Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2421-0045
Künstliche Intelligenz im Diabetessektor

Dieses Thema wurde auf dem Europäischen Diabetes Kongress in Madrid sehr viel diskutiert. In der Folge gab es eine Vielzahl von Online-Fortbildungen und Meetings zu diesem Thema. Europa ist an der Spitze in der Entwicklung von Leitlinien zur Anwendung künstlicher Intelligenz und das Europäische Diabetes Forum ist Vorreiter in der Entwicklung von Leitlinien zur Anwendung künstlicher Intelligenz im Diabetessektor. Manche betrachten künstliche Intelligenz als eine neue Stufe der Evolution, andere wiederum als Egalisierung von Fortschritt in Medizin und Gesellschaft. Wie sollen wir aber mit künstlicher Intelligenz im Diabetessektor umgehen?
Künstliche Intelligenz ist heute schon im Diabetessektor angekommen. Moderne Algorithmen von AID-Systemen arbeiten bereits mit künstlicher Intelligenz in ihrer Entwicklung. In Indien gibt es WhatsApp-basierte Agenten, die mithilfe künstlicher Intelligenz den Patienten die CGM-Kurve interpretieren. Neben diesen gibt es eine Vielzahl weiterer Beispiele, wie künstliche Intelligenz in den Diabetesalltag Einzug hält, um das Selbstmanagement der Patienten zu verbessern, aber auch für Lebensstilintervention und Einkaufsverhalten unserer Patienten. Künstliche Intelligenz kann helfen Risikostratifizierung effektiv zu gestalten und auch Response und Non-Response zu Interventionen und Therapien vorherzusagen. Moderne Algorithmen sind in der Lage, anhand von digitalen Biomarkern den Ausbruch der Diabeteserkrankung 3–4 Monate vor Beginn der Hyperglykämie vorherzusagen. Das sind alles Beispiele, wie künstliche Intelligenz helfen kann, die Qualität der Betreuung unserer Patienten zu verbessern.
Aber nicht nur das, künstliche Intelligenz kann Abrechnungen automatisieren, kann Prozesse in Krankenhäusern, Laboren und Arztpraxen optimieren, kann die Erstellung von Leitlinien vereinfachen und wissenschaftliches Wissen aufbereitet auf Knopfdruck zur Verfügung stellen. Künstliche Intelligenz kann unsere eigenen Stärken und Schwächen analysieren und professionelle Weiterbildung auf die Schwächen des Einzelnen konzentrieren, sodass modernes medizinisches Wissen schneller anwendbar und umsetzbar wird.
Mit den Erfahrungen heute kann man sicherlich konstatieren, dass künstliche Intelligenz im Diabetessektor eine neue Evolutionsstufe in der Ausübung moderner Diabetestherapie sein wird. Wichtig ist dabei, dass sich die Ziele künstlicher Intelligenz an den Bedürfnissen der Patienten orientieren und die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit von Diabetesbehandlung mithilfe künstlicher Intelligenz verbessert wird. Dazu braucht es Regularien. In Europa haben wir erste Regeln zur Anwendung künstlicher Intelligenz – in Indien gibt es das überhaupt nicht, sodass dort eine Vielzahl von Diabeteshelfern mithilfe künstlicher Intelligenz aus dem Boden schießen. Algorithmen künstlicher Intelligenz sollten in unsere Prozesse der Diabetesbehandlung und in Patientenpfade integriert werden, sodass Behandlung sowohl für den Behandler als auch den Patienten einfacher, intuitiver und erklärbarer wird. Nichtsdestotrotz brauchen wir auch wissenschaftliche Studien, um die Wirksamkeit von künstlicher Intelligenz zu beweisen. Wer ist der bessere Behandler? Der Arzt, der den Patienten kennt und über eine professionelle Intuition verfügt oder die Festplatte, die über alles medizinische Wissen verfügt und Wahrscheinlichkeiten blitzschnell kritisch und evidenzbasiert analysieren kann?
Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass neben den vielen Vorteilen, die künstliche Intelligenz bringen kann, durchaus auch Risiken bestehen. Einer der Gründer der künstlichen Intelligenz vor vielen Jahrzehnten sagte mir vor einigen Wochen: „Die Entwicklung der Technologie läuft im Moment viel schneller ab als die Entwicklung der Möglichkeiten für künstliche Intelligenz, selbst zu lernen“. Was passiert, wenn künstliche Intelligenz falsch lernt und sich dieses Falschlernen verstärkt? Wir sollten keine Angst haben, aber ein wachsames Auge. Wir als Ärzte sollten diejenigen sein, die die Aussagen, die mithilfe künstlicher Intelligenz entstehen, qualifizieren. So wie wir unsere Studenten lehren, sollten wir auch künstliche Intelligenz lehren, sodass diese zu einem wertvollen Handwerkszeug in unserem diabetologischen Alltag wird.
Mit herzlichen Grüßen verbleiben wir, Ihre Antje Bergmann und Peter Schwarz
Publication History
Article published online:
20 November 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany