Nervenheilkunde 2025; 44(01/02): 62-63
DOI: 10.1055/a-2419-3510
Gesellschaftsnachrichten

Kopfschmerz News der DMKG

Machine-Learning identifiziert Prädiktoren des Ansprechens auf eine prophylaktische Behandlung der Migräne

*** Chiang C-C, Schwedt TJ, Dumkrieger G, et al. Advancing toward precision migraine treatment: Predicting responses to preventive medications with machine learning models based on patient and migraine features. Headache 2024; 64(9): 1094–1108

Hintergrund

Die Auswahl prophylaktischer Pharmakotherapien der Migräne basiert auf persönlicher Erfahrung und Leitlinienempfehlungen, und gelingt initial oft nur mit einer Erfolgsquote von 30–50 %. Der häufige probatorische Wechsel wird teils als belastend und frustrierend empfunden. In dieser Studie untersuchten die Autoren, inwieweit maschinelle Lernmodelle eine Precision Medicine der Migräne ermöglichen, d. h. die Wirksamkeit verschiedener Medikamente für einzelne Patienten besser vorhersagen zu können.


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Zusammenfassung

Die Studie entwickelte mithilfe von maschinellem Lernen spezifische Vorhersagemodelle für häufig genutzte Medikamentenklassen zur Migräneprophylaxe. Die Modelle wurden auf Basis von Daten einer Kohorte von 4260 Patienten erstellt, die detaillierte Fragebögen zur Migräneanamnese und zu Merkmalen der Kopfschmerzen ausgefüllt hatten. Das Modell zur Vorhersage der Wirksamkeit von CGRP mAbs erzielte dabei die höchste Genauigkeit, gemessen an einem AUC-Wert von 0,825, was auf eine gute Unterscheidung zwischen Respondern und Nichtrespondern hindeutet. Die Modelle für die anderen Medikamente waren weniger präzise und erreichten AUC-Werte zwischen 0,581 und 0,673.

Weniger Kopfschmerztage vor der Behandlung erwiesen sich als positiver Prädiktor für die Wirksamkeit mehrerer Medikamente, insbesondere von CGRP mAbs. Ein niedrigerer BMI und geringeres Körpergewicht korrelierten ebenfalls positiv mit der Wirksamkeit von CGRP mAbs und Betablockern, während ein höherer BMI und ein höheres Gewicht positive Prädiktoren für Topiramat und OnabotulinumtoxinA waren. Auch das Alter spielte eine Rolle: Ältere Patienten hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine positive Reaktion auf CGRP mAbs, Betablocker und trizyklische Antidepressiva, während jüngere Patienten besser auf Topiramat und OnabotulinumtoxinA ansprachen. Eine längere Migräneanamnese sowie kürzere Episoden hoher Schmerzintensität trugen ebenfalls zu positiven Behandlungsergebnissen bei CGRP mAbs bei. Zusätzliche Merkmale wie das Auftreten einseitiger Kopfschmerzen und das Vorhandensein bestimmter Begleitsymptome wie verstopfte Nase während der Attacken unterstützten die Vorhersagegenauigkeit für verschiedene Medikamente.


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Kommentar

Die Ergebnisse zeigen, dass maschinelles Lernen das Potenzial hat, die Entscheidung für bestimmte Medikamentenklassen zu unterstützen. Vor allem das Modell für CGRP mAbs erwies sich als vielversprechend. Die Vorhersagemodelle für andere Medikamente blieben hingegen mäßig. Die Autoren diskutieren, dass die identifizierten Merkmale in der klinischen Praxis hilfreich sein könnten, um die Anzahl der Versuche zur Auswahl eines wirksamen Medikaments zu reduzieren.

Letztlich lassen die identifizierten Prädiktoren auf verschiedene Eigenschaften der zugrunde liegenden Krankheitsaktivität schließen. So ist ein höherer BMI mit einer Krankheitsprogression, inkl. Chronifizierung, assoziiert, was die identifizierte Wirksamkeit von Therapien der chronischen Migräne gut erklärt. Niedrig frequente, halbseitige Migräneattacken hingegen respondieren gut auf gezielte Therapien einer klassischen Migränepathophysiologie, z. B. CGRP mAbs. Die Studie unterstützt eine differenzierte personalisierte Migräneprophylaxe und objektiviert Prädiktoren, die in der klinischen Praxis zu beobachten sind.

Robert Fleischmann, Greifswald


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Publication History

Article published online:
13 February 2025

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