Ultraschall Med 2024; 45(06): 646-647
DOI: 10.1055/a-2460-5564
DEGUM-Mitteilungen

Interview mit Dr. Karsten Pracht, dem neuen Präsidenten der DEGUM – „Unsere Leitlinienarbeit hat die Wahrnehmung des Ultraschalls erheblich gesteigert“

 

    Anfang Oktober 2024 ist der Anästhesiologe Dr. med. Karsten Pracht vom Sana Klinikum Borna zum Präsidenten der Fachgesellschaft gewählt worden. In den nächsten 2 Jahren wird die DEGUM weiterhin auf Leitlinienarbeit und wissenschaftliche Förderung setzen, um die Ultraschallmedizin zu stärken. Der Fokus liegt auf der Etablierung des Ultraschalls als strahlungsfreie, schonende und kostengünstige Alternative in der Bildgebung, die den medizinischen Nachwuchs für ihre Weiterbildungsangebote gewinnen soll.


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    Herr Dr. Pracht, in den vergangenen Jahren hat sich die DEGUM verstärkt in die Erstellung von Leitlinien eingebracht. Welche Schwerpunkte wollen Sie in den kommenden 2 Jahren setzen, um die Ultraschallmedizin weiter voranzubringen?

    Dr. Pracht: Wie auch unter Professor Hahn, dem bisherigen Präsidenten der DEGUM, werden wir die Leitlinienarbeit auf jeden Fall fortführen und intensivieren. Die bisherigen Erfolge haben deutlich gezeigt, dass diese Arbeit der evidenzbasierten Medizin die Wahrnehmung des Ultraschalls und der DEGUM erheblich gesteigert hat. Wir sind heute ein ernstzunehmender Gesprächspartner für Institutionen wie den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), werden zu Anhörungen eingeladen und zu Stellungnahmen aufgefordert. Es wäre falsch, diesen Weg nicht weiter zu verfolgen. Unser Ziel ist es, weitere Sektionen unserer Fachgesellschaft, die bisher weniger in der Leitlinienarbeit präsent waren, zu motivieren, sich stärker zu engagieren. Darüber hinaus sind neue Leitlinien in Planung. Dieser Bereich bleibt ein zentraler Schwerpunkt unserer Arbeit.

    Die Leitlinienarbeit geht auch Hand in Hand mit der wissenschaftlichen Evidenz. Welche Rolle wird die Wissenschaftsförderung unter Ihrer Präsidentschaft spielen?

    Dr. Pracht: Ein großes Thema ist der Mangel an wissenschaftlicher Primärliteratur, auf die wir uns bei der Erstellung der Leitlinien stützen können. Deshalb wird die Wissenschaftsförderung in den nächsten 2 Jahren ein weiterer Schwerpunkt sein. Nur wenn wir wissenschaftliche Studien fördern, können wir valide Ergebnisse erzielen, die in die Leitlinien einfließen. Wir planen, das Fördervolumen für projektbezogene Studien deutlich zu erhöhen, um den Ultraschall wissenschaftlich weiter voranzubringen.

    Sie sind selbst Anästhesiologe und Intensivmediziner. Wie hat sich der Ultraschall in diesem Fachbereich entwickelt, und warum verzeichnet die DEGUM gerade hier den größten Zuwachs an Mitgliedern?

    Dr. Pracht: Der Einsatz von Ultraschall in der Anästhesiologie und Intensivmedizin hat tatsächlich erst in den letzten 10 Jahren an Fahrt aufgenommen. Das erklärt auch den starken Mitgliederzuwachs aus diesem Fachbereich. In der Anästhesie wird der Ultraschall primär als interventionsunterstützendes Verfahren genutzt, weniger diagnostisch. Er ermöglicht es uns, die neuralen Strukturen und das umliegende Gewebe besser zu erkennen, was zu präziseren Regionalanästhesien führt. Das hat die Art und Weise, wie wir Regionalanästhesie betreiben, grundlegend verändert. Früher haben wir standardisierte Verfahren angewandt, die sich an anatomischen Landmarken orientierten. Heute erlaubt uns der Ultraschall eine viel differenziertere Vorgehensweise und hat die Verfahrensvielfalt auf dem gesamten Fachgebiet deutlich erweitert. Ähnlich entwickelt sich der Ultraschall derzeit auch in der Neurologie. Diese neuen Möglichkeiten wären ohne den Einsatz des Ultraschalls undenkbar.

    Viele medizinische Fachgesellschaften befassen sich derzeit intensiv mit den Folgen der Krankenhaus-Strukturreform. Betrifft dies auch die DEGUM?

    Dr. Pracht: Absolut. Die Krankenhaus-Strukturreform bringt uns in die Position, die Qualitätssicherung neu zu überdenken. Ein Beispiel ist die Notfallversorgung, wo das vorgegebene Stufenkonzept radiologische Strukturen vorschreibt, aber den Ultraschall vernachlässigt. Dabei lässt sich vieles mit dem Ultraschall diagnostizieren. Wir müssen in den nächsten Jahren verstärkt darauf hinwirken, dass der Ultraschall auch in solchen Bereichen verankert wird.

    Wird sich die DEGUM demnach stärker gesundheitspolitisch engagieren, um den Ultraschall weiter zu etablieren?

    Dr. Pracht: Ja, das ist ein klares Ziel. Wir werden die Leitlinienarbeit enger an den Vorstand binden, so gehört unser Leitlinienbeauftragter Prof. von Kaisenberg nun auch dem Vorstand an. Beispielsweise in der Notfallsonografie, wie eben beschrieben, aber auch in vielen anderen Bereichen, wollen wir den Ultraschall als bildgebendes Verfahren, das ohne Strahlung durchgeführt wird, etablieren.

    Die DEGUM bietet in vielen Fachrichtungen eine umfassende Ultraschall-Weiterbildung an. Warum gibt es dennoch Lücken in einigen Fachgebieten?

    Dr. Pracht: Das stimmt. In Fachbereichen wie zum Beispiel der Urologie wird der Ultraschall durch die meisten Urologinnen und Urologen nahezu täglich angewendet. Es ist für uns eine spannende Aufgabe, auch in solchen Fachrichtungen die DEGUM mit ihrem inhaltlich qualitätsorientierten mehrstufigen Ausbildungskonzept stärker zu verankern, nicht zuletzt, da die DEGUM in dieser Hinsicht ein Alleinstellungsmerkmal hat. Hier wollen wir ansetzen. Wir planen, die Sektionen und Arbeitskreise zu stärken, die ein großes Potenzial haben, in denen die DEGUM heute noch nicht so präsent ist.

    Was ist Ihnen sonst noch wichtig für Ihre Amtszeit?

    Dr. Pracht: Besonders am Herzen liegt mir die Mitgliederpflege. Die DEGUM ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen: Wir zählen mittlerweile rund 13 500 Mitglieder. Wir möchten den Service für unsere Mitglieder weiter ausbauen. Ein einfacher Zugang zu unseren Angeboten und eine enge Betreuung sind essenziell.

    Zur Person: Dr. Karsten Pracht

    Dr. Karsten Pracht ist seit Oktober 2024 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM). Zuvor war er bereits von Oktober 2022 bis Oktober 2024 als Neupräsident und von 2020 bis 2022 als Beisitzer im Vorstand der DEGUM tätig. Von 2016 bis 2021 leitete er die Sektion Anästhesiologie der DEGUM und trug maßgeblich zur Weiterentwicklung des Ultraschalls in diesem Fachgebiet bei.

    Beruflich ist Dr. Pracht seit Mai 2004 Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin an den Sana Kliniken Leipziger Land in Borna. Seine medizinische Laufbahn begann er nach dem Medizinstudium an der Universität Leipzig und der Medizinischen Hochschule Erfurt (1986–1992) mit einer Facharztausbildung an der Medizinischen Hochschule Erfurt. Von 1997 bis 2004 arbeitete er als Fach- und Oberarzt am HELIOS Klinikum Erfurt.

    Dr. Pracht engagiert sich besonders für die Förderung des Ultraschalls als schonendes und effizientes bildgebendes Verfahren, das sowohl in der Bevölkerung als auch unter Fachärzten mehr Aufmerksamkeit erfahren soll.

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    Bildquelle: Karsten Pracht/Robin Kunz

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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    11. Dezember 2024

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    Bildquelle: Karsten Pracht/Robin Kunz