Schlüsselwörter forcierte Spirometrie - Ganzkörperplethysmografie - Referenzwerte - Z-Score - Atemmuskelkraft - Zwerchfell - Bronchodilatation - Reversibilitätstest - bronchiale Provokationstests - Diffusionskapazität - CO - Single-Breath - forcierte Oszillometrie - Impulsoszillometrie
Keywords forced spirometry - whole body plethysmography - reference equations - z-score - respiratory muscle strength - diaphragm - bronchodilatator response - reversibility test - bronchial challenge testing - diffusion capacity - CO - single-breath - forced oscillation technique
Einleitung
Zum Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) wurden Aktualisierungen der Empfehlungen zur Lungenfunktionsdiagnostik publiziert. Diese aktualisierten Empfehlungen sind in Atemwegs- und Lungenkrankheiten, Jahrgang 50 (2024) März (111–184) publiziert. Die PDF ist kostenlos unter folgendem Link abrufbar:
https://www.dustri.com/nc/de/article-response-page.html?artId=190999&doi=10.5414%2FATX02776
Hier wird eine Kurzversion der aktuellen Empfehlungen präsentiert. Diese ersetzt keinesfalls das ausführliche Studium der Langversion. Insbesondere können die mitunter komplexen physiologischen Grundlagen in der aktuellen Kurzversion nicht ausreichend dargestellt werden. Die aktuell vorliegende Kurzversion der Empfehlungen zur Lungenfunktionsdiagnostik soll vielmehr einerseits die Neuerungen der Empfehlungen darstellen und möchte andererseits für Lernende eine Motivation darstellen, die Langversion detailliert zu studieren.
2022 wurde ein offizielles Dokument der Europäischen Fachgesellschaft (ERS = European Respiratory Society) in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Fachgesellschaft (ATS = American Thoracic Society) publiziert [1 ], in welchem neue Interpretationen von routinemäßigen Lungenfunktionstests vorgestellt worden sind. Diese Empfehlungen werden in dieser Arbeit berücksichtigt und kritisch diskutiert. Darüber hinaus werden in weiteren Kapiteln die aktuellen Standards zur unspezifischen bronchialen Provokation, zur atemmuskulären Funktionsdiagnostik und zur forcierten Oszillometrie beschrieben.
Spirometrie
Referenzwerte
Weiterhin werden als Referenzwerte die GLI (Global Lung Initiative)-Sollwerte aus dem Jahr 2012 empfohlen. Sie basieren auf qualitätskontrollierten Messungen aus verschiedenen Ländern (nahezu 75 000 gesunde Probanden, Alter 3–95 Jahre). Sie berechnen sich nach Alter, Geschlecht, Körpergröße und ethnischer Gruppenzugehörigkeit (5 Gruppen). International wird die Verwendung ethnizitätsspezifischer Referenzwerte aktuell kritisch diskutiert [2 ]; eine abschließende Empfehlung oder neue Referenzwerte gibt es allerdings (noch) nicht.
Ohne Berücksichtigung der Gruppenzugehörigkeit (Population) wurden die Referenzgleichungen neu berechnet und als GLI-globale Referenzgleichungen 2022 vorgestellt [3 ]. Bei 8000 Patienten wurden die Spirometrien nach beiden Referenzgleichungen berechnet. In der Population mit den niedrigeren Sollwerten der GLI 2012 wurden Neuberechnungen mit GLI-2022-Messwerten als pathologisch vermindert interpretiert, die bei der Berechnung mit GLI 2012 im Normbereich lagen. Dies betrug 10 % der Spirometrie-Datensätze.
Da keine klinischen Daten erfasst wurden, bleibt die Frage offen, ob durch die GLI 2012 die Inzidenz von Erkrankungen unterschätzt wurde oder ob durch die fehlende Berücksichtigung der Population falsch positive Befunde zu befürchten sind.
Bewertung
Die Bewertung erfolgt nach Perzentilen und dem Z-Score, die ineinander umrechenbar sind. Der Normbereich wird durch den unteren Grenzwert (lower limit of normal, LLN) definiert, er entspricht der 5. Perzentile. Dies bedeutet, dass definitionsgemäß lediglich 5 % der gesunden Bevölkerung einen Messwert unterhalb von LLN aufweisen. Der Z-Score gibt an, um wie viele Standardabweichungen ein Messwert vom Sollmittelwert abweicht. So entspricht ein Z-Wert von 0 dem Sollmittelwert. Z = –4 bedeutet, dass der Messwert 4 Standardabweichungen unterhalb vom Sollmittelwert liegt. Der untere Grenzwert (LLN) entspricht einem Z-Score von –1,645 entsprechend der 5. Perzentile ([
Abb. 1
]).
Abb. 1 Perzentile und Z-Scores des Häufigkeitsspektrums der Lungenfunktionsparameter der gesunden Referenzpopulation. Die spirometrischen Messparameter (hier als Beispiel FEV1 ) sind pathologisch, wenn sie einen Z-Score von geringer als –1,645 aufweisen, damit liegen sie unter dem 5. Perzentil, welches dem unteren Grenzwert (lower limit of normal, LLN) entspricht. Einzelheiten siehe Text. ULN = upper limit of normal.
Somit ist z. B. eine obstruktive Ventilationsstörung durch eine Verminderung des altersabhängigen Tiffeneau-Indexes (FEV1 /FVC) auf Werte unterhalb des 5. Perzentils (LLN, Z-Score –1,645) definiert. Die altersunabhängige Grenze von 0,7 wird nicht mehr empfohlen ([
Abb. 2
]).
Abb. 2 Sollwert von forcierter Einsekundenkapazität (FEV1 ) zu forcierter Vitalkapazität (FVC) sowie untere Normgrenzen (5. Perzentil) im Vergleich zum festen Cut-off-Wert von 0,7 [1 ].
Zur Graduierung der Messwerteinschränkung wird die Verwendung des Z-Scores empfohlen, wobei die Einteilung 3-stufig ist (leicht < –1,645 bis –2,5; mittelschwer < –2,5 bis –4,0; schwer < –4,0). Die Angabe in % des Sollwertes berücksichtigt nicht die altersbedingte Streuung. So liegt z. B. bei einem Messwert von 50 % Soll und geringer Streuung (junge Patienten) der Z-Score bei –4,5, bei großer Streuung (ältere Patienten) der Z-Score aber nur bei –2,5, also deutlich näher am Normbereich.
[
Tab. 1 a
] und [
Tab. 1 b
] zeigen die Graduierung der Messwerteinschränkung anhand des Z-Scores. Parallel dazu sind orientierend die %Soll-Graduierungen angegeben, für welche aber die genannten Einschränkungen bestehen (s. o.).
Tab. 1 a
Graduierung der Messwerteinschränkung. Obstruktive Ventilationsstörung. Definition: FEV1 /FVC < LLN.
Schweregrad der FEV1 -Einschränkung
Z-Score
%Soll
I
leicht
< –1,65 bis –2,5
≥ 60 %
II
mittelschwer
< –2,51 bis –4,0
< 40–60 %
III
schwer
< –4,1
< 40 %
Tab. 1 b
Graduierung der Messwerteinschränkung. Restriktive Ventilationsstörung. Definition: TLC < LLN.
Schweregrad der FVC-Einschränkung
Z-Score
%Soll
I
leicht
< –1,65 bis –2.5
≥ 60 %
II
mittelschwer
< –2,51 bis –4,0
< 40–60 %
III
schwer
< –4,1
< 40 %
Auch die in Deutschland in der Arbeitsmedizin bevorzugte Methode, den Messwert in %LLN anzugeben, ist ein Maß für den Abstand zum Normbereich, diese spezielle Methode ist international nicht verbreitet.
International wird die Z-Score-Graduierung empfohlen auch weil sie mit der „All cause mortality“ assoziiert und relativ konsistent mit dem Grad der Funktionseinschränkung verbunden ist [1 ].
Klassifikation
Die obstruktive Ventilationsstörung kann allein spirometrisch diagnostiziert werden (FEV1 /FVC, Z-Score < LLN). Zur Diagnose der restriktiven Ventilationsstörung (TLC < LLN bei Restriktion, TLC und FEV1 /FVC jeweils < LLN bei „mixed disorder“) sowie zur Diagnose von „Non specific pattern“ (NSP), Lungenüberblähung, „Preserved ratio impaired spirometry (PRISm)“ ist die bodyplethysmografische Messung des Lungenvolumens notwendig.
Ganzkörperplethysmografie
Ganzkörperplethysmografie
Sie ist die informativste und umfassendste Methode zur differenzierten Lungenfunktionsdiagnostik. Der Patient sitzt in einer annähernd luftdicht verschließbaren Kabine, in der die bei Normalatmung erzeugten Kompressions- und Dekompressionsvolumina spiegelbildlich registriert werden. Die Anforderungen an die Mitarbeit des Patienten sind gering. Bei Kindern ab dem 4. Lebensjahr ist die Untersuchung durchführbar.
Im ersten Untersuchungsschritt werden die sog. Bodyschleifen (= Atemschleifen) aufgezeichnet, die den Verlauf des spezifischen Atemwegswiderstands zeigen. Dieser enthält Informationen sowohl zum intrathorakalen Gasvolumen (TGV) als auch zum Atemwegswiderstand (Raw ). Somit wird der Raw über den spezifischen Atemwegswiderstand (sRaw ) und die funktionelle Residualkapazität (FRC) berechnet. Pathologische Anstiege des Raw und/oder des TGV bewirken eine Rechtsdrehung (im Uhrzeigersinn) sowie eine Formänderung der Bodyschleife ([
Abb. 3
], [
Abb. 4
]).
Abb. 3 Die 4 Untersuchungsschritte einer vollständigen ganzkörperplethysmografischen Untersuchung sind: (1) Aufzeichnung der Bodyschleifen; (2) Verschlussmanöver; (3) mit dem letzten Verschluss verbundene langsame bzw. alternativ forcierte Spirometrie; (4) forcierte Spirometrie.
Abb. 4 Links: Messtechnische Anordnung der Kabinensensorik zur Erfassung der Bodyschleifen bei geöffnetem Shutter. Sowohl der Atemwegswiderstand (R
aw ) als auch das thorakale Gasvolumen (TGV) gehen in die Messung ein. Rechts: Auf BTPS-Bedingungen kompensierte Bodyschleife, die den Verlauf des spezifischen Atemwegswiderstandes (sR
aw ) aus der simultanen Aufzeichnung von Mundströmung (V‘) und Kabinen-Verschiebevolumen (ΔVpleth ) zeigt. Für die durch eine Strichlinie und einen Pfeil gekennzeichnete Rechtsdrehung (Uhrzeigersinn) der Bodyschleife können sowohl R
aw als auch TGV verantwortlich sein, wobei der jeweilige Anteil erst nach der FRC-Bestimmung ermittelt werden kann.
Charakteristische Formen der Bodyschleifen sind in [
Abb. 5
] dargestellt.
Abb. 5 Charakteristische Formen der Bodyschleife. Beispielgebend sind bei K3 die sR
eff - und die sR
tot -Approximation angegeben. K1: normale Lungenfunktion; K2: zentrale Obstruktion; K3: periphere Obstruktion; K4: endexspiratorisches Closing bzw. Zwerchfellhochstand; K5: extrathorakale Obstruktion.
Die Bestimmung der funktionellen Residualkapazität (FRCpleth ) gehört zur zweiten Hauptfunktion der Ganzkörperplethysmografie. Eine Vergrößerung weist auf eine statische bzw. dynamische Überblähung hin, ein verkleinertes Volumen auf eine verminderte Lungendehnbarkeit oder einen Verlust von Lungenparenchym ([
Abb. 6
]).
Abb. 6 Darstellung der absoluten und weiterer statischer Lungenvolumina für verschiedene Krankheitsbilder. VN = Referenzvolumina (Sollwerte); VHa = dynamische, absolute Überblähung; VHr = Trapped air, relative Überblähung; VR = restriktive Ventilationsstörung; VM = Atmungsmuskelschwäche; VZ = Zwerchfellhochstand; Vx = zentrale Obstruktion bzw. extrathorakale Einengungen ohne Konsequenz für die Lungenvolumina.
Normalwerte sind in [
Tab. 2
] aufgeführt.
Tab. 2
Klassifikation der Atemwegswiderstände R
eff und R
tot mittels Z-Score, im Grenzwertbezug bei Erwachsenen und im Sollwertvergleich bei Kindern und Jugendlichen (Sollwerte Zapletal).
Schweregrade
R
eff , R
tot in Z-Score
Kinder/Jugendliche/Erwachsene
R
eff , R
tot Erwachsene
(> 18 Jahre)
R
eff , R
tot %Soll
Kinder/Jugendliche
(≤ 18 Jahre)
normal
≤ 1,645 (ULN)
≤ 0,3 kPa × s × l–1
R
eff , R
tot ≤ oberer Grenzwert (ULN)
leicht
> 1,645–2,5
> 0,3–0,5 kPa × s × l–1
> 150–200 %
mittel
> 2,5–4,0
> 0,5–1,0 kPa × s × l–1
> 200–250 %
schwer
> 4,0
> 1,0 kPa × s × l–1
> 250 %
Über die FRC werden auch über die Messergebnisse der Spirometrie (s. o.) die totale Lungenkapazität (TLC), das Residualvolumen (RV) und damit Parameter der Lungenüberblähung (RV/TLC) berechnet. Verwendet werden die GLI-Werte für statische Lungenvolumina [4 ].
[
Abb. 7
] zeigt ein Diagramm zur Differenzierung der Lungenfunktion nach ERS-ATS-Empfehlungen [1 ].
Abb. 7 Diagramm zur Interpretation der gemessenen Lungenvolumina. Ist die TLC erniedrigt (rechte Seite der Abbildung) und RV/TLC erhöht, wird über FEV1 /FVC ermittelt, ob eine Obstruktion vorliegt (FEV1 /FVC < LLN). Wenn ja, handelt es sich um eine obstruktiv-restriktive Einschränkung, andernfalls liegt eine komplexe Restriktion vor, bei der die FVC im Vergleich zur TLC unverhältnismäßig stark verkleinert ist. Häufige Krankheitsbilder dafür sind Adipositas und neuromuskuläre Erkrankungen. Ist bei erniedrigter TLC das RV/TLC-Verhältnis normal, spricht man von einer einfachen Restriktion. Liegt die TLC im Normalbereich (linke Seite der Abbildung), muss festgestellt werden, ob der Patient eine große Lunge hat oder ob diese möglicherweise überbläht ist. Sind bei einer Überblähung sowohl RV, FRC und die TLC erhöht, ist ein Verlust der Retraktionskraft der Lunge wahrscheinlich, wie er beim Emphysem auftritt. Der ausschließliche Anstieg von RV und FRC, bei normaler TLC, ist typisch für eine chronische Bronchitis oder Asthma. Abbildung aus [1 ] leicht modifiziert.
Spirometrie und Bodyplethysmografie werden auch zur Messung der Bronchodilatator-Response (BDR) und zur unspezifischen bronchialen Provokation eingesetzt.
Von einer positiven BDR wird gesprochen, wenn der Anstieg des FEV1 vom Ausgangswert über das 95. Perzentil (upper limit of normal, ULN) nachweisbar ist.
Bei der Akut-Testung wird 15 Minuten nach Gabe von zwei Hüben eines kurz wirksamen Betamimetikums gemessen, ein Anstieg von über 10 % des Sollwerts wird als positive Response definiert, sie ist unabhängig von Alter, Geschlecht, Körpergröße und Ausgangswert [1 ]. Das Ausmaß der Bronchodilatator-Response kann nicht zwischen den zugrundeliegenden Erkrankungen wie Asthma oder COPD unterscheiden. [
Tab. 3
] zeigt Informationen, die bei Patienten mit Asthma aus dem BDR abzuleiten sind [5 ].
Tab. 3
Welche Informationen lassen sich aus dem Bronchodilatatortest bei Patienten mit Asthma bronchiale ableiten?
Diagnose
Eine vollständige Normalisierung der obstruktiven Ventilationsstörung bestätigt die Diagnose Asthma – ein negativer Test schließt sie nicht aus.
Lungenfunktion
Im Allgemeinen ist der BDR umso höher, je schlechter die Lungenfunktion des Patienten ist.
FEV1 -Abfall
Patienten mit hohem BDR zeigen in kontrollierten Studien prospektiv einen höheren FEV1 -Verlust als Patienten mit niedriger BDR.
Exazerbation
Patienten mit hohem BDR zeigen in kontrollierten Studien ein erhöhtes Exazerbationsrisiko.
Asthma-Schweregrad
Ein schweres Asthma weist regelhaft eine höhere BDR auf als ein leichtes Asthma.
Therapieansprechen
BDR-positive Patienten sprechen besser auf eine ICS-basierte Therapie an (FEV1 -Zunahme) als BDR-negative Patienten.
Asthmakontrolle
BDR-positive Patienten weisen eine schlechtere Asthmakontrolle auf als BDR-negative Patienten.
TH2-Biomarker
Eine hohe BDR ist häufig mit einer erhöhten Aktivität von TH2-Biomarkern assoziiert.
Bei Patienten mit COPD zeigte sich in einer Studie mit über 2000 Patienten, dass RV im Mittel um 19 % des Sollwerts und der spezifische Atemwegswiderstand um über 100 % des Sollwerts abnahmen, während das FEV1 nur um 5 % des Sollwertes zunahm [6 ]. Die Entblähung der Lunge durch die Bronchodilatation ist daher die prädominante Antwort bei der akuten Bronchodilatation bei COPD-Patienten [6 ], wobei sich der spezifische Atemwegswiderstand als Alternative zur Messung von FEV1 anbietet. Diese Diskrepanz ist zumindest teilweise durch die übergeordnete Engerstellung der Atemwege infolge einer Entblähung erklärt.
Die Messung und Quantifizierung der unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität (BHR) ist ein wichtiger Baustein der Lungenfunktionsdiagnostik. Der Nachweis einer BHR ist ein klinisches Kennzeichen eines Asthmas, jedoch nicht spezifisch für diese Erkrankung. Das Fehlen einer BHR schließt ein Asthma mit hoher Wahrscheinlichkeit aus [7 ].
Es wird ein 4-stufiges validiertes Einkonzentrationsprotokoll für Methacholin empfohlen [8 ] ([
Tab. 4
]).
Tab. 4
Dosisorientiertes Einkonzentrations-Provokations-Protokoll. Die Angaben gelten für die Verwendung des Philips/Respironics SideStream Verneblers, der auf eine Verneblerleistung von 240 ml × min–1 kalibriert ist.
Stufe
Konzentration
Verneblungszeit/Atemzug
Atemzüge
Dosis
kumulative Dosis
Substanz
Einwirkzeit
B1
–
0
1
1,6 %
0,234 s
1
0,015 mg
0,015 mg
Methacholin
90 s
2
1,6 %
0,352 s
2
0,045 mg
0,060 mg
Methacholin
90 s
3
1,6 %
0,563 s
5
0,180 mg
0,240 mg
Methacholin
90 s
4
1,6 %
0,856 s
13
0,720 mg
0,960 mg
Methacholin
10 s
D1
–
2 Hübe
Salbutamol
10 min
B1 = Basismessung; 1–4 = Provokatopnsstufen; D1 = Dilatationsmessung
Grundsätzlich besteht die Forderung, die Reaktion der Zielparameter zu dokumentieren ([
Abb. 8
]).
Abb. 8 Dosis-Wirkungs-Diagramm zur Bestimmung der Provokationsdosen PD + 100 sR
eff und PD-20 FEV1 . Die Angabe der kumulativen Dosis erfolgt in logarithmischer Skalierung auf der Abszisse. Die prozentuale Änderung der Zielparameter ist linear auf der Ordinate aufgetragen. Ihr Ausgangswert wird auf 100 % gesetzt. Die exakte Berechnung der Provokationsdosen ist über ein halblogarithmisches Interpretationsmodell möglich.
Der Grenzwert für das Vorliegen einer BHR ist bei einer kumulativen Dosis mit 1 mg Metacholin anzunehmen. [
Tab. 5
] zeigt die empfohlene Schweregradeinteilung. Das Erreichen des Zielkriteriums von sReff (+ 100 %) gilt als ausreichend für einen positiven Test, auch wenn der Abfall von FEV1 (–20 %) zu gering ist. Dagegen muss ein alleiniger Abfall des FEV1 ohne Anstieg von sReff grundsätzlich kritisch gesehen werden.
Tab. 5
Empfohlene Schweregradeinteilung für die Methacholintestung.
Provokationsdosis PD
(kumuliert in mg Methacholin)
Grad der BHR
< 0,06
hochgradig
0,06 ≤ PD < 0,24
mittelgradig
0,24 ≤ PD < 0,96
leichtgradig
0,96 ≤ PD
keine
BHR = bronchiale Hyperreagibilität
Diffusionskapazität von Kohlenmonoxid (DLCO )
Diffusionskapazität von Kohlenmonoxid (DLCO )
Die Diffusionskapazität wird definiert anhand der Menge eines Gases, die pro Zeiteinheit durch die alveolokapillären Membranen der gesamten Lunge ins Blut diffundiert. Die DLCO -Messung erfolgt üblicherweise im Single-Breath-Verfahren ([
Abb. 9
]).
Abb. 9 Ablauf des DLCO -Messmanövers im Volumen-Zeit-Verlauf. VIN = inspiriertes Volumen; RV = Residualvolumen; TIN = Inspirationszeit; TEX = Exspirationszeit; VCmax = maximale Vitalkapazität.
Die diffundierte CO-Menge wird in Relation zur Apnoezeit gesetzt, welche 10 Sekunden betragen soll. Der Patient soll mindestens 90 % des Volumens seiner individuellen Vitalkapazität im Single-Breath inhalieren, ansonsten ist ein Vergleich mit den Sollwerten nicht möglich. Durch die systematische Sammlung und Aufbereitung von Untersuchungsergebnissen gesunder Personen (Kaukasier) wurden neue DLCO -Referenzwerte festgelegt, 2017 publiziert und eine Korrektur 2020 hinzugefügt [9 ]. Zur Schweregradeinteilung wird die Verwendung des Z-Scores empfohlen ([
Tab. 6
]).
Tab. 6
Schweregradeinteilung der DLCO in Z-Score und %Soll.
DLCO -Schweregrade
Z-Score
%Soll
normal
≥ –1,645
≥ LLN
leicht
< –1,645 bis ≥ –2,5
< LLN bis ≥ 60 % LLN
mittelschwer
< –2,5 bis ≥ –4
< 60 % LLN bis ≥ 40 % LLN
schwer
< –4
< 40 % LLN
Ursachen für eine Verminderung der DLCO sind Erkrankungen mit verminderter Diffusionsfläche wie Lungenresektion, Alveolenverlust durch Pneumonie, Tuberkulose, Atelektasen, Lungenfibrose, Lungenemphysem (im Gegensatz zu Asthma), interstitielle Lungenerkrankungen, Lungenödem sowie Perfusionsstörungen der pulmonalen Kapillaren bei Lungenembolie, pulmonalarterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz oder anatomischer Rechts-Links-Shunt und Ventilations-Perfusions-Verteilungsstörungen. Aufgrund des Einflusses des Hb auf das Bindungsverhalten des CO im Blut führt eine Anämie zu erniedrigten DLCO -Messwerten und eine Polyglobulie oder alveoläre Hämorrhagie zu Erhöhungen der DLCO.
Die Methode hat besondere Bedeutung zur Diagnostik und Verlaufsbeurteilung von fibrosierenden Lungenerkrankungen und zur Frühdetektion des Lungenemphysems.
Atemmuskelfunktionsmessung, Basisdiagnostik
Atemmuskelfunktionsmessung, Basisdiagnostik
Die inspiratorisch wirksame Inspirationsmuskulatur mit ihrem Hauptmuskel Zwerchfell ist im Verbund mit der zentralen Steuerung, dem peripheren Nervensystem und der neuromuskulären Übertragung ein zentraler Bestandteil der Atempumpe, die die Ventilation der Lunge bewirkt. Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, COPD, interstitielle Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus, neuromuskuläre Erkrankungen (Dystrophien, Atrophien), Post-Polio-Syndrom, Guillain-Barré-Syndrom, ALS, Morbus Pompe sowie thorakoabdominelle Dyskonfigurationen wie Kyphoskoliose oder Lungenüberblähung können über eine Schwächung der Atemmuskulatur oder ungünstige atemmechanische Eigenschaften zu einer Insuffizienz der Ventilation führen ([
Abb. 10
]).
Abb. 10 Das ventilatorische System.
Neben der Messung der Last der Atemmuskeln mit dem Mundverschlussdruck P0.1 und P0.1 /Vt /ti ist die Bestimmung der maximalen Atemmuskelkraft durch die Bestimmung des maximalen statischen Inspirationsdrucks (maximaler Mundverschlussdruck: PImax = MIP) bei maximaler forcierter Inspiration von RV gegen verschlossene Atemwege der häufigste Test in der klinischen Routine. Weiterhin kann eine kurze dynamische Inspiration über die Nase erfolgen (sniff nasal pressure; SnPna).
Durch die Kombination von PImax und SnPna kann die Rate falsch diagnostizierter atemmuskulärer Schwäche um 19 % gesenkt werden [10 ]
[11 ], da eine Erkrankung zu pathologischen Messwerten in beiden Tests führt.
Spirometrisch kommt es bei Einschränkungen der Inspirationskraft zur Verminderung der Vitalkapazität (extrapulmonale Restriktion: [
Abb. 6
]).
Analog zur PImax -Messung kann die exspiratorische Kraft gemessen werden, wobei das Manöver von der totalen Lungenkapazität (TLC) beginnt (PEmax = MEP). Zur Abschätzung der Fähigkeit zur Sekretclearance kann der Hustenspitzenstoß (Peak cough flow, PCF) durch maximales Aushusten in ein Peak-Flow-Meter gemessen werden. Die Indikation zum Sekretmanagement ergibt sich bei Werten unterhalb von 270 l/min und dem klinischen Befund ([
Tab. 7
]).
Tab. 7
zeigt ein Beispiel für eine Befundungstabelle mit Normalwerten.
Test
Ergebnis
Alter [Jahre]
Mann [kPa]
Frau [kPa]
P0.1
–
< 0,3
< 0,3
P0,1 × ti/VT
–
< 0,5
< 0,5
PImaxpeak RV
≤ 40
6,2
5,7
> 40–60
5,4
4,9
> 60–80
4,6
4,2
> 80
4,1
3,7
SnPna
–
> 7
> 6
PEmax
–
> 10
> 7
PCF
–
> 270 l/min
Mitarbeit
gut □
mittel □
schlecht □
Beurteilung
inspiratorische Atemmuskelschwäche
□
exspiratorische Atemmuskelschwäche
□
Maßnahme
Zeigen die mitarbeitsabhängigen Standardtests pathologische Werte, sind weitere z. T. technisch aufwendige Untersuchungen indiziert. So kann mithilfe der Sonografie die Zwerchfellmobilität beurteilt und durch EMG und elektromagnetische Stimulationsverfahren mitarbeitsunabhängig die Atemmuskelfunktion gemessen werden. Hier werden aktuell Leitlinien erarbeitet.
Forcierte Oszillometrie/Impulsoszillometrie
Forcierte Oszillometrie/Impulsoszillometrie
Die Oszillometrie ist eine Methode zur Untersuchung oszillometrischer Kenngrößen der Lunge auf Basis extern erzeugter Druck-Strömungs-Signale, die der Spontanatmung des Probanden überlagert werden und auf diese Weise in den Atmungstrakt gelangen [12 ]. Obwohl diese Signale für den Probanden kaum wahrnehmbar sind, ermöglichen sie in der Analyse eine hoch differenzierte Untersuchung des Lunge-Thorax-Systems. Da für die Messung nur Normalatmung verlangt wird, kann die Oszillometrie bei allen Patienten angewandt werden, inklusive derjenigen, die krankheitsbedingt keine Atmungsmanöver durchführen können, und sie schließt die diagnostische Lücke bei Kindern im Vorschulalter.
Zu den wichtigsten Kenngrößen zählen die respiratorische Resistance (Rrs 5 Hz) und die Lungenreactance (Xrs 5 Hz) bei einer Oszillationsfrequenz von 5 Hz. Dabei fasst die respiratorische Resistance sämtliche resistiven Komponenten der extrathorakalen, zentralen und kleinen Atemwege zusammen, während die Lungenreactance die äußere Lungenperipherie repräsentiert ([
Abb. 11
]).
Abb. 11 Charakteristische oszillometrische Spektren von respiratorischer Resistance (Rrs (f) ) und Lungenreactance (Xrs (f) ), bei a ) normaler Lungenfunktion, b ) zentraler Obstruktion der großen Atemwege, c ) Verteilungsstörung bzw. periphere Obstruktion, d ) Restriktion, e ) Stenose in den extrathorakalen Atemwegen.
Die Interpretation der Untersuchungsergebnisse erfolgt anhand von Normwerten, die herstellerspezifisch für das eingesetzte Oszillometriesystem sind und i. d. R. für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr zur Verfügung stehen. Nur wenn sowohl die respiratorische Resistance als auch die Lungenreactance im Normbereich liegen ([
Tab. 8
]), wird oszillometrisch eine normale Lungenfunktion attestiert.
Tab. 8
Angabe der Normbereiche für die respiratorische Resistance (Rrs 5 Hz) und die Lungenreactance (Xrs 5 Hz) in Z-Scores und im Sollwertvergleich.
Rrs 5 Hz
Xrs 5 Hz
Z-Score
%Soll
Z-Score
Xrs 5 Hz Soll – Xrs 5 Hz
normal
≤ 1,645 (ULN)
< 140 %
≤ 1,645 (ULN)
(Xrs 5 Hz Soll – Xrs 5 Hz) < 0,15 kPa × s × l-1
Die Graduierung der oszillometrisch bestimmten pulmonalen Dysfunktion in vier oszillometrische Schweregrade erfolgt auf Grundlage der Klassifizierung nach Winkler [13 ], wobei Rrs 5 Hz und Xrs 5 Hz in Kombination berücksichtigt werden.
Die oszillometrischen Spektren (Frequenzskalen) der respiratorischen Resistance Rrs (f) und der Lungenreactance Xrs (f) erlauben eine weitgehende differenzialdiagnostische Beurteilung des Respirationstrakts. Von besonderer Bedeutung sind die Diagnostik der kleinen, peripheren Atemwege und die zentroperiphere Differenzierung des Lunge-Thorax-Systems.
Der sichere Nachweis einer pulmonalen Restriktion mittels Oszillometrie gelingt ausschließlich bei sehr hohen Krankheitsgraden ([
Abb. 11
]
a und b : Spektralverläufe IV). Die Oszillometrie ist diesbezüglich anderen funktionsanalytischen Methoden unterlegen. Bei Verdacht auf Restriktion ist deshalb die Bestimmung der totalen Lungenkapazität (TLC) obligat.
Zusätzlich stehen sowohl für einen Bronchodilatatortest als auch für eine Bestimmung der Hyperreagibilität im Rahmen einer Provokationstestung [14 ] etablierte Bestimmungswerte zur Verfügung. Diese Untersuchungen erfolgen ebenfalls bei Normalatmung, ohne Beeinflussung des Bronchialtonus durch maximale Atmungsmanöver.
Die Kombination der Oszillometrie mit einer nachfolgenden forcierten Spirometrie führt zu umfangreichen Untersuchungsergebnissen, die sämtliche konventionelle Standards und Vorschriften erfüllen.