Rofo
DOI: 10.1055/a-2562-4264
Bildessay

MRT-Bildgebung von Intersektionssyndromen des Unterarms und Handgelenks

MR-imaging of intersection syndromes of the forearm and wrist
Marius Horger
1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany
,
2   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tubingen, Germany (Ringgold ID: RIN9188)
,
Jan Fritz
3   Radiology, New York University Medical Center, New York, United States (Ringgold ID: RIN12297)
,
Stefan Heckl
4   Department of Radiology, Hirslanden Park Hospital, Zürich, Switzerland (Ringgold ID: RIN60557)
› Institutsangaben

Intersektionssyndrome, auch als Cross-Over-(Überschneidungs-)Syndrome bezeichnet, sind nicht infektiös und entstehen durch das Aneinanderreiben sich kreuzender Sehnenkompartimente infolge repetitiver Bewegungen, insbesondere im sportlichen Kontext. Dies führt zu einer Entzündung der Sehnenscheide.

Am häufigsten tritt das Intersektionssyndrom am Unterarm auf, insbesondere an der Stelle, an der das erste Extensorsehnenkompartiment – bestehend aus den Sehnen des Musculus abductor pollicis longus und des Musculus extensor pollicis brevis – das zweite Kompartiment kreuzt, welches die Sehnen des Musculus extensor carpi radialis longus und des Musculus extensor carpi radialis brevis enthält (proximales Intersektionssyndrom) ([Abb. 1] und [Abb. 2] A–C). Diese Überkreuzung erfolgt typischerweise in einem Winkel von etwa 60 Grad, was die Reibung zwischen den Sehnen begünstigt und somit zur Pathogenese des Syndroms beiträgt. Diese spezielle Form der Sehnenscheidenreizung wurde erstmals 1841 von Velpeau beschrieben. Der heute gebräuchliche Begriff des Intersektionssyndroms geht jedoch auf die Arbeiten von Dobyns et al. zurück (Tan Y L et al., Am J Phys Med Rehabil 2024; 103: e35. DOI: 10.1097/PHM.0000000000002362).

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Abb. 1 Anatomie der proximalen und distalen Intersektionssyndrome. 1. Drittes Strecksehnenfach mit der Sehne des M. extensor pollicis longus. 2. Lokalisation des distalen Intersektionssyndroms. 3. Retinaculum extensorum. 4. Lokalisation des proximalen Intersektionssyndroms. 5. Zweites Strecksehnenfach mit den Sehnen des M. extensor carpi radialis longus und brevis. 6. Erstes Strecksehnenfach mit den Sehnen des M. abductor pollicis longus und des M. extensor pollicis brevis.
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Abb. 2 (a–c) Kreuzungsstellen der Extensorenkompartimente II und III beim proximalen (a und c) und distalen Intersektionssyndrom b (Pfeile).

Das proximale Intersektionssyndrom (PIS) tritt häufig im Rahmen sportlicher Aktivitäten auf, insbesondere beim Reiten, Skifahren oder Kanufahren, die durch charakteristische repetitive Extensions-, Flexions-, Pronations- und Supinationsbewegungen gekennzeichnet sind.

Klinisch manifestiert sich das PIS durch Schmerzen und Schwellungen, typischerweise etwa eine Handbreit proximal des Lister-Tuberkels, an der Stelle der Sehnenkreuzung. Die Bewegung des Handgelenks oder bereits leichte Berührungen wird als stark schmerzhaft empfunden und geht häufig mit einem palpablen Krepitationsphänomen einher.

In der MRT zeigt sich häufig eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung um die betroffenen Sehnen wie bei einer reaktiven Tenosynovitis. Zudem lassen sich Verdickungen und Signalveränderungen der Sehnen nachweisen, häufig begleitet von Schlitzbildungen innerhalb der Sehne sowie peri- und subkutanen Ödemen. Ein charakteristisches Merkmal einer Tenosynovitis ist eine typische kommaförmige Sehnenkontur bis hin zu einer rundlicheren Morphologie, oft in Kombination mit einer vermehrten Flüssigkeitsansammlung.

Differenzialdiagnostisch sollte eine Tenosynovitis des ersten Extensorsehnenfachs in Betracht gezogen werden, wie sie bei der de-Quervain-Tenosynovitis auftritt. Diese manifestiert sich typischerweise mehrere Zentimeter distal des Retinaculum extensorium. Darüber hinaus können traumatische Veränderungen, Ganglionzysten oder ein Entrapment-Syndrom des Nervus radialis, bekannt als Wartenberg-Syndrom (Cheiralgia paraesthetica), klinisch einem Intersektionssyndrom ähneln (Alter T H et al., Cureus 2023; 15: e36919. DOI: 10.7759/cureus.36919).

Das distale Intersektionssyndrom (DIS) ist weniger häufig und tritt an der Stelle auf, an der das zweite (M. extensor carpi radialis longus und brevis) das dritte (M. extensor pollicis longus) Extensorsehnenkompartiment kreuzt ([Abb. 3], [Abb. 4], [Abb. 5], [Abb. 6], [Abb. 7], [Abb. 8]). Die Intersektion im Rahmen des DIS befindet sich auf Höhe des Lister-Tuberkels, welcher als knöcherne Rolle für beide Sehnenkompartimente fungiert. An dieser Stelle kann es zu einer Luxation sowie einer Rissbildung der distalen Sehne des M. extensor pollicis longus kommen, die in Richtung der Basis der distalen Phalanx des ersten Fingers zieht. Das DIS tritt häufig bei sportlichen Aktivitäten wie Tennis, aber auch bei Cheerleadern und beim Bedienen von Videospielen auf (Alter T H et al., Cureus 2023; 15: e36919. DOI: 10.7759/cureus.36919; Meraj S et al., AJR Am J Roentgenol 2017; 209: 1093–1102. DOI: 10.2214/AJR.17.17791; Pijoán Moratalla C et al., Reumatol Clin (Engl Ed) 2020; 16: 128–129. DOI: 10.1016/j.reuma.2018.02.001).

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Abb. 3 Die koronare fettsupprimierte PD-Aufnahme des Unterarms zeigt die Stelle der Überkreuzung der Sehnen des M. extensor carpi radialis brevis (ECRB) und M. extensor carpi radialis longus (ECRL) sowie des M. abductor pollicis longus (APL) und M. extensor pollicis brevis (EPB). Zudem ist ein Ödem um die Sehne sowie eine Partialruptur der Sehne des M. extensor pollicis longus (EPL) erkennbar (Pfeil) bei einem Patienten mit zusätzlicher distaler Radiusfraktur (Knochenmarködem, Gelenkerguss).
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Abb. 4 Koronare fettsupprimierte PD-Aufnahme bei einem asymptomatischen Patienten mit distalem Intersektionssyndrom (DIS, Pfeil).
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Abb. 5 Sagittale fettsupprimierte PD-Aufnahme eines Patienten mit distalem Intersektionssyndrom mit langstreckigem Ödem (Pfeil) sowie Irritation der Sehnenscheiden bis zu ihren Insertionsstellen. Der Patient litt unter einer Kombination aus proximalem und distalem Intersektionssyndrom infolge einer distalen Radiusfraktur.
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Abb. 6 (a–c) Axiale fettsupprimierte PD-Aufnahme eines Patienten mit DIS, die die Kreuzungsstelle der Extensorensehnen des zweiten und dritten Kompartiments zeigt (fokale Flüssigkeitsansammlung). Zudem ist ein Längssplitting der EPL-Sehne erkennbar (schmaler Pfeil) sowie eine weitere Flüssigkeitsansammlung entlang des Sehnenverlaufs (großer Pfeil).
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Abb. 7 Axiale fettsupprimierte PD-Aufnahme eines Patienten mit distaler Radiusfraktur einschließlich Beteiligung des Lister-Tuberkels (Pfeil). Infolgedessen kam es zu einer Luxation der EPL-Sehne mit begleitendem DIS.
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Abb. 8 Axiale fettsupprimierte PD-Aufnahme eines Patienten mit distalem Intersektionssyndrom, begleitender Tenosynovitis und Riss der Sehne des M. extensor pollicis longus an der Kreuzungsstelle (langer Pfeil). Zusätzlich ist eine de-Quervain-Tenosynovitis sichtbar (kurzer Pfeil).

Differenzialdiagnostisch sind beim DIS unter anderem das Drummer’s Wrist (eine Tendinitis des Schlagzeugerhandgelenks, die auf wiederholte Hand- und Handgelenksbewegungen beim Schlagzeugspielen zurückzuführen ist), eine Ruptur des metacarpophalangealen Bandes sowie eine Fingerstauchung in Erwägung zu ziehen.

Intersektionssyndrome können sowohl beidseitig, unilateral als auch kombiniert auftreten. Häufig sind sie im Zusammenhang mit einer Handgelenksfraktur zu beobachten, insbesondere im Fall des DIS. Hier begünstigt eine Fraktur des Lister-Tuberkels zusammen mit einem Riss der Sehne des M. extensor pollicis longus an der Knochenrolle eine Luxation, die wiederum die Extensorsehnen des zweiten und dritten Sehnenkompartiments gegenseitig behindern kann.

In seltenen Fällen kann es auch zu einer Überkreuzung der Sehnen des M. flexor carpi radialis brevis und des M. flexor carpi radialis kommen, begleitet von einem longitudinalen Riss der Sehne des letzteren Muskels (Hongsmatip P et al., Skeletal Radiol 2019; 48: 457–460. DOI: 10.1007/s00256–018–3034–1).

Es ist zudem wichtig, die bereits erwähnte de Quervain’sche Tenosynovitis zu differenzieren, da diese oft als Intersektionssyndrom fehlinterpretiert wird. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine Überkreuzung zweier Sehnenkompartimente. Vielmehr entsteht bei der de Quervain’schen Tenosynovitis eine Reibung durch das enge Aneinanderliegen der Sehnen des M. extensor pollicis brevis und des M. abductor pollicis longus im ersten Extensorenkompartiment ([Abb. 8] und [Abb. 9]). Diese Reibung tritt insbesondere bei sich wiederholenden Daumenbewegungen auf, wie sie etwa beim Schreiben von Textnachrichten oder Gaming am Smartphone vorkommen.

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Abb. 9 Sagittale STIR-Aufnahme bei de-Quervain-Tenosynovitis (Pfeil) mit Verdickung und T2-Signalanhebung der Sehnen von EPB und APL.

Die de Quervain’sche Tenosynovitis ist häufig mit Schwangerschaft, rheumatoider Arthritis oder einem Myxödem assoziiert. Auch anatomische Varianten, wie etwa ein Septum innerhalb des ersten Extensorenkompartiments, können die Entstehung dieser speziellen stenosierenden Tenosynovitis begünstigen. Typische Symptome sind ausstrahlende Schmerzen, die vom Processus styloideus radii in Richtung Daumen und Unterarm ziehen, begleitet von Schwellung und Druckempfindlichkeit des ersten Extensorsehnenkompartiments (positiver Finkelstein-Test).

Die Behandlung von Intersektionssyndromen erfolgt in der Regel konservativ, durch längere Ruhephasen und die Vermeidung bzw. Änderung der auslösenden repetitiven Bewegungsabläufe. Falls dies nicht zu einer Linderung führt, können Steroidinjektionen hilfreich sein. Nichtsteroidale Antiphlogistika können den Schmerz lindern, und das Ödem kann durch eine spezialisierte Laserbehandlung reduziert werden. Sollte die konservative Therapie keinen Erfolg zeigen, ist eine Synovialektomie sowie eine Inzision der dicken Faszie des M. abductor pollicis longus indiziert.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 11. März 2025

Angenommen nach Revision: 18. März 2025

Artikel online veröffentlicht:
10. April 2025

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