Handchir Mikrochir Plast Chir 2024; 56(06): 406-408
DOI: 10.1055/a-2418-4345
Editorial

Ist die Vernetzung in internationalen Gesellschaften verzichtbar? Klares Votum für ESPRAS und ICOPLAST bei der 54. Jahrestagung der DGPRÄC in Düsseldorf

Is networking in international societies dispensable in Plastic Surgery? Clear vote in favour of ESPRAS and ICOPLAST at the 54th Annual Conference of the DGPRÄC in Düsseldorf
Riccardo E. Giunta
 
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Riccardo E. Giunta

Liebe Leserinnen und Leser,

kürzlich wurde von der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC) hinterfragt [1], ob es im Interesse der Mitglieder ist, dass die Gesellschaft und damit jedes seiner Mitglieder ebenfalls Mitglied in europäischen und internationalen Gesellschaften wie der European Society of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery (ESPRAS) oder der International Confederation of Plastic Surgery Societies (ICOPLAST) ist. Neben einer Zusammenfassung der umfangreichen Leistungen für die Mitglieder im Mitteilungsblatt [2] [3] wurde auch eine Rechtfertigung der eingesetzten Mittel von derzeit 10.-€ pro ordentliches Mitglied per annum für jede der beiden Gesellschaften seitens der jeweiligen Vertreter in der Mitgliederversammlung gefordert. Das Thema wurde im Anschluss zur Abstimmung in der Mitgliederversammlung gestellt. Da mich diese Thematik als Herausgeber dieser Zeitschrift, ehemaliger Präsident der DGPRÄC und derzeitiger Präsident der ESPRAS natürlich besonders betrifft, soll es aus meiner Perspektive hier noch einmal beleuchtet werden:


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Grundsätzlich ist es natürlich wichtig und richtig, jeden Posten im Haushalt einer Gesellschaft kritisch zu prüfen und unnötige Ausgaben zu vermeiden. Bedauerlicherweise wird es derzeit in vielen Bereichen populärer, sich auf rein nationale Interessen zu fokussieren und die Relevanz internationaler Vernetzungen in Frage zu stellen. Man denke nur an die politischen Entwicklungen in vielen Ländern, die mit zu lauter Stimme rein nationale Interessen fordern und teilweise auch schon zu Isolationen mit dramatischen Konsequenzen, auch für die Wissenschaft, wie etwa beim Brexit 2020, geführt haben.

Ich möchte hier aus meiner Perspektive eine Lanze für die internationalen Vernetzungen und Zusammenarbeit brechen und nochmals nachdrücklich darauf hinweisen, welche Innovationskraft sich hieraus in den letzten Jahrzehnten auch für die Plastische Chirurgie entwickelt hat. Zahllose neue Behandlungstechniken und Innovationen, internationale Tagungen, Webinare, wissenschaftliche (Multicenter-)Studien, Konsensuspapiere, Register und Leitlinien wurden in internationalen Foren entwickelt und dienen geradezu als Fundament der Weiterentwicklung unseres Fachgebiets. Auch als Herausgeber dieser Zeitschrift seit nunmehr fast 15 Jahren kann ich nur bestätigen, dass internationale Beiträge insbesondere im Online-Bereich zu den am meisten beachteten und zitierten gehören. Darüber hinaus veröffentlicht die ESPRAS [4] [5] [6] ihre Positionspapiere und europäischen Übersichtsarbeiten genauso wie auch die internationale Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Mikrochirurgie (DAM) ihre Konsensuspapiere [7], die auch im Free Access frei zugänglich sind, regelmäßig in der HaMiPla. Damit ist die HaMiPla ein erfolgreiches und angesehenes internationales Forum, und das nicht nur im deutschsprachigen Bereich.

Neben akademischen Interessen vertreten internationale Gesellschaften aber auch handfeste berufspolitische Themen, die auch den Niedergelassenen zugutekommen: beispielsweise das globale Problem des fachfremden Operierens durch Nicht-Plastische Chirurgen, also selbsternannten „Schönheitschirurgen“ oder „Ästhetische Chirurgen“, die oft nicht einmal eine chirurgische Weiterbildung erfolgreich absolviert haben. Dieses Problem ist leider nicht allein national zu lösen. Gleichauf können internationale Erfolge vielleicht auch auf Deutschland übertragen werden. Das Thema ist ebenfalls ein gutes Beispiel, bei dem wir in Deutschland auch von Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern profitieren können, um hier etwa die Gesetzgebung zu verbessern: So wurde vor wenigen Wochen in Spanien ein neues Gesetz („Ley Sara“) zum Patientenschutz verabschiedet [8], nachdem ein Herzchirurg im Rahmen einer Fettabsaugung den Darm einer Patientin mehrfach verletzt, und dies zum Tode geführt hat [9]. Das neue Gesetz erlaubt nunmehr nur dem Plastischen Chirurgen, plastisch-chirurgische Operationen in allen Körperregionen durchzuführen. Es könnte als Vorbild auch für die Gesetzgebung zum Patientenschutz in anderen Ländern dienen. Dies alles sind nur kurz angerissene Ausschnitte der zahllosen Errungenschaften, die eine globalisierte und digitalisierte Welt in der Plastischen Chirurgie hervorgebracht hat.

Internationale Vernetzungen und Kooperationen sind daher aus meiner Sicht das unverzichtbare Fundament des medizinischen Fortschritts in der Plastischen Chirurgie. Und natürlich müssen wir, die DGPRÄC, als größte europäische, plastisch-chirurgische Fachgesellschaft mit über 2000 ordentlichen Mitgliedern auch unserer internationalen Verantwortung gerecht werden, uns intensiv an internationalen Vereinigungen beteiligen, um uns auch selbst in Deutschland weiter zu stärken. Das Motto der ESPRAS in meiner Amtszeit „Gemeinsam stärker in Europa!“ veranschaulicht dies sehr deutlich. Die Alternative einer selbstgewählten Isolation aus all dieser Vielfalt, um weniger als 1.-€ pro Monat pro ordentliches Mitglied einzusparen, ist keine und würde unserem Fachgebiet nur massiv schaden. Dies zur Wahl zu stellen, ist jedenfalls riskant, manche würde vielleicht sogar sagen fahrlässig, wie man gut aus dem Brexit lernen konnte. Bei Unzufriedenheit mit den Erfolgen auf internationaler Ebene bleibt daher nur eine Alternative, das persönliche Engagement in den internationalen Gesellschaften, um deren Effektivität für alle Mitglieder weiter zu optimieren.

Ich bin daher gleichzeitig erleichtert und auch dankbar, dass es in der Mitgliederversammlung in Düsseldorf zu einem weit mehrheitlichen positiven Votum für eine fortbestehende Mitgliedschaft, sowohl in der ESPRAS als auch in der ICOPLAST, gekommen ist und damit die internationale Vernetzung für die nächsten Jahre auf ein solides Fundament gestellt wurde, so dass diese nicht mehr so schnell in Frage gestellt werden kann. Nur global vernetzt erhalten wir eine innovative und fortschrittliche Plastische Chirurgie auch für Deutschland.

München, im Oktober 2024
Riccardo Giunta
Editor-in-Chief

Dear Readers,

Recently, the German Society for Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery (DGPRÄC) raised the question [1] whether it remains in the interest of its members that the society, and thus each of its individual members, maintains membership in larger European and international organizations, such as the European Society of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery (ESPRAS) or the International Confederation of Plastic Surgery Societies (ICOPLAST). In addition to a summary of the extensive services provided to members in the society’s newsletter [2] [3], the representatives at the general meeting were also asked to justify the funds involved, currently set at € 10 per full member per annum for each of the two societies. The issue was then put to a vote at the general members assembly.

As the editor of this journal, former president of the DGPRÄC and current president of the ESPRAS, this issue is naturally of particular concern to me and I would like to offer a personal perspective on this matter.

In principle, it is of course important and necessary to scrutinise each item in a society's budget and avoid unnecessary expenditures. Unfortunately, there is an increasing trend in many areas to focus on purely national interests and to question the relevance of international networks. Just think of the political developments in many countries that demand purely national interests too loudly, which in certain instances, have already led to isolations with dramatic consequences for scientific progress, such as Brexit in 2020.

From my perspective, I would like to take up the cudgels for international networking and emphasise once again the innovative power it has brought for Plastic Surgery over recent decades. Countless new treatment techniques and innovations, international conferences, webinars, scientific (multi-centre-) studies, consensus papers, registries and guidelines have been developed in international forums and serve as a strong foundation for ongoing advancements in our field. As the editor of this journal for almost 15 years now, I can only confirm that international contributions are among the most frequently viewed online and also among the high cited. In addition, the European Society for Plastic, Reconstructive, and Aesthetic Surgery (ESPRAS) [4] [5] [6] publishes its position papers and European surveys in this journal, as does the international German-speaking Working Group for Microsurgery (DAM) with its consensus papers [7], all of which are freely accessible. HaMiPla has thus established itself as a successful international forum for professional exchange and collaboration.

Beyond academic interests, international societies address tangible professional policy issues that also benefit those in private practice, such as the global problem of non-specialist surgery performed by non-plastic surgeons, i. e. self-proclaimed cosmetic surgeons or aesthetic surgeons, many of whom have not even completed a formal surgical training. Unfortunately, this problem cannot be resolved solely nationally, and international successes may offer valuable insights applicable in Germany. The topic is also a good example of how we in Germany can benefit from experiences of other European countries in order to improve legislation. For instance, a few weeks ago, a new law (‘Ley Sara’) on patient protection was passed in Spain [8] after a heart surgeon injured a patient’s bowel several times during a liposuction procedure, resulting in her death [9]. The new law only authorises certified plastic surgeons to carry out Plastic Surgery operations on any part of the body. This law could serve as a model for improving patient protection legislation in other countries, including Germany. This example is just a brief outline of the countless achievements that global cooperation has brought to the field of Plastic Surgery.

In my view, international networking and cooperation is therefore an indispensable foundation for medical progress in Plastic Surgery. And of course, as the largest specialist society with over 2000 members, the DGPRÄC must fulfil its responsibility to actively engage with international societies, contribute to the global Plastic Surgery community, and reinforce the collective strength of German Plastic Surgery. The ESPRAS motto during my term of office in ESPRAS, ‘Stronger together in Europe!’, illustrates this commitment very clearly. The alternative of self-selected isolation from all this diversity in order to save less than €1 per month per ordinary member is not an option. In any case, putting this up for election is risky, some might even say negligent, as we have learnt from Brexit. If there is dissatisfaction with the successes at international level, there is therefore only one alternative: personal involvement in international societies in order to further optimise their effectiveness for all members.

I am therefore both relieved and grateful that the majority of members at the general assembly in Düsseldorf voted in favour of continuing our membership in both ESPRAS and ICOPLAST, thereby solidifying the foundation for sustained international collaboration and networking for the years ahead. Only through global networking can we maintain innovative and progressive Plastic Surgery in Germany.

Munich, October 2024
Riccardo Giunta
Editor-in-Chief


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  • Literatur

  • 1 Lehnhardt M. Dynamik, Disziplin & Demut. Editorial. Plastische Mitteilungen 3/2024 101-102
  • 2 Giunta R.E., Schaefer D. ESPRAS- Stronger together in Europe! Oder: Warum es sinnvoll ist sich auf europäischer Ebene zusammenzuschliessen. Plastische Mitteilungen 3/ 2024; 106-107
  • 3 Baur EM, Freund G. International vereint für die gemeinsame Zukunft der globalen Plastischen Chirurgie. Plastische Mitteilungen 3/ 2024; 108-109
  • 4 Giunta RE, Costa H, Demirdöver C, Benedetto GD, Elander A, Henley M, Murray DJ, Schaefer DJ, Spendel S, Vasar O, Zic R. ESPRAS Position Paper on Patient Protection in Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery. Handchir Mikrochir Plast Chir 2022; 54: 374-376 Epub 2022 Aug 9
  • 5 Moellhoff N, Arnez T, Athanasopoulos E, Costa H, De Santis G, De Mortillet S, Demirdöver C, Benedetto GD, Dzonov B, Elander A, Hansson E, Henley M, Jecan CR, Kaartinen I, Karabeg R, Kharkov A, Kneafsey B, Gjorgova ST, Palencar D, Portincasa A, Psaras G, Rakhorst H, Alonso MER, Rouif M, Saboye J, Pompeo FSD, Spendel S, Stepic N, Vasar O, Zic R, Giunta RE. ESPRAS Survey on Continuing Education in Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery in Europe. Handchir Mikrochir Plast Chir 2022; 54: 365-373 Epub 2022 Aug 9
  • 6 Giunta RE, Schaefer DJ, Demirdöver C, Di Benedetto G, Elander A, Zic R, Georgescu A, Henley M, Spendel S, Saboye J, Schultz I, Kneafsey B, Psaras G, Verstreken F, Stark B, Santanelli di Pompeo F, Kaartinen I, Ylä-Kotola T, Ahm Sørensen J, Gilis J, Rakhorst H, Aquilina D, Fradinho N, Foroglou P, Nunez-Villaveiran MT, Jeffers L, Karabeg R, Yankov D, Nürnberger T, Kuhlmann C. ESPRAS Survey: National and European Societies for Plastic Surgeons. Handchir Mikrochir Plast Chir 2024; 56 (02) 156-165 Epub 2024 Mar 7
  • 7 Heine-Geldern A, Hirche C, Kremer T, Lössl K, Bach AD, Russe E, Fansa H, Beier JP, Harder Y, Momeni A. Autologous Breast Reconstruction and Radiotherapy: Consensus Report of the German-Speaking Society for Reconstructive Microsurgery (GSRM). Handchir Mikrochir Plast Chir 2024;
  • 8 Boletín Oficial Del Estado 21.9.2024: Num 229, Sec. 1, Pag 116050 https://www.boe.es/boe/dias/2024/09/21/pdfs/BOE-A-2024-18934.pdf
  • 9 https://elpais.com/sociedad/2024-09-21/sanidad-limita-la-cirugia-estetica-solo-a-los-medicos-especialistas-en-esta-practica.html

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Riccardo E. Giunta
Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie
Ästhetische Chirurgie
Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
Deutschland   

Publication History

Article published online:
18 November 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Lehnhardt M. Dynamik, Disziplin & Demut. Editorial. Plastische Mitteilungen 3/2024 101-102
  • 2 Giunta R.E., Schaefer D. ESPRAS- Stronger together in Europe! Oder: Warum es sinnvoll ist sich auf europäischer Ebene zusammenzuschliessen. Plastische Mitteilungen 3/ 2024; 106-107
  • 3 Baur EM, Freund G. International vereint für die gemeinsame Zukunft der globalen Plastischen Chirurgie. Plastische Mitteilungen 3/ 2024; 108-109
  • 4 Giunta RE, Costa H, Demirdöver C, Benedetto GD, Elander A, Henley M, Murray DJ, Schaefer DJ, Spendel S, Vasar O, Zic R. ESPRAS Position Paper on Patient Protection in Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery. Handchir Mikrochir Plast Chir 2022; 54: 374-376 Epub 2022 Aug 9
  • 5 Moellhoff N, Arnez T, Athanasopoulos E, Costa H, De Santis G, De Mortillet S, Demirdöver C, Benedetto GD, Dzonov B, Elander A, Hansson E, Henley M, Jecan CR, Kaartinen I, Karabeg R, Kharkov A, Kneafsey B, Gjorgova ST, Palencar D, Portincasa A, Psaras G, Rakhorst H, Alonso MER, Rouif M, Saboye J, Pompeo FSD, Spendel S, Stepic N, Vasar O, Zic R, Giunta RE. ESPRAS Survey on Continuing Education in Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery in Europe. Handchir Mikrochir Plast Chir 2022; 54: 365-373 Epub 2022 Aug 9
  • 6 Giunta RE, Schaefer DJ, Demirdöver C, Di Benedetto G, Elander A, Zic R, Georgescu A, Henley M, Spendel S, Saboye J, Schultz I, Kneafsey B, Psaras G, Verstreken F, Stark B, Santanelli di Pompeo F, Kaartinen I, Ylä-Kotola T, Ahm Sørensen J, Gilis J, Rakhorst H, Aquilina D, Fradinho N, Foroglou P, Nunez-Villaveiran MT, Jeffers L, Karabeg R, Yankov D, Nürnberger T, Kuhlmann C. ESPRAS Survey: National and European Societies for Plastic Surgeons. Handchir Mikrochir Plast Chir 2024; 56 (02) 156-165 Epub 2024 Mar 7
  • 7 Heine-Geldern A, Hirche C, Kremer T, Lössl K, Bach AD, Russe E, Fansa H, Beier JP, Harder Y, Momeni A. Autologous Breast Reconstruction and Radiotherapy: Consensus Report of the German-Speaking Society for Reconstructive Microsurgery (GSRM). Handchir Mikrochir Plast Chir 2024;
  • 8 Boletín Oficial Del Estado 21.9.2024: Num 229, Sec. 1, Pag 116050 https://www.boe.es/boe/dias/2024/09/21/pdfs/BOE-A-2024-18934.pdf
  • 9 https://elpais.com/sociedad/2024-09-21/sanidad-limita-la-cirugia-estetica-solo-a-los-medicos-especialistas-en-esta-practica.html

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Riccardo E. Giunta