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DOI: 10.1055/a-2453-5799
Vom Trauern der Männer
In diesem Praxisbuch für eine genderbewusste Trauerbegleitung beschreiben die Autoren kreative Herangehensweisen und Methoden für die Begleitung von Männern in Trauer. Zielgruppe des Buches sind alle an der Trauerbegleitung beteiligten Menschen, aber auch Trauernde selbst, Männer wie Frauen. Mit Blick auf eine breitgefächerte Literatur zum Thema Trauer entwickeln Mucksch und Roser anschauliche Ansätze, die durch den Bezug zum Thema Trauer bei Männern einen besonderen Fokus haben: autobiografisch, authentisch, anregend und informierend.
Im ersten Teil des Buches führen die Autoren in den Forschungsstand zum Thema Trauer und Geschlechtsbezug (Gender) ein. Highlight des ersten wissenschaftlich fundierenden Teils ist ein Interview mit Kenneth J. Doka. Dabei folgen Mucksch und Roser dem nordamerikanischen Altersforscher, Psychologen und Trauerforscher Doka hin zu einem Konzept der Distanzierung von Genderstereotypisierungen. Trauer wird als individueller Trauerweg eingeführt, der unterschiedliche Muster aufweisen kann. Doka unterscheidet „intuitive“ von „instrumenteller“ Trauer. Die „intuitive“ kann auch als mehr „gefühlsbasierte“, die „instrumentelle“ auch als stärker durch Aktivität und Rationalität gefärbte Trauer begriffen werden. Im direkten Interview mit Doka räumt dieser ein, dass viele Aspekte die individuelle Trauer beeinflussen können, auch das Geschlecht, Nationalität, Religiosität und vieles mehr. Gleichzeitig finden die Autoren mit Doka auch zu Schwachstellen früherer Trauerforschung, die meist mit älteren Witwen durchgeführt wurde, was als wesentlicher Bias zu berücksichtigen ist. Gemeinsam wird auch auf Persönlichkeitsveränderungen und psychische Komorbiditäten wie die Entwicklung einer Depression bei trauernden Menschen hingewiesen. Die Forschungsbezüge adressieren spannende Details möglicher kognitiver Veränderungen in der Trauer, die Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Stereotypen sowie Körperlichkeit und Trauererleben – vom Thema „Tattooing“ bis zum Trauerpilgern. Hier und im Verlauf des Buches nehmen die Autoren erfrischend überraschend Bezug zu bekannten oder weniger bekannten Filmen und später insbesondere Musikstücken, die für die Leserinnen und Leser hilfreiche Inspiration sein können. Im zweiten Teil des Buches lassen die Autoren Mucksch und Roser andere und sich selbst zu Wort kommen mit teils autobiografischen Fallbeispielen. Hier entwickelt das Buch eine besondere atmosphärische und emotionale Dichte. Fallbeispiele sind keine Menschen! Dennoch skizzieren die vorgestellten Situationen unterschiedliche Wege durch die Trauer, die lang oder kürzer sein mögen, immer aber als lehrreiche Klischee-Brüche gezeigt werden. Im dritten Teil des Buches führen die Autoren hin zu einem kreativen Begleiten von Trauer. Lyrische Texte von Erich Fried, expressive Bilder etwa von van Gogh, Songtexte von Eric Clapton bis Herbert Grönemeyer und filmische Impulse geben praktische und wertvolle Anregungen zur Auseinandersetzung mit dem individuellen Trauerprozess.
Auf 168 Seiten mit 4 Abbildungen (3 davon in Farbe) erhalten die Leserinnen und Leser in 3 Hauptkapiteln mit zahlreichen Unterkapiteln tiefe und oft intime Einblicke, die von der auf das Thema fokussierten Forschung hin zu kreativen Ansätzen in der (eigenen) Trauerbegleitung führen. Das Layout, die Gliederung und Sprache sind einladend und sehr gut verständlich. Wenn Sie wirklich erfahren möchten, wie und ob Männer tatsächlich „anders“ trauern, kann ich Ihnen das Buch von Mucksch und Roser nur wärmstens empfehlen.
Roman Rolke, Aachen
Publication History
Article published online:
03 January 2025
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