Pneumologie
DOI: 10.1055/a-2363-5780
Positionspapier der DGP

Implementierung der Tabakentwöhnung in den Workflow des Lungenkrebsscreenings in Deutschland

Ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP)Implementation of smoking cessation in the workflow of a lung cancer screening program in GermanyA Position Paper of the German Respiratory Society (DGP)
Alexander Rupp
 1   Pneumologische Praxis im Zentrum, Stuttgart, Mitglied der Arbeitsgruppe Tabakprävention und -entwöhnung der DGP, Leiter der Arbeitsgruppe Tabak im Bundesverband der Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin e. V., Stuttgart, Deutschland
,
Sebastian Sohrab
 2   Neudorfer Lungenpraxis, Duisburg, Vorstandsmitglied Bundesverband der Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin e. V., Duisburg, Deutschland
,
Wulf Pankow
 3   Vivantes-Institut für Tabakentwöhnung und Raucherprävention, Berlin, Deutschland
,
Matthias Raspe
 4   Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Intensivmedizin mit dem Arbeitsbereich Schlafmedizin, Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin, Charité – Campus Virchow-Klinikum (CVK), Berlin, Deutschland
,
Daniel Kotz
 5   Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Schwerpunkt Suchtforschung und klinische Epidemiologie, Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
,
Christa Rustler
 6   Deutsches Netz rauchfreier Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, Berlin, Deutschland
,
Torsten Gerriet Blum
 7   Lungenklinik Heckeshorn, Klinik für Pneumologie, Helios Klinikum Emil von Behring GmbH, Medical School Berlin, Berlin, Deutschland
,
Torsten Bauer
 8   Lungenklinik Heckeshorn, Klinik für Pneumologie, Helios Klinikum Emil von Behring GmbH, Berlin, Deutschland
,
Wolfram Windisch
 9   Lungenklinik, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Lehrstuhl für Pneumologie Universität Witten/Herdecke für die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Köln, Deutschland
,
Stefan Andreas
10   Lungenfachklinik Immenhausen, Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Universitätsmedizin Göttingen (F&L), Deutsches Zentrum für Lungenforschung, Immenhausen, Deutschland
,
Unterstützt von medizinischen Fachgesellschaften und Organisationen: Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM), Deutsche Röntgengesellschaft e. V. (DRG), Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie e. V. (DGT), Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (DKG), Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. (DGAUM), Bundesverband der Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin e. V. (BdP), Deutsches Netz rauchfreier Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen gem. e. V. (DNRfK) › Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Sowohl die Tabakentwöhnung als auch ein Low-dose-CT-Screening bei Risikopersonen senken die lungenkrebsspezifische Mortalität und die Gesamtmortalität. Im Rahmen eines nationalen Screeningprogramms zur Früherkennung von Lungenkrebs muss die Tabakentwöhnung obligater Bestandteil der Beratung der Teilnehmenden sein. Hierdurch wird auch die Kosten-Nutzen-Effektivität des Screeningprogramms gesteigert. Im Rahmen des Erstgesprächs müssen Teilnehmenden des Screeningprogramms in Form einer Minimalintervention evidenzbasierte Maßnahmen zur Tabakentwöhnung angeboten werden. Bei nicht gewünschter Tabakentwöhnung müssen Teilnehmende des Screeningprogramms aktiv widersprechen (Opt-out-Regelung). Die Kosten für die Tabakentwöhnung inklusive der Kosten für eine entzugshemmende Medikation sind durch die Gesetzliche Krankenversicherung vollständig zu übernehmen.


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Abstract

Both tobacco cessation and low-dose CT screening in at-risk individuals reduce lung cancer-specific and all-cause mortality. As part of a national screening program for the early detection of lung cancer, smoking cessation must be a mandatory part of the counseling given to participants. This increases the cost-benefit effectiveness of the screening program. As part of the initial consultation evidence-based measures for smoking cessation must be offered to smoking participants of the screening program in form of a minimal intervention. If participants do not want to participate in a quit smoking measure they must actively refuse (opt-out rule). The costs of quitting smoking, including the costs of withdrawal-inhibiting medication, have to be fully covered by statutory health insurance for participants in the lung cancer screening program.


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Hintergrund

Das inhalative Tabakrauchen ist der bedeutendste Risikofaktor für das Lungenkarzinom (bei Männern in 9 von 10 Fällen, bei Frauen in mindestens 6 von 10 Fällen [1]). Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist die Passivrauchbelastung [2]. In den randomisierten Studien zum Lungenkrebsscreening waren 35–55 % der Teilnehmenden aktiv Rauchende [3]. Sowohl ein Rauchstopp als auch das Lungenkrebsscreening senken die Lungenkrebssterblichkeit und die allgemeine Sterblichkeit. Wenn beides kombiniert wird, addiert sich der Effekt [4] [5]. Allein die Teilnahme an einem Lungenkrebs-Screeningprogramm erhöht bereits die Bereitschaft zur Teilnahme an Entwöhnungsangeboten [3]. Die erfolgreiche Tabakentwöhnung im Kontrollarm des National Lung Screening Trial (NLST) zeigte sich nach 7-jähriger Abstinenz ebenso wirksam wie das ungleich teurere Screeningprogramm [6]. Die Kosteneffektivität des Lungenkrebsscreenings wird durch die Integration der Tabakentwöhnung signifikant gesteigert [7]. Um den gesundheitlichen Effekt eines Lungenkrebsscreenings bei Patientinnen und Patienten zu erhöhen, sollen an allen Stellen, die Lungenkrebsscreening anbieten, adäquate Ressourcen zur Tabakentwöhnung bereitgestellt werden.


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Rechtliche Einordnung

Mit der „Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung der Niedrigdosis-Computertomografie zur Früherkennung von Lungenkrebs bei rauchenden Personen“ (Lungenkrebs-Früherkennungs-Verordnung – LuKrFrühErkV) [8] vom 15.05.2024 hat der Gesetzgeber die rechtlichen Grundlagen für die Einführung eines nationalen Screeningprogramms für aktuell Rauchende bzw. ehemals Rauchende, die den Rauchkonsum innerhalb der letzten 10 Jahre beendet haben, mit einem festgelegten Risikoprofil (50–75 Jahre mit mindestens 25 Raucherjahren und mit mindestens 15 Packungsjahren [PY]) geschaffen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat nach Inkrafttreten der Verordnung am 01.07.2024 18 Monate Zeit, um über die Einführung der Leistung zu entscheiden. Das Beratungsverfahren beim G-BA wurde mit Beschluss vom 21.12.2023 bereits eingeleitet [9]. Vorangegangene Berichte des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG, 10/2020) [1] und des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS, 08/2021) [10] hatten übereinstimmend eine positive Risiko-Nutzen-Relation für ein Screeningprogramm mittels Low-dose-CT-Thorax festgestellt.


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Evidenz aus bisherigen Untersuchungen

In bisherigen Studien rangierte der Anteil der Entwöhnungsraten im Rahmen des Lungenkrebsscreenings zwischen 7 und 23 %. Insbesondere mit verhaltenstherapeutisch basierten Therapien in Verbindung mit Pharmakotherapie zum Rauchstopp kann die Entwöhnungsrate deutlich gesteigert werden [11]. Bei der Yorkshire Enhanced Stop Smoking Study (YESS) nahmen von 2150 am Lungenkrebsscreening Teilnehmenden 1905 (89 %) an einer Beratung teil. 1609 (75 %) erhielten Unterstützung bei der Raucherentwöhnung. 323 Teilnehmende (15 %) der Ausgangskohorte gaben an, nach 4 Wochen aufgehört haben zu rauchen [12]. Bereits existierende Lungenkrebs-Screening-Programme in den USA und Großbritannien [13] [14] sowie in Kroatien [15], Polen [16] und der Tschechischen Republik [17] empfehlen und integrieren Maßnahmen zur Tabakentwöhnung in das Lungenkrebsscreening.

Auf der Basis dieser Erfahrungen soll die Tabakentwöhnung auch in Deutschland fester Bestandteil des Lungenkrebsscreenings werden [3] [18]. Entsprechend formuliert die S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ mit dem Empfehlungsgrad A: „Rauchenden Patientinnen und Patienten, die sich einem Screening auf Lungenkarzinom unterziehen, soll eine Tabakentwöhnung mit psychosozialer und medikamentöser Unterstützung angeboten werden“ [5].


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Von der Evidenz zur praktischen Umsetzung

Obligate Bestandteile jeder Teilnahme am Lungenkrebsscreening sind die standardisierte Dokumentation des Rauchstatus (einschließlich konventioneller Tabakzigaretten, Zigarren, Pfeiferauchen, Shisha, Tabakerhitzer und E-Zigaretten und auch Cannabis) in der Patientenakte, eine Kurzberatung (5A- oder ABC-Methode, siehe [ Tab. 3 ]) mit der Klärung der Indikation für eine medikamentöse Unterstützung zur Tabakentwöhnung (z. B. durch Messung des Fagerström-Tests für Zigarettenabhängigkeit [FTZA] oder Heaviness of Smoking Index [HSI]; siehe [ Tab. 2 a ] und [ Tab. 2 b ] [19] [20] [21]) und das Angebot einer weiterführenden Therapie (z. B. internetbasiert BZgA oder NichtraucherHelden, Telefonberatung BZgA, Verordnung DiGA, Teilnahme Gruppenschulung oder verhaltenstherapeutisch orientierte Einzel- oder Gruppentherapie). Dabei ist opt-out effektiver als opt-in [22]: Die Teilnahme ist damit der Regelfall, der Patient muss bei nicht gewünschter Teilnahme aktiv widersprechen. Die Behandlung rauchender Screeningteilnehmender mit einem evidenzbasierten Entwöhnungsprogramm sollte in die Qualitätskriterien des Screeningprogramms mit aufgenommen werden.

Zu den niederschwelligen evidenzbasierten Entwöhnungsprogrammen zählen die evidenzbasierten Internetprogramme, die kostenlose Telefonberatung der BZgA und die Verordnung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA). Effektiver, aber höherschwelliger und ressourcenintensiver sind Gruppenschulungen und Tabakentwöhnung in Einzel- oder Gruppentherapien. Die Evidenz für entsprechende Verfahren ist national wie international in Leitlinien [5] [23] [24] und Metaanalysen wie z. B. Cochrane-Reviews [25] belegt. Weitere Verfahren wie z. B. eine Telefonberatung [26] oder digitale Tabakentwöhnungsmaßnahmen sind ebenfalls durch Studien in ihrer Effizienz evaluiert [27] [28], auch im Kontext des deutschen Gesundheitssystems [29].

Ein internetbasiertes Programm stellt u. a. die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) [30] oder die Onlineplattform NichtraucherHelden [31] zur Verfügung. Zugang zur kostenlosen proaktiven Rauchstoppberatung am Telefon ermöglicht das Rauchfrei-Ticket des Netzwerks Rauchfreier Krankenhäuser und der BZgA [32]. Suchmasken zum Auffinden therapeutischer Programme und Einrichtungen finden sich z. B. in der gemeinsamen Datenbank des Deutschen Krebsforschungszentrums mit der BZgA (https://www.anbieter-raucherberatung.de/index.php#suchergebnisse) oder im Portal der zentralen Prüfstelle Prävention (https://portal.zentrale-pruefstelle-praevention.de/portfolio/gkv-sv/suche).

Evidenzbasierte Angebote in Entwöhnungszentren umfassen Einzel- und Gruppentherapien [5] [33].

Eine medikamentöse Behandlung im Rahmen der Tabakentwöhnung soll die Entzugssymptomatik nach Beendigung des Tabakkonsums reduzieren und ermöglicht hierdurch vielen abhängigen Rauchenden erst den Beginn der Abstinenz. Die Evidenz für die in Deutschland zugelassenen Medikationsgruppen ([kombinierte] Nikotinersatzpräparate, partielle Nikotinrezeptoragonisten [Vareniclin, Cytisin], Antidepressivum [Bupropion]) ist in der S3-Leitlinie und in zahlreichen Cochrane Reviews umfangreich dargestellt [5] [25].

Der G-BA hat bereits in den tragenden Gründen zur Festlegung weiterer Leistungen und Leistungsbereiche gemäß § 136 b und § 110 a SGB V explizit evidenzbasierte telefon- oder internetbasierte Entwöhnungsprogramme (z. B. BZgA Telefonberatung und Onlineprogramm, NichtraucherHelden usw.) mit aufgeführt [34].

In Lungenkrebszentren muss mindestens eine Person in der Tabakentwöhnung geschult sein. Dafür stehen bspw. Schulungsprogramme der Bundesärztekammer zur Verfügung [35]. Auf dieser Basis führt die DGP in Kooperation mit der Berliner Ärztekammer mehrmals im Jahr Kurse durch. Niederschwellige Fortbildungsangebote für das beteiligte medizinische bzw. psychologische Personal zur Implementierung der Tabakentwöhnung als Minimalintervention in den Praxis- und Klinikalltag (On-demand-Format) sind vorgesehen und in Vorbereitung.

In Deutschland sind aktuell folgende Programme evaluiert und publiziert:

  • Curriculum Tabakentwöhnung der Bundesärztekammer [35],

  • Rauchfrei-Programm (Institut für Therapieforschung, München) [36],

  • Nichtraucher in 6 Wochen (Arbeitskreis Raucherentwöhnung der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Tübingen) [37] und

  • ABC-Training der ärztlichen Kurzberatung [21] [38].

Auch die Zusatzweiterbildung „Suchtmedizinische Grundversorgung“ qualifiziert gemäß ihres Curriculums für eine evidenzbasierte Tabakentwöhnungstherapie.


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Implementierung der Tabakentwöhnung in den Workflow des Lungenkrebsscreenings

Die Lungenkrebs-Früherkennungs-Verordung [8] legt in § 2 (1) fest, dass vor der Anwendung einer Low-dose-CT-Thorax im Rahmen des Screenings durch eine qualifizierte Ärztin bzw. einen qualifizierten Arzt (§ 6 [3] LuKrFrühErkV) ein Bericht über den Tabak- und Nikotinkonsum anzufertigen ist. In diesem Kontext muss obligat das Angebot einer evidenzbasierten Tabakentwöhnung erfolgen. Hierfür schlagen wir das in [ Abb. 1 ] dargestellte Vorgehen vor, das der umfangreichen Evidenz und den Empfehlungen der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ [5] folgt:

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Abb. 1 Empfehlung zur Implementierung der Tabakentwöhnung in den Workflow des Lungenkrebsscreenings im Rahmen des Erstgesprächs.

Im Rahmen des ärztlichen Gesprächs werden der aktuelle Rauchstatus bzw. die aktuellen Konsumgewohnheiten erfasst. Für Teilnehmende am Screeningprogramm, bei denen der Rauchstopp innerhalb der letzten 10 Jahre erfolgte, gilt das Procedere analog. Die Packungsjahre des Konsumzeitraums werden errechnet (z. B. [20 Zig/d × 30 Raucherjahre]/20 = 30 Packungsjahre oder [30 Zig/d × 20 Raucherjahre]/20 = 30 Packungsjahre). Zudem wird bei Rauchenden die Tabakabhängigkeit gemäß ICD-10-Kriterien ([ Tab. 1 ]) und die Stärke der Abhängigkeit mittels Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit (FTZA) oder Heaviness of Smoking Index (HSI) ([ Tab. 2 a ] und [ Tab. 2 b ]) erfasst.

Tab. 1

ICD-10-Kriterien der Tabakabhängigkeit (F17.2).

  • Drang oder starker Wunsch zum Tabakkonsum

  • eingeschränkte Kontrolle über Beginn, Beendigung oder Menge des Tabakkonsums

  • Toleranzentwicklung mit Steigerung der Zigarettenzahl

  • Entzugssymptome beim Rauchstopp

  • Vernachlässigung anderer Aktivitäten/Interessen zugunsten des Rauchens

  • fortgesetzter Konsum trotz Nachweis schädlicher Folgen

Auswertung: Bei 3 oder mehr positiven Antworten innerhalb der letzten 12 Monate liegt eine Tabakabhängigkeit vor.

Tab. 2 a

Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit (FTZA) (nach [19]).

1.

Wann rauchen Sie Ihre erste Zigarette nach dem Aufwachen?

innerhalb von 5 min

3 Punkte

nach 6–30 min

2 Punkte

nach 31–60 min

1 Punkt

später als 60 min

0 Punkte

2.

Finden Sie es manchmal schwierig, auf das Rauchen zu verzichten an Orten, wo es verboten ist (z. B. in der Kirche, im Kino, in der Bücherei etc.)?

ja

1 Punkt

nein

0 Punkte

3.

Auf welche Zigarette würden Sie am wenigsten verzichten wollen?

die erste Zigarette am Morgen

1 Punkt

jede andere Zigarette

0 Punkte

4.

Wie viele Zigaretten rauchen Sie pro Tag?

≤ 10

0 Punkte

11–20

1 Punkt

21–30

2 Punkte

≥ 31

3 Punkte

5.

Rauchen Sie in den ersten Stunden nach dem Aufstehen mehr als während des restlichen Tages?

ja

1 Punkt

nein

0 Punkte

6.

Rauchen Sie auch wenn Sie krank sind und den Tag im Bett verbringen müssen?

ja

1 Punkt

nein

0 Punkte

Summe:

_______ Punkte

Auswertung [5]:

0–2 Punkte: keine bis geringe Abhängigkeit
3–5 Punkte: mittlere Abhängigkeit
6–7 Punkte: mittlere bis starke Abhängigkeit
8–10 Punkte: starke Abhängigkeit

Tab. 2 b

Heaviness of Smoking Index (HSI) (nach [20]).

1.

Wann rauchen Sie Ihre erste Zigarette nach dem Aufwachen?

innerhalb von 5 min

3 Punkte

nach 6–30 min

2 Punkte

nach 31–60 min

1 Punkt

später als 60 min

0 Punkte

4.

Wie viele Zigaretten rauchen Sie pro Tag?

≤ 10

0 Punkte

11 – 20

1 Punkt

21 – 30

2 Punkte

≥ 31

3 Punkte

Auswertung:

0–2 Punkte: niedrige Abhängigkeit

3–4 Punkte: mittelgradige Abhängigkeit

5–6 Punkte: hohe Abhängigkeit

Die anschließende Beratung erfolgt durch eine Ärztin/einen Arzt und/oder qualifiziertes medizinisches bzw. psychologisches und pflegerisches Personal, das mindestens eine Basisschulung zur Kurzberatung für Rauchende absolviert hat, unter Beachtung der biopsychosozialen Situation der Teilnehmenden und auf Basis einer partizipativen Entscheidungsfindung (shared decision making).

Die Beratung beinhaltet zwei Elemente. Im Rahmen einer Kurzintervention werden alle Rauchenden entweder nach der ABC- oder der 5A-Methode ([ Tab. 3 ]) motivierend angesprochen. Hierbei sind insbesondere die Kernelemente der motivierenden Gesprächsführung (offene Fragen und reflektierendes Zuhören) zentral. Dabei wird eine entzugshemmende Therapie mittels Nikotinersatz oder einer anderen zur Tabakentwöhnung zugelassenen Medikation empfohlen. Im Anschluss an die Kurzberatung wird die Teilnahme an einem qualifizierten weiterführenden Hilfsangebot zur Tabakentwöhnung verbindlich vereinbart. Teilnehmende am Lungenkrebs-Screening-Programm müssen bei nicht gewünschter Teilnahme an einer evidenzbasierten Tabakentwöhnung aktiv widersprechen (Opt-out-Regelung). Die Zustimmung bzw. der Widerspruch ist im zu unterschreibenden Dokument zum Lungenkrebsscreening zu dokumentieren. Eine Anmeldung/Verordnung erfolgt direkt im Beratungsgespräch durch eines der folgenden evidenzbasierten Formate:

  • Telefonberatung (z. B. mittels „rauchfrei ticket“)

  • internetbasierte Beratung/Entwöhnung (BZgA oder NichtraucherHelden)

  • Digitale Gesundheitsanwendung als Rezept (DiGA) – direkte Verordnung im Beratungsgespräch

  • verhaltenstherapeutische Einzel- oder Gruppentherapie

Die Beratung zur Tabakentwöhnung und das Angebot evidenzbasierter Maßnahmen/Programme sind bei wiederholten Vorstellungen im Rahmen des Screenings erneut durchzuführen.

Tab. 3

Minimalinterventionen zur Tabakentwöhnung (ABC- und 5A-Methode).

ABC-Methode (nach [39])

Ask

Rauchstatus erfragen

Brief intervention or advice

individuelle und motivierende Empfehlung zum Rauchstopp

Cessation support

Angebot einer qualifizierten Unterstützung zum Rauchstopp, bei Aufhörwunsch Weiterleitung an ein anerkanntes Entwöhnungsangebot (oder Verordnung)[+]

5A-Methode (nach [40])

Ask

Rauchstatus erfragen

Advise

Ratschlag zum Rauchstopp

Assess Willingness

Aufhörmotivation erfragen

Assist

Angebot einer qualifizierten Unterstützung zum Rauchstopp, bei Aufhörwunsch Weiterleitung an ein anerkanntes Entwöhnungsangebot (oder Verordnung)[*]

Arrange follow-up

Folgekontakt organisieren

* Angebot im Screeningprogramm im Sinne der Opt-out-Regelung ungeachtet der Aufhörmotivation unterbreiten.



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Finanzierung

Da die Implementierung der Tabakentwöhnung in den Workflow des Lungenkrebsscreenings durch eine Erhöhung der Aufhörquote direkt Einfluss auf das zukünftige Lungenkrebsrisiko als auch auf die Kosteneffektivität des Screeningprogramms hat, sollen die Kosten für die evidenzbasierte Tabakentwöhnung inklusive der Pharmakotherapie durch die GKV übernommen werden. Eine qualifizierte und evidenzbasierte Tabakentwöhnung muss bei einem Screeningprogramm für eine Risikogruppe obligater Bestandteil desselben sein. Eine Selbstzahlerleistung oder die Kostenübernahme der Medikation durch die am Lungenkrebsscreening Teilnehmenden würde der Intention der Tabakentwöhnung im Rahmen des Lungenkrebsscreenings und damit letztlich den gesamten Screeninggedanken mit der Intention einer Senkung der lungenkrebsspezifischen und der Gesamtmortalität entgegenstehen.

Die Telefonberatung der BZgA ist kostenlos. Bei DiGAs ist aktuell die volle Kostenerstattung durch die GKV gesetzlich vorgegeben. Durch die GKV abgebildet und übernommen werden sollen die Gruppenschulungen, die Einzel- und Gruppentherapien sowie die Kosten für die medikamentöse Therapie. Hierfür wären z. B. Ausnahmeregelungen der § 20 und § 34 SGB V erforderlich.


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Schlüsselempfehlungen

  • Bei allen Teilnehmenden am Lungenkrebs-Screening-Programm wird der Rauchstatus dokumentiert.

  • Bei rauchenden Teilnehmenden am Lungenkrebs-Screening-Programm wird im Rahmen des Erstgesprächs der Rauchstopp empfohlen und eine Kurzberatung durch die Ärztin/den Arzt und/oder durch qualifiziertes medizinisches bzw. psychologisches und pflegerisches Personal durchgeführt und eine weiterführende, evidenzbasierte Tabakentwöhnungstherapie eingeleitet.

  • Dies umfasst z. B. die Buchung eines Erstgesprächs durch die proaktive Telefonberatung der BZgA, die Verordnung einer evidenzbasierten DiGA auf Rezept, die Teilnahme an einer Gruppenschulung oder die Weiterverweisung an eine qualifizierte Einzel- oder Gruppentherapie sowie die Beratung über zur Tabakentwöhnung zugelassene Medikamente.

  • Teilnehmende, die eine weiterführende Tabakentwöhnungstherapie ablehnen, müssen widersprechen (Opt-out-Regelung)

  • Therapiekosten für die Tabakentwöhnung einschließlich der medikamentösen Therapie sind für Teilnehmer im Rahmen des Lungenkrebs-Screening-Programms durch die GKV zu übernehmen.


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Interessenkonflikt

Alexander Rupp ist Berater der Firma Sanero Medical GmbH Stuttgart, die eine Internetplattform und eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zur Tabakentwöhnung betreibt.
Christa Rustler ist Leiterin des Büros des Deutschen Netz rauchfreier Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen (DNRfK), welches zur Implementierung des „rauchfrei tickets“ Zuwendungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) erhält.
Die anderen Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Alexander Rupp
Pneumologische Praxis im Zentrum
Königstraße 10 c
70173 Stuttgart
Deutschland   

Publication History

Article published online:
17 July 2024

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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Empfehlung zur Implementierung der Tabakentwöhnung in den Workflow des Lungenkrebsscreenings im Rahmen des Erstgesprächs.