Schlüsselwörter
Hospiz - Palliativversorgung - Versorgungsakteure - Befragungsstudie - Gesundheitsnetzwerke
Keywords
Hospice - palliative care - health care providers - survey - health care networks
Einleitung
In der Hospizarbeit und Palliativversorgung arbeiten Menschen aus unterschiedlichen
Berufsgruppen zusammen, um eine ganzheitliche und kontinuierliche Begleitung von
schwerkranken und sterbenden Patient*innen und ihren Angehörigen auf physischer,
psychosozialer und spiritueller Ebene zu gewährleisten [1]. Regionale Hospiz- und
Palliativnetzwerke (RHPN) können die Kooperation der Versorgungsakteure auf
struktureller Ebene fördern und dadurch dazu beitragen, mittelbar die Qualität der
Patientenversorgung zu verbessern [2]
[3]. RHPN können den
Informationsaustausch zwischen den Versorgern optimieren, die Versorgungskontinuität
steigern und Informationsverluste an den Schnittstellen minimieren [4]
[5]. Häufig organisieren RHPN gemeinsame
Fallbesprechungen sowie Fort- und Weiterbildungen, wodurch Kompetenzen erweitert
werden und die Handlungssicherheit der Fachkräfte gesteigert wird [6]
[7]. Das gegenseitige Vertrauen und die
Kooperationsbereitschaft steigen, wenn sich die an der Versorgung beteiligten
Akteure häufiger austauschen. Ein häufiger Austausch kann u. a. dazu führen, dass
psychosoziale und spirituelle Angebote frühzeitiger unterbreitet werden [7].
In Deutschland können RHPN seit 2022 nach § 39d SGB V unter bestimmten Bedingungen
aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung gefördert werden [8]. In jedem Landkreise bzw. jeder
kreisfreien Stadt kann die Netzwerkkoordination mit bis zu 15.000€/jährlich
bezuschusst werden, sofern sich die Kommune in mindestens gleicher Höhe an der
Finanzierung beteiligt [9]. Im Jahr
2023 konnten insgesamt 63 RHPN in Deutschland ermittelt werden, die eine
Netzwerkförderung nach § 39d SGB V erhalten (n=26), beantragt (n=11) oder eine
Antragsstellung für 2024 angestrebt haben (n=26) [10]. Über die hinderlichen und
förderlichen Faktoren der Netzwerkarbeit bei geförderten und nicht-geförderten RHPN
ist bislang wenig bekannt. Ziel dieser Studie ist es, im Rahmen einer bundesweiten
Befragung Herausforderungen und gute Praktiken von RHPN zu identifizieren.
Methodik
Studiendesign
Das HOPAN-Projekt ist eine prospektive, gemischt-methodische Beobachtungsstudie,
die vom Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) finanziert wird
(Förderkennzeichen: 01VSF22042, Laufzeit: 01.01.2023 – 31.12.2024). Ziel ist die
Untersuchung von RHPN in Deutschland mithilfe eines im Projekt entwickelten
Reifegradmodells [11]. Im Rahmen
des HOPAN-Projektes wurde eine Online-Querschnittsbefragung von RHPN in
Deutschland durchgeführt, in der systematisch Herausforderungen und gute
Praktiken der Netzwerkarbeit erhoben wurden. Das methodische Vorgehen wird gemäß
der CROSS-Checkliste für die Darstellung von quantitativen Befragungen berichtet
[12].
Ethikvotum
Das HOPAN-Projekt wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule
Hannover (Nr. 10424_BO_S_2022 vom 20.07.2022) geprüft und als unbedenklich
eingestuft.
Sampling
Es wurde eine Vollerhebung aller RHPN in Deutschland unabhängig von ihrem
Förderstatus angestrebt. Eingeschlossen wurden RHPN, die auf struktureller
Ebene (Care Management) die Vernetzung der Versorgungsakteure in der
Hospizarbeit und Palliativversorgung regional organisieren. Ausgeschlossen
wurden Strukturen, die ausschließlich multiprofessionelle
Versorgungsangebote bereitstellen, ausschließlich in der konkreten
Patientenversorgung tätig sind (Case Management), sowie Netzwerke in der
pädiatrischen Versorgung. Es wurden alle Datensätze ausgeschlossen, bei
denen der Fragebogen vorzeitig abgebrochen wurde.
Datenerhebung
Im Forschungsteam (HR, SvS) wurde auf Grundlage des im Projekt entwickelten
Reifegradmodells [13] und einer
systematischen Literaturrecherche [3] ein Fragebogen entwickelt. Das Reifegradmodell besteht aus den
sechs Dimensionen a) Netzwerkauf- und -ausbau, b) Infrastruktur, c) Moderation,
d) Öffentlichkeitsarbeit und Informationsaustausch, e) Fort- und Weiterbildung
und f) Weiterentwicklung regionaler Versorgungsangebote und -praktiken. Zu jeder
Dimension wurden aus der Literatur und in früheren Projektphasen bekannte
Herausforderungen in geschlossenen Fragen abgefragt sowie in Freitextfeldern die
Möglichkeit zu offenen Antworten gegeben.
Der Fragebogen wurde mit fünf Netzwerkkoordinator*innen getestet, überarbeitet
und anschließend in die Online-Befragungssoftware SoSciSurvey V3.4.22 (SoSci
Survey GmbH, München) überführt. Der finale Fragebogen enthielt auf den ersten
beiden Seiten Informationen zur Studie und zum Datenschutz und konnte erst nach
informierter Einwilligung begonnen werden. Abgefragt wurden insgesamt 111 Items,
davon n=72 zur Netzwerkstruktur, n=27 zur Einordnung in das Reifegradmodell
sowie n=12 zu Herausforderungen und guten Praktiken der Netzwerkarbeit. Die
Fragen zu guten Praktiken der Netzwerkarbeit enthielten sowohl geschlossene
Fragen als auch die Möglichkeit für Freitextantworten.
Die Befragung wurde von 29.11.2023 bis zum 24.01.2024 freigeschaltet. Die
Studieneinladung und der Einladungslink wurden an alle zuvor ermittelten
Netzwerke [10] (insgesamt N=390)
sowie über die E-Mail-Verteiler einschlägiger Fachgesellschaften und -verbände
verschickt. Zu drei Zeitpunkten wurden Erinnerungsmails versandt.
Datenauswertung
Nach Abschluss der Erhebung wurden die Daten entlang der Ein- und
Ausschlusskriterien und auf Plausibilität geprüft. Bei den geschlossenen Fragen
erfolgte die Auswertung der vorgegebenen Antwortoptionen deskriptiv univariat
mit IBM SPSS Statistics Version 28 (SPSS Inc., Chicago, IL, USA). Die
Freitextantworten wurden in die qualitative Datenanalysesoftware MAXQDA (VERBI
GmbH, Berlin) überführt und quantitativ inhaltsanalytisch nach Mayring [14] ausgewertet. Dabei wurde in
einem induktiven Kodierverfahren anhand des Textmaterials ein Kategoriensystem
entwickelt, das intersubjektiv im Forschungsteam überprüft wurde. Die Anzahl der
Textstellen pro Kode wurden ausgegeben, bei weniger gleich drei Textstellen
wurde der Kode unter „Sonstiges“ eingruppiert.
Ergebnisse
Von den insgesamt N=408 aufgerufenen Fragebögen wurden n=70 Fragebögen abgeschlossen.
Nach Plausibilitätsprüfung und begründetem Fallausschluss kamen n=64 Fälle in die
Auswertung. Die eingeschlossenen RHPN wurden zwischen 2001 und 2023 (Md=2014;
SD=7,1) gegründet und verteilen sich auf 12 Bundesländer (siehe [Tab. 1]). Insgesamt 25 von 43
Netzwerken, die über finanzielle Einnahmen verfügen, erhielten zum
Befragungszeitpunkt eine Förderung nach § 39d SGB V.
Tab. 1 RHPN nach Bundesländern
Bundesland
|
Häufigkeit
|
Prozent
|
Baden-Württemberg
|
6
|
9,4
|
Bayern
|
13
|
20,3
|
Brandenburg
|
6
|
9,4
|
Bremen
|
1
|
1,6
|
Hessen
|
3
|
4,7
|
Niedersachsen
|
8
|
12,5
|
Nordrhein-Westfalen
|
18
|
28,1
|
Rheinland-Pfalz
|
2
|
3,1
|
Saarland
|
1
|
1,6
|
Sachsen-Anhalt
|
1
|
1,6
|
Schleswig-Holstein
|
4
|
6,3
|
Thüringen
|
1
|
1,6
|
Gesamt
|
64
|
100,0
|
Im Folgenden werden die identifizierten Herausforderungen und gute Praktiken anhand
der sechs Dimensionen der Netzwerkarbeit vorgestellt.
Netzwerkauf- und -ausbau
Die am häufigsten genannte Herausforderung im Netzwerkauf- und -ausbau (n=27;
42,2%) ist die Gewinnung neuer Netzwerkpartner (NWP). Bei den Freitextantworten
hat sich u. a. gezeigt, dass mangelnde Kooperationsbereitschaft der NWP (n=5;
27,8%), die geringe Bekanntheit des RHPN und hohe Teilnahmeanforderungen
(Mitgliedsbeiträge, Verpflichtungen für NWP) den Beitritt neuer NWP erschweren
können (siehe [Tab. 2]).
Tab. 2 Herausforderungen der Netzwerkarbeit
Herausforderungen
|
|
|
|
Item
|
Netzwerkdimension
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
Mangelnde Bekanntheit des RHPN in der Bevölkerung
|
Öffentlichkeitsarbeit
|
39
|
60,9
|
Unterschiedliche Qualifikationen und Qualitätsstandards der
Netzwerkpartner
|
Weiterentwicklung der Versorgung
|
31
|
48,4
|
Gewinnen neuer Netzwerkpartner
|
Netzwerkauf- und -ausbau
|
27
|
42,2
|
Mangelnde Bekanntheit des RHPN bei Versorgungsakteuren
|
Öffentlichkeitsarbeit
|
27
|
42,2
|
Konkurrenz/Konflikte zwischen den Netzwerkpartnern
|
Netzwerkmoderation
|
24
|
37,5
|
Gewinnen von Teilnehmenden für Fort- und Weiterbildungen
|
Fort- und Weiterbildungen
|
24
|
37,5
|
Fehlendes Verständnis für Mehrwert und Spezifika von RHPN (im
Vergleich zu bestehenden Netzwerkstrukturen)
|
Netzwerkauf- und -ausbau
|
23
|
35,9
|
Unzureichende Verbindlichkeit der Netzwerkpartner
|
Netzwerkmoderation
|
23
|
35,9
|
Zeitliche Befristung und jährliche Antragsstellung für §
39d-Förderung
|
Infrastruktur
|
23
|
35,9
|
Unbekannte Wünsche und Erwartungen der Netzwerkpartner
|
Netzwerkmoderation
|
22
|
34,4
|
Integration des Netzwerks in die bestehenden
Netzwerkstrukturen der Hospizarbeit und
Palliativversorgung
|
Netzwerkauf- und -ausbau
|
21
|
32,8
|
Formalitäten bei der Antragstellung (z. B. Förderung erst
nach unterzeichnetem Arbeitsvertrag mit Koordinator*in)
|
Infrastruktur
|
20
|
31,3
|
Unzureichendes Engagement der Netzwerkpartner
|
Netzwerkmoderation
|
19
|
29,7
|
Wünsche und Bedarfe der Netzwerkpartner nach Fort- und
Weiterbildungen nicht bekannt
|
Fort- und Weiterbildungen
|
16
|
25
|
Stellenumfang für Koordination durch § 39d-Förderung zu
gering
|
Infrastruktur
|
16
|
25
|
Neutralität wahren
|
Netzwerkmoderation
|
15
|
23,4
|
Unzureichende Kompetenz für Öffentlichkeitsarbeit (z. B.
Layout, Social Media)
|
Öffentlichkeitsarbeit
|
15
|
23,4
|
Fehlende Befugnisse/Bereitschaft der Netzwerkpartner, sich
auf gemeinsame Standards/Angebote zu einigen
|
Weiterentwicklung der Versorgung
|
15
|
23,4
|
Unklare Kompetenzen und Aufgabenklärung zwischen Koordination
und Netzwerkpartnern
|
Netzwerkmoderation
|
14
|
21,9
|
Unzureichende Finanzierung der Netzwerkarbeit
|
Infrastruktur
|
14
|
21,9
|
Besetzung der Koordinator*in-Stelle
|
Infrastruktur
|
13
|
20,3
|
Fehlende Befugnis, Fort- und Weiterbildungen selbst
anzubieten
|
Fort- und Weiterbildungen
|
10
|
15,6
|
Keine Klärung gemeinsamer Ziele mit Netzwerkpartnern
|
Netzwerkmoderation
|
9
|
14,1
|
Fehlende Räumlichkeiten für Netzwerktreffen
|
Infrastruktur
|
9
|
14,1
|
Fehlende Unterstützung der Kommune für §
39d-Antragsstellung
|
Infrastruktur
|
7
|
10,9
|
Förderkriterien nach § 39d zu eng
|
Infrastruktur
|
6
|
9,4
|
Einigung auf antragsstellende Struktur in der Region für §
39d-Förderung
|
Infrastruktur
|
5
|
7,8
|
Fehlender/unzureichend ausgestatteter Arbeitsplatz von
Koordinator*in
|
Infrastruktur
|
4
|
6,3
|
Unzureichende Fähigkeiten von Koordinator*in für
Netzwerkarbeit
|
Infrastruktur
|
3
|
4,7
|
1 N=64 (Anzahl aller eingeschlossenen RHPN)
Als hilfreich hat es sich erwiesen, potenzielle NWP persönlich anzusprechen
(n=37; 28,2%), attraktive Angebote des Netzwerks vorzuweisen (n=33; 25,2%) und
wertschätzend, transparent und regelmäßig zu kommunizieren (n=24; 18,3%) (siehe
[Tab. 3]).
Tab. 3 Herausforderungen und gute Praktiken beim
Netzwerkauf- und -ausbau, Freitextantworten
Herausforderungen
|
|
|
Gute Praktiken
|
|
|
Item
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
Mangelnde Kooperationsbereitschaft der NWP
|
5
|
27,8%
|
Persönliche Ansprache neuer NWP
|
37
|
28,2%
|
Sonstiges
|
13
|
72,2%
|
Attraktive Angebote des Netzwerks
|
33
|
25,2%
|
|
|
|
Wertschätzende, transparente und regelmäßige
Kommunikation
|
24
|
18,3%
|
|
|
|
Öffentlichkeitsarbeit
|
15
|
11,5%
|
|
|
|
Kompetente, neutrale und engagierte Netzwerkleitung
|
14
|
10,7%
|
|
|
|
Angemessene Kooperationskriterien für NWP
|
8
|
6,1%
|
Gesamt
|
18
|
100,0%
|
|
131
|
100,0%
|
1 Die Summe der Antworten je Kategorie (Herausforderungen,
Gute Praktiken) entspricht 100%, da Mehrfachantworten möglich waren.
Infrastruktur
Die Herausforderungen auf infrastruktureller Ebene beziehen sich mehrheitlich auf
die finanzielle Förderung nach § 39d SGB V: Hier sehen sich die Befragten häufig
mit der zeitlichen Befristung der Förderperiode und der jährlichen
Antragstellung (n=23; 35,9%) konfrontiert. Die Formalitäten bei der
Antragstellung (n=20; 31,3%), der als zu gering eingeschätzte Stellenumfang der
Koordination (n=16; 25%) und damit verbundene Schwierigkeiten bei der Besetzung
der Koordinationsstelle (n=13; 20,3%) stellen weitere Hürden dar (siehe [Tab. 2]). Dagegen hat sich die
Zusammenarbeit mit der Kommune und überregionalen Strukturen (Hospiz- und
Palliativverbänden, Landeskoordinierungsstellen) bei einigen RHPN (n=11; 25,6%)
als gute Praxis herausgestellt (siehe [Tab. 4]).
Tab. 4 Herausforderungen und gute Praktiken der
Netzwerkinfrastruktur, Freitextantworten
Herausforderungen
|
|
|
Gute Praktiken
|
|
|
Item
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
Herausfordernde Förderbedingungen nach § 39d SGB V
|
15
|
83,3%
|
Zusammenarbeit mit Kommune und überregionalen Strukturen
|
11
|
25,6%
|
Sonstiges
|
3
|
16,7%
|
Wertschätzende, transparente und regelmäßige
Kommunikation
|
7
|
16,3%
|
|
|
|
Proaktive und persönliche Ansprache neuer NWP
|
6
|
14,0%
|
|
|
|
Regelmäßige Netzwerktreffen
|
5
|
11,6%
|
|
|
|
Sonstiges
|
14
|
32,6%
|
Summe
|
18
|
100,0%
|
|
43
|
100,0%
|
1 Die Summe der Antworten je Kategorie (Herausforderungen,
Gute Praktiken) entspricht 100%, da Mehrfachantworten möglich waren.
Netzwerkmoderation
Im Bereich der Netzwerkmoderation werden insgesamt die meisten Herausforderungen
gesehen: Sie reichen von der Konkurrenz bzw. Konflikten (n=24; 37,5%) zwischen
den Leistungserbringern über die unzureichende Verbindlichkeit (n=23; 35,9%) bis
zu unbekannten Wünschen und Erwartungen der NWP (n=22; 34,4%) (siehe [Tab. 2]). Als gute Praxis wird in
erster Linie eine wertschätzende, transparente und regelmäßige Kommunikation
genannt (n=41; 50,6%) (siehe [Tab.
5]). Als weitere gute Praktiken gelten u. a. eine Rollenklärung im
Netzwerk, wechselnde Moderator*innen von Netzwerktreffen und fachliche
Vorträge.
Tab. 5 Herausforderungen und gute Praktiken bei der
Netzwerkmoderation, Freitextantworten
Herausforderungen
|
|
|
Gute Praktiken
|
|
|
Item
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
Mangelnde Verbindlichkeit der NWP
|
4
|
40,0%
|
Wertschätzende, transparente und regelmäßige
Kommunikation
|
41
|
50,6%
|
Sonstiges
|
6
|
60,0%
|
Bedarfsabfrage und Zielklärung mit NWP
|
13
|
16,0%
|
|
|
|
Direkte Kommunikation mit einzelnen NWP
|
9
|
11,1%
|
|
|
|
Neutralität wahren
|
5
|
6,2%
|
|
|
|
Sonstiges
|
13
|
16,0%
|
Gesamt
|
10
|
100,0%
|
|
81
|
100,0%
|
1 Die Summe der Antworten je Kategorie (Herausforderungen,
Gute Praktiken) entspricht 100%, da Mehrfachantworten möglich waren.
Öffentlichkeitsarbeit und Informationsaustausch
Die öffentliche Bekanntheit von RHPN in der Bevölkerung wird von 60,9% (n=39) der
Befragten als Herausforderung wahrgenommen, während 42,2% (n=27) der Befragten
eine unzureichende Bekanntheit des RHPN bei den Versorgungsakteuren
problematisieren. Weiteren 23,4% (n=15) der Befragten fehlt es an Kompetenzen
für Öffentlichkeitsarbeit im Netzwerk (siehe [Tab. 2]). Oft genannte gute
Praktiken bestehen darin, die Kanäle der NWP (z. B. Newsletter, Pressekontakte)
zu nutzen um öffentliche Informationen zu verbreiten (n=9; 26,5%) und direkte
Kontakte zur lokalen Presse zu pflegen (n=7; 20,6%) (siehe [Tab. 6]).
Tab. 6 Herausforderungen und gute Praktiken bei
Öffentlichkeitsarbeit und Informationsaustausch,
Freitextantworten
Herausforderungen
|
|
|
Gute Praktiken
|
|
|
Item
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
Geringe Resonanz der Presse auf Öffentlichkeitsarbeit
|
5
|
35,7%
|
Informationen über NWP und deren Netzwerke verbreiten
|
9
|
26,5%
|
Unzureichende finanzielle Mittel
|
4
|
28,6%
|
Kontakte zur Presse
|
7
|
20,6%
|
Sonstiges
|
5
|
35,7%
|
Regelmäßige Veranstaltungen anbieten
|
6
|
17,6%
|
|
|
|
Sonstiges
|
12
|
35,3%
|
Summe
|
14
|
100,0%
|
|
34
|
100,0%
|
1 Die Summe der Antworten je Kategorie (Herausforderungen,
Gute Praktiken) entspricht 100%, da Mehrfachantworten möglich waren.
Fort- und Weiterbildungen
Die Gewinnung von Teilnehmenden für Fort- und Weiterbildungen stellt ein häufiges
Problem für RHPN dar (n=24; 37,5%). In 25% der Fälle (n=16) sind mögliche
Wünsche und Bedarfe der NWP hinsichtlich Fort- und Weiterbildungen unbekannt und
es fehlt 15,6% (n=10) die Befugnis entsprechende Veranstaltungen selbst zu
organisieren (siehe [Tab.
2]).
Die Abfrage von Fortbildungsbedarfen und die entsprechende Anpassung des Angebots
haben sich in vielen RHPN als gute Praxis erwiesen (n=28; 38,9%). Bei der Suche
geeigneter Räumlichkeiten und Referent*innen kann der Aufbau von Ressourcenpools
hilfreich sein (n=12; 16,7%). Unter den sonstigen guten Praktiken finden sich
u. a. Teilnahmenachweise und Weiterbildungspunkte (z. B. für Ärzt*innen) (siehe
[Tab. 7]).
Tab. 7 Herausforderungen und gute Praktiken bei Fort- und
Weiterbildungen, Freitextantworten
Herausforderungen
|
|
|
Gute Praktiken
|
|
|
Item
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
Zu wenig Teilnehmende
|
8
|
40,0%
|
Bedarfe abfragen und entsprechende Angebote machen
|
28
|
38,9%
|
Fort- und Weiterbildungen haben keine Priorität
|
5
|
25,0%
|
Ressourcenpools aufbauen
|
12
|
16,7%
|
Sonstiges
|
7
|
35,0%
|
Hochwertige Fort- und Weiterbildungsangebote
|
6
|
8,3%
|
|
|
|
Kooperation mit Weiterbildungsinstitut/Netzwerken
|
6
|
8,3%
|
|
|
|
Niedrigschwellige Teilnahme ermöglichen
|
5
|
6,9%
|
|
|
|
Bewerbung von Fort- und Weiterbildungsangeboten
|
5
|
6,9%
|
|
|
|
Regelmäßigkeit der Angebote
|
5
|
6,9%
|
|
|
|
Sonstiges
|
5
|
6,9%
|
|
20
|
100,0%
|
|
72
|
100,0%
|
1 Die Summe der Antworten je Kategorie (Herausforderungen,
Gute Praktiken) entspricht 100%, da Mehrfachantworten möglich waren.
Weiterentwicklung regionaler Versorgungsangebote und -praktiken
Unterschiedliche Qualifikationen und Qualitätsstandards der NWP werden von 48,4%
(n=31) der Befragten als Herausforderung bei der Weiterentwicklung regionaler
Versorgungsangebote und -praktiken gesehen. Oft fehlen Befugnisse oder die
Bereitschaft der NWP, sich auf gemeinsame Standards zu verständigen (n=15;
23,4%) (siehe [Tab. 2]).
Als förderlich hat sich erwiesen, die Bedarfe der NWP hinsichtlich gemeinsam zu
entwickelnder Versorgungsangebote und -praktiken abzufragen (n=15; 45,5%) und
mit der Kommune zusammenzuarbeiten (n=4; 12,1%) (siehe [Tab. 8]).
Tab. 8 Herausforderungen und gute Praktiken bei der
Weiterentwicklung der Versorgungsangebote und -praktiken,
Freitextantworten
Herausforderungen
|
|
|
Gute Praktiken
|
|
|
Item
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
|
Anzahl
|
Prozent
1
|
Gemeinsame Versorgungs-standards haben keine Priorität
|
10
|
58,8%
|
Bedarfe abfragen
|
15
|
45,5%
|
Keine Einigung auf gemeinsame Vorhaben
|
4
|
23,5%
|
Zusammenarbeit mit der Kommune
|
4
|
12,1%
|
Sonstiges
|
3
|
17,6%
|
Initiative ergreifen
|
4
|
12,1%
|
|
|
|
Sonstiges
|
10
|
30,3%
|
Summe
|
17
|
100,0%
|
|
33
|
100,0%
|
1 Die Summe der Antworten je Kategorie (Herausforderungen,
Gute Praktiken) entspricht 100%, da Mehrfachantworten möglich waren.
Diskussion
Unsere Studie präsentiert erstmals quantitative Daten zu Herausforderungen und guten
Praktiken von RHPN in Deutschland, strukturiert nach sechs Dimensionen der
Netzwerkarbeit.
Herausfordernde Förderbedingungen nach § 39d SGB V
Zahlreiche Herausforderungen und gute Praktiken beziehen sich auf Probleme in der
Frühphase der Netzwerkarbeit, wie beispielsweise auf den Netzwerkauf- und
-ausbau, die Bereitstellung der Infrastruktur und die Klärung von Rollen und
Erwartungen. Die 2022 neu eingeführte Fördermöglichkeit für die Koordination von
RHPN nach § 39d SGB V scheint die Neugründung entsprechender Strukturen zu
fördern [10]. Allerdings sind die
Förderbedingungen und die Antragsstellungen selbst mit zahlreichen Hürden
verbunden [9]. Die Tatsache, dass
die Versorgungsakteure in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander und manchmal
miteinander in Konflikt stehen, kann die Antragsstellung und die
Netzwerkmoderation erschweren. Aus der Literatur ist bekannt, dass Kooperationen
im marktförmig organisierten Gesundheitswesen anspruchsvoll sind, ein hohes Maß
an gegenseitigem Vertrauen voraussetzen und für jeden NWP einen Mehrwert
generieren sollten [15]. Unsere
Studie zeigt, dass eine transparente, wertschätzende und einladende
Kommunikation hierfür zuträglich sein können.
Darüber hinaus stellen die Formalitäten der Antragsstellung jedes dritte RHPN vor
Herausforderungen. Hier könnte sich die Zusammenarbeit mit anderen RHPN,
Fachverbänden, Landeskoordinierungsstellen und die Unterstützung durch die neu
entstehenden überregionalen Beratungsstellen für RHPN als förderlich erweisen
[16].
Die zeitliche Befristung der Förderperiode und die Notwendigkeit einer jährlichen
Antragsstellung bedeuten für RHPN einen hohen administrativen Aufwand. Bei
erfolgreicher Antragsstellung kann die jährliche Befristung der Förderung oft
mit einem befristeten Arbeitsvertrag für die Koordination einhergehen, was die
Attraktivität der Stelle reduziert und bei jedem fünften RHPN die Suche nach
qualifiziertem Personal erschwert.
Persönlicher Kontakt und wertschätzende Kommunikation schaffen Vertrauen und
Kooperationsbereitschaft
In einer Studie über RHPN in Bayern wurden der direkte persönliche Kontakt und
die Zusammenarbeit auf Augenhöhe als wichtige Förderfaktoren für die
Kommunikation und den Informationsaustausch identifiziert [17]. Unsere Ergebnisse bestätigen
diesen Befund und spezifizieren die Handlungsfelder, in denen sich diese
Eigenschaften förderlich auswirken. So zeigt sich, dass die individuelle
Einladung zum Kennenlernen des Netzwerks und das persönliche Gespräch mit den
handelnden Personen vor allem bei der Gewinnung neuer NWP von großer Bedeutung
sein können und die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit erhöhen. Ambivalent
werden in diesem Zusammenhang die Netzwerkanforderungen bewertet. Hohe
Anforderungen (z. B. Mitgliedsbeiträge, verpflichtende Teilnahme an Treffen oder
Mitarbeit in Arbeitsgruppen, aufwändiges Aufnahmeverfahren) können einerseits
die Gewinnung neuer NWP erschweren während sie andererseits ein produktives
Arbeiten mit hoher Verbindlichkeit ermöglichen.
Die Kommunikation im Netzwerk kann von gleichberechtigtem Austausch und einer
Zusammenarbeit auf Augenhöhe profitieren, was insbesondere die Zusammenarbeit
zwischen den verschiedenen Berufsgruppen, Haupt- und Ehrenamtlichen betrifft
[17]. Auch in unserer Studie
wird eine wertschätzende, transparente und regelmäßige Kommunikation als gute
Praxis der Netzwerkmoderation identifiziert. Allerdings wird die Kommunikation
stärker mit der Wahrung von Neutralität und der Gleichbehandlung aller NWP in
Verbindung gebracht. Hintergrund könnte sein, dass Koordinator*innen der nach §
39d geförderten RHPN oft bei einem Versorgungsakteur angestellt sind und dadurch
ein Interessenkonflikt vermutet wird. Auch aufgrund der komplexen
Interessenlagen in RHPN stehen Koordinator*innen vor der Herausforderung,
gemeinsame Netzwerkziele zu identifizieren und sich in der alltäglichen Arbeit
nicht von einzelnen Versorgungsakteuren für individuelle Interessen
instrumentalisieren zu lassen [18].
Fort- und Weiterbildungen und gemeinsame Versorgungsstandards erfordern hohes
Engagement der Netzwerkpartner
In der Förderrichtlinie des GKV-Spitzenverbands zu RHPN und in einer Befragung
von Netzwerkkoordinator*innen in Deutschland wird die Initiierung von
interdisziplinären Fort- und Weiterbildungen und die Weiterentwicklung der
Versorgungsangebote als Aufgaben der RHPN formuliert [9]
[13]. Unsere Ergebnisse zeigen, dass
viele RHPN nicht über die hierfür notwendigen Ressourcen und Kompetenzen
verfügen. Um hochwertige Fort- und Weiterbildungsangebote zu möglichst niedrigen
Kosten anzubieten, können Räume und Referent*innen der NWP genutzt,
Kooperationen mit Fort- und Weiterbildungseinrichtungen eingegangen und die
Zusammenarbeit mit der Kommune gesucht werden. Fort- und Weiterbildungen und
gemeinsame Versorgungsstandards scheinen für viele RHPN aktuell kein
priorisiertes Handlungsfeld zu sein, was darauf hindeutet, dass RHPN in
Deutschland derzeit mehrheitlich als Informationsnetzwerke agieren [19]. Inwieweit RHPN die Qualität
und die Angebote der Hospizarbeit und Palliativversorgung verbessern können,
dürfte neben der Netzwerkinfrastruktur und der Netzwerkmoderation vor allem von
den NWP und ihrer Bereitschaft zur verbindlichen Mitarbeit abhängen. Angesichts
des Fachkräfte- und Ressourcenmangels im Gesundheitswesen ist hier aber eine
vorsichtige Erwartungshaltung angebracht [20].
Limitationen und Stärken
Die Datenerhebung erfolgte bei den Herausforderungen über geschlossene Fragen und
Freitextantworten und bei den guten Praktiken ausschließlich über
Freitextantworten. Da die Antwortrate bei geschlossenen Fragen in
Befragungsstudien tendenziell höher ist, können diese Ergebnisse nicht
gleichwertig miteinander verglichen werden. Eine Stärke der Studie ist die hohe
Beteiligung und die Heterogenität der eingeschlossenen RHPN hinsichtlich ihrer
räumlichen Verteilung, ihres Gründungsjahres und ihres Förderstatus. Es kann
davon ausgegangen werden, dass die identifizierten Herausforderungen und guten
Praktiken unterschiedliche Entwicklungsstadien von RHPN reflektieren.
RHPN befinden sich vielerorts noch in einer Implementierungsphase. Unsere
Studie legt nahe, dass zahlreiche RHPN vor ähnlichen Herausforderungen
stehen und vielfältige Erfahrungen mit guten Praktiken gemacht haben. Der
Austausch zwischen den RHPN könnte auf überregionaler Ebene (z. B. durch
Fachtage, Workshops) gefördert werden, um einen nachhaltigen Lernprozess zu
ermöglichen.
Registrierung
Das Gesamtprojekt HOPAN ist im Deutschen Register Klinischer Studien registriert
(DRKS00030629).
Ethik
Ein positives Ethikvotum (Ethikvotum Nr. 10424_BO_S_2022 vom 20.07.2022) für das
Gesamtprojekt HOPAN wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule
Hannover erteilt.
Fundref Information
Gemeinsame Bundesausschuss — http://dx.doi.org/10.13039/501100014840; 01VSF22042