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DOI: 10.1055/a-2459-8599
Kommentar zu den neuen „Lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen für Deutschland“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)
Comment on the New Food-Related Dietary Recommendations of the German Society of Nutrition (DGE)- Zusammenfassung
- Abstract
- Ziel, Methodik und Zielgruppe der neuen Empfehlungen
- Die neuen FBDG der DGE
- Fachliche Kritik an den neuen FBDG
- Kritik anderer Fachgesellschaften
- Fazit
- Literatur
Zusammenfassung
In den neuen lebensmittelbezogenen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für gesunde Erwachsene vom März 2024 sollten durch ein mathematisches Optimierungsmodell drei Ziele kombiniert erreicht werden: 1. Minimierung der Abweichungen vom üblichen Verzehr (40% Gewichtung), 2. Minimierung der Umweltlast (30% Gewichtung) und 3. Minimierung der Krankheitslast bei gleichzeitiger Deckung der Nährstoffzufuhr (30% Gewichtung). Methodische Kritik betrifft die nicht evidenzbasierte niedrige Gewichtung gesundheitsbezogener Aspekte des angewendeten Computermodells für nationale Ernährungsempfehlungen. Im Einzelnen werden die aktuellen mit den letzten Empfehlungen der DGE verglichen, mit den Daten der Nationalen Verzehrstudie II (NVS II), mit aktuellem Konsum sowie mit der Planetary Health Diet (PHD). Vor allem aufgrund der ohne Evidenz sehr ungünstig veränderten Anteile von Eiweiß und Fett (deutlich reduziert) sowie Kohlenhydraten (deutlich gesteigert) ist die Begründbarkeit etlicher Einzelempfehlungen fragwürdig. In Übereinstimmung mit der Deutschen Akademie für Präventivmedizin (DAPM) urteilen die Autor*innen, dass eine nationale Ernährungsgesellschaft wie die DGE in erster Linie die Gesunderhaltung durch Ernährung im Fokus haben sollte, gerade wegen der mehrheitlich mit Risiken belasteten Menschen in Deutschland. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf, die Ernährungsempfehlungen anhand evidenzbasierter und aktueller Studienergebnisse zu überarbeiten.
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Abstract
In March 2024, the German Society of Nutrition (DGE) reissued food-related dietary recommendations for healthy adults. A mathematical optimization model was used for the combined achievement of the following three goals: 1. minimizing the deviation from normal consumption (40% weighting), 2. minimizing the environmental burden (30% weighting) and 3. minimizing the burden of disease while also maintaining sufficient nutrient intake (30% weighting). Overall, methodological criticism concerns the applied optimization model without evidence-based reason for the low weighting of health items for national dietary recommendations. The current recommendations by the DGE are compared in detail with their previous ones, with data from the National Intake Survey II (NVS II), with actual consumption and with the Planetary Health Diet (PHD). The unfavorable changes in the main nutrient groups protein and fat (relevantly reduced) and carbohydrates (relevantly increased) lack evidence and lead to scrutinizing a number of specific recommendations as to their underlying rationale. In agreement with the German Academy for Preventive Medicine (DAPM), the authors conclude that a national society of nutrition should primarily focus on health maintenance through nutrition, particularly as a majority of citizens are already at risk in Germany. Accordingly, there is an urgent need for action to revise the dietary recommendations by basing them on up-to-date, evidence-based study results.
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Ziel, Methodik und Zielgruppe der neuen Empfehlungen
Die bisherigen lebensmittelbezogenen Empfehlungen für gesunde Erwachsene wurden von der DGE aktuell überarbeitet mit dem Ziel, neben einer bedarfsdeckenden Nährstoffversorgung (die bislang im Mittelpunkt stand) auch die Risikoreduzierung für „chronische ernährungsmitbedingte Erkrankungen“ sowie die „Umweltauswirkungen der derzeitigen Ernährungssysteme“ zu berücksichtigen. Zur Umsetzung wurde von der DGE-Arbeitsgruppe Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen ein mathematisches Optimierungsmodell ausgewählt, das folgende Ziele simultan erreichen sollte [1]:
-
Abweichungen vom üblichen Verzehr minimieren (mit einer Gewichtung von 40%)
-
die Umweltlast minimieren/reduzieren (mit einer Gewichtung von 30%)
-
die Krankheitslast minimieren/reduzieren (mit einer Gewichtung von 30%)
Die Optimierungsergebnisse („optimierter Verzehr“) wurden zur Grundlage der neuen lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen (FBDG=Food Based Dietary Guidelines) für gesunde, sich omnivor ernährende Erwachsene (18–65 Jahre) mit einem Energiebedarf von ca. 2.000 kcal/Tag. Für andere Zielgruppen sind später FBDG geplant. In das mathematische Optimierungsmodell flossen ein [1]:
-
der in Deutschland von 2005 bis 2007 beobachtete Verzehr anhand der Nationalen Verzehrstudie II (NVS II) von ca. 20.000 Erwachsenen (modifizierte Diet-History-Fragebögen, Verzehr der letzten vier Wochen) [2].
-
Die Aufteilung der Lebensmittel in 18 Gruppen anhand des Bundeslebensmittelschlüssels (BLS, Version 3.02).
-
Korrelationen zwischen dem Verzehr bestimmter Lebensmittel und chronischen, ernährungsmitbedingten Erkrankungen, gemäß den DALYs (Disability Adjusted Life Years) der Global Burden of Disease Studie (GBD) 2017 [3] und einer Meta-Analyse [4].
-
die Umwelteinflüsse „Treibhausgasemissionen“ und „Landnutzung“ anhand europäischer Ökobilanzdaten [5].
-
agronomische Abhängigkeiten in Form sogenannter „Koppelprodukte“: So führt der Konsum von Milch über die Haltung von Kühen zu gewissen Mengen an Rindfleisch, die Verarbeitung der Milch auch zu Butter und der Verzehr von Fleisch zu Teilstücken, die zu Wurst verarbeitet dabei helfen, den gesamten Tierkörper zu verwerten.
-
eine Deckelung der Verzehrmengen zur Vermeidung unrealistisch großer Portionen.
-
die Erfüllung zuvor von der DGE festgelegter Nährstoffziele ([Tab. 1]), die interessanterweise für Kohlenhydrate keinerlei Vorgaben enthalten.
Nährstoff |
Untergrenze |
Obergrenze |
Nährstoff |
Untergrenze |
Obergrenze |
---|---|---|---|---|---|
Fett (En%) |
– |
40 |
Kohlenhydrate (En%) |
– |
– |
GFS (En%) |
– |
10 |
freie Zucker (En%) |
– |
10 |
EUFS (En%) |
10 |
– |
Ballaststoffe (g/d) |
30 |
– |
MUFS (En%) |
7 |
10 |
Vitamin A (RAE μg/d) |
776 |
– |
Linolsäure (En%) |
2,5 |
– |
Vitamin D (μg/d) |
–1 |
100 |
α-Linolensäure (En%) |
0,5 |
– |
Kalzium (mg/d) |
1000 |
2500 |
EPA & DHA (mg/d) |
250 |
– |
Eisen (mg/d) |
152 |
– |
Cholesterin (mg/d) |
– |
300 |
Jod (μg/d) |
–1 |
600 |
Protein (g/d) |
52 |
– |
Wasser (ml/d) |
2156 |
– |
1 Ausschluss wg. ungenügender Daten; 2 Wert für Frauen anstelle des Durchschnittswertes; GFS: gesättigte Fettsäuren, EUFS: einfach ungesättigte Fettsäuren, MUFS: mehrfach ungesättigte Fettsäuren, EPA: Eicosapentaensäure, DHA: Docosahexaensäure, RAE: Retinoläquivalente; Quelle: Auszüge, modifiziert nach [6].
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Die neuen FBDG der DGE
Von den 10 Modellvarianten der Computeroptimierung wurde die Variante 3 für die neuen FBDG zugrunde gelegt [6]: Sie „erlaubt“ einen Fleisch- und Wurstkonsum von bis zu 300 g pro Woche, der Untergrenze der vorherigen DGE-Empfehlung [7] ([Tab. 2]). Die Nähe zum bisherigen Verzehr laut NVS II erhielt mit 40% die stärkste Gewichtung. Umweltaspekte und die Sicherung der Nährstoffziele ([Tab. 1]) gingen mit jeweils 30% Gewichtung in die Optimierung ein [1].
FBDG 2024 [1] (bezogen auf 2.029 kcal/Tag) |
vorherige DGE-Empfehlungen [7] (bezogen auf 1.600–2.400 kcal/Tag) |
||||
---|---|---|---|---|---|
Lebensmittelgruppe |
Portion in g |
Menge und Zeitbezug |
errechnete tägliche Menge |
errechnete tägliche Menge |
Menge und Zeitbezug |
Getreide, Brot, Nudeln1 davon mindestens 1/3 Vollkorn |
60 |
5 Portionen/Tag |
300 g |
200–300 g Getreide(produkte) |
täglich |
Kartoffeln |
250 |
1 Portion/Woche |
36 g |
||
Obst |
110 |
5 Portionen/Tag ohne Differenzierung |
550 g |
225 g und mehr |
2 Portionen Obst und 3 Portionen Gemüse täglich |
Gemüse |
400 g und mehr |
||||
Säfte |
200 |
2 Glas/Woche |
57 g |
||
Hülsenfrüchte |
125 |
1 Portion (frisch2)/Woche |
18 g |
bei Gemüse inkludiert |
|
Nüsse und Samen |
25 |
1 Portion/Tag |
25 g |
25 g |
täglich |
Pflanzliche Öle |
10 |
1 Esslöffel/Tag |
10 g |
10–15 g hochwertiges Öl |
täglich |
Butter und Margarine |
10 |
1 Esslöffel/Tag |
10 g |
15–30 g |
täglich |
Milch und |
2503 |
2 Portionen/Tag |
500 g |
200–250 g Milch/Joghurt |
3 Portionen/Tag |
Milchprodukte |
50–60 g Käse |
||||
Eier |
60 |
1 Stück/Woche |
8 g |
unter 25 g |
bis zu 3 Stück/Woche |
Fisch |
120 |
2 Portionen/Woche |
30 g |
21–31 g |
80–150 g fettarmer und 70 g fettreicher Seefisch/Woche |
Fleisch (Geflügel, Schwein, Rind) |
120 |
2 Portionen/Woche |
34 g |
43–80 g Fleisch und Wurst |
|
& Wurst |
30 |
2 Scheiben/Woche |
8 g |
||
Getränke |
1.500 ml |
mindestens 1,5 l täglich |
1 eine Scheibe Brot/eine Portion Getreideflocken=60 g, eine Portion Nudeln/Reis (ungekocht)=120 g, 2. Zur Umrechnung von getrockneten Hülsenfrüchten in Frischgewicht gilt der Faktor 1,8, 3 250 g pro Portion=Milch als Getränk. Die Umrechnung in Milchäquivalente erfolgte der NSV II entsprechend: eine Portion Milchprodukte=eine Scheibe Käse (30 g) oder eine Portion Joghurt (150 g); Quellen: modifiziert und berechnet für FBDG [1] und vorherige Empfehlungen [7].
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Fachliche Kritik an den neuen FBDG
Die Schlagzeilen zu den neuen FBDG der DGE bezogen sich zumeist darauf, dass nur noch 1 Ei wöchentlich „erlaubt“ sei. Die Validität der Methodik (mathematische Optimierung) und die hohe Gewichtung der Aspekte Umwelt und üblicher Verzehr erfuhren dagegen kaum kritische Aufmerksamkeit. Wir bezweifeln jedoch, dass es möglich ist, per Computeroptimierung sinnvolle Ernährungsempfehlungen für alle Menschen eines Landes zu formulieren, unabhängig von Geschlecht, Alter und körperlicher Tätigkeit, zumal ein Computerprogramm nicht klüger sein kann als derjenige, der es programmiert hat. Solche Programme bergen das Risiko von undurchsichtig bzw. nicht evidenzbasiert herbeigeführten Ergebnissen.
Die wichtigsten Kritikpunkte:
-
Wir stellen die Höherbewertung „üblicher Verzehrmengen“ sowie die Gleichbewertung von Umwelt mit Gesundheit (Nährstoffziele erreichen und DALY-Verluste reduzieren/minimieren) grundsätzlich infrage, denn wir sehen dafür keine wissenschaftliche Evidenz.
-
Die der Optimierung zugrunde liegenden Ökobilanzdaten sind noch lückenhaft, was die DGE selbst konstatiert: z. B. ist der Frischwasserverbrauch nicht berücksichtigt [1], steigt aber mit dem Anteil an pflanzlicher Nahrung stark an, ganz besonders bei Pflanzen aus dem Ausland oder aus hiesigen bewässerten Kulturen. So führt die von der DGE gewünschte Steigerung des derzeitigen Anteils von 68% auf 75% nicht automatisch zu positiverer Ökobilanz der Ernährung [8].
-
Die Aspekte Qualität bzw. Nachhaltigkeit der Lebensmittel sind gar nicht bewertet: z. B. Wildfleisch aus heimischer (lokaler) Jagd versus Schweinefleisch aus Masthaltung mit Sojaschrot aus Brasilien, eine Forelle aus heimischer Fischzucht versus importiertem Viktoriabarsch, Weidetierhaltung auf anderweitig nicht nutzbarer Landfläche, also dort die einzige Möglichkeit zur nachhaltigen Nahrungsproduktion [9]. Auch fehlen Regionalität und Saisonalität in der Beurteilung „Obst und Gemüse“ mit deren sonst durch Kühlhauslagerung verschlechterten Ökobilanz.
-
Die hohe Empfehlung von 300 g Getreideprodukten bei nur 2.029 kcal täglicher Energieaufnahme führt zusammen mit den empfohlenen Obst- und Saftmengen zu einem Anteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr von rund 57%, bei Hinzurechnung der empfohlenen Kartoffeln und Hülsenfrüchte auf über 60 Energie%. Damit liegt die DGE – ohne nachvollziehbaren ernährungsphysiologischen Grund – hinsichtlich der Kohlenhydratmenge deutlich über den Vorgaben der Planetary Health Diet (PHD) der EAT-Lancet Kommission für 2.500 kcal/Tag ([Tab. 3]) [10]. Dies ist besorgniserregend, immerhin sind Übergewicht/Adipositas und Insulinresistenz in Deutschland weit verbreitet [11]. Hohe Kohlenhydratzufuhren sind, im Gegensatz zu Fetten, mit einer gesteigerten Gesamtmortalität assoziiert [12] und global hohe glykämische Indizes mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität und mit mehr Herz-Kreislauf-Ereignissen [13]. Angesichts der Gesundheitssituation in Deutschland und ohne Berücksichtigung der Lebensmittelqualität (v. a. Grad der Verarbeitung, glykämischer Index, glykämische Last) erscheinen insbesondere die Getreideempfehlungen nicht zielführend, sondern für viele Bürger kontraproduktiv.
-
Für das Ziel, chronische ernährungsmitbedingte Erkrankungen zu minimieren, nutzt die DGE die DALYs der GBD Study 2017 [3]. Genau darin sind als ernährungsbedingte Hauptrisiken ein hoher BMi und hohe Nüchtern-Blutzuckerwerte genannt mit signifikantem Zuwachs von 2010–2019. Gegen diese Gesundheitsrisiken haben sich kohlenhydratreduzierte Kostformen als präventiv und therapeutisch effektiv erwiesen, z. T. sogar ohne begleitende Gewichtsreduktion [17] [18]. Bei Typ-2-Diabetikern wurden dosislineare Vorteile der Kohlenhydratreduktion auf HbA1c, Lipide und Gewicht aufgezeigt [19].
Daher sind Low-Carb- und ketogene Kostformen nun in den Leitlinien der einschlägigen Fachgesellschaften integriert [20] [21]. In Deutschland leben etwa 10 Millionen Typ-2-Diabetiker und weitere 20 Millionen Prädiabetiker. Etwa jeder 4. Erwachsene hat eine nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD/MASLD), die wegen der begleitenden Insulinresistenz gut auf Kohlenhydratreduktion anspricht [22]. Das vorgegebene Ziel der DGE, die Krankheitslast zu reduzieren, lässt sich mit den nun noch höheren Kohlenhydratzufuhren nicht erreichen. Unseres Wissens gibt es hierfür nicht nur keine belastbare Evidenz – sie müssen sogar als kontraproduktiv angesehen werden. Die gesundheitliche Ausgangssituation in Deutschland erfordert, dass der Gesundheitsaspekt Vorrang vor Umweltaspekten hat und dass von der Priorisierung stärkereicher Lebensmittel abgesehen wird. -
Die Empfehlungen zum reduzierten Fleischverzehr basieren größtenteils auf einer Meta-Analyse [4] und der GBD-Studie [3]. Die Fachpresse kritisierte letztere wegen Änderungen an methodischen Vorgaben ohne Transparenz und Evidenz, woraus eine Menge von 0 g rotem, unverarbeitetem Fleisch als risikoärmster Konsum resultierte. Der hohe Nährwert dieser Lebensmittel wird komplett ignoriert. Dies kritisierte auch der World Cancer Research Fund an der GBD-Studie und empfiehlt keinen Verzicht auf rotes Fleisch [23].
-
Die erneut reduzierte Empfehlung zum Eierverzehr (max. 1 Ei/Woche) ist laut DGE eine für Nährstoffzufuhr und Gesundheit „ausreichende“ Menge, die zugleich die Umwelt „nicht stärker als nötig“ belaste [1]. Das irritiert, da die Produktion von Eiern bei ökologischer Hühnerhaltung unter allen tierischen Proteinquellen die niedrigste Treibhausgasemission bei wenig Landnutzung verursacht [24]. Eier sind sehr nährstoffdicht bei geringer Energiedichte, liefern Proteine höchster biologischer Wertigkeit und sättigen hervorragend. Frühstückseier anstelle von Backwaren führen zu metabolischen Vorteilen (z. B. geringere Glykämie) und besserer Sättigung [25]. Man muss auch fragen, wo hier die mit 40% priorisierte Minimierung in der Abweichung vom üblichen Verzehr bleibt ([Tab. 3], ca. 4–5 Eier à 60 g pro Woche).
-
Schon die globalen Vorgaben der PHD sind von Ernährungsfachkräften wegen unzureichender Nährstoffversorgung kritisiert worden. Die DGE unterschreitet mit ihren „optimierten“ Empfehlungen deren Protein- und Fettvorgaben sogar noch und überschreitet deren Kohlenhydratvorgaben ([Tab. 3]). Auch kamen mehrere aktuelle Publikationen und eine Meta-Analyse zu dem Ergebnis, dass „Umweltschutz-Diäten“ ernste Folgen für die Versorgung mit den Mikronährstoffen Zink, Kalzium, Jod und den Vitaminen B12, A und D haben können [26]. Die meisten der meta-analysierten Studien berücksichtigen jedoch nicht die unterschiedlichen Bioverfügbarkeiten aus pflanzlichen und tierischen Mikronährstoff-Quellen, sodass rein rechnerisch ermittelte ausreichende Protein- oder Eisenzufuhren bei pflanzlichen Quellen zu Engpässen führen können [26]. Als Fachgesellschaft für die Ernährung der deutschen Bevölkerung ist die DGE unserer Einschätzung nach in erster Linie für die Gesunderhaltung bei (erschwinglicher) Sicherung der Nährstoffversorgung und angemessener Energiezufuhr zuständig.
-
Die Nähe zum bisherigen Verzehr auf der Basis der recht alten Daten der NVSII von 2007 erhielt mit 40% die stärkste Gewichtung in der Optimierung für die FBDG [1] [2]. In der Tendenz zeigen sie und der geschätzte aktuelle Pro-Kopf-Konsum ([Tab. 3]), dass mit Ausnahme von Fisch deutlich höhere Mengen an Eiweißträgern sowie Fetten und pflanzlichen Ölen verzehrt wurden und werden. Inwiefern erfüllt dies das Ziel der Nähe zum bisherigen Verzehr?
-
Die neuen FBDG empfehlen, nur 2×10 g Fette/Öle täglich zu nutzen, also eine fettarme Ernährungsweise, die in den vergangenen Jahrzehnten weltweit zu mehr Kohlenhydratkonsum und Gewichtszunahmen geführt hat [12] [27] ([Abb. 1]). Für diese Reduktion der Fettmengen gibt es daher keine gesundheitliche und ernährungsphysiologische Evidenz. So fand eine der größten Interventionsstudien, die WHI-Studie, bei Frauen unter fettarmer Kost keine Reduktion kardiovaskulärer Risiken [28]. Zudem unterschreitet die neue Fettempfehlung der DGE auch die Vorgaben der PHD und erst recht den Verzehr der Bundesbürger ([Tab. 3]). Warum will die DGE, dass, entgegen der Evidenz, in der täglichen Ernährung weitgehend auf sättigende Fette und Proteine verzichtet wird?
pro Kopf Konsum 2005–2007 NVS II |
pro Kopf Konsum 2021* |
FBDG 2024 Basis 2.029 kcal/Tag |
Planetary Health Diet (PHD) 2019 Basis: 2.500 kcal/Tag |
|||
---|---|---|---|---|---|---|
Lebensmittelgruppe |
errechnete tägliche Menge in g |
errechnete tägliche Menge in g |
errechnete tägliche Menge in g |
kcal% pro Tag |
errechnete tägliche Menge in g |
kcal% pro Tag |
Getreide, Brot, Nudeln1 davon mindestens 1/3 Vollkorn |
283 |
250 |
300 |
49 |
232 Vollkorn-getreide/-produkte |
32 |
Kartoffeln |
81 |
163 |
36 |
1,3 |
50 |
1,6 |
Obst |
246 |
198 |
550 |
6,5 |
200 |
5 |
Gemüse |
232 |
300 |
4 |
300 |
3,1 |
|
Hülsenfrüchte (frisch)2 |
6 |
18 |
3,5 |
75 |
11,4 |
|
Nüsse und Samen |
14 |
25 |
6,8 |
50 |
11,6 |
|
Pflanzliche Öle, Butter, Schmalz, Margarine |
68 |
65 |
20 |
7,5 |
52 |
18 |
Milch und |
195 |
131 |
2503 |
14,3 |
250 |
6,1 |
Milchprodukte |
43 |
69 |
30 |
|||
Eier |
19 |
39 |
8 |
0,5 |
13 |
0,7 |
Fisch |
26 |
35 |
30 |
1,7 |
28 |
1,6 |
Fleisch (Rind, Schwein, Geflügel, Wurst) |
122 |
151 |
42 |
4,0 |
29 g Geflügel 14 g Rind, Lamm, Schwein |
3,7 |
Zugesetzter Zucker |
31 |
4,8 |
||||
Säfte |
57 |
1 |
1 eine Scheibe Brot/eine Portion Getreideflocken=60 g, eine Portion Nudeln/Reis (ungekocht)=120 g, 2. Zur Umrechnung von getrockneten Hülsenfrüchten in Frischgewicht gilt der Faktor 1,8; 3 250 g pro Portion=Milch als Getränk. Die Umrechnung in Milchäquivalente erfolgte der NSV II entsprechend: eine Portion Milchprodukte=eine Scheibe Käse (30 g) oder eine Portion Joghurt (150 g); Quellen: [2] [10]; *Der aktuelle Pro-Kopf-Konsum wurde als geschätzt übernommen aus: [14] [15] [16].
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Kritik anderer Fachgesellschaften
Auch von der Deutschen Akademie für Präventivmedizin (DAPM) kamen sehr kritische Äußerungen zu den neuen DGE-Empfehlungen [29]: Sie seien nicht für alle gesund, allenfalls für einen kleineren Teil der Allgemeinbevölkerung. Auch seien sie zum Teil nicht wissenschaftlich begründet, sondern wie die PHD eher klimapolitisch motiviert. Zudem seien die neuen FBDG praxisfern, „in Teilen kontraproduktiv“ und insgesamt ein „Rückschritt“. Folglich müsse man sich an einen Tisch setzen und die gesundheitspolitische Realität Deutschlands stärker berücksichtigen. Die neuen DGE-Empfehlungen, so die DAPM, sollten auf keinen Fall zum Maßstab werden, denn sie „könnten de facto größeren Teilen der Bevölkerung in Deutschland nicht nur nichts nutzen, sondern sogar schaden.“ [29]
Diese Kritikpunkte und Schlussfolgerungen der DAPM teilen wir ausdrücklich und fordern die DGE ebenfalls zum Dialog mit der Ernährungsmedizin und -wissenschaft auf, um zu aktuellen, evidenzbasierten Empfehlungen zu kommen, die auch zu den gesundheitlichen Risiken von hoch verarbeiteten Lebensmitteln Stellung nehmen.
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Fazit
Die neuen FBDG der DGE sind nicht evidenzbasiert und nicht zum gesundheitlichen Nutzen der mehrheitlich Risiko-belasteten Menschen in Deutschland. Wir begrüßen prinzipiell die verstärkte Berücksichtigung von ökologischen Aspekten, sehen jedoch auch deren Risiken und die noch unvollständige Datenlage. Eine Ernährungsgesellschaft wie die DGE sollte in erster Linie die Gesunderhaltung der Menschen durch Ernährung im Fokus haben. Dass die DGE beständig darauf hinweist, die Lebensmittelmengen ihrer neuen Empfehlungen seien „ohnehin als Orientierungswerte für die Auswahl der Lebensmittel zu verstehen und kein Dogma“ dürfte eher zur Verunsicherung der Verbraucher beitragen.
Da die FBDG auch für andere Altersgruppen angepasst werden sollen und damit in die Beratungsstandards der DGE für die Gemeinschaftsverpflegung eingehen sowie für den Gesundheitsunterricht in Schulen und innerhalb des Gesundheitssystems für Krankenkassen übersetzt werden sollen, sehen wir dringenden Handlungsbedarf, die FBDG zu überarbeiten.
Die Autor*innen sind Mitglieder der KetoMed (Internationale Fachgesellschaft für kohlenhydratreduzierte und ketogene Ernährungsformen e. V., Berlin)
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
-
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Received: 28 June 2024
Accepted: 04 October 2024
Article published online:
16 December 2024
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