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DOI: 10.1055/a-2369-7300
Kommentar zu: „KOPF HALS – Schlaganfall: Blut-Hirn-Schranke und Kollateralen“
Auf den ersten Blick eine sehr interessante Studie, die die Auswirkung des Kollateralstatus beim akuten Schlaganfall mit Hirngefäßverschluss und die Bluthirnschranke durch Berechnung von K2-Karten ermittelt. Dass diese Untersuchungen retrospektiv erhoben wurden, ist zwar eine Limitation, mindert aber nicht die potenziell zu erwartenden Aussagen. Hier könnte in der Tat Raum für additive Behandlungsmöglichkeiten wie neuroprotektive Substanzen geschaffen werden. Also im Ansatz exzellent. Auf den zweiten Blick fallen allerdings mehrere Aspekte auf, die den Wert dieser Arbeit erheblich schmälern, sodass man sich sogar fragen muss, warum diese Arbeit zur Publikation angenommen wurde. Zunächst fällt auf, dass die Rekanalisationsraten mit TICI 2b und 3 nach mechanischer Thrombektomie lediglich bei 71,3% liegen (Patienten mit guten bei 89,5% und mit schlechten Kollateralen nur 47,7%). Verglichen mit den SAMEDI-Ergebnissen der DeGIR/DGNR von 2019 mit 88,4% sind diese mehr als unterdurchschnittlich [1]. Es gibt zudem keinen Grund für derart drastische Unterschiede bedingt durch gute oder schlechte Kollateralen. In der Abbildung 3 wird exemplarisch je ein Fall mit schlechten und mit guten Kollateralen gezeigt. Der Fall mit guten Kollateralen weist überhaupt keinen M1-Verschluss auf und die Kollateralen entsprechen einem etwas verzögerten antegraden Fluss in den Mediagefäßen. Der Infarkt ist ein Endstrominfarkt im Kaudatumkörper, der gar nicht kollateralversorgt sein kann. Der Patient hatte bei einem NIHSS von 19 sicher einen passageren M1-Verschluss, der nach iv-Lyse allerdings spontan oder durch Lyse rekanalisierte, und ein Stammganglieninfarkt zurückblieb. Unter der Voraussetzung, dass in Publikationen immer die besten Bilder demonstriert werden, muss man sich fragen, ob diese Fehler nicht auch bei anderen Fällen aufgetreten sind und somit, ob die Daten valide erhoben wurden. Der Fall ist aufgrund seiner K2-Karte sehr interessant und es wäre hier noch interessanter, die MR-Bildgebung nach 6 Tagen zu sehen. Außerdem wären zur Beurteilung der Kollateralen neben der PA-Darstellung immer noch die lateralen Einstellungen wichtig, insbesondere um Teilinfarkte anatomisch korrekt beurteilen zu können. Eine sehr gute Kollateralversorgung in PA sagt noch lange nichts darüber aus, ob das mit der Bildgebung korrespondierende verschlossene Gefäßsegment ebenfalls kollateralversorgt ist.
Die grundsätzlichen Aussagen, dass eine nicht erfolgreiche Rekanalisation mit einem größeren Infarktareal und einem schlechteren klinischen Verlauf einhergeht, verwundert ebenso wenig wie, das häufiger hämorrhagische Transformationen nachweisbar sind. Letzteres entspricht im Übrigen ganz normalen Umbauprozessen und diese sind nicht zu verwechseln mit symptomatischen Parenchymblutungen, die in der vorliegenden Studie sehr viel seltener als üblich auftraten. Im Hinblick auf die statistisch signifikanten Unterschiede im klinischen Verlauf nach 90 Tagen mit p-Wert von 0,004 zwischen den Gruppen mit guten und schlechten Kollateralstatus mit jeweils mRS von 2 ist das Erstaunen groß und der wissenschaftliche Wert der Arbeit wiederum als sehr fragwürdig einzuordnen.
Die Interpretation dieser Daten im Hinblick auf die Indikationsstellung zur mechanischen Thrombektomie ist nicht möglich. Die zuletzt publizierten randomisierten Studien mit mechanischer Thrombektomie bei großen initialen Infarkten zeigen, dass die Patienten zwar eine etwa doppelt so hohe Rate an symptomatischen Blutungen aufweisen, aber statistisch signifikant von einer Rekanalisation profitieren [2] [3] [4] [5]. Initial große Infarkte sind nahezu immer durch schlechte Kollateralen bedingt. Das Outcome ist natürlich schlechter als bei kleinen Infarkten, aber die Rate pflegebedürftiger Patienten wird damit nicht erhöht, sondern eher gesenkt. Dies bedeutet, dass auch ein schlechter Kollateralstatus durchaus von einer Therapie profitieren kann. In der vorliegenden Arbeit wären deshalb Analysen zu schlechten Kollateralen und einer erfolgreichen Rekanalisation mit K2-Karten und Verlaufsbildgebung das eigentlich interessante Patientengut gewesen.
Zusammenfassend verliert der Artikel durch entscheidende Fehler an Glaubwürdigkeit. Die Methodik ist interessant, die Ergebnisse sind banal und unabhängig davon antizipierbar. Die Schlussfolgerungen sind hypothetisch und durch die Ergebnisse wenig nachvollziehbar.
Publication History
Article published online:
25 October 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Rhode S, Weber W, Berlis A. et al. Acute Endovascular Stroke Treatment in Germany in 2019: Results from a Nationwide Database. Clin Neuroradiol 2021; 31: 11-19
- 2 Sarraj A, Hassan AE, Abraham MG. et al. Trial of Endovascular Thrombectomy for Large Ischemic Strokes. N Engl J Med 2023; 388: 1259-1271
- 3 Bendszus M, Fiehler J, Subtil F. et al. Endovascular thrombectomy for acute ischaemic stroke with established large infarct: multicentre, open-label, randomised trial. Lancet 2023; 402: 1753-1763
- 4 Huo X, Ma G, Tong X. et al. Trial of Endovascular Therapy for Acute Ischemic Stroke with Large Infarct. N Engl J Med 2023; 388: 1272-1283
- 5 Yoshimura S, Sakai N, Yamagami H. et al. Endovascular Therapy for Acute Stroke with a Large Ischemic Region. N Engl J Med 2022; 386: 1303-1313