Zusammenfassung
Hintergrund Ungefähr 18% der Weltbevölkerung sind tätowiert – besonders bei (jüngeren) Frauen
sind permanente Tattoos und Permanent Make-up beliebt. Seit Januar 2022 müssen Tätowierfarben
die Vorgaben des Tattoo-spezifischen Beschränkungseintrags in der EU-REACH-Verordnung
einhalten. Dieser Artikel analysiert die Folgen am Markt aus allergologischer Sicht.
Material und Methoden Recherche zu Inhaltsstoffen und Rechtsvorschriften im Bereich von permanenten Tätowierungen
in Pubmed, Fachbüchern, auf einschlägigen Webseiten, beim World Congress of Tattoo
and Pigment Research 2023 und in einem Tattoo-Studio.
Ergebnisse Der Tattoo-spezifische Beschränkungseintrag in der EU-REACH-Verordnung legt Grenzwerte
für Chemikalien fest, die gemäß EU-CLP-Verordnung harmonisiert als krebserzeugende,
mutagene, reproduktionstoxische, hautsensibilisierende oder hautreizende Substanzen
eingestuft wurden. Außerdem dürfen bekannte Stoffe, die in den Anhängen II und IV
der EU-Kosmetikverordnung gelistet sind, nur noch sehr begrenzt in Tätowierfarben
eingesetzt werden. Auf der einen Seite können Kontrollbehörden durch diese Grenzwerte
die Einhaltung der gültigen Rechtsvorschriften für Tätowiermittel besser kontrollieren.
Auf der anderen Seite wurden diese Grenzwerte teilweise ohne wissenschaftliche Evidenz
für eine Gefährdung festgelegt. Es ist bislang unklar, inwiefern sich bspw. das Sensibilisierungspotenzial
von Kontaktallergenen durch die dermale Applikation beim Tätowiervorgang ändert.
Seit Inkrafttreten der erweiterten EU-REACH-Verordnung werden viele Substanzen eingesetzt,
die im Tattoo-Bereich bisher nicht in Erscheinung getreten sind und problematisch
sein könnten. Beispiele sind Pigment Blau 61 und Pigment Gelb 155, die entweder Anilin
oder p-Phenylendiamin enthalten. Der Einsatz von Kolophonium und von Formaldehydabspaltern
wurde durch die Festsetzung von niedrigen Grenzwerten de facto verboten. Der Grenzwert
für Aldehyde ist technisch im Moment nicht erreichbar und erschwert die Herstellung
steriler, REACH-konformer Tätowierfarben. Durch die Verknüpfung zur EU-CLP-Verordnung
können bestimmte Konservierungsmittel, die eigentlich ein vielsprechendes toxikologisches
Profil aufweisen, in Zukunft nicht (mehr) eingesetzt werden.
Fazit In Zukunft gilt es, Datenlücken mit In-vitro-Labormethoden und klinisch-epidemiologischen
Daten zu schließen und auf dieser Basis regulatorische Vorgaben anzupassen. Dem Allergen-Monitoring,
z.B. im Rahmen der IVDK Tattoo Studie 2.0, kommt dabei eine Schlüsselstellung zu.
Epikutantestempfehlungen sollten kontinuierlich an Änderungen auf dem Tätowierfarbenmarkt
angepasst werden.
Abstract
Background Approximately 18% of the global population is tattooed – permanent tattoos and permanent
make-up are particularly popular among (younger) women. Since January 2022, tattoo
inks must comply with the EU REACH regulation. This article analyzes the consequences
from an allergological perspective.
Material and methods Research on ingredients and legislations in the field of permanent tattoos in Pubmed,
books, on relevant websites, at the World Congress of Tattoo and Pigment Research
2023 and in a tattoo studio.
Results The EU REACH regulation defines limits for chemicals that have been harmonized under
the EU CLP regulation as carcinogenic, mutagenic, reprotoxic, skin sensitizing or
skin irritating substances. In addition, limits were set for substances listed in
Annexes II and IV of the EU Cosmetics Regulation. These limits allow authorities to
monitor compliance of tattoo inks properly but some of them were set without any scientific
evidence of a risk. It is still unclear, for example, to which extent the sensitization
potential of contact allergens changes as a result of dermal application.
Since the extended EU REACH Regulation came into force, several potentially problematic
substances are used for the first time, e.g., Pigment Blue 61 and Pigment Yellow 155,
which contain either aniline or p-phenylenediamine, respectively. By setting low limit values, the use of colophony
and formaldehyde releasers has de facto been banned. The limit for aldehydes cannot
be technically achieved and makes the production of sterile, REACH-compliant inks
more difficult. Due to the link to the EU CLP Regulation, certain preservatives, with
promising toxicological profiles can no longer be used.
Conclusion In future, it will be necessary to fill data gaps with in vitro and clinical-epidemiological
data and to make regulatory adjustments on this basis. Allergen monitoring, e.g.,
via the IVDK Tattoo Study 2.0, can play a key role herein. Patch test recommendations
should be continuously adapted to changes of the tattoo ink market.