Ultraschall Med 2025; 46(02): 203-204
DOI: 10.1055/a-2552-6515
DEGUM-Mitteilungen

Neue Möglichkeiten in der Kindermedizin: Wie Ultraschall und KI Diagnosen verbessern

DEGUM-Pressekonferenz im März 2025
 

Ultraschall hat sich in der Kindermedizin als unverzichtbare bildgebende Methode etabliert – strahlenfrei, schonend und zunehmend präziser. Insbesondere neue Entwicklungen in der kontrastmittelverstärkten Sonografie, der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Echokardiografie sowie innovative Verfahren zur Diagnose von Harnwegsinfektionen und Frakturen versprechen erhebliche Fortschritte. Diese Themen standen im Mittelpunkt der Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM) am 3. März 2025, bei der führende Experten die neuesten Erkenntnisse vorstellten.


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Neue Einblicke in das Gehirn von Neugeborenen durch Ultraschall

PD Dr. med. Jörg Jüngert, stellvertretender Leiter der Sektion Pädiatrie der DEGUM und Oberarzt an der Kinder- und Jugendklinik am Universitätsklinikum Erlangen, stellte ein innovatives Verfahren vor, das mithilfe von winzigen Gasbläschen in der kontrastmittelverstärkten Sonografie bisher ungeahnte Einblicke in das Gehirn von Neugeborenen ermöglicht.

„Jährlich erleiden in Deutschland 100–200 Neugeborene einen Schlaganfall“, erläuterte Jüngert. „Die Dopplersonografie hilft uns zwar, den Blutfluss in den Gefäßen des Gehirns darzustellen, aber kleinste Gefäße mit geringer Flussgeschwindigkeit bleiben oft unsichtbar.“

Hier setzt die Ultrasound Localization Microscopy (ULM) an: Die intravenös verabreichten Gasbläschen werden über ein spezielles Ultraschallgerät mit spezieller Software in Echtzeit erfasst und können die Gehirnperfusion visualisieren. „Das ist ein bedeutender Fortschritt, da diese Methode nicht nur strahlenfrei ist, sondern direkt am Krankenbett durchgeführt werden kann“, betonte Jüngert. „Bisher benötigten wir für die detaillierte Analyse eines Neugeborenen mit Schlaganfall einen ganzen Arbeitstag – mit KI-gestützten Algorithmen könnte dieser Prozess erheblich beschleunigt werden.“

Obwohl dieses Verfahren noch Gegenstand wissenschaftlicher Studien ist, zeigt es vielversprechende Perspektiven für die neonatologische Diagnostik.


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KI und Ultraschall: Präzisere Diagnostik angeborener Herzfehler

Ein weiterer Schwerpunkt der Online-Pressekonferenz war die Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) in der Echokardiografie zur Erkennung angeborener Herzfehler. Professor Dr. med. Robert Dalla Pozza, stellvertretender Leiter der Sektion Pädiatrie der DEGUM und Kinderkardiologe am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, machte deutlich: „Mit klassischer fetaler Echokardiografie können wir derzeit etwa 30 Prozent der angeborenen Herzfehler diagnostizieren. Der Einsatz von KI verbessert diese Diagnostik deutlich.“

KI-gestützte Verfahren ermöglichen es, hochauflösende Bilder effizienter auszuwerten und schwer erkennbare Herzfehler frühzeitig zu entdecken. Das erleichtert auch die Geburtsplanung. „Wir können bereits während der Schwangerschaft entscheiden, ob eine Geburt in einem spezialisierten Zentrum mit Kinder-Herzchirurgie nötig ist oder ob ein Kaiserschnitt erforderlich wird“, so Dalla Pozza.

Auch bei Neugeborenen revolutioniert KI die Diagnostik. Dalla Pozza betonte: „Gerade für Frühgeborene ist die genaue Beurteilung eines persistierenden Ductus arteriosus (PDA) essenziell. KI kann hier nicht nur die Diagnose verbessern, sondern auch helfen, die Notwendigkeit einer Behandlung besser einzuschätzen.“

Dennoch wird KI derzeit nur in großen Zentren eingesetzt. Professor Dr. med. André Clevert, stellvertretender Leiter der Sektion Radiologie der DEGUM, betonte: „Die DEGUM setzt sich für eine stärkere Integration von Digitalisierung und KI in die klinische Routine ein. Wir brauchen dringend mehr Rechner-Kapazitäten und eine bessere digitale Infrastruktur in den Krankenhäusern.“


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Harnwegsinfektionen: Strahlenfreie Diagnostik mit Miktionsurosonografie

Professor Dr. med. Hans-Joachim Mentzel, Leiter der Sektion Pädiatrie der DEGUM und Leitender Arzt der Kinderradiologie am Universitätsklinikum Jena, stellte die Miktionsurosonografie (MUS) als strahlenfreie Alternative zur Röntgendiagnostik bei Harnwegsinfektionen vor. „Über 7 Prozent aller Mädchen und 2 Prozent aller Jungen erleiden bis zum 6. Lebensjahr mindestens eine Harnwegsinfektion“, erklärte Mentzel. „Das Problem ist, dass ein vesikoureteraler Reflux oft unentdeckt bleibt und in schweren Fällen zu Nierenschäden führen kann.“

Die herkömmliche Diagnostik erfolgt oft durch eine Miktionszysto-Urethrografie (MCU), die mit einer hohen Strahlenbelastung einhergeht. Die MUS hingegen nutzt Kontrastmittel in Form winziger Gasbläschen, die den Reflux sichtbar machen. „Studien zeigen, dass die kontrastverstärkte MUS mindestens genauso zuverlässig ist wie die MCU – nur ohne die Strahlenbelastung“, so Mentzel.

Trotz dieser Vorteile ist die Methode in Deutschland noch nicht flächendeckend verfügbar. Die DEGUM setzt sich daher für eine evidenzbasierte Leitlinie ein, um den Einsatz der MUS in der klinischen Praxis zu etablieren. Diese wird spätestens 2026 erscheinen.


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Ultraschall in der Frakturdiagnostik: Eine Alternative zum Röntgen?

Dr. med. Kolja Eckert, stellvertretender Leiter der Sektion Pädiatrie der DEGUM und Kinderchirurg am Helios St. Johannes Klinikum Duisburg, stellte die Bedeutung der Sonografie in der Frakturdiagnostik vor. „Röntgen wird oft reflexartig eingesetzt – aber in nahezu 80 Prozent der Fälle zeigt sich gar kein Bruch“, so Eckert.

Besonders bei Brüchen des Unter- und Oberarms, des Schlüsselbeins und des Schädeldachs hat sich der Ultraschall als zuverlässige Alternative bewährt. „Ein großer Vorteil ist, dass wir die Untersuchung direkt in der Notaufnahme oder in der Praxis durchführen können, ohne die Kinder einer unnötigen Strahlenbelastung auszusetzen“, erklärte Eckert.

Ein weiterer Vorteil ist die schnellere Diagnosestellung: „Durch den Einsatz des Ultraschalls können wir Wartezeiten in Notaufnahmen verkürzen und das Personal entlasten. Die Methode wird mittlerweile auch von den Berufsgenossenschaften anerkannt und kann abgerechnet werden.“


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Fazit: Ultraschall als Schlüsseltechnologie in der Kindermedizin

Die Online-Pressekonferenz der DEGUM machte deutlich, dass der Ultraschall in der Kindermedizin immer mehr an Bedeutung gewinnt. Ob in der neurologischen, kardiologischen, urologischen oder traumatologischen Diagnostik – innovative Verfahren und der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) erweitern die Möglichkeiten der Sonografie erheblich.

„Unsere Aufgabe als DEGUM ist es, diese Methoden weiterzuentwickeln und sie in der klinischen Praxis zu etablieren“, resümierte PD Dr. Jüngert. „Wir stehen vor einer Zukunft, in der Ultraschall noch präziser, schneller und schonender für unsere kleinsten Patientinnen und Patienten wird.“

Die DEGUM wird sich weiterhin dafür einsetzen, diese innovativen Methoden bekannter zu machen und ihre flächendeckende Anwendung zu fördern.

Wer sich die Online-Pressekonferenz im Nachgang anschauen möchte, kann das gerne unter folgendem Link machen: https://attendee.gotowebinar.com/recording/7167508939470017450

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Publication History

Article published online:
02 April 2025

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