CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2024; 29(06): 319-328
DOI: 10.1055/a-2420-3103
Originalarbeit

Implementierung der rehabilitativen Kurzzeitpflege in die Regelversorgung: Modelle zur Finanzierung und Vergütung

Implementation of Rehabilitative Short-Term Care in Standard Care: Models for Financing and Remuneration
Theresa Hüer
1   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
,
Jürgen Wasem
1   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
,
Pascal Raszke
1   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
,
Julia Frankenhauser-Mannuss
2   AOK Baden-Württemberg, Stuttgart, Germany
,
Jürgen Bauer
3   Geriatrisches Zentrum, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
,
Anne Keilhauer
3   Geriatrisches Zentrum, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
,
Norbert Specht-Leible
3   Geriatrisches Zentrum, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
,
Pauline zur Nieden
4   Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH, Essen, Deutschland
,
Sandra Diekmann
4   Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH, Essen, Deutschland
,
Anja Neumann
4   Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH, Essen, Deutschland
,
Kathrin Pahmeier
4   Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH, Essen, Deutschland
,
Anke Walendzik
1   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Beim innovativen Ansatz der rehabilitativen Kurzzeitpflege werden Leistungsinhalte der stationären Kurzzeitpflege um rehabilitative Maßnahmen ergänzt. Für eine Überleitung in die Regelversorgung wurden Vergütungs- und Finanzierungsmodelle auf Basis einer Literaturrecherche entwickelt, kriteriengestützt bewertet und in einem Stakeholder-Workshop diskutiert. Die Ansätze zur Finanzierung umfassen eine reine Finanzierung durch die GKV, eine Zuordnung der Finanzierungsträger GKV und SPV nach Leistungsbestandteilen sowie die Zuordnung der Finanzierungsverantwortung nach Rehabilitationsrisiko über Transferzahlungen von der SPV an die GKV. Die Vergütungsmodelle unterscheiden Fallpauschalen und Tagessätze, die entweder aufwandsspezifisch differenziert, durch eine Pay-for-Performance-Komponente ergänzt oder einheitlich ausgestaltet sind. Die kriteriengestützte Bewertung zeigte Trade-offs hinsichtlich der Zielerreichung der verschiedenen Kriterien.


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Abstract

Rehabilitative short-term care includes inpatient short-term care supplemented by rehabilitative measures. Remuneration and financing models were developed based on a literature review, evaluated using a criteriology and discussed in a stakeholder workshop. Three financing models were developed: financing by Statutory Health Insurance (SHI), mixed financing by SHI and Long-Term Care Insurance according to care components and the allocation of financing responsibility according to rehabilitation risk via transfer payments from Long-Term Care Insurance to SHI. The basic forms of remuneration, flat rate per case and daily rate, were each compared in three variants. The criteria-based evaluation of the models showed trade-offs with regard to the achievement of the various criteria.


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Einleitung

Nach einem Krankenhausaufenthalt verfügen insbesondere geriatrische Patient*innen häufig nicht über die für die Aufnahme in eine Rehabilitationseinrichtung erforderliche Rehabilitationsfähigkeit [u. a. 1], sodass sie – trotz Rehabilitationspotential, positiver Prognose und Rehabilitationsbedarf – häufig zunächst nach Hause oder in Pflegeinstitutionen entlassen werden. Jedoch erfolgt weder im häuslichen Umfeld noch in der Kurzzeitpflege (KZP) eine ausreichende aktivierend-therapeutische Versorgung bzw. eine multimodale Behandlung unter biopsychosozialen Gesichtspunkten. Die idealerweise früh beginnende und lückenlos fortzusetzende Rehabilitation findet nicht (zeitnah) statt und es resultiert das sogenannte „Reha-Loch“ [u. a. 2, 3].

Finanziert durch den Innovationfonds wurde die neue Versorgungsform der rehabilitativen Kurzzeitpflege in der geriatrischen Versorgung (kurz REKUP) mit nicht mehr erwerbstätigen Patient*innen der AOK Baden-Württemberg erprobt.[1] REKUP sieht eine Ergänzung der Leistungsinhalte der KZP um multidisziplinäre rehabilitative Maßnahmen im Setting der Rehabilitation vor. Die Zielgruppe sind geriatrische Patient*innen mit oder ohne vorbestehendem Pflegegrad (PG), bei denen nach einem stationären Aufenthalt eine Rehabilitation erforderlich und die Rehabilitationsprognose positiv ist, allerdings bei Entlassung (noch) keine Rehabilitationsfähigkeit vorliegt [u. a. 1].

Für eine nachhaltige Überleitung der REKUP in die Regelversorgung ist es essentiell, geeignete Vergütungs- und Finanzierungstrukturen zu etablieren. Gegenstand dieses Artikels ist es, die in diesem Innovationsfondsprojekt erarbeiteten Vergütungs- und Finanzierungsmodelle vorzustellen, systematisch zu bewerten und damit eine Grundlage für gesundheitspolitische Entscheidungsträger zu schaffen.


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Material und Methoden

Für die Entwicklung anreizgerechter Finanzierungs- und Vergütungsmodelle wurde zunächst eine strukturierte Literaturrecherche durchgeführt. Themen der Recherche waren (1) der Status quo der Vergütung sowie Finanzierung von KZP und stationärer geriatrischer Rehabilitation, (2) mögliche Ausgestaltungsformen von Vergütungs- und Finanzierungssystemen und damit verbundene Anreizwirkungen sowie (3) (inter)national verwendete Bewertungsschemata. Im dritten Themenbereich der Recherche wurden (auch unter Berücksichtigung eigener Vorarbeiten) Bewertungssysteme für unterschiedliche Gesundheitssysteme und -kontexte identifiziert und verglichen [4] [5] [6] [7]. Darauf aufbauend wurden deren Elemente und Kriterien auf ihre Eignung für die Bewertung von Vergütungssystemen für Leistungserbringende im Gesundheitswesen und/oder von Finanzierungssystemen überprüft, wobei auf die wissenschaftliche Diskussion über entsprechende Anreize zurückgegriffen wurde. Das so entstandene Set geeigneter Kriterien wurde auf seine Vollständigkeit im Hinblick auf die Ziele von Vergütungs- und Finanzierungssystemen und typische Zielkonflikte in diesem Bereich analysiert. [Tab. 1] zeigt die in diesem Artikel verwendete Kriteriologie.

Tab. 1 Kriteriologie zur Bewertung von Finanzierungs- und Vergütungsmodellen.

Anreize zur Versorgungsqualität

Anreize zu effektiver bedarfsgerechter Versorgung

Anreize zu Patientenorientierung

Anreize für Patientensicherheit

Anreize zu Behandlungskoordination

Anreize zur Wirtschaftlichkeit

Anreize zu Behandlungseffizienz

Anreiz-/Teilnahmekompatibilität für Leistungserbringende und Patient*innen

Weitere Kriterien

Anreize bzgl. Equity/Gleichheit im Patientenzugang

Leistungsgerechtigkeit gegenüber den Leistungserbringenden1

Finanzierungs- und Verteilungsgerechtigkeit2

Adaptionsfähigkeit an regionale Gegebenheiten und gesellschaftliche Entwicklungen

Transparenz und Regulierbarkeit

Realisierbarkeit

1 nur für Vergütungsmodelle anwendbar, 2 nur für Finanzierungsmodelle anwendbar; Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an [6].

Schwerpunkt der Kriteriologie, die sich in drei Gruppen von Kriterien untergliedern lässt, ist die Beurteilung der Anreizwirkungen von Vergütungs- oder Finanzierungsmodellen. Dabei werden zunächst die Anreizkonstellationen bzgl. Versorgungsqualität (Gruppe 1) und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (Gruppe 2) adressiert. Im Bereich der Versorgungsqualität gliedern sich die Beurteilungskriterien weiter auf, um neben der Anreizkompatibilität bzgl. einer effektiven bedarfsgerechten Versorgung (Indikationsqualität, evidenzbasierte Auswahl der Behandlung, Behandlungsqualität) auch andere wichtige Aspekte wie die Patientenorientierung, die Patientensicherheit und die im deutschen Gesundheitssystem oft vernachlässigte Behandlungskoordination [u. a. 8] mit einzubeziehen. Im Bereich der Wirtschaftlichkeitsanreize wird nicht alleine betrachtet, inwiefern Anreize zur Behandlungseffizienz (einzelwirtschaftliche Effizienz der Leistungserbringenden, sozialversicherungsübergreifende Effizienz) entstehen, sondern auch berücksichtigt, ob ein Vergütungsmodell so gestaltet ist, dass sowohl Patient*innen als auch Leistungserbringende an der Versorgung teilnehmen. Schließlich werden unter der dritten Gruppe von Kriterien weitere relevante Aspekte zusammengefasst. Dazu gehören Anreize zum gleichen Patientenzugang, z. B. über die Vermeidung von Risikoselektion. Außerdem werden in der dritten Gruppe zwei Gerechtigkeitsaspekte angeführt, nämlich zum einen gegenüber den Leistungserbringenden und zum anderen gegenüber dem Kostenträger. Weiterhin dient als Maßstab für Vergütungsregelungen ihre Adaptionsfähigkeit an regionale und gesellschaftliche Entwicklungen, ihre Transparenz und Regulierbarkeit und schließlich die Frage der Realisierbarkeit unter konkreten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen.

Mit Hilfe dieser Kriteriologie wurden die entwickelten Modelle systematisch mit Fokus auf ihre Anreizwirkungen bewertet und Trade-offs der Zielerreichung in verschiedenen Bewertungsdimensionen herausgearbeitet.

Diese systematische Bewertung diente als inhaltliche Vorbereitung eines im dritten Schritt durchgeführten Diskussionsworkshops mit relevanten Stakeholdern der Leistungserbringung, der Finanzierung, der Patientenperspektive sowie der Wissenschaft aus den Feldern der geriatrischen Rehabilitation und der Pflege. Vertreten waren neben dem Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen der Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Heidelberg, das Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement (EsFoMed), die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V., die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft, der Bundesverband Geriatrie e.V., die Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen e.V., der Sozialverband VdK Deutschland e.V., die Techniker Krankenkasse sowie die AOK Baden-Württemberg. Einwilligungserklärungen zur Verwendung des Gesagten und zur Nennung der Institutionen, nicht aber der Personen, liegen von allen Workshop-Teilnehmenden vor. Inhalte des Workshops waren eine Vorstellung der REKUP sowie des Status quo der Finanzierung und Vergütung von Kurzzeitpflege und geriatrischer Rehabilitation in der Regelversorgung sowie eine Vorstellung der entwickelten Finanzierungs- und Vergütungsmodelle. Anschließend erfolgte entlang der entwickelten Kriteriologie eine strukturierte Diskussion der Modelle. Schließlich erfolgte eine qualitative Informationssynthese der Ergebnisse zur weiteren Ausdifferenzierung der entwickelten Modelle.


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Ergebnisse

Finanzierungsmodelle

Finanzierung in Rehabilitation und Kurzzeitpflege

Medizinische Rehabilitation wird im gegliederten bundesdeutschen sozialen Sicherungssystem von sechs Rehabilitationsträgern finanziert (Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), Gesetzliche Rentenversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Träger der Kriegsopferfürsorge, Träger der öffentlichen Jugendhilfe, Träger der Eingliederungshilfe, § 6 Nr. 1, 3, 4, 5, 6, 7 SGB IX). Die Soziale Pflegeversicherung (SPV) gehört nicht zum Kreis der Rehabilitationsträger.

Für nicht erwerbsfähige Patient*innen ist die GKV der zuständige Kostenträger (§ 11 Abs. 2 SGB V). Folgt man dem Grundsatz, nach dem der Sozialversicherungsträger die Kosten einer Leistung tragen sollte, der die Konsequenzen des Scheiterns dieser Leistung tragen würde, wäre eine Kostenverantwortung der SPV für geriatrische Rehabilitationsleistungen naheliegend. Grund dafür ist, dass es das vorrangige Interesse der SPV sein sollte, durch die Anwendung rehabilitativer Leistungen, Pflegebedürftigkeit bzw. eine Einordnung in einen höheren PG zu vermeiden. Allenfalls in Teilen könnten sich für die GKV positive Konsequenzen ergeben, wenn Erfolge im Sinne einer Verminderung der behandlungsbedürftigen Morbidität zu erwarten wären. Da also von den Krankenkassen Leistungen finanziert werden, deren finanziellen Erfolge sich weitgehend nicht in ihrem Budget niederschlagen, zeigt sich ein systematischer ökonomischer Fehlanreiz, der die Umsetzung des Grundsatzes Reha vor Pflege (u. a. §§ 5, 31 SGB XI) gefährden könnte [u. a. 9–11].

Die Zuzahlung durch Patient*innen für stationäre Rehabilitationsaufenthalte beträgt, wie für akutstationäre Aufenthalte, zehn Euro je Kalendertag (§§ 40 Abs. 5, 61 S. 2 SGB V). Bereits geleistete Krankenhauszuzahlungen werden angerechnet. Es gelten die bekannten GKV-Reglungen zur persönlichen Belastungsgrenze (§ 62 Abs. 1 S. 2 SGB V).

Die Kurzzeitpflege wird von der SPV gemäß § 42 SGB XI für Pflegebedürftige der PG 2 bis 5 getragen. Personen ohne bereits bestehende Pflegebedürftigkeit oder mit PG 1 haben gemäß § 39c SGB V einen Anspruch auf KZP gegenüber der GKV.

Entsprechend der grundsätzlichen Konzeption der SPV als „Teilkaskoversicherung“ haben auch in der KZP Patientenzuzahlungen eine hohe Bedeutung. Da die Pflegesätze in der KZP nach PG differenziert sind, ergeben sich entsprechend unterschiedliche Zuzahlungen bzw. eine unterschiedlich schnelle Ausschöpfung des KZP-Budgets.

Neben der Kostenkomponente Pflege inkl. Ausbildung, für die das KZP-Budget genutzt werden kann, setzen sich die Tagessätze der KZP noch aus den Kostenkomponenten Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionen zusammen, für die es für Personen ohne PG keine gesetzlichen Ansprüche gibt.

Personen mit einem PG 2 bis 5 können für die Kostenkomponente Pflege weiterhin noch nicht in Anspruch genommene Mittel der Verhinderungspflege nutzen und für Beziehende von Pflegegeld wird die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes für bis zu acht Wochen einer KZP fortgewährt.

Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben ab PG 1 Anspruch auf einen Entlastungsbetrag, der für die Abgeltung der Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionen eingesetzt werden kann.

Die beschriebenen Erstattungsansprüche für KZP werden in [Tab. 2] zusammengefasst.

Tab. 2 Erstattungsansprüche für Kurzzeitpflege.

Pflegegeld
PG differenziert (§ 37 Abs. 2 S. 2 SGB XI)

Kurzzeitpflege-budget
1.774 € p.a. (kein PG/PG 1: § 39c SGB V; PG 2–5: § 42 SGB XI)

Mittel der Verhinderungspflege 
+ max. 1.612 € (§ 39 Abs. 1 S. 3 SGB XI)

Entlastungsbetrag
max. 1.500 € p.a. (§ 45b Abs. 1 S. 1 SGB XI)

Pflegekosten inkl. Ausbildung

nur für PG 2–5

für PG 1–5 und Personen ohne PG

nur für PG 2–5

Unterkunft und Verpflegung

nur für PG 2–5

nur für PG 1–5

Investitionen

nur für PG 2–5

nur für PG 1–5

Quelle: eigene Darstellung


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Darstellung der Finanzierungsmodelle

Die entwickelten Finanzierungsmodelle knüpfen an die Finanzierungsstrukturen der zugrundeliegenden Versorgungsformen der KZP und der stationären geriatrischen Rehabilitation an. Grundlegende Verschiebungen von Leistungszuordnungen und Finanzierungssystemen innerhalb der Sozialversicherungssysteme werden für diese konkrete Versorgungsform nicht diskutiert. [Tab. 3] fasst die drei entwickelten Modelle zusammen.

Tab. 3 Finanzierungsmodelle für die rehabilitative Kurzzeitpflege.

Modelle

Modell F1

Modell F2

Modell F3

Grundgedanke

Finanzierung durch die GKV

Differenzierung zwischen REKUP-Leistungsbestandteilen und Finanzierung der Anteile der KZP nach den Regularien der SPV

Finanzierung nach Maßnahmenrisiko

→ Transferzahlungen der SPV an die GKV

Kostenträger

GKV

GKV und SPV

GKV und SPV

Patientenzuzahlung

nach GKV-Regularien

nach SPV-Regularien

nach GKV-Regularien

Quelle: eigene Darstellung.

Modell F1 baut auf der Finanzierung der REKUP während der Projektlaufzeit aus Mitteln der GKV (über den Innovationsfonds) auf. Die REKUP könnte auch in der Regelversorgung durch die Krankenkassen, in dem Fall direkt, finanziert werden. Hierzu könnten die Finanzierungsverfahren der stationären Rehabilitation auf die REKUP übertragen werden, sodass sich nur ein geringer regulativer Anpassungsbedarf ergeben würde.

Auch die Patientenzuzahlungen würden in diesem Modell analog zu den Zuzahlungen der GKV für die stationäre Rehabilitation gestaltet werden.

Vergleichbar wurde die Finanzierung für die „Übergangspflege im Krankenhaus“ gemäß § 39e SGB V konzipiert, die mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz im Jahr 2021 als neue Leistung der GKV eingeführt wurde.

Modell F2 zielt auf eine Differenzierung der REKUP in ihre Leistungsbestandteile, die KZP und die medizinische Rehabilitation, ab. In dieser Konstellation würde, ohne generelle Veränderung der Finanzierungsverantwortung, die GKV die Kosten für die rehabilitativen Elemente tragen und, je nach PG der Patient*innen, entweder die SPV oder die GKV die Kosten für den auf die KZP fallenden Anteil der neuen Versorgungsform.

Für dieses Modell wäre zunächst eine Differenzierung aller REKUP-Leistungsbestandteile notwendig, was jedoch nicht trivial ist, da bspw. sowohl die stationäre Rehabilitation als auch die KZP Leistungen wie Unterbringung und Verpflegung beinhalten. Allerdings lässt sich argumentieren, dass die betroffenen Patient*innen alternativ ohne das Angebot der REKUP meist reguläre KZP erhalten hätten, sodass die in beiden Leistungsbestandteilen enthaltenen Leistungen insofern der KZP zuzuordnen wären. Dieses Argument würde jedoch nicht für Patient*innen greifen, die alternativ die Übergangspflege im Krankenhaus in Anspruch genommen hätten, da diese vollständig von der GKV finanziert wird.

Die Aufteilung der Finanzierung auf die Kostenträger GKV und SPV hat hier auch Auswirkungen auf die Patientenzuzahlungen. Diese würden in diesem Modell für den Kostenanteil der KZP nach den Regularien der SPV erfolgen. Pflegebedürftige Personen, die die maximalen gesetzlichen Ansprüche angespart haben, hätten unabhängig von ihrem PG vermutlich keine Zuzahlungen zu erwarten, wohingegen Personen ohne PG insbesondere für die Kostenkomponenten Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten relevante Zuzahlungen leisten müssten. Da diese Orientierung an der SPV zu einer stärkeren Belastung der Patient*innen als in der GKV führt, sollte in diesem Modell in Erwägung gezogen werden, dass die gängigen GKV-Zuzahlungen entfallen, was allerdings zu einer Zusatzbelastung der GKV führen würde.

Modell F3 greift die grundsätzliche Diskussion um die Finanzierung von Maßnahmen nach Maßnahmenrisiko, d. h. die anreizgerechte Zuordnung der Kostenträger, auf. Es sieht jedoch von der Einführung umfassenderer Reformen, die über die Regulierung der REKUP hinausgeht, ab. Im Sinne einer zügigen und relativ unkomplizierten Anwendbarkeit wird der Vorschlag des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR Gesundheit) 2014 zur Finanzierung rehabilitativer medizinischer Maßnahmen aufgegriffen und eine Verteilung der Maßnahmenkosten der REKUP zu jeweils 50% auf die Systeme der GKV und der SPV vorgenommen [10]. Primäre Kostenträger sind hier die Krankenkassen, die 50% der Maßnahmenkosten per Transferzahlung von der SPV erhalten. Vergütungsverhandlungen mit den Leistungserbringenden würden analog zur sonstigen stationären Rehabilitation zwischen Krankenkassen und Rehabilitationskliniken erfolgen. Dieses Modell hat zur Folge, dass für die Patient*innen die Regularien der GKV gelten und die Zuzahlungen bestimmen.

Denkbar wäre auch eine Kombination der Modelle F2 und F3, die hier jedoch nicht gesondert bewertet werden soll.


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Kriteriengestützte Bewertung der Finanzierungsmodelle

Im nächsten Schritt wird eine Bewertung der Finanzierungsmodelle entsprechend der Kriteriologie zur Bewertung von Finanzierungs- und Vergütungsmodellen (s. [Tab. 1]) vorgenommen. Hierzu erfolgt zunächst eine Prüfung hinsichtlich der vier Kriterien der Kategorie Anreize zur Versorgungsqualität, in der die Finanzierungsmodelle daraufhin zu prüfen sind, inwieweit Anreize für die Krankenkassen vorliegen, insgesamt eine ausreichende bedarfsgerechte Anzahl an Versorgungsverträgen abzuschließen sowie ihre Versicherten bei Bedarf hinsichtlich der REKUP zu beraten oder eher Informationsangebote zurückzuhalten. Die reine Finanzierung der REKUP durch die GKV in Modell F1 führt, wie bereits seit Langem für medizinische Rehabilitationsleistungen diskutiert, dazu, dass die Krankenkassen die Kosten der Maßnahme tragen, jedoch nur zu einem begrenzten Anteil von den Erfolgen der Maßnahme profitieren, die zumindest in Teilen bei der SPV anfallen. Dadurch entstehen Anreize gegen eine effektive bedarfsgerechte Versorgung, aber auch gegen eine Patientenorientierung bei der Beratung durch die Krankenkassen. Im Extremfall, wenn durch eine frühzeitige REKUP relevante Verschlechterungen des Gesundheitszustands vermieden werden könnten, diese aber wegen der beschriebenen Fehlanreize nicht durchgeführt wird, könnten auch negative Folgen für die Patientensicherheit entstehen. Da REKUP eine schnittstellenübergreifende Behandlung darstellt, die Finanzierungsverantwortung aber nur bei der GKV liegt, sind die Anreize des Modells F1 auch bzgl. der Behandlungskoordination negativ zu bewerten. Die beiden anderen Modelle (F2 und F3) reduzieren die negativen Anreize für die Krankenkassen bzgl. der Versorgungsqualität, da sie einen Teil der Maßnahmenkosten der SPV zuordnen. Inwieweit damit eine Verteilung erreicht wird, die die Nutzenverteilung von REKUP zwischen den Sozialversicherungssystemen widerspiegelt, ist schwer empirisch ermittelbar.

Als zweites erfolgt eine Bewertung hinsichtlich der beiden Kriterien in der Kategorie Anreize zur Wirtschaftlichkeit. Die Anreize zur Behandlungseffizienz sind ähnlich gelagert. Der Finanzierungsmodus der Krankenkassen lenkt das Augenmerk auf eine GKV-interne Effizienzbetrachtung, nicht aber ein sozialversicherungsübergreifendes Effizienzverständnis. Auch hier muss das Modell F1 negativ eingeschätzt werden. Die Aufteilung der Finanzierung in den Modellen F2 und F3 reduziert dagegen die negative Auswirkung der reinen Finanzierung durch die Krankenkassen.

Die Bewertung der Finanzierungsmodelle hinsichtlich ihrer Anreiz- und Teilnahmekompatibilität ist insbesondere auf der Seite der Patient*innen und ihrer Angehörigen zu differenzieren. Hier sind die verschiedenen Zuzahlungssysteme in den Sozialversicherungszweigen relevant. Während in Modell F1 und 3 die niedrigeren Zuzahlungen des GKV-Systems greifen, gilt in Modell F2 das Regime der Pflegeversicherung mit deutlich höheren Zuzahlungen.

Schließlich erfolgt eine Bewertung auf Basis der dritten Kategorie, die diverse weitere relevante Kriterien zusammenfasst (Patientenzugang, Finanzierungs- und Verteilungsgerechtigkeit, Adaptionsfähigkeit an regionale Gegebenheiten, Transparenz und Regulierbarkeit sowie Realisierbarkeit).

Ein ungleicher Patientenzugang durch Risikoselektion seitens der Krankenkassen insbesondere in Modell F1 wäre nur dann möglich, wenn diese differenzieren könnten nach Patient*innen, deren prognostizierten Maßnahmeerfolge ihre Leistungsinanspruchnahme in der GKV verringern würden. Inwieweit hier tragfähige Prognosealgorithmen vorliegen, ist jedoch anzuzweifeln.

Betrachtet man das Kriterium der Finanzierungs- und Verteilungsgerechtigkeit bezogen auf die Sozialversicherungssysteme, so belastet Modell F1 die GKV, während das Risiko bei der SPV liegt. Modell F3 verwendet einen – wenngleich pauschalierten – Ausgleich und ist insofern positiver zu bewerten. Modell F2 differenziert nach den Leistungsanteilen und erreicht damit ebenfalls einen teilweisen Ausgleich nach einem anderen Algorithmus. Eine Kombination von Modell F2 und F3, also der Zuordnung der Kosten der KZP zur SPV und der zusätzlichen Übertragung eines Teils der Rehabilitationskosten auf die SPV könnte eventuell als ein Modell mit noch gesteigerter Finanzierungs- und Verteilungsgerechtigkeit angesehen werden, wird jedoch an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt.

Bezüglich des Kriteriums der Adaptionsfähigkeit an regionale Gegebenheiten und gesellschaftliche Entwicklungen sind die beiden Modelle F1 und F3 relativ starr. Da Modell F2 die Finanzierungsverteilung abhängig gestaltet von der Verteilung der PG der Patient*innen, könnten hier entsprechende Veränderungen der Zusammensetzung der Patientenkollektive abgebildet werden.

Die Transparenz für die Versicherten ist in den Modellen F1 und F3 am höchsten, da hier die Regularien einfach sind. Aus Modell F1 folgt am wenigsten Aufwand für den Gesetzgeber und die Selbstverwaltung, weil an die vorhandene Regulierung in der Rehabilitation nahtlos angeknüpft wird. Dagegen erfordern die Modelle F2 und F3 größere regulative Anpassungen. Modell F2 bedarf zusätzlich der differenzierten Erfassung der Preise von KZP, die allerdings schon in für die Forschung zugänglicher Form vorliegen. Die Berechnungen der Finanzierungsanteile der Sozialversicherungszweige sind hier am kompliziertesten gestaltet.

Das Kriterium der Realisierbarkeit bildet in erster Linie die Interessenslagen der Stakeholder und daraus hervorgehende Hürden und Hemmnisse für die Einführung der Modelle ab. Diese lassen sich anhand des sozialrechtlichen Beziehungsdreiecks systematisieren (vgl. [Abb. 1]). Dabei spielen für die unterschiedlichen Finanzierungsansätze in Konkurrenz zueinander insbesondere die Interessen der Kostenträger und der Patient:innen eine Rolle, da das Interesse der Leistungserbringenden generell die Finanzierung ihrer Leistungen unabhängig von deren Ausgestaltung ist. Modell F1 ist unattraktiv insbesondere für die Krankenkassen, die sämtliche Kosten tragen müssten. Dieses Problem verschärft sich angesichts der aktuellen Finanzierungslage der GKV. Für die Pflegeversicherung dagegen stellt das Modell angesichts deren Finanzierungsschwierigkeiten und der Diskussion um Entlastung der stationär gepflegten Versicherten eine wenn auch nicht allzu große Entlastung dar. Die Modelle F2 und F3 gestalten sich günstiger für die Krankenkassen. Modell F2 dürfte dabei jedoch höhere administrative Kosten hervorrufen und deshalb auf Skepsis stoßen. Dazu liegt es aufgrund höherer Zuzahlungen weniger im Patienteninteresse. Hier punktet Modell F3, das jedoch den Einstieg in eine breitere Reformdiskussion für Finanzierungsmodelle an den Grenzen der Sozialversicherungssysteme darstellen könnte und insofern auf Umsetzungshindernisse stoßen könnte.

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Abb. 1 Sozialrechtliches Beziehungsdreieck (Kriterium Realisierbarkeit).

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Vergütungsmodelle

Vergütung in Rehabilitation und Kurzzeitpflege

In der Rehabilitation existieren keine einheitlichen kollektivvertraglichen Vergütungsregelungen. Im Sinne des § 111 Abs. 2 SGB V schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam einheitliche Versorgungsverträge für ihre Mitgliedskassen über die Durchführung medizinischer Leistungen in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen. Die Vergütungen werden dagegen gemäß § 111 Abs. 5 S. 1 SGB V selektivvertraglich zwischen einzelnen Krankenkassen bzw. im Verbund mit anderen Krankenkassen und den Trägern der zugelassenen Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vereinbart. Die Höhe der Vergütung variiert sowohl krankenkassen- als auch einrichtungs- und indikationsbezogen sowie regional. Faktoren wie beispielsweise die Fallschwere werden nicht berücksichtigt, sodass das Risiko lediglich beim Leistungserbringenden liegt. Die Finanzierung von Rehabilitationseinrichtungen erfolgt über ein monistisches System. In der Regel erfolgt die Vergütung über tagesgleiche Pflegesätze oder in einzelnen Fällen auch über Fallpauschalen [12].

In der Kurzzeitpflege existieren grundsätzlich die gleichen vertraglichen Rahmenbedingungen wie in der stationären Langzeitpflege. Für die Erbringung von KZP bedarf es dreier vertraglicher Regelungen: den Rahmenvertrag (§ 75 Abs. 1 S. 1 SGB XI) sowie einen Versorgungsvertrag (§ 72 SGB XI) und die Pflegesatzvereinbarung (§ 85 Abs. 1 und 2 SGB XI) der Einrichtung. Die Vergütung der KZP erfolgt in Form von Tagessätzen, die nach PG differenziert sind.


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Darstellung der Vergütungsmodelle

Bei den Vergütungsmodellen wird davon ausgegangen, dass diese analog zum Verfahren in der Rehabilitation mit der leistungserbringenden Institution von REKUP zu verhandeln ist. Weitergehende Reformen wie fundamentale Änderungen der Verhandlungsmodelle werden nicht erwogen, da es sich hier um die Integration einer Einzelmaßnahme und keine grundsätzliche Systemreform handelt. Es wird unterschieden zwischen den Vergütungsformen Fallpauschale (Modelle V1) und Tagessatz (Modelle V2). In beiden Fällen wiederum stehen einheitliche Sätze ohne Fallschweredifferenzierung (Modelle V1a und V2a), nach Fallschwere differenzierte Sätze (Modelle V1b und V2b) sowie Sätze, die mit einer Performance-Komponente (P4P) ergänzt werden (Modelle V1c und V2c), zur Auswahl. Es ergeben sich insofern die in [Tab. 4] dargestellten Modelle.

Tab. 4 Übersicht über die Vergütungsmodelle.

Fallpauschalen

Tagessätze

V1a Einheitliche Fallpauschale

V2a Einheitliche Tagessätze

V1b Aufwandsspezifisch differenzierte Fallpauschale

V2b Aufwandsspezifisch differenzierte Tagessätze

V1c Fallpauschalen mit einer P4P-Komponente

V2c Tagessätze mit einer P4P-Komponente

Quelle: eigene Darstellung.

Die Modelle einheitlicher Vergütung (V1a und V2a) in der Form von Fallpauschalen oder Tagessätzen orientieren sich am Vergütungssystem der Rehabilitation. Bei der Fallpauschale (V1a) wird davon ausgegangen, dass trotz unterschiedlicher Dauer der Maßnahme bis zur Rehabilitationsfähigkeit (oder bis zum Abbruch wegen Nichterreichung der Rehabilitationsfähigkeit) sich die Kosten über die Gesamtgruppe der Patient*innen ausgleichen. Tagessätze (V2a) wiederum berücksichtigen stärker die Variabilität der REKUP-Dauer, die im Konzept selber angelegt ist.

In beiden Fällen könnte einheitlich für alle Patient*innen vergütet oder entsprechend dem unterschiedlichen Aufwand verschiedener Patientengruppen differenziert werden (Modelle V1b und V2b). Bei Orientierung an den Vergütungsregelungen der KZP könnte die Aufwandsdifferenzierung anhand der PG ermittelt werden. Es sind jedoch auch andere Differenzierungen z. B. anhand von Diagnosen oder Schweregraden möglich.

Zentrales Kriterium für den Erfolg der REKUP (Modelle V1c und V2c) ist die Herstellung der Rehabilitationsfähigkeit beziehungsweise die Aufnahme und/oder die erfolgreiche Absolvierung einer stationären Rehabilitation im Anschluss an die REKUP. Eine P4P-Komponente könnte Anreize zum Erreichen des Maßnahmenziels setzen. Für die Operationalisierung einer solchen P4P-Komponente wären zum einen Ansätze möglich, die mit einer direkten „Belohnung“ eingetretener Erfolge (z. B. Rehabilitationsfähigkeit) einhergehen [u. a. 13]. Zu denken wäre aber auch an indirektere Mechanismen außerhalb der üblichen Ausprägungen von P4P wie z. B. degressive Tagessätze, um Anreize zu setzen, die Rehabilitationsfähigkeit der Patient*innen zeitnah zu erreichen.


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Kriteriengestützte Bewertung der Vergütungsmodelle

Bei der Bewertung der Vergütungsmodelle geht es in erster Linie um die Anreizsituation, der sich die Leistungserbringenden gegenübersehen. Die Diskussion beschränkt sich dabei ausschließlich auf Anreize, die sich aus der jeweiligen Vergütungsform ergeben, Aspekte der Vergütungshöhe werden nicht adressiert. Der Fokus liegt zudem auf Bewertungskriterien nach denen relevante Unterschiede zwischen den Modellen feststellbar sind.

Von besonderer Relevanz für die Beurteilung eines Vergütungsmodells sind dessen Anreize zu effektiver bedarfsgerechter Versorgung. Tagessätze im Allgemeinen (Modelle V2a-V2c) können die Variabilität einer bedarfsgerechten Dauer der REKUP-Maßnahme widerspiegeln. Aufwandsdifferenzierte Fallpauschalen (Modell V1b) haben zum Ziel, Kostendifferenzen zwischen verschiedenen Patientengruppen zu berücksichtigen, seien sie durch eine unterschiedliche Verweildauer in der Maßnahme oder auch durch unterschiedliche Kosten pro Tag bedingt. Aufwandsdifferenzierte Tagessätze (Modell V2b) kombinieren beide Ansätze. Anreize zur Risikoselektion zugunsten schneller und/oder kostengünstiger in die Rehabilitationsfähigkeit führbaren Patient*innen werden vermieden. Insofern könnte zugunsten der aufwandsspezifisch differenzierten Modelle argumentiert werden, dass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit eine bedarfsgerechte Versorgung erreichen können. Dies setzt allerdings voraus, dass sich objektiv feststellbare Faktoren zur differenzierten Aufwandsschätzung für verschiedene Patientengruppen identifizieren lassen. Bei einer Differenzierung über PG wurde im Stakeholder-Workshop die Frage diskutiert, inwieweit der PG tatsächlich die Unterschiede im pflegerischen Aufwand erklärt, umso mehr noch, inwieweit ein möglicherweise erhöhter PG mit einem höheren oder niedrigeren rehabilitativen Aufwand korreliert. Insofern wäre eine empirische Analyse der Kostenstrukturen wünschenswert. Tagespauschalen im Allgemeinen könnten neben dem positiven Anreiz, auch „langsamere“ Patient*innen angemessen zu behandeln, allerdings auch negative Anreize auslösen, falls Patient*innen, bei denen sich nachträglich Hemmnisse in der Herstellung der Rehabilitationsfähigkeit herausstellen, trotz dann fehlender Erfolgsaussicht länger in der Maßnahme gehalten werden.

P4P-Elemente wie in den Modellen V1c und V2c reizen generell zu möglichst realitätsnahen Anfangs- und Zwischenscreenings an, um eine passgenauere Überweisung in die Rehabilitation zu erreichen. Durch die generelle Ausrichtung auf den Erfolg der Maßnahme könnten die Modelle die Effektivität der Versorgung positiv beeinflussen. Jedoch könnte auch hier eine Risikoselektion zuungunsten von Patientengruppen mit unsicheren Erfolgsaussichten negative Auswirkungen zeitigen.

Anreize zur Patientenorientierung bei der Maßnahmengestaltung ergeben sich alleine daraus, dass zur Legitimation der REKUP-Maßnahme das Maßnahmenziel, die Rehabilitationsfähigkeit, in relevantem Ausmaß erreicht werden muss. Bei Vergütungsmodellen mit P4P-Elementen (Modelle V1c und V2c) wird diese Motivation noch einmal gestärkt.

Eine relevante Beeinträchtigung der Patientensicherheit ist unabhängig vom diskutierten Vergütungsmodell kaum zu erwarten. Allenfalls könnten bei nicht differenzierten Fallpauschalen (Modell V1a) Anreize zur Unterversorgung bzgl. des Maßnahmenziels entstehen.

Unabhängig vom konkreten Vergütungsmodell stellt REKUP eine Verbesserung der Versorgungskoordination durch die Verbindung von Versorgungselementen aus zwei Sozialversicherungssystemen dar.

Beurteilt man die Vergütungsmodelle hinsichtlich ihrer Anreize zur Behandlungseffizienz, so entfalten insbesondere Tagessätze und Fallpauschalen unterschiedliche Anreize. Tagessätze (Modelle V2a-V2c) führen dazu, dass ein möglichst langer individueller Aufenthalt in der Versorgungsform und ggfs., bei Identität der REKUP-Einrichtung mit der Klinik für die anschließende stationäre Rehabilitation, im addierten Zeitraum für beide Maßnahmen einzelwirtschaftlich interessant sein kann. Die Fallpauschale (Modelle V1a-V1c) hingegen setzt darauf, dass eine im Patientenkollektiv durchschnittliche Aufenthaltsdauer vergütet wird. Sie setzt hohe Anreize zur wirtschaftlichen Versorgung, lädt aber gleichzeitig aus einzelwirtschaftlicher Perspektive zur Auswahl der Patient*innen nach ihrer Chance zur zügigen Erreichung der Rehabilitationsfähigkeit ein.

Für die Anreize zur Teilnahme von Leistungserbringenden an der Versorgung durch REKUP spielt grundsätzlich die Vergütungshöhe eine Rolle, die wie oben erläutert, hier aber nicht näher thematisiert wird. Unter der Annahme eines geringen Einflusses durch die Leistungserbringenden auf die initiale Zusammensetzung des Patientenkollektivs (also geringer Möglichkeiten zur Risikoselektion) könnte es weiterhin relevant sein, wer das Kostenrisiko hierfür trägt. Dieses verbleibt am stärksten bei den nicht aufwandsdifferenzierten Fallpauschalen (Modell V1a) bei den Leistungserbringenden.

Das mögliche Ausmaß von Risikoselektion mit negativem Einfluss auf die Gleichheit im Patientenzugang ist abhängig von der Gestaltung der Einflussmöglichkeiten der Leistungserbringenden auf die Auswahl seiner Patient*innen. Anreize zur Risikoselektion entfalten insbesondere die nicht aufwandsdifferenzierten Vergütungsmodelle (Modelle V1a und V2a), am stärksten auch hier die einheitliche Fallpauschale (Modell V1a). Aber auch P4P-Elemente der Vergütung (Modelle V1c und V2c), je nach Ausprägung, können zu Risikoselektion von Patientengruppen führen, deren Erfolgswahrscheinlichkeit den Leistungserbringenden niedriger erscheint. Die Bewertung dieser Anreize steht insofern im Spannungsverhältnis zwischen einer erwünschten Auswahl von Patient*innen mit Aussicht auf Erreichung der Rehabilitationsfähigkeit und der Benachteiligung von Patient*innen mit ungünstigerer Ausgangssituation.

Die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung gegenüber den Leistungserbringenden könnte im Vergleich der Einrichtungen bei den nicht aufwandsspezifisch differenzierten Vergütungsformen (Modelle V1a und V2a) dann beeinträchtigt sein, wenn Patientenkollektive in ihren Aufwänden stark abweichen und dies nicht in den individuellen Vergütungsverhandlungen berücksichtigt wird. Eine grundsätzliche Schwierigkeit bei P4P-Modellen (Modelle V1c und V2c) ist es, dass insbesondere das Erreichen von Indikatoren der Ergebnisqualität in der Regel nicht alleine von der Leistung der Leistungserbringenden, sondern auch dem individuellen Einsatz der Patient*innen abhängig ist [14].

Eine Adaptionsfähigkeit an regionale Gegebenheiten und gesellschaftliche Entwicklungen ist in Teilen in allen Modellen durch die individuelle Aushandlung der Vergütungen gegeben, soweit hier angemessen z. B. regionale und Leistungserbringerspezifische Faktoren oder Faktoren der Angebotsdifferenzierung berücksichtigt werden. Die aufwandsdifferenzierten Modelle (V1b und V2b) bewirken zusätzlich eine automatische Adaption der Vergütung an Schweregraden unter den Patient:innen, soweit angemessene Differenzierungskriterien für die Pflegesätze angewendet werden.

Durch die Vielzahl der individuell mit den Leistungserbringenden verhandelten Vergütungen ist in allen Modellen generell eine geringe Markttransparenz vorhanden. Für die Umsetzung der Modelle V1a und V2a sind wenig regulative Anpassungen nötig, da sie auf bisher praktizierten Verfahren aufbauen. Die aufwandsdifferenzierten Modelle (Modelle V1b und V2b) erfordern deutlich mehr Vorarbeit bzgl. einer tragfähigen Datenbasis, und für die P4P-Modelle (Modelle V1c und V2c) ist die Entwicklung bzw. Auswahl eines geeigneten P4P-Modells Voraussetzung.

Diese Faktoren beeinflussen auch die Realisierbarkeit der Modelle. Hier stehen sich unterschiedliche Interessen aller Stakeholder des sozialrechtlichen Beziehungsdreiecks (vgl. [Abb. 1]) gegenüber. Seitens der Leistungserbringenden steht eine günstige Ausgangsposition für die Verhandlung der einrichtungsindividuellen Vergütung im Vordergrund neben ggfs. einer Risikominimierung bzgl. der Vergütungshöhe, während die Kostenträger einerseits die Optimierung ihrer Verhandlungssituation, andererseits eine Sicherung der einzelwirtschaftlichen Effektivität anstreben. Von Patient:innenseite steht die Anreizoptimierung bzgl. des Behandlungserfolgs im Vordergrund. Bei den Modellen V1a und V2a ist insbesondere seitens der Kostenträger am wenigsten Widerstand zu erwarten – wird eine Variante verpflichtend, so könnte es zu Kritik seitens derjenigen Kostenträger kommen, die jeweils die andere bisher verwendet haben. Die aufwandsdifferenzierten Modelle (Modelle V1b und V2b) dürften auf unterschiedliche Interessenslagen bzgl. der Auswahl der Differenzierungsfaktoren stoßen, je nach Annahme über Vor- und Nachteile bzgl. der Gestaltung des Patient:innenkollektivs. Die Modelle unter Einbeziehung von P4P-Elementen (Modelle V1c und V2c) mögen auf unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich der Auswirkungen der P4P-Elemente seitens der Leistungserbringenden und entsprechende Reaktionen stoßen; hier kann es zu Strategien der Risikominimierung kommen. Bei Annahme einer positiven Wirkung der P4P-Elemente könnten sowohl Kostenträger als auch Patient:innenvertreter einer solchen Lösung zuneigen.

[Tab. 5] fasst die Ergebnisse der kriteriengestützen Bewertung zusammen, wobei an dieser Stelle darauf hingewiesen werden muss, das die vorgenommene Einordnung ((+), (−), (0)) nur einen Trend darstellen kann, da in der Regel weitere Faktoren die Wirkung eines Finanzierungs- und Vergütungsmodells beeinflussen.

Tab. 5 Übersicht über die kriteriengestützte Bewertung der Finanzierungs- und Vergütungsmodelle.

Kriteriengestützte Bewertung1 der Modelle

Finanzierung2

Vergütung3

F1

F2

F3

V1a

V1b

V1c

V2a

V2b

V2c

Anreize zur Versorgungs-qualität

Anreize zu effektiver bedarfsgerechter Versorgung

−−

o

o

 ++

o

+

++ 

+o

Anreize zu Patientenorientierung

−−

o

o

(+)

(+)

++ 

(+)

(+)

++ 

Anreize für Patientensicherheit

o

o

(−)

o

o

o

o

o

Anreize zu Behandlungskoordination

o

o

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

Anreize zur Wirtschaft-lichkeit

Anreize zu Behandlungseffizienz

+

+

+

+

+

Anreiz-/Teilnahmekompatibilität für Leistungserbringende und Patient*innen

+

+

o

(+)

o

(+)

+

o

Weitere Kriterien

Anreize bzgl. Equity/Gleichheit im Patientenzugang


o

o

o

−−

o

o

Leistungsgerechtigkeit gegenüber den Leistungserbringenden4

/

(−)

+

(+) 

(−)

+ +

(+)

Finanzierungs- und Verteilungsgerechtigkeit5

− −

+

+

/

Adaptionsfähigkeit an regionale Gegebenheiten und gesellschaftliche Entwicklungen

o

+

o

o

(+)

o

o

(+)

o

Transparenz und Regulierbarkeit

+

(−)

(−) +

(−)

(−)

(−)
+

(−)

(−)

Realisierbarkeit

o

o

(+)

o

o

(+)

o

o

1 +positiver Anreiz, – negativer Anreiz, o unklarer Anreiz (wechselseitige Anreize), / Kriterium nicht relevant; Zeichen in Klammern () weist darauf hin, dass eher ein schwacher und/oder unklarer positiver (+) oder negativer (−) Anreiz vorliegt; 2 Finanzierungsmodelle: 1=Finanzierung durch GKV | F2=Differenzierung zwischen REKUP-Leistungsbestandteilen und Finanzierung der Anteile der KZP nach den Regularien der SPV | F3=Finanzierung nach Maßnahmenrisiko mit Transferzahlungen der SPV an die GKV; 3  Vergütungsmodelle: V1a=Einheitliche Fallpauschale, V2a=Einheitliche Tagessätze, V1b=Aufwandsspezifisch differenzierte Fallpauschale | V2b=Aufwandsspezifisch differenzierte Tagessätze, V1c=Fallpauschalen mit einer P4P-Komponente, V2c=Tagessätze mit einer P4P-Komponente; 4  nur für Vergütungsmodelle anwendbar; 5 nur für Finanzierungsmodelle anwendbar; Quelle: eigene Darstellung.


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Diskussion

Im Ergebnis der kriteriengestützten Bewertung der Finanzierungsmodelle zeigten sich Trade-offs hinsichtlich der Zielerreichung der verschiedenen Kriterien. Modell F1 (Finanzierung durch GKV) scheint zwar mit dem geringsten Regulierungsbedarf verbunden zu sein, geht allerdings aufgrund der nicht anreizgerechten Verteilung von Kosten mit negativen Anreizen in den Bereichen Finanzierungs- und Verteilungsgerechtigkeit, Versorgungsqualität, Behandlungseffizienz und Gleichheit im Patientenzugang einher. Die Modelle F2 (Differenzierung zwischen REKUP-Leistungsbestandteilen) und F3 (Finanzierung nach Maßnahmenrisiko) reduzieren die genannten negativen Anreize zwar, da sie einen Teil der Maßnahmenkosten der SPV zuordnen, erfordern jedoch auch größere regulative Anpassungen. Betrachtet man das Kriterium der Realisierbarkeit gestalten sich die Modelle F2 und F3 vorteilhafter als Modell F1. Modell F2 dürfte dabei jedoch höhere administrative Kosten hervorrufen und deshalb auf Skepsis stoßen. Dazu liegt es aufgrund höherer Zuzahlungen weniger im Patienteninteresse. Hier punktet Modell F3, das jedoch den Einstieg in eine breitere Reformdiskussion für Finanzierungsmodelle an den Grenzen der Sozialversicherungssysteme darstellen und daher auf Umsetzungshindernisse stoßen könnte.

Auch die Bewertung der Vergütungsmodelle offenbarte Trade-offs hinsichtlich der Zielerreichung der verschiedenen Zielkriterien. Aufwandsdifferenziertere Modelle (Modelle V1b und V2b) scheinen Vorteile bzgl. der Anreize zur Versorgungsqualität und der Vermeidung von Risikoselektion zu haben; jedoch besteht noch Unklarheit bzgl. geeigneter Differenzierungskriterien, die durch empirische Analysen aufgelöst werden könnten. Der Tagessatz (Modelle V2) punktet gegenüber der Fallpauschale (Modelle V1), da hier die bewusst differenziert angesteuerte Aufenthaltsdauer in REKUP abbildbar ist. Sein Einsatz kann aber zur Notwendigkeit von Prüfroutinen im Sinne der Wirtschaftlichkeit der Versorgung führen. Modelle mit P4P-Elementen (Modelle V1c und V2c) bedürfen noch weiterer Ausdifferenzierung.

Bei der Entwicklung der beschriebenen Modelle wurden weitergehende Reformen (z. B. Zusammenführung von GKV und SPV) mit fundamentalen Änderungen der bestehenden Finanzierungs- und Vergütungssysteme für die medizinische Rehabilitation und die KZP nicht erwogen, da es sich bei dem zugrundeliegenden Innovationsfondsprojekt um die Integration einer Einzelmaßnahme in die Regelversorgung und keine grundsätzliche Systemreform handelt. Dieser Ansatz führt jedoch auch dazu, dass bestehende Strukturen, die mit Fehlanreizen behaftet sind, weiter verfestigt werden. Radikalere Modelle am Beispiel der neuen Versorgungsform der REKUP könnten die breitere Diskussion der Fehlanreize an den Grenzen der Sozialversicherungssysteme wiederaufleben lassen und möglicherweise ein Motor zur Initiierung größerer Reformen sein. So wären beispielsweise auch differenziertere Transferzahlungs-Modelle denkbar gewesen, die am Konzept zur nachhaltigen Stärkung von Anreizen für Krankenkassen zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit von Jahn et al. ansetzen könnten [15]. Als radikalstes Modell hätte zudem die Integration von Sozialversicherungszweigen (hier GKV und SPV) erwogen werden können.


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Fundref Information

Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses — 01NVF18039


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

1 Die Studie „Rehabilitative Kurzzeitpflege (REKUP) im stationären Umfeld – Ein Versorgungskonzept für Versicherte mit und ohne Pflegebedürftigkeit“ (Förderkennzeichen 01NVF18039) wurde durch die AOK Baden-Württemberg geleitet; Konsortialpartner waren der Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Heidelberg, das Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung der Universität Ulm, der Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen sowie das Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH.



Korrespondenzadresse

Dr. rer. pol. Theresa Hüer
Universität Duisburg-Essen
Lehrstuhl für Medizinmanagement
Thea-Leymann-Str. 9
45127 Essen
Deutschland   

Publication History

Received: 18 October 2023

Accepted: 19 August 2024

Article published online:
09 October 2024

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Abb. 1 Sozialrechtliches Beziehungsdreieck (Kriterium Realisierbarkeit).