Dtsch Med Wochenschr 2025; 150(05): 237-239
DOI: 10.1055/a-2463-3037
Medizin weltweit

Diphtherie – nicht nur der „Würgeengel der Kinder“

Andreas Sing
,
Anja Berger

Epidemiologie

Die Diphtherie (D.) war noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der häufigsten infektiösen Todesursachen weltweit, insbesondere bei Kleinkindern. Erst mit Einführung der gegen das krankheitsverursachende Diphtherietoxin (DT) wirksamen Antitoxintherapie (DAT) verlor die Erkrankung allmählich ihren tödlichen Schrecken. Emil von Behring bekam 1901 für deren Erfindung den ersten Nobelpreis für Medizin überhaupt. Ein weiterer wichtiger Schritt war die Entwicklung einer Toxoidimpfung ab Mitte der 1930er-Jahre, v.a. durch Gaston Ramon, der 155-mal und damit am häufigsten für den Nobelpreis nominiert war, ohne ihn je zu erhalten. Trotz dieser medizinischen Fortschritte und hygienischer Verbesserungen ist die D. nicht verschwunden und tritt vor allem nach (meist menschengemachten) Katastrophen und einem damit einhergehenden Zusammenbruch medizinischer Behandlungs- und Präventionssysteme auf. So geschehen in den GUS-Staaten nach dem Ende der Sowjetunion mit der bislang nach Ende des II. Weltkriegs weltweit größten Epidemie, außerdem nach den jüngsten (Bürger-)Kriegen in Syrien 2013, Jemen 2017/18, Myanmar 2017, während der Staatskrise in Venezuela 2017 oder nach dem Erdbeben in Haiti 2016/17. In 2022/23 gab es eine Häufung von meist Hautdiphtheriefällen unter Geflüchteten in mehreren europäischen Ländern, wobei Deutschland mit über 220 Fällen am stärksten betroffen war. In 2023/24 gab es eine große Epidemie mit mehr als 22 000 Fällen und über 600 Toten in Nigeria und anderen Ländern Westafrikas. In vielen Industrieländern ist der zoonotische Erreger Corynebacterium ulcerans, häufiger als der fast ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragene klassische D.-Erreger C. diphtheriae. In Deutschland wurden zwischen 2010 und 2021 167 Fälle (4–28/a) gemeldet, 59 [2–12/a] durch C. diphtheriae, 108 [3–20/a] durch C. ulcerans.



Publication History

Article published online:
12 February 2025

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany