Ultraschall Med 2025; 46(01): 100-101
DOI: 10.1055/a-2505-9519
DEGUM-Mitteilungen

Online-Presseskonferenz der DEGUM – Nie mehr blind operieren: Intraoperativer Ultraschall als Schlüssel zu präziser Chirurgie

 

„Nie mehr blind operieren“ war das Thema einer Online-Pressekonferenz, die die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) am 27. November 2024 veranstaltete, um die Möglichkeiten des intraoperativen Ultraschalls (IOUS) vorzustellen. Expertinnen und Experten stellten dabei die Fortschritte und Chancen dieser Technologie vor. Im Mittelpunkt standen die Anwendungen von IOUS in der Neurochirurgie, bei der Behandlung von Mammakarzinomen und Lebermetastasen. Darüber hinaus gab es einen spannenden Ausblick auf die Rolle der Künstlichen Intelligenz (KI) bei der Weiterentwicklung des Ultraschalls. Beteiligt waren PD Dr. Christian Tesch, PD Dr. med. Maria Teresa Pedro, Prof. Dr. med. Markus Hahn, Dr. med. Christian Hillert sowie PD Dr. med. Lukas Liesenfeld. Die Moderation übernahm die Pressestelle der DEGUM.


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IOUS als unverzichtbares Werkzeug

PD Dr. Christian Tesch, stellvertretender Leiter der DEGUM-Sektion Chirurgie, betonte die herausragende Bedeutung des IOUS: „Der Ultraschall bietet Chirurgen die Möglichkeit, Tumorgewebe und gesundes Gewebe präzise zu unterscheiden – und das in Echtzeit. Durch die stetige Weiterentwicklung der Ultraschalltechnologie, insbesondere in der 3D-Bildgebung, hat sich der IOUS zu einem unverzichtbaren Werkzeug in der Neurochirurgie entwickelt“, so Tesch. „Die Methode ist nicht nur sicher und effizient, sondern bietet auch erhebliche Vorteile in Bezug auf Kosten und Verfügbarkeit.“


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Präzision in der Neurochirurgie

Die Operation von Hirntumoren ist eine besonders anspruchsvolle Aufgabe, da die Abgrenzung von Tumor- und gesundem Hirngewebe oft nur schwer erkennbar ist. Mithilfe multimodaler präoperativer Bilddaten wie MRT, funktioneller Bildgebung, Faserbahndarstellung und Stoffwechsel-Bildgebung erstellen Chirurginnen und Chirurgen im Vorfeld der Operation einen detaillierten Plan, der den Tumor sowie angrenzende Strukturen zeigt. Diese Navigationssysteme verlieren jedoch während des Eingriffs zunehmend an Genauigkeit, da das Gehirn durch Flüssigkeitsverlust, Tumor-Entfernung oder Lagerungsveränderungen seine Position verschiebt – ein Phänomen, das als „Brainshift“ bezeichnet wird. „Abweichungen von mehreren Zentimetern während der Operation sind keine Seltenheit. Das macht präoperative Bilddaten ungenau und erschwert eine exakte Tumor-Entfernung“, erklärte PD Dr. med. Maria Teresa Pedro, Oberärztin an der Klinik für Neurochirurgie der Bezirkskliniken Schwaben in Ulm.


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IOUS: Echtzeitbilder statt teurer MRT-Bildgebung

Die intraoperative Magnetresonanztomografie (ioMRT) bietet zwar präzise Bilddaten, ist jedoch mit erheblichen Nachteilen verbunden. Die Geräte sind teuer in der Anschaffung und erfordern spezialisierte Operationssäle. Hinzu kommt ein erheblicher Zeitaufwand, da die Bildakquise während des Eingriffs Unterbrechungen erfordert, die die Operationsdauer verlängern. Für viele Kliniken ist eine MRT daher keine praktikable Option. „Der intraoperative Ultraschall hingegen ermöglicht uns, jederzeit neue Echtzeitbilder zu generieren, die den aktuellen Operationssitus abbilden. Das ist entscheidend, um auf Veränderungen wie den Brainshift reagieren zu können“, erklärte Pedro. „Darüber hinaus ist der Ultraschall flexibel einsetzbar, spart Zeit und Kosten und ist dabei strahlungsfrei.“


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Mammachirurgie: Weniger Eingriffe dank IOUS

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, und brusterhaltende Operationen sind bei Tumoren bis 5 Zentimetern Standard. Prof. Dr. Markus Hahn, Vizepräsident der DEGUM und Leiter der Experimentellen Senologie am Universitätsklinikum Tübingen, unterstrich die Bedeutung des IOUS für diese Eingriffe. „Während bisher oft blind operiert wurde, erlaubt der IOUS eine präzise Darstellung des Tumorvolumens und der Tumorränder in Echtzeit. Das reduziert die Nachoperationsrate erheblich – von 15–35 % auf unter 10 %“, sagte Hahn.

Ein besonders innovatives Hilfsmittel stellt dabei das von der DEGUM mitentwickelte „Tübinger Lineal“ dar. Dieses ultraschallbasierte Messinstrument ermöglicht es, während der Operation die Resektionsränder millimetergenau zu bestimmen. „Das Tübinger Lineal hilft uns nicht nur, die Tumorgröße exakt zu erfassen, sondern auch präzise Schnittränder festzulegen. Dadurch können wir das gesunde Gewebe maximal schonen und gleichzeitig sicherstellen, dass der Tumor vollständig entfernt wird“, erläutert Hahn.

Besonders bei nicht tastbaren Tumoren, die bisher oft mit Draht oder akustischen Markern lokalisiert wurden, bietet der IOUS, in Kombination mit dem Tübinger Lineal, deutliche Vorteile. Eine Meta-Analyse des DEGUM-Arbeitskreises Mammasonografie zeigt, dass durch den IOUS sowohl unvollständige Resektionen als auch unnötige Gewebeentfernungen deutlich reduziert werden können. Hahn sprach sich dafür aus, den IOUS flächendeckend in Brustzentren einzuführen: „Es ist unser Ziel, dass keine Brustkrebsoperation mehr ohne IOUS durchgeführt wird.“


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Leberchirurgie: Neue Standards durch Kontrast-Ultraschall

Das kolorektale Karzinom – Darmkrebs – ist weltweit die zweithäufigste Krebs-Todesursache. In Deutschland erkranken jährlich etwa 55 000 Menschen neu daran. Haupt-Todesursache sind dabei jedoch nicht der Darmkrebs selbst, sondern Lebermetastasen. Bis zu 20 Prozent der Betroffenen haben zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Lebermetastasen. Im Verlauf der Erkrankung entwickeln bis zu 50 %der Patientinnen und Patienten die Absiedlungen in der Leber. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei Darmkrebs deshalb nur bei 50 %. Auch der eigentliche Leberkrebs ist in Deutschland eine der häufigsten Krebs-Todesursachen. Jährlich erkranken etwa 9800 Menschen neu daran, etwa 8200 sterben daran. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei nur 17 %.

Sowohl beim bösartigen Lebertumor als auch bei Lebermetastasen ist die operative Entfernung die Therapie der Wahl. „Die Entfernung von Lebermetastasen ist mittlerweile die häufigste Indikation für eine Leberresektion in Deutschland“, erläuterte Dr. med. Christian Hillert, Leitender Oberarzt am Krankenhaus Reinbek und Mitglied der DEGUM-Sektion Chirurgie.


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IOUS ist eine wertvolle Ergänzung bei laparoskopischen und roboterassistierten Eingriffen

Gerade bei minimalinvasiven und roboterassistierten Eingriffen, die inzwischen bei bis zu 60 %der Leber- und 80 %der Dickdarm-Operationen angewandt werden, fehlt jedoch die Möglichkeit, die Leber während der Operation abzutasten, den Leberherd zu beurteilen und die Resektion zu planen. „Hier kommt der intraoperative Ultraschall ins Spiel“, erläutert Hillert. Der IOUS liefert – vor allem in Kombination mit einem kontrastverstärkten Ultraschall – Echtzeitbilder, mit denen selbst kleinste Tumoren oder Metastasen identifiziert werden können – oft solche, die in präoperativen Bildgebungen wie MRT oder CT übersehen wurden. „Das ermöglicht uns, Tumoren millimetergenau zu entfernen und dabei gesundes Gewebe zu schonen“, betonte Hillert. Studien belegen, dass der Einsatz des IOUS in bis zu 50 % der Fälle zu einer Änderung der Operationsstrategie führt und die Behandlungsergebnisse deutlich verbessert. „Für die Patientinnen und Patienten bedeutet dies auch ein verringertes Rückfallrisiko“, so Hillert.


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DEGUM fordert flächendeckenden Einsatz und setzt auf KI

Trotz all dieser Vorteile ist der IOUS bisher nicht flächendeckend etabliert. „Das liegt vor allem an unzureichender Ausbildung und fehlenden standardisierten Prozessen in den Operationssälen“, erklärte Dr. Christian Tesch, der für den erkrankten Sektionsleiter PD Dr. med. Lukas Liesenfeld eingesprungen war. Um dies zu ändern, hat die DEGUM ein umfassendes Aus- und Weiterbildungskonzept entwickelt. Zudem arbeitet die Gesellschaft an einem Zertifikat, das die Qualität und Verbreitung von IOUS sichern soll, und bemüht sich, die Methode in die medizinischen Leitlinien aufzunehmen. Auch Künstliche Intelligenz wird künftig eine immer größere Rolle spielen. „KI wird die Sonografie stark voranbringen“, ist sich Tesch sicher. „Mit automatisierten Organvolumen-Messungen und der Detektion krankhafter Läsionen wird KI sicherstellen, dass in Zukunft keine Tumoren mehr übersehen werden.“ KI werde die Arbeit der Chirurginnen und Chirurgen nicht ersetzen, sondern sie optimal unterstützen und so die Behandlungsqualität noch weiter steigern.


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DEGUM setzt auf Ausbildung und Weiterentwicklung

Um den IOUS flächendeckend verfügbar zu machen, setzt sich die DEGUM für standardisierte Ausbildungsprogramme ein. „Eine fundierte Schulung ist essenziell, damit die Methode ihr volles Potenzial entfalten kann“, betont Tesch. Die DEGUM hat umfassende Weiterbildungskonzepte entwickelt und arbeitet daran, den IOUS in die medizinischen Leitlinien zu integrieren. Zudem sieht die DEGUM in der Künstlichen Intelligenz (KI) großes Potenzial. „Automatisierte Bildanalysen und die präzise Erkennung krankhafter Gewebestrukturen werden die Arbeit der Chirurgen unterstützen und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten weiter erhöhen“, sagte Tesch abschließend.

Wer sich die Pressekonferenz on demand anschauen möchte, kann dies hier tun:

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Publication History

Article published online:
05 February 2025

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