Schlüsselwörter Community Mental Health Nursing - Gemeindepsychiatrische Pflege - Rollenprofile - Aufgabenbereiche - Integrative Review
Keywords Community Mental Health Nursing - Role Profiles - Scope of Practice - Integrative Review - Community Mental Health Nurses
Einleitung
Die Dynamik der psychosozialen Landschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten
weltweit in beispielloser Weise verändert, da die traditionellen Modelle der
Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen einen Paradigmenwechsel
erfahren haben. Eine der wichtigsten Entwicklungen in diesem Zusammenhang war die
zunehmende Verlagerung der psychiatrischen Versorgung von institutionellen
Einrichtungen hin zu gemeindenahen und populationsbezogenen Ansätzen [1 ]
[2 ]
[3 ]. Die gemeindenahe und
häusliche Versorgung von Menschen mit (zumeist schweren und andauernden) psychischen
Störungen durch eine Reihe von gemeindenahen psychosozialen Diensten wird weltweit
als wesentlicher und standardmäßiger Bestandteil einer angemessenen gemeindenahen
psychosozialen Versorgung angesehen [2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ].
In Anlehnung an Thornicroft und Kollegen wird gemeindenahe psychosoziale Versorgung
als ein umfassender Ansatz beschrieben, bei dem der Schwerpunkt auf der
Bereitstellung psychosozialer Dienste in der Gemeinde und nicht in institutionellen
Einrichtungen liegt [2 ].
Gemeindepsychiatrische Versorgung umfasst auch eine Reihe von Diensten und
Angeboten, die überwiegend teambasiert sind und direkt in der Lebenswelt der
Menschen erbracht werden [2 ]. Beispiele
hierfür sind integrierte und kooperative Versorgungsmodelle, wie sie bspw. in
Primärversorgungszentren zu finden sind, sowie teambasierte und
(hoch-)spezialisierte gemeindepsychiatrische Angebote wie Assertive Community
Treatment (ACT), Home-based Treatment, Early Intervention Teams, Crisis Resolution/
Intervention Teams, Community Mental Health Teams (CMHT) oder Intensive Case
Management (ICM). Diese sind häufig in Gemeindepsychiatrischen Zentren (Community
Mental Health Centers) oder gemeindepsychiatrischen (ambulanten) Kliniken
angesiedelt [2 ]
[6 ].
An der gemeindenahen psychosozialen Versorgung sind in der Regel viele verschiedene
Berufsgruppen beteiligt, z. B. Allgemeinärzt:innen, Psychiater:innen,
Sozialarbeiter:innen, Psycholog:innen und (psychiatrische) Pflegefachpersonen, die
Hand in Hand miteinander arbeiten. Community Mental Health Nurses (CMHNs) nehmen in
den meisten Ländern der Welt eine zentrale Position innerhalb der
multiprofessionellen Teams ein. Sie fungieren nicht nur als Leistungserbringer,
sondern auch als Förderer von Integration, Prävention und Empowerment [7 ]
[8 ]. CMHNs, die in diesen vielfältigen gemeindenahen Einrichtungen der
psychischen Gesundheit tätig sind, betreuen ein breites Spektrum von
Bevölkerungsgruppen und erfüllen viele verschiedene Aufgaben in einer Vielzahl von
Rollen [9 ]
[10 ]. In Deutschland ist die CMHN jedoch
nicht so verankert, wie es beispielsweise von der Weltgesundheitsorganisation (WHO,
vgl. [11 ]) gefordert wird. Auch wenn
laut Koalitionsvertrag 2021–2025 davon gesprochen wird, ein neues Berufsfeld der
„Community Health Nurse“ zu schaffen [12 ], werden lediglich wenige erste Modellprojekte umgesetzt (z. B. PORT
[13 ] oder FAMOUS [14 ]), die jedoch die allgemeine
pflegerische und nicht die psychosoziale gemeindenahe Versorgung fokussieren. Zudem
fehlt es an Theorie zu Community Mental Health Nursing, die für die deutschsprachige
Versorgungslandschaft zugänglich gemacht wird. Um die zukünftigen Rollen von CMHNs
jedoch angemessen zu beschreiben und sie zukünftig von anderen professionellen
Rollen innerhalb des multidisziplinären Teams abgrenzen zu können, ist es wichtig,
den spezifischen Scope of Practice von CMHNs in verschiedenen Rollen und
Versorgungskontexte zu untersuchen und zu beschreiben und so die CMHN-Theoriebildung
für den deutschsprachigen Raum voranzutreiben.
Zielsetzung und Forschungsfragen
Zielsetzung und Forschungsfragen
Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel dieses Artikels, die beruflichen Rollenprofile
von psychiatrisch Pflegenden in gemeindenahen und häuslichen Versorgungssettings zu
beschreiben und zu systematisieren. Damit soll ein Beitrag zur systematischen
Konzeptualisierung von Community Mental Health Nursing im deutschsprachigen Raum und
damit zur Theoriebildung in der psychiatrischen Pflege geleistet werden. Folgende
Forschungsfragen sollen beantwortet werden: (1) Welche Rollenprofile von
psychiatrischen Pflegefachpersonen werden im Bereich des öffentlichen bzw.
kommunalen (psychiatrischen) Gesundheitswesens beschrieben? (2) Welche
Kontextfaktoren werden für jedes Rollenprofil beschrieben? (3) Welche spezifischen
Rolleninhalte werden für die identifizierten Rollenprofile beschrieben?
Methoden
Es wurde eine systematische Übersicht der internationalen Literatur nach den
Prinzipien des integrativen Reviews durchgeführt [15 ]
[16 ]. Dies ermöglicht die Einbeziehung von nicht-experimenteller,
experimenteller, theoretischer und empirischer Literatur, um eine umfassende
Bewertung der Literatur im Bereich der gemeindenahen psychiatrischen Pflegepraxis zu
ermöglichen. Ein Studienprotokoll wurde beim Open Science Framework (OSF) Registry
unter der DOI 10.17605/OSF.IO/ZYVWG (https://osf.io/9xq8k/ ) eingereicht. Um eine transparente und
systematische Berichterstattung zu gewährleisten, wurde das ENTREQ-Statement
(Enhancing Transparency in Reporting the Synthesis of Qualitative Research) mit
Checkliste [17 ] verwendet.
Suchstrategie
Die vorab geplante systematische Literaturrecherche wurde zwischen Januar und Mai
2023 am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim in den
elektronischen Datenbanken PubMed und CINAHL durchgeführt. Die Suchbegriffe
wurden nach dem PICo-Schema (P opulation – Phenomenon of I nterest –
Co ntext) entwickelt und während des Suchprozesses von beiden
Autor:innen überprüft und angepasst. Die so entwickelten operationalisierten
Themenblöcke wurden mit Booleschen Operatoren (AND, OR, NOT) verknüpft und an
die jeweilige Datenbank angepasst. ▶Online
[Tab. 1 ] zeigt die inhaltlichen
Bereiche der Recherche und die entsprechenden Suchbegriffe (sowohl Schlagworte
als auch einfache Suchbegriffe). Die Suche in den oben beschriebenen Datenbanken
wurde ergänzt durch Suchen in Google und Google Scholar, in verschiedenen
Verlagsdatenbanken (Springer, Hogrefe, Wiley, Elsevier, etc.) und in
spezifischen englisch- und deutschsprachigen Zeitschriften. Darüber hinaus wurde
die Recherche durch das sogenannte Schneeballsystem ergänzt, indem die
Literaturverzeichnisse der identifizierten Artikel auf weitere relevante
Literatur hin durchsucht wurden.
Tab. 1 Thematischer Analyserahmen.
Rollenprofile/-kategorien
Kontextfaktoren
Rolleninhalte
Z.B. „CMHN, die in Einrichtungen der Primärversorgung
arbeiten“
Versorgungskontext/-setting (z. B. allgemeine
Praxis)
Versorgungsschwerpunkt/Zielgruppe (z. B. ältere
Menschen mit Depression)
Rollenbezeichnung/-titel (z. B. Mental Health
Nurse Practitioner)
Praxisdomäne (1)
Aufgaben/Tätigkeiten
Aufgaben/Tätigkeiten
Praxisdomäne (1+n)
Aufgaben/Tätigkeiten
Aufgaben/Tätigkeiten
Ein- und Ausschlusskriterien
Berücksichtigt wurden Publikationen, die eine klar erkennbare Berufsrolle in der
Pflege beschreiben oder wenn sich aus den Aufgaben und Tätigkeiten eine
Rollenbeschreibung ableiten lässt. Die Berufsrollenprofile mussten einen klaren
Bezug zu gemeindenahen, ambulanten und/oder komplementären Settings aufweisen.
Darüber hinaus mussten die Berufsrollen einen klaren Bezug zu einem direkten
oder indirekten psychischen Gesundheitsproblem aufweisen. Zudem sollte die
Publikation einen Ist-Zustand beschreiben und keinen Soll-Zustand, wie dies bei
nicht-empirischen Praxisempfehlungen der Fall wäre. Weiter musste ein klarer
Bezug zum Setting oder Versorgungskontext bzw. -modell bestehen. Es wurden nur
deutsch- und englischsprachige Quellen berücksichtigt. Quellen, die älter als 20
Jahre sind (Publikationen vor 2003), wurden nicht in die Analyse einbezogen.
Alle Publikationsformate wurden berücksichtigt, wenn ein klarer Bezug zum
fokussierten Themenschwerpunkt bestand. Wurden mehrere Versionen eines Artikels
gefunden, wurde die aktuellste Version in die Analyse einbezogen.
Auswahl der Studien
Die Titel und Abstracts der identifizierten Quellen wurden in die
Literatursoftware Citavi übertragen. Nach dem Aussortieren von Duplikaten und
Quellen ohne Abstracts wurde jeder Artikel von zwei Forschenden unabhängig
voneinander gesichtet. Zunächst wurden die Titel und Abstracts von 786 Artikeln
gesichtet. 131 Artikel wurden in das Volltextscreening einbezogen. Davon wurden
109 Artikel ausgeschlossen, so dass 22 Artikel für die Analyse übrigblieben. Für
die Bewertung des eingeschlossenen Materials wurden keine spezifischen
Instrumente verwendet, da das Design des integrativen Reviews es erlaubt, jede
Publikation zum Thema einzuschließen, sofern sie die Einschlusskriterien
erfüllt. Unstimmigkeiten bezüglich der Eignung von Studien wurden durch
Diskussionen zwischen den beiden Autoren:innen ausgeräumt. [Abb. 1 ] zeigt das Flussdiagramm der
Ergebnisse der systematischen Literatursuche.
Abb. 1 PRISMA-Flowchartdiagramm der systematischen
Literaturrecherche.
Datenanalyse und Datensynthese
Für die Analyse und Synthese der Daten wurde die von Ritchie und Lewis
beschriebene Methode der Framework Analyse verwendet. Diese Methode der
qualitativen Datenanalyse besteht aus den folgenden fünf Schritten [18 ]: (1) Einarbeitung in die Daten:
Lesen der Artikel, um ein allgemeines Gefühl für ihren Inhalt zu bekommen; (2)
Identifizierung eines thematischen Rahmens: Entwicklung eines thematischen
Kodierungsschemas; (3) Indexierung: systematische Anwendung der Codes auf die
extrahierten Textpassagen; (4) Kartierung („charting“): Neuordnung der Daten
nach thematischem Inhalt, um eine vergleichende Analyse zu ermöglichen; und (5)
Zuordnung („mapping“) und Interpretation: Definition von Schlüsselkonzepten,
Abgrenzung des Spektrums und der Art der Phänomene, Erstellung von Typologien,
Herstellung von Assoziationen, Bereitstellung von Erklärungen und Entwicklung
von Strategien.
Die Literatur wurde zunächst mit der Absicht gelesen, allgemeine Themen im
Zusammenhang mit Rollen oder Rollenprofilen, dem Fokus der Rolleninhaber und dem
in diesem Zusammenhang beschriebenen Praxisdomänen bzw. den Rollen von
psychiatrisch Pflegenden in der gemeindenahen (psychiatrischen)
Gesundheitsversorgung zu identifizieren. Basierend auf den bereits gelesenen
Quellen und dem übergeordneten Ziel dieses Reviews wurde ein thematischer
Analyserahmen (Schritt 2 der Framework Analyse, siehe [Tab. 1 ]) entwickelt und als
Kodierungsinstrument für die Analyse der eingeschlossenen Literatur verwendet.
Die Kategorien wurden kontinuierlich mit dem Quellenmaterial abgeglichen. Um das
Datenmanagement zu vereinfachen und übersichtlicher zu gestalten, wurden die aus
der Literatur extrahierten Daten in einer Excel-Datei zusammengefasst, die
entsprechend dem thematischen Analyserahmen strukturiert war. Diese
Analysematrix wurde verwendet, um die aggregierten Daten, gruppiert nach den
identifizierten Rollenprofilen, zu beschreiben, zu analysieren, zusammenzufassen
und zu vergleichen. Die weitere Analyse konzentrierte sich auf die Merkmale
jedes Rollenprofils („Kontextfaktoren“ wie Versorgungskontext, Zielpopulation
und Rollenbezeichnung sowie „Rolleninhalte“ wie Praxisdomänen sowie Aufgaben und
Tätigkeiten). Aus den Rolleninhalten wurden dann mögliche Rollen abgeleitet,
welche die Pflegenden innerhalb ihres jeweiligen Rollenprofils ausüben. Die
Rollenmerkmale und die ausgeübten Rollen wurden für jede Rollenkategorie
narrativ zusammengefasst und miteinander verglichen. Mögliche Unstimmigkeiten in
der Analyse wurden durch Diskussion innerhalb des Autorenteams geklärt. Die
Analyse folgte einem überwiegend deduktiven Ansatz. Die Kategorisierung und
Strukturierung wurde durch die theoretische Arbeit von Scheydt und Hegedüs [19 ] in Bezug auf den Umfang der
Praxis und Huang et al. [10 ] und
Kudless und White [9 ] in Bezug auf
die abgeleiteten Rollen der Pflegenden unterstützt.
Ergebnisse
Von den 22 in die Analyse einbezogenen Artikeln ([Tab. 2 ]
[3 ]) stammen acht Publikationen aus
Australien und Neuseeland [20 ]
[21 ]
[22 ]
[23 ]
[24 ]
[25 ]
[26 ]
[27 ] und jeweils vier Publikationen aus
den USA [7 ]
[28 ]
[29 ]
[30 ]
[31 ] und Großbritannien [1 ]
[32 ]
[33 ]
[34 ]. Die restlichen Quellen stammen aus
Kanada [35 ]
[36 ], Taiwan [10 ], den Niederlanden [37 ] und der Schweiz [38 ]. Die meisten Quellen in der
Literaturübersicht von Dreizler et al. [38 ] stammen jedoch aus den USA und Großbritannien. Die in die Analyse
einbezogenen Quellen konnten in zwei spezifische Rollenkategorien eingeteilt werden:
(1) CMHNs, die in Einrichtungen der primären Gesundheitsversorgung arbeiten (Primary
Care CMHN) (n=9, ▶Online
[Tab. 2 ]) und (2) CMHNs, die in
spezialisierten gemeindepsychiatrischen Diensten (Specialized Care CMHNs) arbeiten
(n=15, ▶Online
[Tab. 3 ]). Im Folgenden werden die
Kontextfaktoren, Rollenmerkmale und Rolleninhalte der einzelnen Rollenkategorien
detailliert beschrieben und verglichen.
Tab. 2 Praxisbereiche, Tätigkeiten und davon abgeleitete
Rollen von CHMHNs in der primären Gesundheitsversorgung (Primary Care
CMHNs).
Praxisbereiche
Aufgaben und Tätigkeiten / abgeleitete Rollen
Assessment und Health Monitoring
Tätigkeiten: Durchführung von (umfassenden) Assessments
von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen (z. B. Needs
Assessment) [23 ]
[30 ];
fortlaufendes Monitoring und kontinuierliche Beobachtung von
Menschen mit spezifischen psychischen Gesundheitsproblemen [34 ]
[38 ]. Rollen:
Assessor, Mental Health Monitor, Gatekeeper.
Diagnostik und Versorgungsplanung
Tätigkeiten: Durchführung von erweiterter/fachspezifischer
Diagnostik, z. B. im Zusammenhang mit Demenz oder kognitiven
Störungen [34 ];
Erstellung eines (Pflege- und) Behandlungsplans in
Zusammenarbeit mit Hausarzt/-ärztin [38 ]. Rollen:
Diagnostiker:in, Versorgungsplaner:in.
Direkte Versorgungspraxis und Förderung der psychischen
Gesundheit
Tätigkeiten: Durchführung klinischer Pflegemaßnahmen, wie
z. B. spezielle Gruppenprogramme für Klient:innen und Angehörige
[22 ];
Bereitstellung psychotherapeutischer Interventionen und/oder
Techniken zur Verhaltensmodifikation wie z. B. therapeutische
Lebensstil-Interventionen [22 ]
[23 ]
[24 ]
[36 ]
[38 ];
Durchführung von präventive Aufgaben im Bereich Public Mental
Health [26 ],
insbesondere durch kontinuierliches Monitoring und Screening der
psychischen Gesundheit [23 ]
[38 ]
oder durch Gesundheitsedukation [24 ]. Rollen:
Gesundheitsdienstleister:in, Mental Health Promoter:in,
Gesundheitserzieher:in, Sozialtherapeut:in,
Verhaltenstherapeut:in.
Medikamenten-management
Tätigkeiten: Verschreibung spezifischer Arzneimittel gemäß
spezifischer evidenzbasierter Leitlinien [34 ]
[38 ]; Überwachung der
Medikamentenadhärenz; Besprechung von Änderungen der Medikation
mit Hausarzt/-ärztin [38 ]. Rollen: Medikationsmanager:in,
Medikationsmonitor, Verordner:in von Arzneimitteln.
Care und Case Management
Tätigkeiten: Management und Koordinierung der Versorgung/
Steuerung der Patientenprozesse in enger Zusammenarbeit mit
Ärzt:innen der primären Gesundheitsverorgung [22 ]
[23 ]
[24 ]
[38 ]; Erbringung von
Nachsorgeleistungen für Patient:innen [36 ]; Überweisung von
Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen (insbesondere als
„komplex“ eingestufte Patient:innen) an spezialisierte Dienste
[22 ]
[26 ]. Rollen:
Case Manager:in, Versorgungskoordinator:in, Zuweiser:in,
Kooperationspartner:in, Patientenvertreter:in.
Partnerschaft, Beratung und Klientenschulung
Tätigkeiten: Unterstützung und Aufklärung von Menschen mit
psychischen Gesundheitsproblemen und ihren Angehörigen [10 ]
[24 ]
[26 ]; Schulung für
Patient:innen und Angehörige [10 ]
[26 ]
[30 ]
[36 ], z. B. in Form
von (familienorientierter) Psychoedukation [30 ]; Beratung von
Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen und ihren
Angehörigen zu bestimmten Therapien und Verfahren oder zu
bestimmten Medikamenten [38 ]; Aufbau einer therapeutischen Beziehung zu den
Betroffenen und ihren Angehörigen [38 ];
Interessenvertretung für Menschen mit psychischen
Gesundheitsproblemen und ihre Angehörigen [36 ]. Rollen:
Partner:in, Patientenvertreter:in, Berater:in, Pädagog:in.
Zusammenarbeit, Schulung und Professional Support
Tätigkeiten: Zusammenarbeit und Kooperation mit sowie
Supervision von Allgemein- bzw. Hausarzt/-ärztin und anderen
Leistungserbringern (z. B. generalistisch tätige Pflegepersonen)
[22 ]
[24 ]
[25 ]
[38 ]; Liaisondienste
zu anderen Gesundheitseinrichtungen an [23 ]
[24 ]; Schulung von
Mitarbeitenden [25 ]
[38 ],
z. B. in Bezug auf häufige psychische Erkrankungen [25 ];
Personalentwicklung [22 ]; Schulung und Coaching von häuslichem
Pflegepersonal [38 ].
Rollen: Kolleg:in, Kooperationspartner:in,
Berater:in, Ausbilder:in, Coach, Supervisor:in, Expert:in für
psychische Gesundheit.
Tab. 3 Praxisbereiche, Tätigkeiten und davon abgeleitete
Rollen von CMHNs in der spezialisierten gemeindepsychiatrischen
Versorgung (Specialized Care CMHNs).
Praxisbereiche
Aufgaben und Tätigkeiten/ abgeleitete Rollen
Assessment und Health Monitoring
Tätigkeiten: Durchführung von initialen und
kontinuierlichen (fachliche) Assessments [7 ]
[10 ]
[20 ]
[21 ]
[29 ]
[33 ] inkl. Überwachung
von Symptomen, Medikamenteneinnahme, möglichen unerwünschten
Arzneimittelwirkungen oder Serumspiegeln [37 ]; Identifizierung
von Personen mit psychosozialem Hilfe-/Unterstützungsbedarf in
der Gemeinde [10 ].
Rollen: Assessor, Mental Health Monitor, Case
Finder.
Diagnostik und Versorgungsplanung
Tätigkeiten: Durchführung fachspezifischer diagnostischer
Verfahren [10 ]
[32 ], einschließlich
der Anordnung und Auswertung spezifischer diagnostischer Tests
[10 ]
[29 ]; Durchführung
einer bedarfsgerechten Pflege- und Behandlungsplanung [7 ]
[29 ]
[33 ]. Rollen:
Diagnostiker:in, Versorgungsplaner:in.
Direkte Versorgungspraxis und Förderung der psychischen
Gesundheit
Tätigkeiten: Bereitstellung von Interventionen zur
Krankheits- und Symptombewältigung [10 ]
[20 ]
[35 ]; Bereitstellung
von spezifischen soziotherapeutischen (Pflege-) Interventionen,
z. B. zur Verbesserung der Selbstpflegekompetenz der Klienten
[10 ], zur
Stärkung des Selbstwertgefühls oder der Eigenverantwortung [35 ], zur
Unterstützung der Klienten bei der Strukturierung ihres Alltags,
zur Lebensstilberatung [37 ] oder zur Unterstützung der Klienten bei der
regelmäßigen Einnahme ihrer Medikamente [10 ]; Bereitstellung
von Interventionen zur Krisenbewältigung [10 ]; Bereitstellung
von psychotherapeutischen Interventionen wie kognitive
Verhaltenstherapie [27 ]
[37 ];
Bereitstellung von Interventionen zur Prävention und
Gesundheitsförderung [20 ]
[31 ]
[37 ].
Rollen: Gesundheitsdienstleister:in,
Soziotherapeut:in, Krisenmanager:in, Lifestyle Coach,
Supporter:in, Mental Health Promoter:in,
Verhaltenstherapeut:in.
Medikations-management
Tätigkeiten: Verschreibung spezifischer Arzneimittel nach
spezifischen evidenzbasierten Leitlinien [29 ]; Verabreichung
spezifischer Arzneimittel, wie z. B. Injektion langwirksamer
Psychopharmaka [35 ];
Beratung anderer Gesundheitsberufe bei Änderugnen der Medikation
[37 ]; Erstellung
von Medikationsprofilen [20 ]; Überwachung der Medikamenteneinnahme,
unerwünschter Arzneimittelwirkungen und Serumspiegel [37 ]. Rollen:
Verordner:in von Arzneimitteln; Medikationsmanager:in;
Supervisor:in, Beobachter:in.
Care und Case Management
Tätigkeiten: Management einer bestimmten Anzahl von
(komplexen) Fällen [10 ]
[29 ]
[31 ]
[33 ]
[35 ];
Koordination und Management der (evidenzbasierten) Versorgung
und der damit verbundenen patientenbezogenen Versorgungsprozesse
[7 ]
[31 ]; Erbringung von
Nachsorgeleistungen [32 ]; Überweisung komplexer Fälle an spezialisierte
Einrichtungen und Dienste [7 ]
[10 ]
[31 ]
[33 ].
Rollen: Case Manager:in, Versorgungskoordinator:in,
Zuweiser:in, Nachbehandler:in, Gatekeeper.
Partnerschaft, Beratung und Klientenschulung
Tätigkeiten: Aufbau und Aufrechterhaltung einer
(therapeutischen) Beziehung [20 ]
[27 ]
[28 ]
[35 ]
[38 ]; Beratung von
Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen und ihren
Angehörigen [10 ]
[37 ];
frühzeitige unterstützende Beratung von häuslichen Pflege- und
Betreuungspersonen [10 ]; Bereitstellung von Informationen über Ressourcen
für Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihren Angehörigen
[10 ];
Durchführung von Familienunterstützung, z. B. die Organisation
von Familientreffen oder die Verbesserung der Interaktion
zwischen Patient:innen und Familie [10 ]
[35 ]; Präsenz und
Erreichbarkeit für Patient:innen und ihre Angehörigen [28 ]
[35 ]
[37 ]. Rollen:
Partner:in, Patientenvertreter:in, Konfliktmanager:in,
Berater:in, Supporter:in, Lotse im Gesundheitssystem, Expert:in
für psychische Gesundheit, Gatekeeper.
Zusammenarbeit, Schulung und Professional Support
Tätigkeiten: Kooperative Zusammenarbeit mit anderen
Fachkräften und Einrichtungen der psychosozialen
Gesundheitsversorgung [10 ]
[31 ]
[32 ]
[38 ];
Erbringung von Konsultations- und Liaisondiensten [10 ]
[29 ]
[32 ]
[38 ]; Supervision und
Ausbildung von generalistischen Pflegepersonen sowie Ärzt:innen
für Allgemeinmedizin [7 ]
[31 ].
Rollen: Supervisor:in, Kolleg:in, Berater:in,
Ausbilder:in, Coach, Expert:in für psychische Gesundheit.
CMHN in der primären Gesundheitsversorgung
Die im Rahmen dieser Kategorie beschriebenen Primary Care CMHN arbeiten
hauptsächlich in allgemein- bzw. hausärztlichen Praxen [22 ]
[23 ]
[24 ]
[25 ]
[34 ]
[38 ] – hier im Rahmen des
kollaborativen Versorgungsmodells (engl. „collaborative care model“, vgl. [38 ]) oder als Teil des Mental Health
Nurse Incentive Program (MHNIP; [22 ]
[24 ]
[25 ]) – aber auch in Einrichtungen der
primären Gesundheitsversorgung bzw. kommunalen Gesundheitszentren [26 ]
[30 ]
[36 ]. Der größte Teil der Versorgung
findet in den oben beschriebenen nicht aufsuchenden Settings statt, aber einige
Pflegende arbeiten hauptsächlich aufsuchend [26 ]
[36 ]. Für die in verschiedenen
Einrichtungen der primären Gesundheitsversorgung arbeitenden Primary Care CMHNs
werden unterschiedliche Rollenbezeichnungen verwendet: Psychiatric/ Mental
Health Nurse [24 ]
[25 ]
[30 ], Community Psychiatric Nurse
[22 ]
[34 ], Primary Mental Health
Nurse/Primary Mental Health Coordinator [23 ], Mental Health Liaison Nurse [36 ], Depression Care Manager [38 ] sowie Mental Health Nurse
Practitioner [26 ]. Pflegende in
dieser Kategorie scheinen in erster Linie Personen mit leichten bis
mittelschweren psychischen Gesundheitsproblemen über die gesamte Lebensspanne zu
betreuen. Nur Meehan und Robertson [25 ] sowie Olasoji und Maude [22 ] beschreiben einen Schwerpunkt auf der Versorgung und Pflege von
Menschen mit schweren und anhaltenden psychischen Erkrankungen. Eine klare Rolle
in der fortgeschrittenen oder erweiterten Praxis (im Sinne von Advanced Nursing
Practice) lässt sich nur bei Barraclough et al. [26 ] ableiten. Die Praxisbereiche,
Tätigkeiten und davon abgeleitete Rollen von CMHNs in der primären
Gesundheitsversorgung sind in [Tab.
2 ] zusammengefasst.
CMHNs in der spezialisierten gemeindepsychiatrischen Versorgung
Die in dieser Kategorie beschriebenen Specialized Care CMHN arbeiteten
überwiegend in interdisziplinären und hochgradig kooperativen Kontexten, z. B.
in Community Mental Health Teams [7 ]
[20 ]
[29 ]
[33 ]
[37 ]
[38 ], in Beratungs- und
Liaisondiensten [10 ]
[21 ]
[32 ], in ambulanten oder aufsuchenden
Diensten [10 ]
[27 ]
[37 ], in Home Treatment Teams [1 ] oder als Teil von Assertive
Community Treatment Teams [28 ]
[35 ]. Die verschiedenen Arten von
Angeboten waren in erster Linie an kommunale Krankenhäuser angegliedert [21 ]
[29 ]
[32 ]
[35 ] oder in kommunalen
Gesundheitszentren angesiedelt [7 ]
[31 ]
[38 ]. Insgesamt wurden drei von
Pflegefachpersonen geleitete Dienste beschrieben [10 ]
[27 ]
[32 ]. Auch hier wurden analog zu den
unterschiedlichen Länderkontexten und spezifischen Versorgungssettings sehr
unterschiedliche Rollenbezeichnungen für die Specialized Care CMHNs verwendet:
Mental Health Nurse [20 ]
[38 ], Clinical Nurse Consultant oder
Consultant Nurse [27 ]
[32 ], Consultation-Liaison Nurse [21 ], Mental Health Nurse Practitioner
[21 ]
[27 ]
[29 ]
[31 ] und Advanced Practice Psychiatric
Nurse [28 ]. Für jede Rolle wurden
unterschiedliche pflegerische Schwerpunkte beschrieben. Die in dieser Kategorie
zusammengefassten Pflegerollen haben jedoch eines gemeinsam: Sie sind entweder
lebensphasen- oder diagnosebezogen spezialisiert [10 ]
[20 ]
[29 ]
[32 ]
[33 ]
[37 ]
[38 ] oder sie versorgen Menschen mit
akuten und/oder schweren psychischen Problemen [1 ]
[7 ]
[28 ]
[31 ]. In insgesamt fünf Publikationen
konnte eindeutig eine fortgeschrittene (advanced) oder zumindest erweiterte
(expanded) Rolle abgeleitet werden [21 ]
[27 ]
[28 ]
[29 ]
[31 ]. Die Praxisbereiche, Tätigkeiten
und davon abgeleitete Rollen von CMHNs in spezialisierten
gemeindepsychiatrischen Diensten sind in [Tab. 3 ] zusammengefasst.
Diskussion
In diesem Beitrag werden zwei Rollenprofile in der Praxis der gemeindenahen
psychosozialen Pflege identifiziert, die unterschiedliche Funktionen in der
ambulanten Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen über die gesamte
Lebensspanne beschreiben: (A) Community Mental Health Nurses in Einrichtungen der
primären Gesundheitsversorgung (im Folgenden „Primary Care CMHN“) und (B) Community
Mental Health Nurses in spezialisierten gemeindepsychiatrischen Diensten (im
Folgenden „Specialized Care CMHN“). Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen den beiden
Rollen, aber auch viele Unterschiede. Beispielsweise werden beide Rollen als
hochgradig „kollaborativ“ beschrieben. Dementsprechend können Zusammenarbeit und
Kooperation als wichtige Bestandteile der Arbeit beider Rollenprofile beschrieben
werden. Die Zusammenarbeit findet jedoch auf unterschiedlichen Ebenen statt. Von den
„Primary Care CMHNs“ wird erwartet, dass sie das Leistungsspektrum der
hausärztlichen Praxis oder des kommunalen Gesundheitszentrums um spezifische Aspekte
der psychischen Gesundheit ergänzen. Sie arbeiten sehr eng und partnerschaftlich mit
den Hausärzt:innen zusammen. Die Arbeit der „Specialized Care CMHN“ findet in einem
hochspezialisierten multiprofessionellen Umfeld statt. Sie arbeiten mit vielen
verschiedenen Fachkräften (z. B. Allgemein- oder Hausärzt:innen, Psychiater:innen,
Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen oder Vertretenden lokaler Behörden) in
verschiedenen hochspezialisierten psychosozialen Diensten (z. B. Home Treatment oder
Assertive Community Treatment Teams) zusammen.
Darüber hinaus arbeiten „Primary Care CMHNs“ in erster Linie in einem nicht
aufsuchenden Setting in den Räumlichkeiten von Hausärzt:innen oder in kommunalen
Gesundheitszentren, während „Specialized Care CMHNs“ in erster Linie in einem
aufsuchenden Setting im Lebensumfeld von Einzelpersonen und ihren Familien tätig
sind. Dementsprechend arbeiten „Primary Care CMHNs“ hauptsächlich auf
Einzelfallbasis, während „Specialized Care CMHNs“ auch das Familiensystem der
betroffenen Person im Blick haben. Dies zeigt sich z. B. in der breiten Palette
familienorientierter Interventionen, die von den „Specialized Care CMHNs“ angeboten
werden. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Rollenprofilen besteht in der
Komplexität der betreuten Fälle. „Specialized Care CMHNs“ betreuen hochkomplexe
Fälle, insbesondere Personen mit schweren und anhaltenden psychischen Problemen, die
sich in der Regel in einer akuten Krise befinden. „Primary Care CMHNs“ hingegen
betreuen Menschen mit leichten bis mittelschweren, meist „gewöhnlichen“ psychischen
Problemen (z. B. Depressionen, Angstzustände etc.) im Rahmen der
Primärversorgung.
Die Unterschiede zwischen den beiden Rollenprofilen sind vor allem darin zu sehen,
dass die „Specialized Care CMHNs“ etwas spezialisiertere Aufgaben (z. B. in den
Bereichen Krisenmanagement, Krankheits- und Symptommanagement oder
Medikamentenmanagement) in einem lebenswelt- und familiensystemorientierten Setting
übernehmen als die überwiegend einzelfallorientierten und primär nicht aufsuchenden
„Primary Care CMHNs“. Auffällig war auch, dass Aspekte der Forschung und
Praxisentwicklung in der gesichteten Literatur kaum oder gar nicht erwähnt
wurden.
Bei der Analyse der beschriebenen Funktionen fällt zudem auf, dass beide
Rollenprofile eher defizitorientiert sind und weniger auf die Ressourcen der
Betroffenen einzugehen scheinen. Mit anderen Worten: die beschriebenen Funktionen
fokussieren primär auf den Krankheitsprozess und sehr wenig auf Aspekte der
Prävention und insbesondere der Gesundheitsförderung. Dies deutet darauf hin, dass
sie in der Arbeit eine geringere Bedeutung haben als z. B. die direkte Versorgung
oder das Case- und Care-Management.
Die beiden Rollenprofile und ihre Inhalte müssen jedoch auch vor dem Hintergrund der
zu erwartenden zukünftigen Entwicklungen der Bevölkerungsstruktur und der
Veränderungen des psychosozialen Bedarfs und der psychosozialen Versorgungsangebote
betrachtet und diskutiert werden. Beispielsweise sind Menschen mit leichten bis
mittelschweren psychischen Gesundheitsproblemen überversorgt, während Menschen mit
schweren und meist anhaltenden psychischen Störungen unterversorgt sind [2 ]
[5 ]. In ländlichen Gebieten besteht zum Teil ein massiver Mangel an
ambulanten intensiven Versorgungsangeboten [39 ]. In vielen Ländern, auch den deutschsprachigen, besteht ein
gravierender Mangel an Fach- und Hausärzt:innen [40 ]. Insbesondere im Bereich der
psychotherapeutischen Versorgung sind Wartezeiten von mehreren Monaten zumindest in
Deutschland keine Seltenheit mehr [41 ].
Sowohl die primärärztliche als auch die fachärztliche psychiatrische und
psychotherapeutische Versorgung, insbesondere von Menschen mit schweren und
chronischen psychischen Erkrankungen, ist daher vor allem in ländlichen und
strukturschwachen Regionen stark eingeschränkt.
In diesem Zusammenhang wird die psychiatrische Grundversorgung sowie die
psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege in Zukunft von großer Bedeutung sein,
um dem Mangel an Fachärzt:innen und Allgemeinmediziner:innen zu begegnen und eine
angemessene Versorgung aufrechtzuerhalten. Diese Versorgung wird
höchstwahrscheinlich in integrierten oder abgestuften Versorgungsmodellen erfolgen
[42 ], was gute Kenntnisse über
unterschiedliche Versorgungsmodelle und nicht nur psychiatrische, sondern auch
somatische Gesundheitskompetenz voraussetzt. In diesem Zusammenhang wird der Aspekt
der Versorgungskoordination und des Case Managements eine der Kernaufgaben von CMHNs
bleiben und sicherlich auch im deutschsprachigen Raum an Bedeutung gewinnen. Aber
auch die Bereitstellung niedrigschwelliger und kurzfristiger psychotherapeutischer
Angebote durch gemeindenah tätige psychiatrische Pflegefachpersonen
unterschiedlicher Kompetenzniveaus wird an Bedeutung gewinnen, um die
Versorgungslücke zwischen dem Erkennen einer psychischen Störung und der Einleitung
einer (in der Regel psychotherapeutischen) Behandlung zu schließen.
Es ist auch wichtig zu berücksichtigen, dass sich die Merkmale der Patient:innen, die
psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen, in Zukunft verändern werden. Dies
wiederum wird einen großen Einfluss auf die zukünftigen Bedürfnisse und
Anforderungen dieser Klientel haben [42 ]
[43 ]. Der demographische
Wandel führt zu einer alternden Gesellschaft und damit zu spezifischen
Gesundheitsproblemen, nicht nur somatischer Art. Depressionen im Alter aufgrund von
Einsamkeit und sozialer Isolation oder Demenz werden die psychiatrische Versorgung
in Zukunft vor neue Herausforderungen stellen [43 ]
[44 ]. Neben der enormen
Beschleunigung der Gesellschaft führt die zunehmende technologische Entwicklung und
Digitalisierung dazu, dass Patient:innen durch das enorme Informationsangebot im
Internet immer besser über psychosoziale Gesundheitsaspekte informiert sind. Dies
hat nicht nur Vorteile, z. B. im Hinblick auf die Patient:innenbeteiligung, sondern
birgt auch die Gefahr von Fehlinformationen, die zu verschiedenen Problemen in der
Zusammenarbeit zwischen Patient:innenen und professionellen Leistungserbringern
führen können [43 ]. Darüber hinaus nimmt
die Zahl der Migranten aufgrund der angespannten Weltsituation und
Umweltkatastrophen in verschiedenen Ländern seit Jahren zu [43 ]
[44 ]. Neben dem positiven Aspekt der kulturellen Erweiterung bringt diese
Entwicklung auch potenzielle Probleme mit sich, mit denen psychosoziale
Versorgungseinrichtungen in Zukunft konfrontiert sein werden: Viele unterschiedliche
kulturelle Hintergründe bedeuten auch unterschiedliche Sichtweisen auf psychische
Erkrankungen und psychische Gesundheit bzw. auf die Inanspruchnahme psychosozialer
Hilfsangebote. Darüber hinaus wird man zunehmend mit Menschen konfrontiert sein, die
in ihrem Leben extreme Traumatisierungen erfahren haben [44 ].
Vor diesem Hintergrund werden Konzepte wie der Diversity-Ansatz oder die
traumainformierte Versorgung in Zukunft wichtige Konzepte für CMHNs sein [5 ]. Ebenso wird der populationsbezogene
Versorgungsansatz auch im deutschsprachigen Raum weiter an Bedeutung gewinnen.
Unterversorgte und in der psychosozialen Versorgung oft vernachlässigte
Bevölkerungsgruppen (Wohnungslose, Kinder psychisch kranker Eltern, Jugendliche und
junge Erwachsene, Eltern in der perinatalen Phase, Menschen mit schweren und
andauernden psychischen Erkrankungen etc.) werden in den Mittelpunkt der
Spezialisierung rücken müssen. Zudem wird der beschriebene Praxisbereich
„Partnerschaft, Beratung und Klientenschulung“ an Bedeutung gewinnen, um
Fehlinformationen der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu vermeiden oder zu
korrigieren. Dies wird sich auf die Adhärenz und Compliance auswirken. CMHNs könnten
auch eine wichtige Rolle als Wegweiser oder Lotsen durch den Dschungel der digitalen
Gesundheitsanwendungen (DiGAs) oder im Sinne eines Blended-Therapy-Ansatzes bei der
Nutzung von DiGAs oder beim Einüben neuer Verhaltensweisen in Alltagssituationen
spielen. Auch bei der Nutzung niedrigschwelliger digitaler und webbasierter
Selbsthilfeansätze könnten Pflegende bei der Auswahl der richtigen Anwendungen
helfen.
Limitationen
Die vorliegende Analyse konzentrierte sich ausschließlich auf die psychosozialen
Rollen und Funktionen der verschiedenen Rollenprofile im Bereich Community
Mental Health Nursing. Körperliche oder somatische Interventionen wurden nicht
oder nur am Rande berücksichtigt. Erweiterte Rollen (z. B. generalistische
Pflegefachpersonen mit erweiterten Aufgaben im Bereich der psychischen
Gesundheit, Public Health Nurses mit Aufgaben im Bereich der psychischen
Gesundheit, wie z. B. die Schulkrankenpflege) oder spezialisierte
(psychiatrische) Pflegefachpersonen mit einem klaren Schwerpunkt im Bereich des
Public (Mental) Health wurden nicht berücksichtigt, werden aber Gegenstand
weiterer Untersuchungen sein. Darüber hinaus wurden die Rollen und Funktionen
länderübergreifend zusammengefasst. Länderspezifische Unterschiede, z. B.
hinsichtlich der Bezeichnung der Rolle, des Inhalts der Rolle oder der
Anforderungen an die Ausübung der Rolle, wurden nicht berücksichtigt. Diese
müssen jedoch an die spezifischen Bedürfnisse, Versorgungsmodelle etc. angepasst
werden, bevor die Inhalte des Reviews auf einzelne Kontexte übertragen werden
können. Schließlich war es aufgrund des zugrundeliegenden Studiendesigns der
einbezogenen Studien nicht möglich, eine valide Aussage über die tatsächliche
Verteilung der in den Rollenprofilen beschriebenen Funktionen zu treffen, die
durch empirische Beobachtungsstudien ergänzt werden müsste. Aufgrund der
Tatsache, dass keine spezifischen Instrumente zur Bewertung der einbezogenen
Arbeiten verwendet wurden, ist es möglich – wenn auch aufgrund der ausführlichen
Diskussion der Methodik der Studien innerhalb des Autor:innen-Teams sehr
unwahrscheinlich – dass Arbeiten von schlechter Qualität in die Analyse
eingeflossen sind.
Schlussfolgerungen
Durch die differenzierte Ausarbeitung der beiden Rollenprofile und ihrer Merkmale
konnte eine Grundorientierung für die Entwicklung neuer Rollen im Bereich Community
Mental Health Nursing für den deutschsprachigen Raum entwickelt werden. Die hier
beschriebenen Rollenprofile können auch als Vorlage für die (Weiter-)Entwicklung von
Hochschulstudiengängen im Bereich der gemeindenahen psychosozialen Pflege bzw. des
Community Mental Health Nursing dienen. In beiden Fällen ist es wichtig, dass bei
der (curricularen) Entwicklung von CMHN-Rollen der Kontext des Landes und der dort
vorherrschende psychosoziale Versorgungs- und Unterstützungsbedarf, das
vorherrschende Versorgungssystem, die zu erwarteten zukünftigen Veränderungen in der
psychosozialen Versorgung (wie in der Literatur beschrieben) oder die geltende
Gesetzgebung berücksichtigt werden.
Es wäre auch wichtig, die Aufgaben und Tätigkeiten und insbesondere die Unterschiede
zwischen grundlegender (basic), spezialisierter (spezialized) und fortgeschrittener
(advanced) psychiatrischer Pflegepraxis in gemeindenahen, kommunalen bzw. nicht
stationären Versorgungssettings hervorzuheben, um spezifische Kompetenzniveaus für
die Aus- und Weiterbildung zu definieren. Um die Aspekte des Public (Mental) Health
zu berücksichtigen, sollte das vorliegende Review um eben diese Aspekte erweitert
werden. Darauf aufbauend sollte dann untersucht werden, über welche Kompetenzen die
Rolleninhaber:innen vor dem Hintergrund des jeweiligen Versorgungskontextes, des
jeweiligen Hilfe- und Versorgungsbedarfs, der jeweiligen Gesetzgebung etc. verfügen
sollten. In diesem Zusammenhang wäre eine ergänzende Analyse der dem Public bzw.
Community Mental Health Nursing zugrundeliegenden Konzepte und Modelle wichtig, die
in die Entwicklung neuer und innovativer Inhalte für die (hochschulische) Aus-,
Fort- und Weiterbildung einfließen sollten. Schließlich ist es wichtig, jede
Rollenentwicklung in einem interprofessionellen Rahmen durchzuführen und die
Wirksamkeit der Rollen vor dem Hintergrund des interdisziplinären
Behandlungsprozesses und der jeweiligen Rollen der verschiedenen Berufsgruppen zu
evaluieren. Auf diese Weise kann belastbare Evidenz für die Wirksamkeit solcher
(weitgehend „erweiterter“) Rollen generiert werden. Dies ist insbesondere für den
deutschsprachigen Raum wichtig, der der internationalen Entwicklung deutlich
hinterherhinkt.
Konsequenzen für Klinik und Praxis
Konsequenzen für Klinik und Praxis
Die Ergebnisse liefern eine inspirierende Vorlage für die Entwicklung
innovativer Rollen im Bereich der gemeindenahen psychiatrischen Pflege in
Deutschland
Die Synthese der internationalen CMHN-Rollenprofile kann als Leitfaden für
die Gestaltung von Lehrplänen für die (hochschulische) Aus- und
Weiterbildung dienen.
Die Ergebnisse tragen erheblich zum Verständnis der vielfältigen Rollen
dieser Pflegenden in verschiedenen Kontexten bei und erleichtern eine
zukünftige Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen in der psychosozialen
Versorgung im deutschsprachigen Raum.