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DOI: 10.1055/a-2436-4942
Für Sie gelesen: Aktuelle Studien
Hartley S, Raphael J, Lovell K et al. Effective nurse-patient relationships in mental health care: A systematic review of interventions to improve the therapeutic alliance. International Journal of Nursing Studies 2020; 102: 103490. DOI: 10.1016/j.ijnurstu.2019.103490
Hintergrund: Besonders in stationären psychiatrischen Kontexten interagieren Patient*innen die meiste Zeit mit Pflegenden. Die daraus entstehende therapeutische Allianz wird als ein Schlüssel für den therapeutischen Fortschritt erachtet. Gleichwohl werden die Interaktionen zwischen Pflegenden und Patient*innen oft nicht von psychologischen Beziehungstheorien geleitet. Es besteht sowohl eine Theorie-Praxis-Lücke als auch ein vermuteter Mangel an evidenzbasierten Interventionen, mit denen Pflegende bei der Gestaltung der Beziehungen gezielt unterstützt werden können. Das Review fokussiert daher die Fragestellungen: 1. Welche Interventionsmethoden wurden in welchen Kontexten und mit welchen Gruppen getestet? 2. Welche Ergebnismessungen wurden verwendet? 3. Welche Wirkungen wurden nachgewiesen und wie war die Qualität der verwendeten Methoden?
Methode: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken Embase, PsycInfo, Medline und CINAHL durchgeführt. Berücksichtigt wurden Studien, die eine Intervention beinhalteten, die darauf abzielte, die therapeutische Beziehung zwischen Pflegenden und Patient*innen zu verbessern. Außerdem wurde eine Analyse der Auswirkungen der Intervention unter Verwendung eines standardisierten Maßes der Allianz berücksichtigt. In einem mehrstufigen Selektionsprozess mit zwei unabhängigen Gutachtern wurden die Daten anhand eines festgelegten Schemas extrahiert. Acht Studien wurden in das Review eingeschlossen.
Ergebnisse: Als Interventionen wurden verschiedene Methoden angewendet, zum Beispiel psychosoziale Ansätze, größtenteils gruppenbasierte Programme. Fünf Studien nutzten das „Working Alliance Inventory“ als primäres Ergebnis der Allianz, andere Studien die „Caring Professional Scale“ und die „Scale to Assess Therapeutic Relationships“. Vier von acht Studien berichteten über keinen statistisch signifikanten Unterschied als Ergebnis der Intervention in Bezug auf die bewertete therapeutische Allianz. Andere Studien zeigten einen positiven Effekt, wiesen aber methodische Mängel auf, sodass die Ergebnisse insgesamt schwer zu interpretieren sind.
Fazit: Die derzeitige Evidenzbasis lässt keine sichere klinische Empfehlung für systematische Interventionen zu, um wirksame Grundlagen für die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer therapeutischen Pflegende-Patient*innen-Beziehung zu schaffen. Es bedarf einer weiteren Forschungsagenda, die folgende Elemente inkludiert: Interventionen, die auf einer soliden theoretischen Grundlage und dem Einbezug von Praktiker*innen und Patient*innen basieren; methodisch fundierte Studien; Bewertung der Wiedergabetreue des Interventionsmodells; Ausrichtung und Bewertung der therapeutischen Allianz außerhalb der spezifischen Grenzen der Psychotherapie.
Gitte Herwig
McCluskey A, Watson C, Nugent L et al. Psychiatric nurse’s perceptions of their interactions with people who hear voices: A qualitative systematic review and thematic analysis. Journal of Psychiatric and Mental Health Nursing 2022; 29 (3): 395–407. DOI: 10.1111/jpm.12829
Hintergrund: Stimmenhören (akustische Halluzinationen) treten bei verschiedenen psychischen Störungen auf. 25 % der Personen, die Stimmen hören, erfüllen die Kriterien einer psychotischen Erkrankung. Die Stimmen werden von den Betroffen oft als bedrohlich und beunruhigend wahrgenommen und können in allen Lebensbereichen Störungen verursachen. Neben der in Leitlinien empfohlenen kognitiven Verhaltenstherapie für Menschen mit Psychosen (CBTp) können auch informelle Gespräche von Pflegefachpersonen wertvoll sein. Gleichwohl ist über diese Interaktion wenig bekannt. Ziel der vorliegenden Übersichtsarbeit war es daher, Studien zu identifizieren und zusammenzufassen, die die Wahrnehmung von psychiatrisch Pflegenden in Bezug auf ihre Interaktion mit stimmenhörenden Personen untersuchen. Die Fragestellung lautete: Wie nehmen psychiatrisch Pflegende ihre Interaktionen mit Menschen wahr, die Stimmen hören?
Methode: Es wurde eine leitfadengestützte, qualitative, systematische Überprüfung durchgeführt. Mit festgelegten Suchbegriffen wurde unter anderem in den Datenbanken PsycInfo, Medline, CINAHL und Cochrane Library gesucht. Die Checkliste „Critical Appraisal Skills Programme“ (CASP) wurde verwendet, um die Qualität der eingeschlossenen Studien zu bewerten. Fünf Studien wurden nach dem Screening in die Übersichtsarbeit eingeschlossen, eine thematische Analyse nach Braun und Clark (2006) folgte. Die Berichterstattung über das systematische Review erfolgte nach dem PRISMA-Standard.
Ergebnisse: Fünf Themen konnten identifiziert werden: 1. schwer ansprechbar: Pflegende haben Schwierigkeiten, Betroffene auf das Stimmenhören anzusprechen, da diese sich möglicherweise unwohl fühlen und/oder stark paranoid sind; 2. therapeutische Beziehung: Ohne ein gutes Arbeitsbündnis sind keine tiefergehenden Gespräche möglich; 3. Herausforderungen am Arbeitsplatz: Mögliche Kritik von Kolleg*innen kann zu Unsicherheiten und dem Gefühl der Inkompetenz bei den Pflegenden führen; 4. Unsicherheit und Selbstzweifel: Pflegende haben Ängste, etwas „falsch zu machen“ in der Interaktion und eher zu einer Eskalation beizutragen; 5. pädagogische Fähigkeiten und Ausbildung: Pflegende verfügen nicht über ein angemessenes Spektrum an Interventionen beziehungsweise bemängeln eine unzureichende Ausbildung im Hinblick auf Interaktionen mit stimmenhörenden Menschen.
Fazit: Pflegefachpersonen beschreiben mehrere Hindernisse in Bezug auf Interaktionen mit stimmenhörenden Menschen. Weitere Forschungsarbeiten sind notwendig, mit dem Ziel, die Kompetenzen der Pflegenden zu fördern und die Perspektive der Betroffenen miteinzubeziehen.
Gitte Herwig
Publication History
Article published online:
24 January 2025
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