Schlüsselwörter
Telemedizin - Intensivmedizin - Leitlinienadhärenz - Akzeptanz - Behandlungsqualität
Keywords
telemedicine - critical care - guideline adherence - acceptance - quality of care
Einleitung
Die Sicherstellung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung, die
Strukturschwächen, wie z. B. den Zugang zu medizinischer Infrastruktur, im
Stadt-Land-Gefälle ausgleicht, stellt eine zunehmend große Herausforderung dar. Dazu
tragen der demographische Wandel mit steigenden Behandlungszahlen multimorbid und
chronisch Erkrankter und der Ärztemangel bei [1]
[2]. Zudem gelingt der Transport von
Leitlinieninhalten in die unmittelbare Patientenversorgung unzureichend [3]. Sektorenübergreifende,
telemedizinische Netzwerke können diesen Herausforderungen begegnen und ermöglichen
eine wohnortnahe und bedarfsgerechte Bereitstellung fachärztlicher Expertise sowie
eine hochqualitative, patientenzentrierte Versorgung [4]. Spätestens seit der COVID-19
Pandemie werden telemedizinische Anwendungen verstärkt nachgefragt und durchgeführt
[5]. Eine bleibende
Herausforderung in der Verbreitung digital-gestützter Versorgungsformen ist die
Akzeptanz bei Ärzten, Patienten und Angehörigen. Für eine erfolgreiche
Implementierung muss diese Anwendersicht einbezogen werden [6]. In diesem Sinne ist die Messung der
Akzeptanz des in TELnet@NRW praktizierten telemedizinischen, sektorenübergreifenden
Versorgungskonzeptes seitens Ärzte, Patienten und Angehörigen das Ziel der
vorliegenden Studie. Auf der Basis einer quantitativen Erfassung der Akzeptanz
sollen sowohl Potential als auch Erfolgsfaktoren, welche die Nutzung von Telemedizin
beeinflussen, herausgestellt werden.
Methodik
Den Rahmen dieser Nutzerbefragung bildet die TELnet@NRW Studie, eine im Zeitraum von
Februar 2017 bis Januar 2020 durchgeführte nationale, multizentrische,
cluster-randomisierte Studie im Stepped-Wedge-Design zwecks Dokumentation der
Veränderung der Behandlungsqualität durch Telemedizin in einem
sektorenübergreifenden Netzwerk. Gefördert wurde die Studie aus Mitteln des
Innovationsfonds (Förderkennzeichen: 01 NVF16010). Die Ethikkommission der
Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen genehmigte die Studie (EK 068/17). Im
Projektzeitraum von 36 Monaten wurden 148 839 Patienten in die Studie
eingeschlossen. Das im Projekt aufgebaute Qualitätsnetzwerk umfasste zwei
Universitätskliniken, 17 Krankenhäuser der Allgemeinversorgung und 103
niedergelassene Ärzte in Nordrhein-Westfalen. Die in ihrer Ausbildung maximal
weitergebildeten Intensivmediziner und Infektiologen der Universitätskliniken Aachen
und Münster stellten im Rahmen telemedizinischer Konsile ihre fachliche Expertise
24/7 für die Partnerkrankenhäuser und –arztpraxen zur Verfügung. Die
Telekonsultationen fanden standardisiert gemäß den Vorgaben der S1 Leitlinie
Telemedizin in der Intensivmedizin statt [7]. Hierzu gehörten u. a. das Nutzen einer zertifizierten
Audio-Video-Verbindung und einer elektronischen Fallakte als Dokumentationslösung.
Die Konsilnehmer wendeten ein in ihr Krankenhaus- oder Arztpraxisnetzwerk
integriertes mobiles Endgerät zur Durchführung des Telekonsils an. Weitere Details
sind der Publikation zur Hauptstudie zu entnehmen [8].
Die vorliegende Nutzerbefragung erhob über personengruppenspezifische Fragebögen die
Akzeptanz von Ärzten, Patienten und Angehörigen, zu dem in der Hauptstudie
praktizierten, telemedizinischen Versorgungskonzept. Die Akzeptanz von
Pflegefachkräften und Angehörigen anderer Gesundheitsfachberufe wurde entsprechend
der ärztlich fokussierten telemedizinischen Intervention nicht erhoben. Die
Befragung erfolgte im stationären Sektor von September 2018 bis August 2019. Im
ambulanten Sektor wurde im Zeitraum von April 2018 bis März 2019 befragt. Die
Befragung erfolgte einmalig, anonym und auf freiwilliger Basis in digitaler oder
papierbasierter Form. Es handelt sich um geschlossene Fragen im Rahmen einer
quantitativen Befragung. Zur Beantwortung wurde entweder eine Auswahl an Antworten
oder eine Likert-Skala vorgegeben. Der Fragebogen für das ärztliche Personal enthält
insgesamt 68 Fragen und basiert auf drei wissenschaftlichen Modellen (Unified Theory
of Acceptance and Use of Technology (UTAUT 2.0) [9], CUSE – Developing the computer user
self-efficacy scale [10] und Nine
human factors contributing to the user acceptance of telemedicine applications: a
cognitive-emotional approach [11].
Thematisch gliedert sich die Befragung in drei Bereiche. Der erste Teil dient der
Bewertung der Telemedizin auf Basis der gemachten Erfahrungen im Berufsalltag, der
zweite Teil fokussiert die Nutzung der Telemedizin und die dafür erforderliche
Motivation im Kreise der Anwender und der dritte Teil beinhaltet Fragen zur Person.
Der Fragebogen für Patienten und Angehörige enthält einen erklärenden
Einführungstext zur Telemedizin, eine Abbildung zur Illustration eines Telekonsils
und umfasst insgesamt 11 Fragen. Der inhaltliche Fokus dieser Fragen liegt auf
Ansichten zu telemedizinisch unterstützter Behandlung und auf Fakten zur eigenen
Person. Fragebögen, die nicht vollständig ausgefüllt wurden oder nicht eindeutig dem
stationären oder ambulanten Sektor zugeordnet werden konnten, wurden nicht in die
Analyse eingeschlossen. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte deskriptiv
statistisch mithilfe der Software MS-Excel (Version 16.0) und SPSS (Version 26.0).
Dabei wurden für jede Frage pro Antwort die Werte in absoluten Zahlen und prozentual
ermittelt.
Ergebnisse
Für den stationären Sektor wurden insgesamt 66 durch Ärzte ausgefüllte Fragebögen in
die Auswertung aufgenommen. Aus dem ambulanten Sektor wurden 60 von Ärzten
ausgefüllte Fragebögen berücksichtigt. Die Rücklaufquote kann auf Grund nicht
personen-, sondern institutionsbezogener digitaler Zustellung der Fragebögen mit
anschließender Möglichkeit der Verteilung nicht berichtet werden. Für Patienten und
Angehörige wurden in beiden Sektoren insgesamt 9.800 Fragebögen verteilt. Es gab
einen Rücklauf von insgesamt 1805 Fragebögen (stationär 416, ambulant 1317, 72
Fragebögen nicht zuzuordnen), davon wurden 14 online und 1791 papierbasiert
ausgefüllt. Die Rücklaufquote betrug somit 18,4%. 79% der Fragebögen wurden von
Patienten, die restlichen von Angehörigen beantwortet. In die Auswertung wurden je
nach Frage und deren Antworthäufigkeit insgesamt 1654 bis 1686 Antworten
einbezogen.
Akzeptanz von Ärzten im stationären Sektor
Im stationären Sektor waren 42,1% der befragten Ärzte weiblich. 57,9% der
Befragten waren jünger als 51 Jahre alt. Im ambulanten Sektor waren 30,9% der
Teilnehmer weiblich. 61,9% der Teilnehmer waren älter als 50 Jahre alt. Die im
stationären Sektor tätigen Ärzte wiesen zu 68,4% eine mehr als 10- jährige
Berufserfahrung auf. Im ambulanten Bereich waren ausnahmslos alle Befragten mehr
als 10 Jahre im Beruf. Diese und weitere Angaben zur Person der befragten Ärzte
sind [Tab. 1] zu entnehmen ([Tab. 1]).
Tab. 1 Angaben zur Person der Ärzte aus dem ambulanten
und stationären Sektor.
Merkmale
|
stationär, n (%)
|
ambulant, n (%)
|
Geschlecht
|
Weiblich
|
24 (42,1%)
|
17 (30,9%)
|
Männlich
|
29 (50,9%)
|
38 (69,1%)
|
Sonstiges
|
4 (7,0%)
|
0 (0,0%)
|
Alter
|
20–30 Jahre
|
6 (10,5%)
|
0 (0,0%)
|
31–40 Jahre
|
13 (22,8%)
|
4 (7,3%)
|
41–50 Jahre
|
14 (24,6%)
|
17 (30,9%)
|
51–60 Jahre
|
22 (38,6%)
|
20 (36,4%)
|
>60 Jahre
|
2 (3,5%)
|
14 (25,5%)
|
Berufserfahrung
|
<1 Jahr
|
1 (1,8%)
|
0 (0,0%)
|
1–5 Jahre
|
9 (15,8%)
|
0 (0,0%)
|
6–9 Jahre
|
8 (14,0%)
|
0 (0,0%)
|
10–20 Jahre
|
17 (29,8%)
|
16 (29,1%)
|
>20 Jahre
|
22 (38,6%)
|
39 (71,0%)
|
Befragte Ärzte im stationären Sektor messen der Telemedizin hohes Potential bei
der Verbesserung einer leitliniengerechten Behandlung (82,4%), gefolgt von einer
Verbesserung der Patientenversorgung (74,6%) und einer Verbesserung der
Behandlungsqualität (72,9%) zu. Die Zusammenarbeit mit Infektiologen und anderen
Intensivmedizinern wird von 91,4% der Befragten als vertrauensvoll empfunden.
75,9% der Ärzte haben sich vor dem Projekt weniger oder gar nicht mit
Telemedizin beschäftigt. Das Schulungskonzept vor der ersten Nutzung der
Telekonsile wird von 61,7% der stationären Ärzte als ausreichend bewertet. Die
Frage, ob die Patientendaten ausreichend bei den Telekonsilen geschützt sind,
bestätigen 70,7% der Befragungsteilnehmer. 86,3% der Befragten gehen von einem
unbeeinträchtigten Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten während des Einsatzes
von Telemedizin aus. 91,4% antworten, dass sie bei der Anwendung von Telemedizin
weiterhin eigenständige Entscheidungen treffen können. Die Mehrheit der Ärzte im
stationären Sektor (86,5%) kritisiert den zeitlichen Aufwand für eine
Televisite. Nur 6,9% der Befragten nehmen eine Zeitersparnis durch Telemedizin
wahr. Eine weiterführende Nutzung der Telemedizin nach Projektende befürworten
60,6% der stationären Ärzte. 24,6% lehnen dies eher ab. Diese und weitere
Antworten auf ausgewählte Fragen für Ärzte aus dem stationären Sektor sind [Tab. 2] zu entnehmen ([Tab. 2]).
Tab. 2 Antworten zu ausgewählten Fragen für Ärzte aus dem
ambulanten und stationären Sektor.
|
Ambulante und stationäre Ärzte
|
Trifft überhaupt nicht zu
|
Trifft eher nicht zu
|
Weder noch
|
Trifft eher zu
|
Trifft völlig zu
|
Total (Beantwortet / Nicht-Beantwortet)
|
Ambulant % (n)
|
Stationär % (n)
|
Ambulant % (n)
|
Stationär % (n)
|
Ambulant % (n)
|
Stationär % (n)
|
Ambulant % (n)
|
Stationär % (n)
|
Ambulant % (n)
|
Stationär % (n)
|
Ambulant (n / n)
|
Stationär (n / n)
|
Haben Sie sich bereits vor dem Projekt in irgendeiner Form
mit Telemedizin beschäftigt.
|
36,4% (20)
|
46,6% (27)
|
27,3% (15)
|
29,3% (17)
|
27,3% (15)
|
15,5% (9)
|
3,6% (2)
|
5,2% (3)
|
5,5% (5)
|
3,5% (2)
|
55 / 5
|
58 / 8
|
Ich bin der Meinung, dass Telemedizin die
Patientenversorgung verbessern kann.
|
0,0% (0)
|
1,7% (1)
|
5,2% (3)
|
8,5% (5)
|
19,0% (11)
|
15,3% (9)
|
56,9% (33)
|
49,2% (29)
|
19,0% (11)
|
25,4% (15)
|
58 / 2
|
59 / 7
|
Ich bin der Ansicht, dass Telemedizin die
Behandlungsqualität verbessern kann.
|
1,7% (1)
|
1,7% (1)
|
6,9% (4)
|
6,9% (4)
|
27,6% (16)
|
18,6% (11)
|
46,6% (27)
|
42,4% (25)
|
17,2% (10)
|
30,5% (18)
|
58 / 2
|
59 /7
|
Ich glaube, dass Telekonsile zu einer besseren
leitliniengerechten Behandlung beitragen.
|
0,0% (0)
|
0,0% (0)
|
3,3% (2)
|
8,8% (5)
|
8,3% (5)
|
8,8% (5)
|
56,7% (34)
|
52,6% (30)
|
31,7% (19)
|
29,8% (17)
|
60 / 0
|
57 / 9
|
Ich finde, dass Telemedizin zu mehr Arbeit führt.
|
6,9% (4)
|
3,4% (2)
|
20,7% (12)
|
1,7% (1)
|
25,9% (15)
|
8,5% (5)
|
41,4% (24)
|
40,7% (24)
|
5,2% (3)
|
45,8% (27)
|
58 / 2
|
59 / 7
|
Telekonsile ermöglichen es mir, Zeit bei meiner täglichen
Arbeit zu sparen.
|
13,3% (8)
|
50,0% (29)
|
20,0% (12)
|
31,0% (18)
|
26,7% (16)
|
12,1% (7)
|
30,0% (18)
|
5,2% (3)
|
10,0% (6)
|
1,7% (1)
|
60 / 0
|
58 / 8
|
Ich meine, dass auch bei den Telekonsilen die Daten der
Patienten ausreichend geschützt sind.
|
0,0% (0)
|
3,5% (2)
|
1,7% (1)
|
6,9% (4)
|
15,0% (9)
|
19,0% (11)
|
45,0% (27)
|
44,8% (26)
|
38,3% (23)
|
25,9% (15)
|
60 / 0
|
58 / 8
|
Ich bin der Ansicht, dass auch bei den Televisiten das
Vertrauensverhältnis zwischen meinen Patienten und mir
erhalten bleibt.
|
0,0% (0)
|
0,0% (0)
|
1,7% (1)
|
8,6% (5)
|
3,3% (2)
|
5,2% (3)
|
33,3% (20)
|
46,6% (27)
|
61,7% (37)
|
39,7% (23)
|
60 / 0
|
58 / 8
|
Die Schulung zum Umgang mit dem System der Telekonsile war
für mich ausreichend.
|
1,7% (1)
|
3,3% (2)
|
3,4% (2)
|
13,3% (8)
|
5,1% (3)
|
21,7% (13)
|
42,4% (25)
|
31,7% (19)
|
47,5% (28)
|
30,0% (18)
|
59 / 1
|
60 / 6
|
Bei der Anwendung der Televisiten kann ich weiterhin
eigenständige Entscheidungen treffen.
|
0,0% (0)
|
0,0% (0)
|
0,0% (0)
|
0,0% (0)
|
3,3% (2)
|
8,6% (5)
|
30,0% (18)
|
39,7% (23)
|
66,7% (40)
|
51,7% (30)
|
60 / 0
|
58 / 8
|
Die Zusammenarbeit mit den Infektiologen und
Intensivmedizinern empfinde ich als
vertrauensvoll.
|
0,0% (0)
|
0,0% (0)
|
0,0% (0)
|
1,7% (1)
|
8,6% (5)
|
6,9% (4)
|
13,8% (8)
|
46,6% (27)
|
77,6% (45)
|
44,8% (26)
|
58 / 2
|
58 / 8
|
Ich würde es begrüßen, wenn ich auch nach Ende dieses
Projektes weiterhin Telemedizin nutzen kann.
|
3,6% (2)
|
14,8% (9)
|
7,1% (4)
|
9,8% (6)
|
7,1% (4)
|
14,6% (9)
|
46,4% (26)
|
26,2% (16)
|
35,7% (20)
|
34,4% (21)
|
56 / 4
|
61 / 5
|
Akzeptanz von Patienten und Angehörigen im stationären Sektor
Die Mehrheit der stationär behandelten Patienten und ihre Angehörigen befürworten
die gemeinsame Besprechung ihres Behandlers mit einem Telemediziner (85,3%) und
76,4% der Patienten geben an, dass das Vertrauensverhältnis mit ihrem Behandler
vor Ort durch Telemedizin nicht beeinträchtigt wird. 73% der Befragten glauben
an eine Verbesserung ihrer Behandlung durch Telemedizin. Dass Telemedizin zu
einer Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung im Falle einer schweren
Erkrankung beitragen kann, schätzen 68,9% positiv ein. 66,6% der Befragten gehen
davon aus, dass ihre Daten bei der Telemedizin sicher verarbeitet werden. 79,7%
der stationär behandelten Patienten und Angehörigen befürworten eine
Weiterführung der Telemedizin nach Projektende. Diese und weitere Antworten auf
ausgewählte Fragen an Patienten und Angehörige sind [Tab. 3] zu entnehmen ([Tab. 3]).
Tab. 3 Antworten zu ausgewählten Fragen für Patienten und
Angehörige aus dem ambulanten und stationären Sektor.
|
Patienten/Angehörige aus dem ambulanten und stationären
Sektor
|
Trifft gar nicht zu / Trifft eher nicht zu
|
Weder noch
|
Trifft eher zu / Trifft voll zu
|
Ambulant % (n)
|
Stationär % (n)
|
Ambulant % (n)
|
Stationär % (n)
|
Ambulant % (n)
|
Stationär % (n)
|
Die Behandlung wird durch Telemedizin verbessert.
|
25,9% (332)
|
8,8% (35)
|
17,6% (225)
|
18,3% (73)
|
56,5% (723)
|
73,0% (292)
|
Sicherstellung der Versorgung am Wohnort durch
Telemedizin
|
31,1% (398)
|
11,9% (47)
|
16,0% (205)
|
19,2% (76)
|
52,9% (676)
|
68,9% (273)
|
Gemeinsame Besprechung mit Spezialisten durch Telemedizin
als Vorteil
|
15,4% (198)
|
4,5% (18)
|
10,7% (138)
|
10,2% (41)
|
73,9% (949)
|
85,3% (342)
|
Vertrauensverhältnis bleibt erhalten
|
21,2% (271)
|
5,3% (21)
|
14,1% (180)
|
18,3% (73)
|
64,7% (828)
|
76,4% (305)
|
Meine persönlichen Daten sind auch bei Telemedizin
sicher
|
30,4% (380)
|
13,1% (53)
|
21,0% (263)
|
20,3% (82)
|
48,6% (608)
|
66,6% (269)
|
Weiterhin Nutzung von Telemedizin gewünscht
|
23,3% (293)
|
4,9% (19)
|
19,5% (246)
|
15,4% (60)
|
57,4% (725)
|
79,7% (311)
|
Akzeptanz von Ärzten im ambulanten Sektor
Befragte Ärzte im ambulanten Sektor messen der Telemedizin hohes Potential bei
der Verbesserung einer leitliniengerechten Behandlung (88,4%), gefolgt von einer
Verbesserung der Patientenversorgung (75,9%) und einer Verbesserung der
Behandlungsqualität (63,8%) zu. Die Zusammenarbeit mit Infektiologen wird von
91,4% der Befragten als vertrauensvoll empfunden. 63,7% der Ärzte haben sich vor
dem Projekt weniger oder gar nicht mit Telemedizin beschäftigt. Das
Schulungskonzept vor der ersten Nutzung der Telekonsile wird von 89,9% der Ärzte
im ambulanten Sektor als ausreichend bewertet. Die Frage, ob die Patientendaten
ausreichend bei den Telekonsilen geschützt sind, bestätigen 83,3% der
Befragungsteilnehmer. 95% der Befragten gehen von einem unbeeinträchtigten
Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten während des Einsatzes von Telemedizin
aus. 96,7% antworten, dass sie bei der Anwendung von Telemedizin weiterhin
eigenständige Entscheidungen treffen können. 46,6% der Ärzte im ambulanten
Sektor empfinden, dass Telemedizin einen Mehraufwand bedeutet. 25,9% sind sich
unentschieden und 27,6% verneinen einen Mehraufwand. 40% der Befragten nehmen
eine Zeitersparnis durch Telemedizin wahr. Eine weiterführende Nutzung der
Telemedizin nach Projektende befürworten 82,1%. 10,7% lehnen dies eher ab. Diese
und weitere Antworten auf ausgewählte Fragen für Ärzte aus dem ambulanten Sektor
sind [Tab. 2] zu entnehmen ([Tab. 2]).
Akzeptanz von Patienten und Angehörigen im ambulanten Sektor
Die Mehrheit der ambulanten Patienten und Angehörigen (73,9%) befürwortet die
gemeinsame Besprechung ihres Behandlers mit einem Telemediziner und 64,7% der
Patienten geben an, dass das Vertrauensverhältnis mit ihrem Behandler vor Ort
durch Telemedizin nicht beeinträchtigt wird. 56,5% der Befragten glauben an eine
Verbesserung ihrer Behandlung durch Telemedizin. Dass Telemedizin zu einer
Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung beitragen kann, schätzen 52,9%
positiv ein. 48,6% schätzen ihre persönlichen Daten im Zusammenhang mit
Telemedizin als sicher ein. 57,4% der ambulanten Patienten und Angehörigen
befürworten eine Weiterführung der Telemedizin nach Projektende. Diese und
weitere Antworten auf ausgewählte Fragen an Patienten und Angehörige sind [Tab. 3] zu entnehmen ([Tab. 3]).
Diskussion
Die vorliegende Studie stellt eine der ersten telemedizinischen Akzeptanzstudien im
Rahmen randomisierter, kontrollierter Studien zur Telemedizin in der Intensivmedizin
dar [12]. Die Analyse zeigt, dass
beide Befragungsgruppen in beiden Sektoren die Erwartungshaltung einer
Behandlungsverbesserung an die Telemedizin stellen und diese auch mehrheitlich
erfüllt sehen. Für Ärzte steht das Potential zur Steigerung von Leitlinienadhärenz
im Vordergrund. Dies spiegelt sich in den Ergebnissen der dieser Akzeptanzbefragung
zu Grunde liegenden Hauptstudie, TELnet@NRW wider [8]. Die ebenfalls durch den Gemeinsamen
Bundesausschuss geförderte Studie ERIC (Enhanced Recovery after Intensive Care)
weist ebenfalls eine telemedizinisch vermittelte Verbesserung von Prozessqualität
nach. Zu diesem Zweck wurden die Erfüllungsgrade der Qualitätsindikatoren der
Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI) gemessen und
gesteigert [13]. Diese Nutzerbefragung
stellt eine vertrauensvolle Kommunikation als einen positiv verstärkenden
Erfolgsfaktor für Telemedizin dar. Neben einer fachlich kompetenten Beratung ist
eine vertrauensvolle Kommunikation das Kernelement einer telekonsiliarischen
Gesprächsführung. Die Nutzungsrate negativ verstärkend wirken durch Telemedizin
generierte Arbeitsmehraufwände, insbesondere Technikhürden und Zeitaufwand. Die
Kritik des hohen Zeitaufwandes kommt mehrheitlich aus dem stationären Sektor und
geht vermutlich auf die Konsequenzen bislang nicht ausreichender vorhandener
elektronischer Dokumentation auf deutschen Intensivstationen zurück [14]. So müssen während des Telekonsils
viele zur Beratung erforderliche Daten mündlich und zeitaufwendig zwischen den
Ärzten transferiert werden. Brandt et al. identifizieren den Zeitaufwand in ihrer
Erhebung des Nutzerverhaltens der Anwendung TeleCOVID ebenfalls als hemmenden Faktor
[15]. Für Sicherheit und
Schnelligkeit im Umgang mit Technik sind zusätzlich sachdienliche Informations- und
Schulungskonzepte nützlich. Ein steter technischer Support im Störfall ist ebenfalls
profitabel und wünschenswert [16].
Dass die Datensicherheit seitens der Ärzte in beiden Sektoren als auch der Patienten
und Angehörigen im stationären Sektor tendenziell hoch eingeschätzt wird, wirkt dem
häufig in Sachen Umsetzung telemedizinischer Anwendungen vorgeschobenen Hemmschuh
der Datenschutzbedenken entgegen. Schwächste Zustimmung erfolgt in diesem Fall
jedoch von Patienten und Angehörigen aus dem ambulanten Sektor. Eine mögliche
Erklärung könnte sein, dass ambulante Patienten und Angehörige auf Grund der
Asynchronität von Zeitpunkt des Praxisbesuches und des Telekonsils häufig nicht an
den eigentlichen Telekonsilen teilnehmen konnten. Zusätzlich könnte die höhere akute
Krankheitsschwere in der Intensivmedizin und die dementsprechend angepasste
persönliche Nutzen-Risiko-Abwägung die sektorenbezogene Diskrepanz in der Ausprägung
der Datenschutzbedenken bedingen. Unabhängig davon ist naheliegend, dass neben den
verpflichtenden Organisations-, Aufklärungs- und Dokumentationspflichten des
Datenschutzes seitens des Arztes, ein adäquates Maß an Kommunikation zum Thema
Datenschutz in beiden Sektoren akzeptanz- und nutzungsförderlich ist.
Zu keinerlei Verunsicherung der Patienten führt wiederum das Einholen einer
Zweitmeinung seitens ihres Behandlers vor Ort. Dieses Bewusstsein und der Beitrag
zur digitalen Gesundheitskompetenz der Bürger und Patienten ist elementar wichtig
für zukünftige telemedizinische Versorgungskonzepte [17].
Die vorliegende Analyse weist Limitationen auf. Die Rücklaufquote der verteilten
Fragebögen für Patienten und Angehörige ist durchschnittlich, was die Aussagekraft
der Ergebnisse innerhalb dieser Gruppe einschränkt. Eine Rücklaufquote von 58,3% (60
Ärzte von insgesamt 103 niedergelassenen Ärzten) ist jedoch überdurchschnittlich. In
den Kollektiven beider Sektoren handelte es sich mehrheitlich um sehr
berufserfahrene, männliche Ärzte. Das Kollektiv des stationären Sektors war
insgesamt jünger als das des Ambulanten. In die Hauptstudie wurden nur
Gesundheitseinrichtungen eingeschlossen, die in Nordrhein-Westfalen lokalisiert
waren und sich freiwillig zur Studienteilnahme bereit erklärten.
Die vorliegende Studie zeigt, dass eine weitreichende Akzeptanz für telemedizinische,
sektorenübergreifende Versorgungskonzepte bei Ärzten, Patienten und Angehörigen
besteht. Der telemedizinisch vermittelten Steigerung der Leitlinienadhärenz und der
damit in Verbindung stehenden Verbesserung der Versorgung und Behandlungsqualität
wird ein hoher Anspruch und zugleich Benefit zugemessen. Aufwandarme Prozesse und
eine nutzerzentrierte Technik fördern die Akzeptanz. In die Entwicklung
telemedizinischer Versorgungskonzepte sollte immer eine Akzeptanzerhebung
eingebunden sein, um anwendungsspezifische Potentiale und Erfolgsfaktoren
identifizieren zu können und auf dieser Basis ideale Rahmenbedingungen für den
dauerhaften Transfer telemedizinischer Anwendungen in die Regelversorgung, z. B.
auch im Rahmen der aktuellen Krankenhausreform, zu schaffen. Unter Beachtung der
herausgestellten Erfolgsfaktoren wird die Telemedizin ihr Potential entfalten können
und als robuster Baustein zu einer zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung in
Deutschland beitragen.