede im Vorgehen psychiatrisch Tätiger bei identischen Szenarien deutlich – trotz bestehender Rechtsvorschriften. Der Bedarf nach weiteren evidenzbasierten Leitlinien zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen wurde aufgezeigt.
Gitte Herwig
Scheydt S, Hededüs A. Tasks and activities of Advanced Practice Nurses in the psychiatric and mental health care context: A systematic review and thematic analysis. International Journal of Nursing Studies 2021; 118: 103759. DOI: 10.1016/j.ijnurstu.2020.103759. Epub 2020 Aug 26. PMID: 32958260.
Hintergrund: Während in vielen Ländern die Einführung von APN-Rollen (Advanced Practice Nursing) in der Gesundheitsversorgung bereits weit fortgeschritten ist, findet eine Implementierung in Deutschland noch zögerlich statt. Um den zunehmend komplexeren Anforderungen an die psychiatrische Pflege gerecht zu werden, besteht jedoch die Forderung, APNs weiter zu integrieren. Diese verfügen nach internationalem Konsens über eine akademische Ausbildung auf Masterniveau. Darüber hinaus fehlt es an einer systematischen Beschreibung von Aufgaben und Tätigkeiten von APNs, die in der psychiatrischen Gesundheitsversorgung tätig sind.
Methode: Zur Erfassung der Dimensionen und Facetten der psychiatrischen APN-Rollen wurde unter anderem eine systematische Literaturrecherche mit festgelegten Suchbegriffen in den Datenbanken CINAHL, PubMed/Medline, Cochrane Library, Google/Google Scholar durchgeführt. Im Hinblick auf die Forschungsfrage wurden zunächst 278 potenziell relevante Publikationen identifiziert, wovon 20 Quellen in eine weiterführende thematische und inhaltliche Analyse einflossen.
Ergebnisse: 46 Aufgaben und Tätigkeiten von psychiatrischen APNs wurden identifiziert. Diese wurden in sechs Praxisdomänen klassifiziert: 1. direkte (klinische) Pflege- und Versorgungspraxis: unter anderem patientenorientierte Aufgaben wie Beziehungsaufbau, Diagnostik, Behandlungsplanung; 2. Versorgungskoordination und Case Management: Schwerpunkt Koordination und Management der medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Versorgung; 3. psychosoziale Gesundheitsförderung und Prävention: unter anderem Planung und Durchführung von psychosozialen Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogrammen; 4. Beratung, Bildung und Coaching: unter anderem Beratung von Entscheidungsorganen, Unterstützung, Coaching und Schulungen von Mitarbeitenden; 5. Führung und Öffentlichkeitsarbeit: Aufgaben und Aktivitäten im Rahmen einer fachlichen Führungsrolle; 6. Forschung und Praxisentwicklung: Aufgaben, welche die Generierung von Wissen und die Integration von Forschungsergebnissen in die psychiatrische Praxis unterstützen.
Fazit: Aufgaben und Tätigkeiten von psychiatrischen APNs konnten anhand internationaler wissenschaftlicher Literatur übersichtlich extrahiert, verdichtet und systematisiert werden. Dies ermöglicht unter anderem eine weitere Differenzierung der Aufgaben von psychiatrischen APNs sowohl im Hinblick auf grundpflegerische Tätigkeiten als auch im Vergleich zu generalistisch tätigen APNs.
Gitte Herwig
Publication History
Article published online:
24 September 2024
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