Antiphospholipid-Antikörper sind bei über 50 % der pädiatrischen SLE-Patienten nachweisbar – somit häufiger als bei erwachsenen Patienten – und stellen das größte Risiko für thromboembolische Komplikationen dar [1], [2] (siehe auch Kasten „Antiphospholipid-Syndrom“).
Venöse und/oder arterielle Thrombosen und Schwangerschaftskomplikationen bei Patienten mit persistierenden Antiphospholipid-Antikörpern (Lupus-Antikoagulans, Anti-Cardiolipin-Antikörper und Anti-β2-Glykoprotein-Antikörper). Primäre und sekundäre Formen werden unterschieden [2].
ANA: antinukleäre Antikörper
APS: Antiphospholipid-Syndrom
CAPS: katastrophisches Antiphospholipid-Syndrom
DIP: distales Interphalangealgelenk
dsDNA: Doppelstrang DNA
ENA: extrahierbare nukleäre Antikörper
SLE: systemischer Lupus erythematodes
TNF-alpha: Tumornekrosefaktor-alpha
Falldarstellung
Vorgeschichte
Bei dem 12-jährigen kleinwüchsigen Patienten war bereits eine globale Entwicklungsverzögerung bekannt. Er erreichte die motorischen Entwicklungsmeilensteine verspätet, spricht wenig, wurde als Inklusionskind geführt. Eine Innenohr-Schwerhörigkeit sowie eine Ptosis und Hypomimie waren bekannt, außerdem partielle häutige Syndaktylie der Zehen und ein atopisches Ekzem. Im Alter von 7 Jahren traten wiederholt afebrile Krampfanfälle auf; im EEG fanden sich epilepsietypische Muster frontal. Kernspintomografisch konnten strukturelle Veränderungen ausgeschlossen werden. Unter Levetiracetam war der Patient seit mehreren Jahren anfallsfrei. Die humangenetische Untersuchung ergab 2 Jahre zuvor die Diagnose eines Kabuki-Syndroms (pathogene Variante im KMT2D-Gen, heterozygot, die autosomal dominant die Erkrankung verursacht), mit dem sämtliche Auffälligkeiten gut vereinbar sind. Neben dem typischen Kleinwuchs, fazialen Auffälligkeiten und möglichen zusätzlichen Fehlbildungen ist im Rahmen des Syndroms auch eine Neigung zu Epilepsie, vermehrten Infektionen und Autoimmunerkrankungen beschrieben [3].
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Prävalenz 1:86 000 bis 1:32 000
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pathogene Varianten im KMT2D-Gen (autosomal dominante Vererbung) oder im KDM6A-Gen (X-chromosomale Vererbung); betroffene Enzyme sind für Entfernung von epigenetischen Markierungen zuständig
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typische faziale Auffälligkeiten (lange Lidspalten, Eversion des lateralen Unterlid-Drittels, gewölbte und breite Augenbrauen, kurze Columella, abgesenkte Nasenspitze, große/abstehende Ohren, Skelettanomalien, leichte Intelligenzminderung, Wachstumsstörung, Organfehlbildungen. Eine Neigung zu Infektionen, Autoimmunerkrankungen und Krampfanfällen ist möglich [3].
Akutvorstellung
Der Patient wurde mit Schmerzen in der Schlüsselbeinregion sowie Schwellung des rechten Arms mit vermehrter Venenzeichnung in der Kindernotaufnahme vorgestellt. Fieber oder Infektzeichen bestanden nicht. 2 Wochen zuvor war anamnestisch eine schmerzhafte Schwellung des linken Unterarms für 2 Tage aufgetreten, danach eine strangartige Verhärtung an der Stelle.
Untersuchungsbefund
Rechter Arm: Schwellung des Ober- und Unterarmes sowie dezent der Finger, leicht marmoriert. Im Bereich der Schulter/Subklaviaregion deutliche punktuelle Überwärmung mit dezentem Druckschmerz und Schwellung. Beweglichkeit im Schultergelenk frei. Sonstiger pädiatrisch-internistischer Status unauffällig.
Sonografie
Rechts: V. subclavia medial nicht darstellbar, im Gegensatz zur linken Seite.
Labordiagnostik initial
D-Dimere leicht erhöht mit 1,6 mg/l (Norm < 0,5), BB und CRP normal.
MRT-Befund
Die rechte V. subclavia ist fast komplett verschlossen. Dadurch erklärte venöse Stase und ödematöse Schwellung des proximalen Oberarms rechts ([
Abb. 1
]).
Abb. 1 Kontrastmittelaussparung der rechten V. subclavia mit umgebendem Ödem; Quelle: Dr. Karsten Jablonka, Radiologie Klinikum Bremen-Mitte.
Ergänzende Labordiagnostik
Antiphospholipid-AK: Cardiolipin-IgG 167 U/ml (Norm < 7), β2-Glykoprotein IgG > 532 U/ml (Norm < 7), Lupus-Antikoagulans stark positiv, ds-DNA-AK negativ, ANA 1:320, extrahierbare nukleäre Antikörper negativ, IgG erniedrigt mit 3,4 g/l (Norm 7–14), Komplement normal.
Proteinurie: Albumin/Krea-Quotient 4937 mg/g (Norm < 30). ([
Abb. 2
]).
Abb. 2 Zeitlicher Verlauf der Albuminurie (Normwert: < 30 mg/g).
Nierenbiopsie
Fokale membranoproliferative Glomerulonephritis Typ III (IgG und C3 äquivalent positiv). Fokal segmentale Glomerulosklerose (3/11 Glomerula). Kleinherdige Tubulusatrophie und interstitielle Fibrose (5 % des erfassten Kortex).
Verlauf
Klinisch und histologisch bestanden zunächst Zweifel an der Diagnose eines SLE, da keine Haut- bzw. Schleimhautbeteiligung vorlag, außerdem keine Fatigue, keine sonstige Organbeteiligung, keine Autoantikörper außer mäßig positiven ANA, bei fehlendem Komplementverbrauch. Somit fiel die Entscheidung, vorerst keine Steroide oder Immunsuppressiva einzusetzen. Mit Enoxaparin in einer therapeutischen Dosis war umgehend bei Diagnose der Thrombose begonnen worden. Es wurde Ramipril hinzugefügt, die Dauermedikation mit Levetiracetam wurde fortgesetzt.
Der Einsatz von Mycophenolat-Mofetil war angedacht, jedoch erfolgten die Verlaufskontrollen aufgrund verschiedener organisatorischer Faktoren weniger engmaschig als ursprünglich geplant; bei im Verlauf stark abgefallener Proteinurie wurde diese Entscheidung wieder ausgesetzt und lediglich Hydroxychloroquin hinzugefügt.
Die Antiphospholipid-AK blieben im Verlauf anhaltend hoch positiv. Die ds-DNA-Antikörper waren zunächst ein Jahr lang negativ, erst ein Jahr später leicht positiv, mit maximal 57 IU/ml (Norm < 10). Crithidia-luciliae-Antikörper waren ebenfalls nur schwach positiv. Es kam im Verlauf nicht zu einem signifikanten Anstieg des ANA-Titers, der maximal 1:640 betrug. Extrahierbare nukleäre Antikörper (ENA) waren immer negativ, Komplement stets normal. Zuletzt bestand keine Proteinurie mehr.
Der Verlauf ergab weiterhin keine muskuloskelettale Beteiligung. Die DIP-Gelenke aller Finger wiesen zwar stets eine symmetrische Bewegungseinschränkung auf ([
Abb. 3
]), jedoch ohne Hinweise auf eine Arthritis im Sinne von Schwellung, Überwärmung oder Schmerzen, sodass wir eher von einer Arthropathie im Rahmen der Grunderkrankung ausgehen. Nie traten Haut-/Schleimhautveränderungen (bis auf vorbestehendes Ekzem) auf, keine Fieberschübe oder Gewichtsverlust. Nach Ausschleichen von Levetiracetam war der Patient weiterhin anfallsfrei.
Abb. 3 Bewegungseinschränkung aller DIP-Gelenke der Finger.
Nach der initialen Therapie mit Enoxaparin für 3 Monate mit einer Dosis von 2 × 1 mg/kg KG wurde dies auf eine halbtherapeutische Dosis reduziert (1 × 1 mg/kg KG). Nach weiterer vorsichtiger Reduktion von 1 × 35 mg auf 1 × 30 mg knapp 2 Jahre später wegen Hämatomneigung kam es prompt zu einer erneuten Thrombose, diesmal der V. poplitea rechts einige Wochen später. Somit erfolgte wieder die Dosisanpassung auf 2 × 40 mg. Darunter ist der Patient seitdem beschwerdefrei.
Diskussion
Bei unserem Patienten mit SLE und triple-positivem Antiphospholipid-Syndrom interpretieren wir die Nephritis als einzige Organbeteiligung im Rahmen des SLE, alternativ könnte jedoch auch eine Nephropathie durch das APS ursächlich erwogen werden. Hierfür typische histologische Veränderungen [4] (siehe Kasten „Nephropathie bei APS“) fanden sich allerdings nicht. Wir hatten initial bei insgesamt untypischer Präsentation (ds-DNA-Antikörper negativ, kein Komplementverbrauch) gezögert, umgehend eine Therapie mit Steroiden und/oder Immunsuppression zu beginnen. Bei dann rasch rückläufiger Proteinurie unter Ramipril hatten wir den eigentlich angedachten Einsatz von Mycophenolat-Mofetil doch nicht umgesetzt. Bei anhaltend hohen Titern der Antiphospholipid-Antikörper und sofortiger Rethrombose nach minimaler Dosisreduktion von Enoxaparin stellten wir uns jedoch die Frage, ob eine immunsuppressive Therapie einen positiven Einfluss auf das APS haben könnte, auch wenn hinsichtlich der Nephritis derzeit keine Indikation für eine Therapieerweiterung besteht.
Die Therapie des Antiphospholipid-Syndroms erfolgt generell mit langfristiger antikoagulatorischer Medikation, sofern die Antikörper dauerhaft nachweisbar sind. Bei katastrophischem Antiphospholipid-Syndrom (CAPS) existieren konkrete Therapieempfehlungen im Sinne von Antikoagulation, Kortikosteroiden und Plasmapherese/IVIG, darüber hinaus wird auch Eculizumab, das an C5 (Komplement) bindet, eingesetzt [1]. Bei schwangeren Patientinnen mit APS gibt es Fallberichte über den Einsatz von TNF-alpha-Inhibitoren [5]. Für die Verwendung von Steroiden bzw. immunsuppressiven Medikamenten existiert ansonsten aber – inbesondere bei Kindern – keine Evidenz [6], wenngleich eine Immunsuppression bei gleichzeitigem Vorliegen einer Nephritis von manchen Autoren empfohlen wird [4]. Unbestritten ist lediglich der Einsatz von Hydroxychloroquin, das auch generell das Thromboserisiko bei SLE senkt [6]. Eine B-Zell-Depletion hat wahrscheinlich einen Effekt auf die Antiphospholipid-Antikörper [1]. Interessanterweise konnte in Einzelfällen bei erwachsenen SLE-Patienten gezeigt werden, dass unter Belimumab die Antiphospholipid-Antikörper verschwanden; diese kehrten jedoch nach Beendigung der Therapie zurück [7]. Mycophenolat-Mofetil wurde bisher nur in Einzelfällen eingesetzt [8], hierfür existiert keine Empfehlung. Insgesamt werden wir bei unserem Patienten bei der aktuellen Therapie mit Hydroxychloroquin, Enoxaparin und Ramipril bleiben, sofern kein erneuter Schub der Nephritis oder eine weitere SLE-Manifestation hinzukommt, die den Einsatz von Immunsuppressiva rechtfertigen würde.
KATASTROPHISCHES ANTIPHOSPHOLIPID-SYNDROM (CAPS)
Lebensbedrohliche Form des APS, die in ca. 1 % der Fälle auftritt. Es betrifft als Mikroangiopathie kleiner Gefäße verschiedene Organe. Mögliche Trigger sind Infektion, chirurgische Eingriffe, Schwangerschaft und Wochenbett. Therapiestrategien beinhalten Antikoagulation, Glukokortikoide, Plasmapherese und/oder i.v.-Immunglobuline [2].
Symptome [4]
Histologie [4]
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Thrombotische Mikroangiopathie
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interlobuläre fibröse Intimahyperplasie
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Thromben in Arterien/Arteriolen
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fibröse arterielle Okklusion
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fokale kortikale Atrophie
Bei einem 12-jährigen Jungen wurde im Rahmen einer Armvenenthrombose ein triple-positives Antiphospholipid-Syndrom auf dem Boden eines systemischen Lupus erythematodes (SLE) gefunden. Als Grunderkrankung war bereits ein Kabuki-Syndrom mit Epilepsie und Entwicklungsverzögerung bekannt. Als einzige Organmanifestation des SLE wurde eine fokale membranoproliferative Glomerulonephritis Typ III nachgewiesen. Die Therapie erfolgte mit niedermolekularem Heparin, Ramipril und Hydroxychloroquin. Bei rasch rückläufiger Proteinurie erhielt der Patient weder Steroide noch DMARD. Nach Dosisreduktion von Enoxaparin trat eine Rethrombose auf. Die Frage einer immunsuppressiven Therapie im Hinblick auf das Antiphospholipid-Syndrom wird unter Einbeziehung aktueller Literatur diskutiert.
Die Therapie des Antiphospholipid-Syndroms beruht grundsätzlich auf langfristiger Antikoagulation. Immunsuppressive Therapieansätze stützen sich v. a. auf das Prinzip der B-Zell-Depletion (Rituximab, Belimumab), vermutlich ist damit jedoch eher kein dauerhafter Effekt zu erzielen. Insgesamt existiert somit keine Empfehlung für den Einsatz von Immunsuppressiva bei APS (außerhalb von CAPS und geburtshilflichen Komplikationen).